Urteil vom Landgericht Aachen - 11 O 131/00
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder einer öffentlichen Sparkasse erbracht werden.
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T a t b e s t a n d
2Zwischen den Parteien besteht ein gewerblicher Mietvertrag vom 14.01.1988 über das Grundstück XXX in XXX (Bl. 7 ff. d. A.). Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Vermieters XXX; die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der früheren Mieterin, der XXX. Die Jahresmiete beträgt derzeit netto 588.000,00 DM (ohne Nebenkosten und Mehrwertsteuer).
3Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, die gemeindlichen Abgaben für Niederschlagswasser zu tragen. In dem Mietvertrag findet sich in § 3 Ziffer 5 eine Regelung zur Übernahme der Nebenkosten durch den Mieter (Bl. 12 d. A.). Diese Regelung nennt als Nebenkosten, die von der Mieterin zu tragen sind, die Kanalbenutzungsgebühr, Schornsteinreinigungsgebühren, Straßenreinigungskosten sowie Müllabfuhrgebühren.
4Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wurden Niederschlagswassergebühren von der Stadt XXX noch nicht erhoben. Erstmals im Jahr 1995 stellte die Stadt XXX diese Gebühren in Rechnung. Für das Jahre 1997 hat die Beklagte die Niederschlagswasserabgaben in Höhe von 13.489,57 DM gezahlt. Die Nebenkostenabrechnungen wurden von der Klägerin jeweils zur Jahresmitte des folgenden Jahres vorgenommen.
5Die Klägerin macht folgende Beträge geltend:
615.129,09 DM für das Jahr 1995
715.129,09 DM für das Jahr 1996
814.427,23 DM für das Jahr 1998
914.427,23 DM für das Jahr 1999
1059.112,63 DM Gesamt
11Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet, die Gebühren für Niederschlagswasser zu zahlen. Diese Gebühren hätten bei Abschluß des Mietvertrages nicht berücksichtigt werden können; es sei jedoch selbstverständlich, daß der Mieter die Nebenkosten tragen müsse, so daß im Wege einer Vertragsanpassung von einer Zahlungspflicht der Beklagten auszugehen sei. Mit der Zahlung für das Jahr 1997 habe die Beklagte zudem ihre Verpflichtung anerkannt.
12Die Klägerin beantragt,
13die Beklagte zu verurteilen, an sie 59.112,63 DM nebst 6 % Zinsen von 15.129,09 DM ab 30.06.1996, 15.129,09 DM ab 30.06.1997, von 14.427,23 DM ab 30.06.1999, und von 14.427,23 DM ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte behauptet, die Zahlung im Jahr 1997 sei irrtümlich erfolgt; sie habe zudem bereits mehrfach die Klägerin erfolglos zur Rückzahlung aufgefordert. Zudem bestreitet die Beklagte die Höhe des geltend gemachten Zinsschadens.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend verwiesen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
19Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der Niederschlagswassergebühren.
20Zunächst ist kein Anerkenntnis der Beklagten in der einmaligen Zahlung der Gebühren für das Jahr 1997 gegeben. Die schlichte Erfüllung einer Forderung stellt ohne weitere Erklärung des Leistenden keinen Tatbestand dar, an den eine Rechtsfolge im Sinne eines Anerkenntnisses weitergehender Ansprüche - auch wiederkehrender Zahlungsverpflichtungen - gesehen werden kann. Es ist jedoch nicht vorgetragen, daß die Beklagte eine derartige Erklärung abgegeben hat. Auch ein konkludentes Einverständnis mit der Abwälzung der Niederschlagswassergebühren kann aufgrund einer einmaligen Zahlung nicht angenommen werden (Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage 1999, Rn. III. A 36; BGH NZM 2000, 961 f.).
21Auch aus dem zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrag ergibt sich eine Zahlungspflicht der Beklagten nicht. Die vertragliche Regelung in § 3 Ziffer 5 des Mietvertrages vom 14.01.1988 nennt als Nebenkosten, die von der Beklagten zu tragen sind, die Niederschlagswasserabgaben nicht. Eine ergänzende Auslegung des Vertrages in dem Sinne, daß die Beklagte die Niederschlagswassergebühren tragen muß, ist nach Auffassung der Kammer nicht vorzunehmen. Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist zunächst, daß eine planwidrige Unvollständigkeit des Vertrages gegeben ist. Eine derartige Lücke kann sich auch aus nachträglichen Änderungen der wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergeben (Palandt/Heinrichs, BGB, § 157 Rn. 3; BGHZ 23, 282, 285f). Im vorliegenden Fall haben sich die rechtlichen Verhältnisse insoweit geändert, daß die Stadt XXX eine weitere Gebühr in Form einer Niederschlagswasserabgabe eingeführt hat. Eine Lücke scheidet jedoch dann aus, wenn die getroffene Regelung nach dem Willen der Parteien abschließend sein sollte (Palandt/Heinrichs a. a. O.). Nach Auffassung der Kammer ist die Klausel in § 5 Ziffer 3 so zu verstehen, daß die Nebenkosten, die von der Beklagten getragen werden sollten, abschließend aufgezählt werden. Dem entspricht, daß grundsätzlich für die Abwälzung von Nebenkosten eine klare und eindeutige Regelung erforderlich ist (Bub/Treier, a. a. O., Rn. 34; Staudinger/Emmerich, 13. Auflage 1995, §§ 535, 536 Rn. 113 f.). Dahinter steht der Zweck, daß der Mietzins im Voraus für die Mieter berechenbar sein soll. Unklarheiten gehen im Zweifel zu Lasten des Vermieters (Staudinger/Emmerich, a. a. O., Rn. 114).
22Weiter findet sich im Vertragstext auch kein Vorbehalt hinsichtlich späterer noch nicht erhobener gemeindlicher Gebühren. Der Regelung in § 5 Ziffer 3 des Mietvertrages läßt sich auch nicht entnehmen, daß alle Nebenkosten von der Beklagten getragen werden sollen.
23Einer automatischen Vertragsanpassung steht nach Auffassung der Kammer außerdem § 17 Ziffer 3 des Mietvertrages entgegen. Dort ist geregelt, daß Änderungen und Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedürfen.
24Auch eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt vorliegend nicht in Betracht. Unabhängig davon, ob die Nichtveränderung der Nebenkosten überhaupt als Geschäftsgrundlage des Mietvertrages anzusehen ist, wäre Voraussetzung für eine Vertragsanpassung stets, daß eine wesentliche Veränderung gegeben ist. Nach Auffassung der Kammer ist von einer derartigen Veränderung im vorliegenden Fall jedoch nicht auszugehen, was an der Relation der jährlichen Niederschlagswasserkosten zu dem gesamten jährlichen Mietzins von 488.000,00 DM (netto) deutlich wird.
25Letztlich kann die Klägerin lediglich auf eine Änderungskündigung verwiesen werden (Bub/Treier, a. a. O., Rn. 36). Die Kammer ist insoweit auch nicht der Auffassung, daß es unbillig ist, daß die Klägerin das Risiko der - unglücklichen - abschließenden Vertragsformulierung in § 3 Ziffer 5 trägt.
26Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1 ZPO.
27Streitwert: 59.112,63 DM
28XXX XXX XXX
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