Urteil vom Landgericht Bonn - 11 O 31/20
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger ist der Dachverband der 16 Verbraucherzentralen der Länder und 26 weiterer verbraucherpolitischer Verbände in Deutschland. Er wird vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz institutionell gefördert und verfolgt gemäß § 2 Absatz 1 seiner Satzung unter anderem den Zweck, Verbraucherinteressen wahrzunehmen, insbesondere indem er Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften — insbesondere das Unterlassungsklagengesetz (UKlaG), das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen — sowie verbraucherrelevante Datenschutzvorschriften, durch geeignete Maßnahmen sowohl national als auch international, unterbindet.
3Mit seiner Klage macht der Kläger Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gegen die Beklagte geltend. Er ist klagebefugt gemäß § 8 Absatz 3 Nr. 3 UWG bzw. § 3 Absatz 1 Nr.1 UKlaG in Verbindung mit der Nr. 67 der Liste der qualifizierten Einrichtungen des Bundesamtes für Justiz nach § 4 UKlaG.'
4Die Beklagte ist gerichtsbekannt: Sie betreibt u.a. ein bundesweites Fest- und Mobilfunknetz. Sie bietet Verbrauchern Mobilfunkverträge in sog. „A"- Tarifen an, die zum Teil auch die Überlassung eines Endgeräte beinhalten.
5Am 29.01.2016 schloss Herr X aus Z erstmalig bei der Beklagten einen Vertrag über die Erbringung von Mobilfunkdienstleistungen und die Überlassung eines Endgerätes ab. Die Beklagte teilte ihm die Mobilfunk-Rufnummer 0000 00000000 zu. Die Beklagte bestätigte ihm den Vertragsinhalt u.a. wie folgt:
6- 7
A 5 mit Handy for Friends
33,96 Euro
9- 10
Aktion: 12 Monate 10% Grundpreisreduktion 29.01.2016 bis 29.01.2017
30,56 Euro
12- 13
Mindestvertragslaufzeit 24 Monate, Automatische Verlängerung 12 Monate, Kündigungsfrist 3 Monate
- 14
Internet-Geschwindigkeit: bis zu 150 MBit/s im Download und 25 MBit/s im Upload
- 15
Ab 500 MB/Monat reduzieren wir die Geschwindigkeit für den restlichen Monat auf 64 Kbit/s im Download und 16 KBit/s im Upload
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen K2 Bezug genommen.
17Am 05.10.2017 - die verbleibende Mindestlaufzeit des o.g. Vertrages des Kunden X betrug zu diesem Zeitpunkt noch etwa 3 Monate und 24 Tage (05.10.2017 bis 29.01.2018) - verständigte sich der Kunde X mit der Beklagten auf einen Tarifwechsel sowie den Erwerb eines neuen Endgerätes. Die Beklagte bestätigte dem Kunden für dieselbe Rufnummer u.a. folgende beauftragte Leistungen:
18• A $ $$# for Friends
1946,71 Euro
20• Aktion 24M for Friends Aktionsvorteil 05.10.2017 bis 05.10.2019
2137,41 Euro
22• Die Mindestvertragslaufzeit verlängert sich bis zum 29.01.2020; Automatische Verlängerung 12 Monate, Kündigungsfrist 3 Monate
23- 24
HotSpot Flat
Unbegrenzte Internet-Nutzung mit geschätzt bis zu maximal 300 Mbit/s im Download und 50 Mbit/s im Upload
26Ab 3 GB/Monat reduzieren wir die Internet-Geschwindigkeit für den restlichen Monat auf 64 KBit/s im Download und 16 KBit/s im Upload.
27• Einmalige Services und Leistungen:
28Kauf Q $$ Silber
29289,95 Euro
30Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 4 Bezug genommen.
31Diesen Vertrag übernahm am 10.09.2019 der Sohn W des Kunden X. Die Rufnummer blieb unverändert. Auch dieser Kunde wünschte einen Tarifwechsel sowie ein neues Endgerät.
32Die Beklagte bestätigte u.a. folgende Vertragsdetails:
33• A $ Top-$ for Friends Aktionsvorteil
34• Aktion: 24 Monate for Friends Aktionsvorteil
35Sie zahlen ab: 29.09.2019
3648,97 Euro
37Sie zahlen ab: 29.09.2021
3859,46 Euro
39• Die Mindestvertragslaufzeit verlängert sich ab dem 29.01.2020 um 24 Monate bis zum 29.01.2022; Automatische Verlängerung 12 Monate; Kündigungsfrist 3 Monate
40- 41
12 GB/Monat Daten-Nutzung im Netz der G mit bis zu max. 300 MBit/s (Download), 50 MBit/s (Upload), danach Reduzierung auf 64 Kbit/s (Download), 16 Kbit/s (Upload)
Kauf Q $ ## (schwarz) 1,00 Euro
43• ENTFALLENDE LEISTUNGEN
44Monatliche Leistungen
45Ihr bisheriger Tarif Q mit Handy for Friends (3. Gen.) mit allen Inklusivleistungen entfällt zum 29.09.2019.
46Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen K 1 und K 5 Bezug genommen.
47Auf der Website der Beklagten unter der Rubrik "Häufige Fragen und Antworten" finden sich u.a. folgende Abschnitte:
48„Sie möchten Ihren Festnetz-Anschluss auf IP-Technik umstellen oder über Ihren Mobilfunk-Vertrag ein neues Handy bekommen bzw. den Tarif ändern?
49Bei jeder Änderung handelt es sich entweder um einen Tarifwechsel, um eine Vertragsverlängerung oder sogar um beides. "
50sowie
51„Beispiel für eine Vertragsverlängerung und die neue Vertragslaufzeit
52Anhand dieses Beispiels möchten wir Ihnen erklären, wie sich die Vertragslaufzeit bei vorzeitiger Vertragsverlängerung auf die Gesamtlaufzeit auswirkt:
53• Sie haben Ihren Vertrag am 15. Dezember 2014 abgeschlossen.
54• Am 15. August 2016 - also 4 Monate vor Ende der Mindestvertragslaufzeit - möchten Sie Ihren Vertrag verlängern.
55• Den neuen Tarif und Ihr neues Handy erhalten Sie nach der Bestellung am 15. August 2016.
56• Die Laufzeit verlängert sich aber erst ab dem 15. Dezember 2016 um weitere 2 Jahre.
57• Der Vertrag läuft dann also bis zum 14. Dezember 2018."
58Der Kläger mahnte die Beklagte am 19.12.2019. Die Beklagte lehnte die Abgabe einer Unterlassungserklärung mit Schreiben vom 13.01.2020 (Anlage K3, Bl. ## eA) ab. Auf den Inhalt der Anlagen wird Bezug genommen.
59Der Kläger ist der Ansicht, es liege zum einen ein Verstoß gegen § 3a UWG in Verbindung mit § 309 Nr. 9a BGB vor. Die dargestellte, von der Beklagten starr vorgegebene Vorgehensweise führe zu einer unzulässigen bindenden Laufzeit des Vertrages von mehr als zwei Jahren, wenn der Verbraucher in einen höherwertigen Tarif wechsele und dabei auch ein subventioniertes Endgerät erhalten möchte. Soweit der Verbraucher eine Tarif- und Preisänderung mit neuem Endgerät z.B. sechs Monate vor Ablauf der ursprünglichen Mindestlaufzeit wünsche, bestehe zum Zeitpunkt des Abschlusses der zweiten Vereinbarung, die wegen der Veränderung wesentlicher Vertragsbestandteile (anderer Tarif, neues Endgerät, andere AGB, andere Leistungsbeschreibung und anderer Preis) einen neuen Vertrag mit neuen Hauptleistungspflichten darstelle, eine unzulässige vertragliche Bindung des Verbrauchers von 6 plus 24 = 30 Monaten. Diese nehme ein Verbraucher als notwendiges Übel lediglich in Kauf.
60Soweit ein Kunde vorzeitig einen anderen Tarif und ein neues Endgerät wünsche, könne die Beklagte mit dem Kunden jederzeit und dann ohne Verstoß gegen § 309 Nr.9 a BGB eine Aufhebung des alten Vertrages sowie einen neuen Vertrag mit einer zweijährigen Mindestvertragslaufzeit vereinbaren; für noch nicht abgelaufene Mindestvertragslaufzeit des ersten Vertrages könne in den neuen Vertrag ein Zuschlag für das alte Endgerät/den erhöhten Grundpreis aufgenommen werden.
61Sein Unterlassungsanspruch ergebe sich zudem auch aus §§ 3a UWG in Verbindung mit § 43b TKG.
62Der Kläger beantragt,
63die Beklagte zu verurteilen,
641. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen,
65im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, die einen Vertrag über Mobilfunkleistungen bei ihr abgeschlossen haben und die vor dem Ende der regulären Vertragslaufzeit in einen anderen Tarif, der die Überlassung eines Endgerätes an den Verbraucher beinhaltet, wechseln möchten oder gewechselt haben, eine Bestimmung zu verwenden oder sich auf deren Verwendung zu berufen, die wörtlich oder sinngemäß besagt, dass sich die Laufzeit des neuen Vertrages an die Laufzeit des alten Vertrages anschließt, wenn dies dazu führt, dass hierdurch eine vertragliche Bindung des Kunden von zwei Jahren überschritten wird,
66wenn dies geschieht, wie in der nachstehenden Anlage k1 abgebildet
67 68 692. an den Kläger 214,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
70Die Beklagte beantragt,
71die Klage abzuweisen.
72Sie ist der Ansicht, es läge ein Vertrag vom 29.01.2016 vor, den sie in der Folgezeit zwei Mal auf individuellen Wunsch des Kunden verlängert habe. Die getroffenen Individualvereinbarungen unterlägen daher bereits keiner AGB-Kontrolle.
73Zudem liege aber auch kein Verstoß gegen § 309 Nr.9a BGB vor, da beide Vertragsverlängerungen jeweils 24 Monate ab dem ursprünglichen Vertragsende liefen.
74Jeder Kunde könne sich nach einem Vertragsschluss bei ihr zwischen vier Möglichkeiten (fristgerechte Beendigung des Vertrages durch Kündigung, Verlängerung des Vertrages um 12 Monate, Abschluss eines neuen Tarifes und Kündigung des Erstvertrages oder auch vorzeitige Verlängerung seines Vertrages ggf. mit Kauf eines neuen Endgerätes) entsprechend seinen individuellen Bedürfnissen frei entscheiden. Soweit der Kunde sich für die vierte Möglichkeit entscheide und vorzeitig ein neues Endgerät erhalten möchte, bringe er zum Ausdruck, seinen bestehenden Vertrag ab dem Ende der jeweiligen Vertragslaufzeit um weitere 24 Monate verlängern zu wollen.
75Eine Vertragsbindung von mehr als 24 Monaten sei nicht gegeben. Sie ergebe sich allein rein rechnerisch, wenn man - wie der Kläger - die Restlaufzeit des vorherigen Vertrages im Zeitpunkt seiner Verlängerung zu der neuen Mindestvertragslaufzeit der Vertragsverlängerung unzulässig addiere. Die Auffassung des Klägers würde dazu führen, dass sie sich mit einem Kunden auch nicht nur einen Tag vor Ablauf einer Mindestvertragslaufzeit auf eine Vertragsverlängerung mit anderen Konditionen verständigen könne. Dies liege weder im Interesse des Kunden, bei dem ggf. eine Versorgungslücke entstehen könne, und entspreche überdies nicht dem Zweck der klägerseits angeführten Norm.
76Die Begründung jeweils eines neuen Vertrages sei weder gewollt noch nach dem Willen der Parteien anzunehmen, zumal - dies ist unstreitig – insbesondere die Rufnummer unverändert bleibt. Der Kunde Y habe den Vertrag seines Vaters gerade "übernommen" und damit keinen neuen, eigenständigen Vertrag mit ihr abschließen wollen. Die Änderungen im Leistungsumfang seien nicht so wesentlich, als dass von einem Neuabschluss auszugehen sei; nach wie vor würden Mobilfunkdienstleistungen und die Aushändigung eines Endgerätes vereinbart; lediglich die Konditionen (Leistungsumfang und Preis) hätten sich jeweils verändert.
77Die Voraussetzungen des § 43 b TKG seien gleichfalls nicht erfüllt, da bei der gegebenen Vertragsverlängerung bereits keine "anfängliche Mindestvertragslaufzeit" gegeben sei.
78Überdies sei der Klageantrag - dies wird näher ausgeführt - zu unbestimmt, da auch zulässige Handlungen von der Antragsfassung erfasst würden.
79Entscheidungsgründe
80Die Klage ist - jedenfalls - unbegründet.
81Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Unterlassungsanspruch zu.
82Ein Verstoß gegen § 309 Nr.9a BGB liegt - selbst wenn diese Regelung grsl einschlägig sein sollte - nicht vor.
83Es besteht zwischen der Beklagten und dem Kunden Y bereits keine vertragliche Bindung aus einem Vertrag, die zwei Jahre überschreitet.
84Die in der beanstandeten Anlage K1 am 10.09.2019 ausgewiesene "verlängerte" Mindestvertragslaufzeit bis zum 29.01.2022 stellt lediglich eine rechnerisch zusammengefasste zeitliche Mitteilung der restlichen Mindestvertragszeit aus dem Änderungs-/Verlängerungsvertrag von Herrn X vom 15.10.2017 und dem Übernahmevertrag des Sohnes vom 10.09.2019 dar. In keinem der insgesamt drei von den Beteiligten getroffenen vertraglichen Absprachen wurde für den Vertrag/die Änderungsvereinbarung eine längere Mindestvertragszeit als 24 Monate vereinbart.
85Es liegen nicht jeweils neue Verträge vor, sondern ein Vertrag und zwei Vertragsverlängerungen von diesem. Die Leistungen ändern sich zwar bzgl. des Tarifs und Entgelts, jedoch handelt es sich stets um Mobilfunkdienstleistungen der Beklagten, hier gekoppelt mit dem Erwerb eines günstigen Endgerätes, dessen Kaufpreis z.T. über erhöhte Grundpreise während einer Mindestlaufzeit bezahlt wird. Die gleichbleibende Rufnummer ist für einen Kunden bedeutsam; auch sie ist ein Indiz für eine Vertragsverlängerung und spricht gegen jeweils neu abgeschlossene Anschlüsse, bei denen die alte Rufnummer allenfalls über eine Rufnummerportierung, die gesetzlich nur bei einem Wechsel zu einem anderen Anbieter geregelt ist, beibehalten werden könnte. Auch spricht gegen die Annahme eines neuen Vertrages, dass die geänderten Vertragsinhalte auf Wunsch des Kunden zu einem Zeitpunkt vereinbart werden, als die Mindestvertragszeit des bisherigen Vertrages noch läuft. Dass der Wille der Beklagten in diesen Fällen dahin gehen - oder sie gezwungen sein - sollte, den noch laufenden Vertrag mit dem Kunden „ohne Not“ zu beenden, um Tarif und Entgelt für die Zukunft zu verändern, ist weder ersichtlich noch anzunehmen.
86Abgesehen davon würde § 309 Nr.9a BGB aber auch von seinem Schutzzweck her in der klägerseits hier beanstandeten Konstellation nicht eingreifen.
87Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchsetzen will, ohne dessen Interessen hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Zu berücksichtigen sind die Art des Vertrages, die Belastung des anderen Teils und die Interessen des Verwenders (vgl. OLG Hamm, 17 U 203/09, juris-Tz. 29 unter Bezugnahme auf BGH NJW 1993, 326, 329).
88§ 309 Nr.9 BGB schützt den AGB-Vertragspartner vor übermäßig langen vertraglichen Bindungen, deren Auswirkungen er bei Vertragsabschluss nicht überblicken kann (Erman BGB, § 309 Rz.124 mit Hinweis auf die zugrundeliegende Bundestagsdrucksache). Nach Ablauf der in § 309 BGB festgelegten Höchstfrist soll der AGB-Kunde spätestens seine Dispositionsfreiheit wieder erlangen (Erman, aaO).
89Gemessen hieran liegt vorliegend keine Unangemessenheit vor.
90Die Interessen des Herrn X am 05.10.2017 und auch die seines Sohnes am 05.10.2017 gingen dahin, vor Ablauf der noch laufenden und wirksam vereinbarten Mindestvertragslaufzeit ein neues Endgerät zu einem günstigen Entgelt zur Benutzung ausgehändigt zu erhalten, dieses - wie im Mobilfunkbereich üblich und bekannt - über einen erhöhten Grundpreis in der Mindestvertragslaufzeit mitzubezahlen; zudem wollten beide die Tarifbedingungen möglichst zeitnah nach ihren aktuellen Bedürfnissen verändern. In beiden Fällen war es der Kunde - und nicht die Beklagte-, der die Veränderungen vorzeitig und zeitnah wünschte, ohne hierauf einen Anspruch zu haben.
91Die Beklagte verfügte in beiden Fällen noch mehrere Monate über eine gesicherte, einseitig vom Kunden nicht abänderbare Rechtsposition. Für sie bestand kein Anlass, diese ohne weiteres einseitig aufzugeben und auf die noch ausstehenden Grundpreise aus dem noch laufenden Vertrag in dessen Mindestvertragslaufzeit zu verzichten. Für sie bestand auch kein Zwang, eine Aufhebungsvereinbarung, wie sie der Kläger als Alternative vorschlägt, mit dem Kunden abzuschließen.
92Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte zu den kundenseits begehrten Änderungen nur bereit ist, wenn ihr ihr vertraglicher Anspruch auf die restlichen Entgelte während der noch laufenden Vertragsbeziehung erhalten bleibt. Sie kam den Kundenwünschen bereits insoweit entgegen, als sie diesen die jeweils gewünschten erweiterten Tarifleistungen vorzeitig einräumte und ihnen auch ein neues Endgerät entsprechend den aktuellen Wünschen vorzeitig zur Nutzung überließ. Darin, dass die Beklagte auf Initiative des Kunden seinen Änderungsinteressen nachkommt, an ihrem berechtigten Interesse auf zusätzliche Erfüllung des ursprünglich vertraglich wirksam Vereinbarten aber festhält, ist kein missbräuchliches Durchsetzen eigener Interessen auf Kosten des Kunden erkennbar. Der vom Kunden maßgeblich geäußerte Wunsch auf Änderungen ist als Ausübung seiner Dispositionsfreiheit zu werten. Dass er diese – was § 309 BGB schützt - nach Ablauf einer langen Mindestvertragslaufzeit „endlich“ wieder erlangen soll, trifft die hier gegebene Situation nicht. Daran ändert auch nichts, dass auch die Beklagte durch die Gewährung der begehrten Vertragsänderungen eigene – insbesondere finanzielle – Interessen mitverfolgt.
93Ein Verstoß gegen § 43 b TKG ist auch nicht gegeben.
94Er würde voraussetzen, dass "die anfängliche Mindestlaufzeit eines Vertrages" 24 Monate überschreitet. Dies ist nicht der Fall. Die anfängliche Mindestlaufzeit des hier in Rede stehenden Vertrages lief ab dem 29.01.2016 für 24 Monate. Der Vertrag wurde dann zunächst vom Vater ein Mal für einen Zeitraum von mindestens 24 Monaten verlängert. Sodann hat ihn sein Sohn - unter Einbeziehung der noch laufenden Mindestvertragslaufzeit des Verlängerungsvertrages seines Vaters - mit fortan neuen Konditionen und einer Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten übernommen. Hierfür spricht – wie bereits ausgeführt - insbesondere die bei allen vertraglichen Veränderungen gleichbleibende Rufnummer sowie der Umstand, dass - auch stets unverändert - Mobilfunkdienstleistungen Vertragsgegenstand waren. Zutreffend führt die Beklagte insoweit aus, dass Herr Y gerade keinen gesonderten neuen Vertrag mit ihr abgeschlossen hat, er dies aber ohne weiteres hätte tun können, sondern er den bisher mit seinem Vater bestehenden Vertrag übernommen hat und diesen - zu veränderten Konditionen ab sofort - mit ihm fortsetzen wollte. So wurde es dann auch vereinbart.
95Da kein Unterlassungsanspruch besteht, ist auch kein Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten gegeben.
96Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 Satz 1 ZPO.
97Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.
98Der Streitwert ist nach § 51 Abs.2 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Diese wird durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für die Träger der maßgeblichen Interessen bestimmt. Bei Verbraucherverbänden kommt es für den Streitwert auf das satzungsmäßig wahrgenommene Interesse der Verbraucher an; maßgebend sind die gerade diesen drohenden Nachteile (BGH, I ZR 24/16, juris-Tz. 9). Der Kläger verfolgt gemäß § 2 Absatz 1 seiner Satzung u.a. den Zweck, Verbraucherinteressen wahrzunehmen, insbesondere indem er Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften — insbesondere das Unterlassungsklagengesetz (UKlaG), das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen — sowie verbraucherrelevante Datenschutzvorschriften, durch geeignete Maßnahmen sowohl national als auch international, unterbindet. Sein Interesse ist angesichts des Umstands, dass das von ihm gerügte Vorgehen der Beklagten Millionen von Verträgen betrifft, die sie mit ihren Kunden unterhält und in der beanstandeten Weise verlängert, oftmals über viele Jahre und mehrfach pro Kunde, mit 15.000 € nicht ausreichend bewertet. Ein Wert von 50.000 € erscheint hier an der unteren Grenze angemessen.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- UKlaG § 3 Anspruchsberechtigte Stellen 1x
- § 3a UWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 43 b TKG 2x (nicht zugeordnet)
- § 51 Abs.2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 8 Absatz 3 Nr. 3 UWG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit 8x
- UKlaG § 4 Qualifizierte Einrichtungen 1x
- I ZR 24/16 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 3a UWG 1x (nicht zugeordnet)
- 17 U 203/09 1x (nicht zugeordnet)
- § 43b TKG 1x (nicht zugeordnet)