Beschluss vom Landgericht Dortmund - 9 T 245/14
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
1
Gründe:
2Auf der Grundlage eines psychiatrischen Gutachtens der Sachverständigen X vom 3. Januar 2014 und nach einer im Wege der Rechtshilfe durch das Amtsgericht N erfolgten persönlichen Anhörung der Beteiligten zu 1) genehmigte das Amtsgericht E am 18. Februar 2014 deren geschlossene Unterbringung im LWL-Pflegezentrum N oder in einer anderen vergleichbaren Einrichtung längstens bis zum 18. Februar 2016. Gegen diesen Beschluss erhob die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 19. März 2014 Beschwerde. Die Beteiligte zu 1) möchte in ihre Wohnung zurückkehren und beweisen, dass sie in der Lage ist, dort mit der Unterstützung eines sie täglich aufsuchenden Pflegedienstes ein eigenständiges Leben zu führen. Sie verspricht, ihre Medikamente dann nach den Weisungen des Pflegedienstes einzunehmen. Eine weitere stationäre Heilbehandlung hält sie nicht für erforderlich.
3Die Kammer hat ein weiteres psychiatrisches Gutachten des Sachverständigen Dr. G eingeholt. Ferner ist die Beteiligte zu 1) erneut im Wege der Rechtshilfe durch das Amtsgericht N angehört worden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des schriftlichen Gutachtens vom 8. Februar 2015 und den Vermerk des Amtsgerichts N vom 27. März 2015 Bezug genommen.
4Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
5Nach § 1906 Abs. 2 S. 1 und Abs. 1 Nr. 1 BGB ist die geschlossene Unterbringung der Beteiligten zu 1) im LWL-Pflegezentrum N oder in einer anderen vergleichbaren Einrichtung längstens bis zum 18. Februar 2016 zu genehmigen. Gemäß § 1906 Abs. 2 S. 1 BGB bedarf die Unterbringung eines Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, grundsätzlich der Genehmigung durch das Betreuungsgericht. Die Genehmigung kann nur erteilt oder aufrechterhalten werden, wenn und solange die Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB zulässig ist. Nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist die Unterbringung unter anderem zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Erkrankung oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt. Im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung verlangt die zivilrechtliche Unterbringung durch einen Betreuer keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten ( BGH NJW-RR 2013,321; BGH NJW-RR 2010,1370; BGH MDR 2010,506 ). Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib oder Leben ( BGH FamRZ 2012,1705; BGH NJW 2011,3579; BGH NJW-RR 2011,1012 ). Der Grad der Gefahr ist in Relation zum möglichen Schaden ohne Vornahme der freiheitsentziehenden Maßnahme zu bemessen ( BGH NJW-RR 2014, 641; BGH NJW 2011,3579; BGH NJW-RR 2011,1012 ). Die Gefahr für Leib und Leben setzt kein zielgerichtetes Verhalten des Betroffenen voraus, so dass auch eine völlige Verwahrlosung ausreichen kann, wenn damit eine Gesundheitsgefahr durch körperliche Verelendung und Unterversorgung verbunden ist. Erforderlich sind allerdings objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens ( BGH NJW-RR 2014,641; BGH FamRZ 2012,1705; BGH NJW-RR 2011,1012 ). Die geschlossene Unterbringung zur Vermeidung einer lebensbedrohenden Selbstgefährdung kann auch dann genehmigt werden, wenn eine gezielte Therapiemöglichkeit nicht besteht ( BGH NJW 2011,3518 ). Die Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB muss zudem erforderlich sein. Wenn die Gefahr durch andere Mittel als die freiheitsentziehende Unterbringung abgewendet werden kann, kommt eine Unterbringung als unverhältnismäßig nicht in Betracht ( BGH NJW 2011,3579; BGH NJW-RR 2011,1012; BGH MDR 2010,506 ). Auch eine Unterbringung zur Verhinderung einer Selbstschädigung setzt voraus, dass der Betreute auf Grund seiner psychischen Krankheit oder seiner geistigen oder seelischen Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann ( BGH FamRZ 2014,740; BGH NJW 2011,3579 ). Ist die Unterbringung wegen der krankheitsbedingten Gefahr eines erheblichen gesundheitlichen Schadens zwingend erforderlich und ist die lange Unterbringungsbedürftigkeit auf der Grundlage des vorliegenden Sachverständigengutachtens absehbar, bestehen gegen eine Unterbringung für die Dauer von zwei Jahren nach § 329 Abs. 1 FamFG keine Bedenken ( BGH MDR 2010,506 ). Ausweislich des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. G vom 8. Februar 2015 leidet die Beteiligte zu 1) an einer leicht- bis mittelgradigen Intelligenzminderung. Aufgrund dieser geistigen Behinderung besteht für den Fall der Entlassung der Beteiligten zu 1) aus dem LWL-Pflegezentrum die ernstliche und konkrete Gefahr, dass sich die Beteiligte zu 1) einen erheblichen Gesundheitsschaden zufügt. Da die Beteiligte zu 1) das Ausmaß und das Risiko ihrer körperlichen Erkrankungen und die Notwendigkeit einer verlässlichen und kontinuierlichen Versorgung nicht hinreichend erkennen kann, ist davon auszugehen, dass sie bei einer Rückkehr in ihre Wohnung die erforderlichen Medikamente nicht regelmäßig oder gar nicht einnehmen würde. Dieses hätte zur Folge, dass sofort eine erhebliche bis dramatische Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beteiligten zu 1) eintreten würde. Da die Beteiligte zu 1) an einer Herzerkrankung leidet und ein regelmäßiger und koordinierter Herzschlag nur über eine regelmäßige Einnahme des Medikamentes Amiodaron gewährleistet werden kann, würde es bei dessen Absetzung innerhalb kürzester Zeit zum Eintreten potenziell lebensgefährlicher Arrhythmien mit der Folge einer Bildung von Thromben im Herzen und nachfolgenden Embolien im arteriellen Gefäßsystem kommen. Die Selbstgefährdung kann nur durch eine Unterbringung der Beteiligten zu 1) im geschlossenen Bereich einer Pflegeeinrichtung abgewendet werden. Die Beteiligte zu 1) verfügt aufgrund ihrer intellektuellen Beeinträchtigung nicht über eine ausreichende Krankheits- und Behandlungseinsicht. Bei einer Rückkehr in ihre Wohnung wären die erforderliche pflegerische Versorgung und die zwingend notwendige regelmäßige Medikamenteneinnahme durch ambulante Hilfen nicht hinreichend sicherzustellen. Es ist aufgrund der früheren Verhaltensweisen der Beteiligten zu 1) davon auszugehen, dass sie dann eine Erbringung von Pflegeleistungen strikt ablehnen oder dem Pflegedienst erst gar keinen Zutritt zu ihrer Wohnung gewähren würde. Die Beteiligte zu 1) ist aufgrund der Störung ihrer Geistestätigkeit nicht in der Lage, ihren Willen frei zu bestimmen. Insoweit fehlt es bereits an der erforderlichen Einsichtsfähigkeit, weil die Beteiligte zu 1) nicht ausreichend in der Lage ist, differenzierte abwägende Überlegungen anzustellen und aus mehreren zur Auswahl stehenden Handlungsalternativen die für sie sinnvolle und richtige auszuwählen. Zudem ist es der Beteiligten zu 1) aufgrund ihrer Intelligenzminderung und ihrer emotionalen Instabilität nicht möglich, nach einer gewonnenen Einsicht zu handeln. Die weitere geschlossene Unterbringung der Beteiligten zu 1) ist für die in § 329 FamFG vorgesehene Höchstdauer von zwei Jahren zu genehmigen. Da die Intelligenzminderung dauerhaft bestehen bleiben wird und bei den emotional instabilen Persönlichkeitsanteilen für die Zukunft nur eine graduelle Besserung erwartet werden kann, ist davon auszugehen, dass sich vorerst an dem Erfordernis einer geschlossenen Unterbringung nichts ändern wird.
6Rechtsmittelbelehrung:
7Gegen diese Entscheidung findet die Rechtsbeschwerde statt
8Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
9Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Rechtsbeschwerdegericht ist der Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe. Die Einlegung der Rechtsbeschwerde muss durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt erfolgen.
10Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:
111. die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet
12wird, und
132. die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt wird.
14Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden.
15Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift selbst keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Begründung muss enthalten:
161. die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung
17beantragt wird (Rechtsbeschwerdeanträge);
182. die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe und zwar,
19a) die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverlet-
20zung ergibt;
21b) soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug
22auf das Verfahren verletzt ist, die Bezeichnung der Tatsachen, die den
23Mangel ergeben.
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