Urteil vom Landgericht Dortmund - 16 O 19/15
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, insgesamt jedoch höchstens 2 Jahre, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten,
zu unterlassen
im geschäftlichen Verkehr Werbung per E-Mail an solche Empfänger zu versenden, die ihr ausdrückliches und vorheriges Einverständnis für diese Form der werblichen Ansprache nicht erteilt haben.
2. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger 246,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.05.2015 zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d :
2Der Kläger ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, welches „Treuhandgeschäfte und die treuhänderische Beratung von Wirtschaftsunternehmen und Einzelpersonen in finanziellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten jeglicher Art“ zum Gegenstand hat. Sie vertreibt auch Lottoprodukte.
3Am 28.07.2014 erhielt der Zeuge L eine Werbe-E-Mail, in welcher er aufgefordert wurde, sich schnell Lottoscheine bei der Beklagten zu sichern und „kostenlos und vertragsfrei“ Lotto zu spielen. Die Absenderangabe der E-Mail lautete wie folgt:
4„e newsletter@e.de>“
5Am Schluss der E-Mail befand sich folgender Hinweis:
6„Zur Abmeldung senden sie uns bitte eine E-Mail an v@e.de“
7Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den als Anlage K1 zur Gerichtsakte gereichten Ausdruck der E-Mail verwiesen.
8Eine Einwilligung, von der Beklagten Werbe-E-Mails oder so genannte Newsletter zu erhalten, hatte der Zeuge L nicht erteilt. Er wandte sich daher mit einer Anzeige vom 05.08.2014 an den Kläger. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K2 verwiesen.
9Unter dem 22.08.2014 mahnte der Kläger die Beklagte wegen der E-Mail unter Hinweis auf § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Wegen des weiteren Inhalts der Abmahnung wird auf die Anlage K3 verwiesen.
10Trotz weiterer Aufforderungen gab die Beklagte die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht ab.
11Unter dem 14.10.2014 leitete der Kläger ein Einigungsstellenverfahren vor der gemeinsamen gesetzlichen Einigungsstelle bei der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen ein, welches am 26.02.2015 erfolglos endete.
12Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus § 7 Abs. 1, 2 Nr. 3, § 8 Abs. 1, 3 Nr. 2 UWG zu. Er behauptet hierzu, die gerügte E-Mail sei von der Beklagten an den Zeugen L versandt worden. Ferner ist er der Ansicht, die Beklagte sei aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG verpflichtet, die durch die Abmahnung angefallenen Aufwendungen zu ersetzen. Er behauptet, der Aufwand belaufe sich auf 246,10 EUR brutto.
13Der Kläger beantragt,
14die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, insgesamt jedoch höchstens 2 Jahre, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten,
15zu unterlassen
16im geschäftlichen Verkehr Werbung per E-Mail an solche Empfänger zu versenden, die ihr ausdrückliches und vorheriges Einverständnis für diese Form der werblichen Ansprache nicht erteilt haben;
172. die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, an den Kläger 246,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.05.2015 zu zahlen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Die Beklagte behauptet, sie betreibe E-Mail-Marketing nur durch eingeschaltete Dienstleister. Es sei nicht nachvollziehbar, ob die E-Mail auf Veranlassung und im Auftrag der Beklagten versandt worden sei. Sie bestreitet daher, dass der Zeuge L die E-Mail von der Beklagten erhalten habe. Selbst wenn die E-Mail von ihr versandt worden sei, handele es sich um einen Ausreißer.
21Die Beklagte bestreitet die Höhe des vom Kläger geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruchs.
22Schließlich vertritt die Beklagte die Rechtsansicht, der Unterlassungsantrag des Klägers sei zu unbestimmt, weil er sich nicht auf eine bestimmte Branche beschränke. Es liege auch keine spürbare Beeinträchtigung im Sinne des § 3 UWG vor.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
25Die zulässige Klage ist begründet.
261. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 7 Abs. 1, 2 Nr. 3, § 8 Abs. 1, 3 Nr. 2 UWG, die Versendung von Werbe-E-Mails zu unterlassen, soweit der Empfänger nicht zuvor ausdrücklich sein Einverständnis erklärt hat, werblich per E-Mail angesprochen zu werden.
27a) Der Kläger ist unstreitig nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG anspruchsbefugt.
28b) Die Beklagte hat gegen das Verbot des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG verstoßen, indem sie am 28.07.2014 die Versendung einer Werbe-E-Mail an den Zeugen L veranlasste, ohne dass dieser zuvor zugestimmt hatte, solche Werbe-E-Mails von der Beklagten zu erhalten.
29aa) Aufgrund des Sachvortrags der Parteien ist davon auszugehen, dass die gerügte E-Mail jedenfalls auf Veranlassung der Beklagten an den Zeugen L versendet worden ist. Dies ergibt sich zum einen aus der Absenderangabe „e newsletter@e.de“ und dem Hinweis am Ende der E-Mail, zur Abmeldung könne sich der Empfänger an v@e.de wenden. Die E-Mail weist daher ausdrücklich die Beklagte als Absenderin aus.
30Darüber hinaus hat die E-Mail die Werbung für Produkte der Beklagten zum Gegenstand und fordert den Adressaten ausdrücklich zur Kontaktaufnahme mit der Beklagten auf. Da somit allein die Beklagte, die unstreitig die beworbenen Lottoprodukte vertreibt, allein von der E-Mail-Werbung profitiert, besteht keine Veranlassung zu der Annahme, die gerügte E-Mail könnte von einem Dritten bzw. auf Veranlassung eines Dritten an den Zeugen L versandt worden sein.
31Die Beklagte hat auch nicht in Abrede gestellt, Werbe-E-Mails in der Gestaltung, wie sie in der Anlage K1 ersichtlich ist, zu versenden oder versenden zu lassen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beklagte Urheberin der E-Mail ist. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Versendung der E-Mail auf Veranlassung der Beklagten geschah.
32Der Vortrag der Beklagten bietet keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass die Beklagte für die Versendung der E-Mail verantwortlich ist. Anhand der vorgelegten Indizien genügt das bloße Bestreiten der Beklagten, die E-Mail stamme von ihr, den Anforderungen an einen substantiierten Parteivortrag nicht. Die Beklagte hat sich auf die Behauptung beschränkt, sie betreibe E-Mail-Marketing durch eingeschaltete Dienstleister. Sie hat weder die Dienstleister benannt, noch hat sie konkret dargelegt, dass die von ihr eingeschalteten Dienstleister die gerügte E-Mail nicht versandt haben. Zu einem solchen Vortrag wäre die Beklagte ohne weiteres in der Lage gewesen, da der Zeitpunkt, zu welchem die E-Mail versandt worden ist, sekundengenau (28.07.2014, 21:30:56 Uhr) feststeht und auch der Adressat bekannt ist. Sie hat auch keine Ausführungen dazu gemacht, welche Sicherheitsvorkehrungen sie getroffen hat, um die eine Versendung von E-Mails an Personen, von denen keine entsprechende Zustimmung vorliegt, zu verhindern. Zu beachten ist insoweit, dass die Beklagte für die Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften durch die von ihr eingeschalteten Dienstleister verantwortlich ist, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Beklagte ausdrücklich die Weisung erteilt hat, an den Zeugen L die gerügte E-Mail zu versenden oder sie die E-Mail durch eigene Mitarbeiter versenden ließ.
33Der Hinweis der Beklagten, Absenderkennungen von E-Mails könnten gefälscht werden, begründet ebenfalls keine Zweifel daran, dass die gerügte E-Mail letztlich von der Beklagten stammt. Anhaltspunkte für eine Fälschung bestehen nicht und wurden von der Beklagten auch nicht dargelegt. Vielmehr sprechen die oben genannten Indizien dafür, dass die E-Mail an den Zeugen L zumindest auf Veranlassung der Beklagten versandt wurde. Es sind keine nachvollziehbaren Gründe dafür ersichtlich, warum ein Dritter unbefugt die E-Mail im Namen der Beklagten versandt haben sollte.
34bb) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der an den Zeugen L gesendeten E-Mail um einen Ausreißer gehandelt hat. Auch die unbefugte Versendung einer einzelnen E-Mail stellt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG normierte Verbot dar und löst bereits einen Unterlassungsanspruch aus. Es bedarf daher nicht der Darlegung durch den Unterlassungsgläubiger, dass die Versendung der gerügten E-Mail auf einem methodischen Vorgehen oder auf strukturellen Defiziten in der Kundenwerbung des Versenders beruht.
35Im übrigen hat die Beklagte nicht dargelegt, dass es sich bei der Versendung der gerügten E-Mail um einen Einzelfall handelt, den sie nicht zu vertreten hat. Die Beklagte hat nicht dargelegt, welche konkreten Vorkehrungen sie getroffen hat, um eine unbefugte Versendung von E-Mails zu verhindern. Solche Vorkehrungen hätte sie, da sie E-Mail-Marketing betreibt, aber treffen müssen.
36c) Der Unterlassungsanspruch des Klägers ist auch nicht auf eine bestimmte Branche oder einen bestimmten Werbegegenstand beschränkt. Das Verbot des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG bezieht sich nicht auf den konkreten Inhalt einer E-Mail. Die unlautere Handlung besteht vielmehr in der Belästigung des Verbrauchers durch die Zusendung von Werbe-E-Mails im Allgemeinen. Daher ist der Kläger berechtigt, von der Beklagten allgemein zu verlangen, keine Werbe-E-Mails zu versenden, sofern der Empfänger der Versendung nicht zuvor ausdrücklich zugestimmt hat (vergleiche auch OLG Hamm, Urteil vom 16.10.2007 Aktenzeichen 4 U 91/07).
37d) Der Unterlassungsanspruch des Klägers bezieht sich auch nicht nur auf den einzelnen Empfänger L. Der Kläger hat vielmehr einen Anspruch darauf, dass die Beklagte zukünftig generell Verbraucher nicht mehr mit elektronischer Post belästigt (vergleiche OLG Hamm, MMR 2009,769).
38e) Da die Beklagte gegen ein konkret in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG normiertes Verbot verstoßen hat, liegt auch eine spürbare Beeinträchtigung im Sinne des § 3 UWG vor.
392. Der Aufwendungsersatzanspruch des Klägers folgt aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Die Höhe des von dem Kläger geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruchs von 246,10 EUR brutto erscheint angemessen. Der Kläger hat substantiiert dargelegt, wie sich die Höhe seines Anspruchs errechnet. Berücksichtigt man den tatsächlichen Aufwand, den der Kläger mit der Verfolgung des Wettbewerbsverstoßes tatsächlich hatte (Entgegennahme der Anzeige, Prüfung des Sachverhalts, Ermittlung des Anspruchsgegners, Verfassen der Abmahnschreiben, Kontrolle und Bewertung der Reaktion der Beklagten), erscheint der Betrag von 246,10 EUR keineswegs überhöht.
40Der vom Kläger geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.
413. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
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Referenzen
- § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2x (nicht zugeordnet)
- § 3 UWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 12 Abs. 1 S. 2 UWG 1x (nicht zugeordnet)
- 4 U 91/07 1x (nicht zugeordnet)