Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (8. Kammer) - 8 Sa 466/10

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 17.6.2010, Az.: 1 Ca 2782/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer betrieblichen Altersversorgung.

2

Die Klägerin, Mitglied der Gewerkschaft Z, war zunächst auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 02.05.1997 bei der Y Sozialdienste gGmbH als Altenpflegerin beschäftigt. § 14 dieses Arbeitsvertrages hat folgenden Inhalt:

3

"§ 14
Für die Arbeitsbedingungen im übrigen gelten die Bestimmungen des Tarifvertrages zwischen der Y Sozialdienste gGmbH in Rheinland-Pfalz und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (X), Bezirksverwaltung Rheinland-Pfalz, in Kraft seit 1. Juli 1990, längstens jedoch bis zum Zustandekommen eines Tarifvertrages für das jeweilige Tarifgebiet oder die jeweilige Einrichtung. Ab diesem Zeitpunkt gelten dann die Bestimmungen des geschlossenen Tarifvertrages. …"

4

Am 07.07.1998 schloss die Y Gesundheitsdienste gGmbH mit der Gewerkschaft X einen Tarifvertrag über eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung. Dieser enthält u.a. folgende Bestimmungen:

5

"§ 1 Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt für die Arbeitnehmer in den Einrichtungen der Y gGmbH in Rheinland-Pfalz.

6

§ 3 Form der Zusatzversorgung
Die Versorgung der Arbeitnehmer erfolgt auf Basis von Direktversicherungen nach § 1 Absatz 2. Satz 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) bei der W Lebensversicherung AG (nachfolgend Volksfürsorge genannt).

7

"§ 5 Beitragszahlung
Der Arbeitgeber leistet die Beiträge zur Direktversicherung zzgl. pauschalierter Lohnsteuer nach § 40 b EStG (einschließlich pauschaler Kirchensteuer und ggf. Solidarbeitrag) in folgenden Stufen:

8

Stufe 1: 100,00 DM monatlich für alle Arbeitnehmer ab dem siebten Monat nach Betriebseintritt.

9

Stufe 2: 120,00 DM monatlich für alle Arbeitnehmer ab 42 Monaten (3 ½ Jahren) Betriebszugehörigkeit.

10

Stufe 3: 160,00 DM monatlich für alle Arbeitnehmer ab 78 Monaten (6 ½ Jahren) Betriebszugehörigkeit.

11

Stufe 4: 160,00 DM monatlich für alle Arbeitnehmer, die zum Beginn des Versorgungswerkes oder zum Tätigkeitsbeginn das 50.  Lebensjahr vollendet haben (nicht additiv, wenn Voraussetzungen der Stufe 3 und 4 zusammenfallen).

12

Für Arbeitnehmer, welche die Hälfte oder weniger als die Hälfte der tarifvertraglich vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit arbeitsvertraglich vereinbart haben, wird die Hälfte der in Absatz 1 genannten Beiträge geleistet. Die Versicherungsleistung verringert sich entsprechend.

13

Die Beiträge werden von dem Arbeitgeber nur so lange gezahlt, wie Anspruch auf Vergütung besteht. Nach Ende der Lohnfortzahlung bei längerer Krankheit oder im Erziehungsurlaub ruht die Beitragszahlung der Einrichtung."

14

Die in § 3 dieses Tarifvertrages genannte Versicherungsgesellschaft fusionierte mit der V Versicherung.

15

Die Y Gesundheitsdienste gGmbH firmierte in der Folgezeit unter dem Namen U Gesundheitsdienste gGmbH. Diese kündigte mit Schreiben vom 22.09.2004 den o.g. Tarifvertrag zum 31.03.2005.

16

Am 24.09.2004 kam es zwischen der U Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG und der Gewerkschaft Z zum Abschluss eines Manteltarifvertrages. Dieser wurde seitens der U Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG als Konzernmuttergesellschaft auch in Vertretung der in der Anlage A zu diesem Manteltarifvertrag genannten Tochtergesellschaften, wozu auch die Beklagte gehört, rechtswirksam abgeschlossen (vgl. hierzu: BAG vom 17.10.2004 - 4 AZR 1005/06 - NzA 2008, 713). Der Manteltarifvertrag, der mit Wirkung zum 01.01.2004 in Kraft trat, enthält in § 23 folgende Bestimmung:

17

" § 23
Zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung

18

Eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung wird in einem gesonderten Alterssicherungstarifvertrag geregelt."

19

Zum Abschluss eines gesonderten Alterssicherungstarifvertrages kam es bislang nicht.

20

Die Beklagte, die die Einrichtung, in welcher die Klägerin tätig ist, gemäß § 613 a BGB erworben hat, zahlte bis einschließlich November 2006 die monatlichen Beiträge auf die zu Gunsten der Klägerin abgeschlossene Lebensversicherung in Höhe von zuletzt 61,36 Euro. Ab Dezember 2006 stellte sie ihre Zahlungen ein.

21

Mit ihrer am 07.12.2009 beim Arbeitsgericht eingereichten und mit Schriftsatz vom 31.05.2010 erweiterten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung ausstehender Beiträge zur Lebensversicherung für die Zeit von Dezember 2006 bis einschließlich Mai 2010.

22

Die Klägerin hat beantragt:

23

die Beklagte wird verurteilt, an die V Versicherung auf die Lebensversicherungs-Nr. BAV-KSHH-2, Lebensversicherungs-Nr. 1-27.711.404-5 einen Betrag in Höhe von 2.517,11 EUR zu zahlen.

24

Die Beklagte hat beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, der Tarifvertrag über eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung vom 07.07.1998 sei durch den Manteltarifvertrag vom 24.09.2004 vollständig abgelöst worden und entfalte daher keine Nachwirkung mehr.

27

Von einer weitergehenden (wiederholenden) Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 17.06.2010 (Bl. 86 - 88 d.A.).

28

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 17.06.2010 stattgegeben. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 f (= Bl. 88 f. d.A.) verwiesen.

29

Gegen das ihr am 02.08.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 31.08.2010 Berufung eingelegt und diese am Montag, dem 04.10.2010, begründet.

30

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, die Klägerin habe keinen Anspruch mehr auf Zahlung von Versicherungsbeiträgen in die Direktversicherung. Die Regelungen des Tarifvertrages über eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung vom 07.07.1998 hätten sich aufgrund der Kündigung dieses Tarifvertrages nur noch in Nachwirkung befunden und seien durch eine andere Abmachung i.S.v. § 4 Abs. 5 TVG, nämlich durch den Manteltarifvertrag vom 24.09.2004 im Sinne einer ersatzlosen Aufhebung ersetzt worden.

31

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 04.10.2010 (Bl. 110 - 112 d.A.) Bezug genommen.

32

Die Beklagte beantragt,

33

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

34

Die Klägerin beantragt,

35

die Berufung zurückzuweisen.

36

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 09.11.2010 (Bl. 123 - 125 d.A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

37

I. Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung stattgegeben.

38

II. Die Klage ist begründet.

39

Das Berufungsgericht folgt den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener, vollständiger Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beklagten erscheinen lediglich folgende ergänzenden Klarstellungen angezeigt:

40

Die Kündigung des Tarifvertrages über eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung bewirkte keinen Wegfall des Anspruchs der Klägerin auf Zahlung von Beiträgen, da der betreffende Tarifvertrag nach § 4 Abs. 5 TVG Nachwirkung entfaltet. Die nachwirkenden Tarifvertragsnormen wurden auch nicht durch den Abschluss des Manteltarifvertrages vom 24.09.2004 ersetzt.

41

Eine Ersetzung durch eine "andere Abmachung" im Sinne von § 4 Abs. 5 TVG kann u.a. durch einen für beide Parteien geltenden Tarifvertrag geschehen. Die Nachwirkung des abgelaufenen Tarifvertrages entfällt aber nur insoweit, als die andere Abmachung den selben Regelungsbereich erfasst. Maßgeblich ist, inwieweit die andere tarifliche Abmachung die in den nachwirkenden Rechtsnormen behandelten Gegenstände betrifft. Dabei wird die Nachwirkung nicht nur dann beendet, wenn der neu in Kraft getretene Tarifvertrag die ursprüngliche Regelung aufgreift, bestätigt, abändert oder ausdrücklich für beendet erklärt. Auch eine stillschweigende Ablösung ist möglich, wenn ein Tarifvertrag einen bestimmten Komplex von Arbeitsbedingungen insgesamt neu regelt, der bislang Gegenstand eines anderen Tarifvertrages war (BAG v. 21.10.2009 - 4 AZR 477/08 - AP Nr. 50 zu § 4 TVG Nachwirkung).

42

Der Manteltarifvertrag vom 24.09.2004 führt nicht zu einer Ablösung des nachwirkenden Tarifvertrages über eine zusätzlich Alters- und Hinterbliebenenversorgung vom 07.07.1998. Die Tarifvertragsparteien haben in § 23 dieses Manteltarifvertrages ausdrücklich festgehalten, dass eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung in einem gesonderten Alterssicherungstarifvertrag geregelt werden soll. Die Tarifvertragsparteien wollten somit über diesen Regelungsbereich einen selbständigen Tarifvertrag abschließen. Eine solche tarifliche Abmachung zum Komplex "Alters- und Hinterbliebenenversorgung" steht noch aus. Dem Wortlaut des Manteltarifvertrages lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, dass die Nachwirkung des Tarifvertrages über eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung bereits vor Abschluss des in § 23 des Manteltarifvertrages avisierten gesonderten Alterssicherungstarifvertrages beendet werden soll. Dies widerspräche auch der von der Regelung des § 4 Abs. 5 TVG bezweckten bestandssichernden Überbrückungsfunktion des nachwirkenden Tarifvertrages (vgl. LAG Rheinland-Pfalz vom 25.03.2010 - 10 Sa 695/09 -).

43

III. Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

44

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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