Beschluss vom Landgericht Bielefeld - 23 T 251/22 23 T 256/22 23 T 261/22
Tenor
Die angefochtenen Beschlüsse werden abgeändert:
Die dem Beteiligten zu 2) für den Abrechnungszeitraum 11.08.2020-10.05.2021 zustehende Vergütung wird auf 2.220,60 €, für den Zeitraum 11.05.2021-10.08.2021 auf 606,00 € und für den Zeitraum vom 11.08.2021-10.11.2021 auf 423,00 € festgesetzt.
Der Anspruch richtet sich gegen die Landeskasse.
1
Gründe
2Der Beteiligte zu 2) war für die Betroffene mit Beschluss vom 10.08.2020 zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung zum vorläufigen Berufsbetreuer (zunächst ohne Vermögenssorge) bestellt worden, inzwischen ist er der Berufsbetreuer der Betroffenen.
3Auf seinen Vergütungsantrag für den Abrechnungszeitraum vom 11.08.2020-10.05.2021 hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 09.11.2021, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, die ihm zustehende Vergütung auf 2.460,60 € festgesetzt und bestimmt, dass sich der Anspruch gegen die Staatskasse richtet.
4Auf seinen weiteren Vergütungsantrag für den Abrechnungszeitraum vom 11.08.2021-10.11.2021 hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 15.11.2021, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, die ihm zustehende Vergütung auf 537,00 € festgesetzt und bestimmt, dass sich der Anspruch gegen die Staatskasse richtet.
5Das Amtsgericht hat zuletzt mit Beschluss vom 06.12.2021, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, die dem Betreuer zu zahlende Diffenenzvergütung auf 504,00 € festgesetzt und bestimmt, dass sich der Anspruch gegen die Staatskasse richtet. Dies beruht maßgeblich auf der - nach längerer Korrespondenz mit dem Betreuer erlangten - Einschätzung, dass die Fallpauschale nach der Kategorie "vermögend" zu erfolgen habe, da infolge des Grundbesitzes der Betroffenen, in der ihre Tochter lebe, das liquide Vermögen lediglich derzeit nicht zur Verfügung stehe. Daher wurden auch jeweils die gesonderten Pauschalen gemäß § 5a VBVG in Höhe von 30,00 € gewährt.
6Gegen diese Beschlüsse richten sich die von der Beteiligten zu 3) eingelegten Beschwerden, mit der geltend macht wird, dass bei der Wahl der Fallpauschale die Betroffene gemäß § 5 Abs. 4 VBVG i.V.m. § 1836 d BGB als mittellos einzustufen sei.
7Die Beschwerden sind nach §§ 58 Abs. 1, 59 FamFG statthaft und im Übrigen zulässig eingelegt worden.
8Sie sind auch begründet, weil das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss die Mittellosigkeit der Betroffenen gemäß § 1836 d BGB falsch beurteilt hat.
9Die Mittellosigkeit des Mündels/Betreuten bzw. die Frage, ob es entsprechend der vorgenannten Vorschrift als vermögend anzusehen ist, ist im Rahmen der Festsetzung einer Betreuervergütung sowohl im Rahmen der Festsetzung des Stundenansatzes des Betreuers nach § 5 VBVG als auch bei der Frage zu beurteilen, wer Vergütungsschuldner der Betreuervergütung ist.
10Gemäß § 1836 d BGB gilt der Betreute als mittellos, wenn er den Aufwendungsersatz oder die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen
111. nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten oder
122. nur im Wege gerichtlicher Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen
13aufbringen kann.
14Das Amtsgericht hat in den angefochtenen Beschlüssen bei der Wahl der Fallpauschale hinsichtlich des Stundenansatzes zu Unrecht angenommen, dass die Betroffene vermögend sei. Denn die Mittellosigkeit des Betreuten ist für jeden Monat des Abrechnungszeitraumes einheitlich und zwar nach den Verhältnissen zum Ende des Abrechnungsmonats zu beurteilen (BGH FamRZ 2011, 368).
15Im vorliegenden Fall verfügt die Betroffene jedoch über kein berücksichtigungsfähiges Einkommen, sondern maßgeblich über lediglich über ein Hausgrundstück in Porta Westfalica, das ausschließlich von ihrer Tochter genutzt wird und in welches sie infolge ihres Zustandes nicht wieder zurückkehren können wird. Die Immobile ist durch eine Grundschuld massiv belastet und insbesondere wegen der darin aufhältlichen Tochter - nach wie vor - sehr schwer veräußerlich. Dass der Betreuer im Vergütungszeitraum "Vermögen verwaltet" hat, ist für die Einstufung irrelevant.
16Insgesamt stehen dem Beteiligten zu 2), der ursprünglich selbst von einer Mittellosigkeit der Betroffenen ausgegangen war, demnach Vergütungsansprüche für die im Tenor bezeichneten Abrechnungszeiträume in Höhe von insgesamt 3.249,60 € zu; insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die detaillierte Berechnung der Beteiligten zu 3) vom 19.01.2022 Bezug genommen. Wegen der Mittellosigkeit der Betroffenen war auch die Pauschale gemäß § 5a VBVG nicht zu gewähren. Die bisherigen Leistungen werden bei der weiteren Auszahlung zu berücksichtigen sein.
17Der Vergütungsanspruch des Beteiligten zu 2) richtet sich gegen die Landeskasse. Denn für die Frage, wer als Vergütungsschuldner in Anspruch genommen werden kann, ist hinsichtlich der Mittellosigkeit auf den Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung abzustellen (BGH, XII ZB 582/12, Beschluss vom 6.2.2013, FamRZ 2013, 620).
18Nach fernmündlicher Mitteilung des Beteiligten zu 2) verfügt die Betroffene lediglich über einen Betrag von rund 1.100,00 € auf ihrem Taschengeldkonto, weitere liquiden Mittel stehen nicht zur Verfügung. Da dieser Betrag weit unterhalb des Schonbetrages liegt, ist die Betroffene auch zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer nach § 1836 d Nr. 1 BGB als mittellos einzustufen. Vergütungsschuldner ist deshalb nach § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG die Landeskasse. Diese hat jedoch die Möglichkeit, im Wege des Rückgriffs gegen die Tochter der Betroffenen vorzugehen.
19Rechtsmittelbelehrung:
20Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar, da die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wird.
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Referenzen
- § 5 VBVG 1x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 59 Beschwerdeberechtigte 1x
- XII ZB 582/12 1x (nicht zugeordnet)
- § 5 Abs. 4 VBVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 5a VBVG 2x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 58 Statthaftigkeit der Beschwerde 1x
- BGB § 1836d Mittellosigkeit des Mündels 4x
- § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG 1x (nicht zugeordnet)