Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (5. Kammer) - 5 Sa 188/11
Tenor
1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um den Bestand eines zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses, der durch eine Kündigung des beklagten Amtes in Frage gestellt ist.
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Die Klägerin steht seit Februar 2008 in einem Arbeitsverhältnis zu dem beklagten Amt. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Gemeinschaft für Arbeit auf R. als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) von Anfang an mit öffentlichen Geldern gefördert worden. Das Arbeitsverhältnis war zunächst befristet, zuletzt reichte die Befristung bis zum 7. September 2009. Das Arbeitsverhältnis ist dann aber in Anschluss an die letzte Befristung unbefristet fortgeführt worden. Seit diesem Zeitpunkt wird das Arbeitsverhältnis durch die Gemeinschaft für Arbeit auf R. noch mit einem Satz von 65 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts gefördert. Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin beträgt 1.350,00 Euro.
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Das beklagte Amt hat die Klägerin allerdings zu keinem Zeitpunkt selbst beschäftigt. Sie ist vielmehr der amtsangehörigen Gemeinde D. zur Mitarbeit im dortigen Fremdenverkehrsamt überlassen worden.
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Das beklagte Amt beschäftigt im Rahmen der Amtsverwaltung mit Sitz in A-Stadt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Bei ihm ist auch ein Personalrat für die Beschäftigten der Amtsverwaltung gebildet worden.
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Außerhalb der eigentlichen Aufgaben der Amtsverwaltung beschäftigt das beklagte Amt eine größere Gruppe von Beschäftigten, die in öffentlich geförderten Beschäftigungsverhältnissen stehen. Zum Zeitpunkt der letzten Personalratswahlen bestand diese Gruppe aus 47 Beschäftigten und sie bestand auch noch zum Zeitpunkt der Kündigung im Januar 2011 in einer ähnlichen Größenordnung. Die Beschäftigten dieser Gruppe werden überwiegend im Rahmen der Grünpflege eingesetzt, teilweise werden sie aber auch – wie im Falle der Klägerin – an die amtsangehörigen Gemeinden ausgeliehen und nehmen dort dann verschiedene Aufgaben wahr. Innerhalb des beklagten Amtes wird diese Beschäftigtengruppe als „ABM-Koordinierung W.“ bezeichnet, da sie vom Standort W. aus durch Herrn K., einem Mitarbeiter des Amtes, angeleitet und gesteuert wird. Ausweislich des Briefkopfes des Kündigungsschreibens vom 31. Januar 2011 ordnet das beklagte Amt die „Abteilung ABM-Koordinierung“ ihrem Amt für zentrale Dienste und Finanzen zu. Der Wahlvorstand für die Durchführung der Personalratswahlen in der Amtsverwaltung hatte die Beschäftigten der ABM-Koordinierung nicht in die Wählerliste aufgenommen.
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Im Fremdenverkehrsamt der Gemeinde D-Stadt ist es zu Spannungen zwischen der Klägerin und anderen Mitarbeiterinnen gekommen, die letztlich dazu geführt haben, dass die von der Gemeinde D. als Leiterin des Fremdenverkehrsamtes eingesetzte Mitarbeiterin den Posten aufgegeben hat. Dabei soll sie gesagt haben, dass sie wegen der von der Klägerin ausgehenden feindseligen Haltung ihren Dienstposten aufgegeben habe. Der in weiten Teilen streitige Sachverhalt ist weder vom Arbeitsgericht noch vom Landesarbeitsgericht weiter aufgeklärt worden.
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Jedenfalls hat die Gemeinde D-Stadt das beklagte Amt in der Folgezeit aufgefordert, die Klägerin wieder zurückzunehmen, da es keine Vertrauensbasis mehr für eine weitere Zusammenarbeit gebe; eine weitere Mitarbeit der Klägerin im dortigen Fremdenverkehrsamt hat die Gemeinde strikt abgelehnt.
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Da das beklagte Amt keine eigene Verwendung für die Klägerin hatte, ist diese sodann mit Schreiben des beklagten Amtes vom 31. Januar 2011 zum 28. Februar 2011 gekündigt worden. Das Kündigungsschreiben ist von der Amtsvorsteherin unterzeichnet (Anlage K9 zur Klageschrift, hier Blatt 24). Herr K., der Leiter der ABM-Koordinierung W. hatte vor Ausspruch der Kündigung formlos beim Personalrat der Amtsverwaltung angefragt, ob eine Beteiligung wegen der Kündigung gewünscht sei, was der Personalrat abgelehnt habe, da er für die Klägerin nicht zuständig sei. Daher ist die Kündigung gänzlich ohne vorhergehende förmliche Beteiligung des Personalrats ausgesprochen worden.
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Die Klägerin wehrt sich mit einer Kündigungsschutzklage, die am 21. Februar 2011 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, gegen diese Kündigung. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 25. Mai 2011 in vollem Umfang entsprochen. Das Arbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei nach § 68 Absatz 7 Landespersonalvertretungsgesetz (LPersVG) wegen der fehlenden Beteiligung des Personalrats unwirksam. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.
- 10
Mit der Berufung, die rechtzeitig eingelegt und rechtzeitig begründet worden ist, verfolgt das beklagte Amt das Begehren der Klageabweisung weiter fort.
- 11
Das beklagte Amt ist der Auffassung, bei der ABM-Koordinierung W. handele es sich um einen unselbständigen Eigenbetrieb unter dem Dach des Amtes Nord-R.. Folgerichtig hätten die seinerzeit 47 Mitarbeiter auch nicht an der Personalratswahl teilgenommen. Selbst wenn die ABM-Koordinierung Dienststelle wäre, bestehe eine Anhörungspflicht gegenüber Arbeitnehmern eines Betriebsteils nicht, deren Belegschaft an einer Betriebsratswahl nicht teilgenommen habe. Jedenfalls habe aber der Personalrat deutlich gemacht, dass er sich abschließend nicht mit der beabsichtigten Kündigung der Klägerin beschäftigen werde.
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Das beklagte Amt beantragt,
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unter Abänderung des am 25. Mai 2011 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Stralsund (3 Ca 107/11), die Klage abzuweisen.
- 14
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
- 16
Die Klägerin verteidigt das ergangene Urteil und weist ergänzend darauf hin, dass der streitigen Kündigung auch die soziale Rechtfertigung im Sinne von § 1 KSchG fehle.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit richtig entschieden. Das Landesarbeitsgericht schließt sich ausdrücklich den zutreffenden Erwägungen des Arbeitsgerichts an. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht.
I.
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Die Kündigung kann wegen der fehlenden Beteiligung des beim beklagten Amt gebildeten Personalrats nicht wirksam sein.
- 20
Nach § 68 Absatz 7 LPersVG ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Diese Rechtsfolge tritt allerdings nur ein, wenn es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, das der Beteiligung eines Personalrats unterliegt. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Denn die Klägerin ist Beschäftigte im Sinne von § 3 LPersVG und sie ist in die vom beklagten Amt geführte Dienststelle eingegliedert.
1.
- 21
Die Klägerin steht in einem Arbeitsverhältnis zu dem beklagten Amt. Die Arbeitsverträge sind ausweislich der Anlagen K 1 (BI. 11, 12 d. A.), K 3 (BI. 14, 15 d. A.), K 5 und K 6 (BI. 18, 19 d. A.) zwischen der Klägerin und dem beklagten Amt, ABM-Koordinierung, vertreten durch die Amtsvorsteherin, geschlossen worden. Die Kündigung vom 31.01.2011 ist ebenfalls durch das beklagte Amt, vertreten durch die Amtsvorsteherin (Anlage K 9, BI. 24 d. A.) ausgesprochen worden.
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Auch Arbeitsverhältnisse im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) sind Arbeitsverhältnisse, die unter § 3 LPersVG fallen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht zutreffend für die entsprechende Vorschrift in § 4 BPersVG entschieden (BVerwG 15. März 1994 – 6 P 24.92 – AP Nr. 53 zu § 75 BPersVG = PersV 1995, 26 = PersR 1994, 288; Vogelgesang/Bieler/Schroeder-Printzen/Stange, Kommentar zum LPersVG Mecklenburg-Vorpommern, § 3 LPersVG, RN 44).
2.
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Die Klägerin gehört auch der von der Beklagten geführten Dienststelle namens Amtsverwaltung an.
a)
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Diese Feststellung wird nicht mit dem Hinweis auf den tatsächlichen Einsatz der Klägerin bei der Gemeinde D-Stadt in Frage gestellt. Denn auch soweit eine Dienststelle bei ihr beschäftigte Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung überlässt, bleiben diese Angehörige der Dienststelle. Wie bei der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung in der Privatwirtschaft findet lediglich eine Aufspaltung der Arbeitgeberfunktionen statt. Das beklagte Amt als Vertragsarbeitgeber bleibt zuständig für die Statusfragen im Arbeitsverhältnis und die Gemeinde als Einsatzarbeitgeber ist zuständig für die Wahrnehmung des Direktionsrechts im Rahmen der Erfüllung der übertragenen Aufgaben. In diesem Zusammenhang bestimmt § 14 Absatz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), dass Leiharbeitnehmer auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei einem Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebes des Verleihers bleiben. Diese Regelung, die unmittelbar nur für die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung im Sinne von § 1 AÜG gilt, wird für Fälle der nichtgewerblichen Arbeitnehmerüberlassung auch im öffentlichen Dienst – hier gegeben – entsprechend angewendet (BAG 18. Januar 1989 – 7 ABR 62/87 – BAGE 60, 368 = AP Nr. 2 zu § 14 AÜG = DB 1989, 1419).
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Zudem muss vorliegend beachtet werden, dass die Überlassung der Klägerin an die Gemeinde D-Stadt zeitlich vor Ausspruch der Kündigung geendet hatte und sie daher zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auf jeden Fall wieder Mitglied der Amtsverwaltung war.
b)
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Zutreffend ist das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass die ABM-Koordinierung in W. nicht soweit verselbstständigt ist, dass man sie nicht mehr zu der Amtsverwaltung des beklagten Amtes zählen kann.
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Mit überzeugenden Gründen hat das Arbeitsgericht dargelegt, dass es sich bei der ABM-Koordinierung in W. nicht um einen Eigenbetrieb des beklagten Amtes handeln kann. In dieser Beziehung hat auch die Berufung keine neuen Aspekte vorgetragen. Daher erübrigen sich insoweit weitere Ausführungen.
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Ergänzend ist festzustellen, dass die ABM-Koordinierung in W. auch nicht als eine sonstige eigene (zweite) Dienststelle des beklagten Amtes angesehen werden kann. Dienststellen im Sinne von § 8 LPersVG sind organisatorische Einheiten (Beschäftigungsstellen), die mit einem selbstständigen Aufgabenbereich und mit organisatorischer Selbstständigkeit ausgestattet sind (vgl. zu der entsprechenden Regelung im Bundesrecht nur BVerwG 2. März 1993 – 6 P 34.91 – PersR 1993, 266 = Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 85; BAG 20. Januar 2000 – 2 ABR 19/99 – ZTR 2001, 89; Koch in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 264 RN 2).
- 29
Es kann offen bleiben, ob die ABM-Koordinierung in W. einen selbstständigen Aufgabenbereich im Sinne dieser Definition hat, denn jedenfalls fehlt es ihr an der notwendigen organisatorischen Selbstständigkeit. Die notwendige organisatorische Selbstständigkeit ist nur gegeben, wenn der Leiter der Organisationseinheit über relevante Entscheidungsbefugnisse in den wichtigen beteiligungspflichtigen Angelegenheiten verfügt. Dabei kommt es nicht auf ein Abzählen der Anzahl der dort zu entscheidenden beteiligungspflichtigen Angelegenheiten an, sondern auf eine gewichtende Betrachtung, in die die Bedeutung der Beteiligungsrechte für den Personalrat einfließt (Vgl. nur BVerwG 7. Juli 1993 – 6 P 4.91 – PersR 1993, 491 = PersV 1994, 473 = Buchholz 250 § 92 BPersVG Nr. 4; Koch in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 264 RN 4).
- 30
In diesem Sinne fehlen Herrn K., dem Leiter der ABM-Koordinierung die für die Anerkennung der Dienststelleneigenschaft notwendigen Entscheidungsbefugnisse. Wie man anhand der Zusammenarbeit des beklagten Amtes mit der Klägerin schon erkennt, ist die Einstellung und die Kündigung durch das beklagte Amt selbst erfolgt und nicht durch die ABM-Koordinierung. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat sich kein anderes Bild ergeben. Herr K. mag Befugnisse haben, soweit diese zur operativen Steuerung des ihm unterstehenden Personals erforderlich sind; weiter gehen seine Befugnisse nicht. Das reicht für die Bejahung einer eigenen Dienststelle nicht aus.
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Es kann offen bleiben, ob man die ABM-Koordinierung als eine Nebenstelle oder eine Teildienststelle im Sinne von § 8 Absatz 2 LPersVG ansehen kann, denn personalvertretungsrechtliche Konsequenzen hätte dies nach der genannten Norm nur, wenn die oberste Dienstbehörde nach Vorabstimmung innerhalb der Belegschaft diese Organisationseinheit zu einer personalvertretungsrechtlich selbstständigen Dienststelle erklärt hätte. Das ist vorliegend nicht der Fall.
3.
- 32
Die nach §§ 68 Absatz 1 Nr. 2, 62 LPersVG bestehende Pflicht des Arbeitgebers, vor Ausspruch einer Kündigung die Zustimmung des Personalrats zu erwirken, ist nicht dadurch entfallen, dass der Personalrat auf informelle Anfrage erklärt hat, er sei für diese Angelegenheit nicht zuständig.
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Denn der Umfang der Beteiligungsrechte des Personalrats bestimmt sich allein nach dem Gesetz und hängt nicht von dem Willen des Personalrats ab, der die Rechte nach diesem Gesetz wahrzunehmen hat. Im Übrigen ist der Parteivortrag wohl so zu verstehen, dass sich der Personalrat als Gremium nicht förmlich mit der Angelegenheit befasst hat, sondern nur eine Auskunft – vermutlich die des oder der Vorsitzenden – dazu vorliegt. Da dieser Auskunft keine Abstimmung im Gremium zu Grunde liegt, kann gar nicht ermessen werden, wie der Personalrat als Gremium sich zu der Angelegenheit verhalten hätte, wenn es einen förmlichen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung der Klägerin gegeben hätte.
II.
- 34
Die Kosten der Berufung trägt das beklagte Amt, da das Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist.
- 35
Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG liegen nicht vor.
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Referenzen
- § 3 LPersVG 3x (nicht zugeordnet)
- § 1 AÜG 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 KSchG 1x (nicht zugeordnet)
- 3 Ca 107/11 1x (nicht zugeordnet)
- § 14 AÜG 1x (nicht zugeordnet)
- BPersVG § 75 2x
- § 68 Absatz 7 LPersVG 1x (nicht zugeordnet)
- BPersVG § 92 1x
- § 8 LPersVG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 68 Absatz 1 Nr. 2, 62 LPersVG 2x (nicht zugeordnet)
- 2 ABR 19/99 1x (nicht zugeordnet)
- 7 ABR 62/87 1x (nicht zugeordnet)
- § 8 Absatz 2 LPersVG 1x (nicht zugeordnet)
- BPersVG § 4 1x
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x