Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 34 O 33/19
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 150.000,-- €
1
Tatbestand
2Die Klägerin vertreibt seit Ende 2017 unter der Firma „A“ mit Sitz in Berlin Zahnschienen, sog. B. Sie nahm dieses Geschäft auf, nachdem 2017 die Patente eines großen Zahnschienenherstellers abgelaufen waren. Dabei arbeitet die Klägerin mit Zahnärzten, größeren medizinischen Versorgungszentren und Kliniken zusammen; wie diese Zusammenarbeit rechtlich einzuordnen ist, ist zwischen den Parteien streitig.
3Der Beklagte ist Fachzahnarzt für Kieferorthopäde, der in Berlin seine Praxis für Kieferorthopädie betreibt. Gleichzeitig ist er Vorsitzender des Berufsverbandes der Deutschen Kieferorthopäden e.V. (im folgenden: BDK).
4Am 12.12.2018 erhielt der Geschäftsführer der Klägerin Kenntnis von dem Artikel „Schienen auf dem Postweg – Eine Alternative?“, den der Beklagte in der Zeitschrift des Berufsverbandes der Deutschen Kieferorthopäden e.V. veröffentlicht hatte. In diesem Artikel tätigt der Beklagte als Verfasser auch die fünf hier angegriffenen Aussagen. Wegen des Inhalts des Artikels insgesamt wird auf Anlage SOH 3 verwiesen.
5Am 12.12.2018 mahnte die Klägerin den Beklagten ab und stellte anschließend am 07.01.2019 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, inhaltlich übereinstimmend mit dem Klagantrag. Das Landgericht Düsseldorf wies mit Urteil vom 13.03.2019 (34 O 1/19) den Antrag zurück. Die Antragstellerin nahm ihre Berufung zurück, nachdem das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 17.06.2019 darauf hingewiesen hatte, dass der Sache wegen Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist die Eilbedürftigkeit fehle.
6Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die fünf angegriffenen Aussagen aus dem Artikel des Beklagten wettbewerbswidrig herabsetzend und verunglimpfend seien.
7Das als Anlage B 4 vorgelegte Erinnerungsprotokoll sei für sie nicht verifizierbar. Sie bestreitet, dass es diese Behandlungssituation gab.
8Generell dürften Röntgenaufnahmen auch bei kieferorthopädischen Behandlungen nur im Einzelfall bei entsprechender Indikation durchgeführt werden. Eine klinische Untersuchung sei erst bei Behandlungsbeginn notwendig. Insbesondere seien Röntgenaufnahmen in dem, dem vermeintlichen Erinnerungsprotokoll zugrunde liegenden Fall nicht geboten gewesen, weil die Pseudopatientin, die einen Retainer gehabt habe, gerade aus einer Zahnbehandlung gekommen sei. Erst wenn ein Patient sich entschließen würde, den Retainer entfernen zu lassen, beginne die klinische Untersuchung.
9Es sei nicht zutreffend, dass der C eine Rücklage von 200.000,-- € für gerichtliche Auseinandersetzungen in Kooperation mit den Körperschaften bzw. Zahnärztekammern gebildet habe. Insbesondere habe es keinen entsprechenden Beschluss über Rückstellungen gegeben. Die Aussage sei auch gegenüber der Klägerin diskriminierend, weil sie zum Ausdruck bringe, dass öffentliche Körperschaften sich über Vorschriften hinwegsetzten, nur um die Klägerin zu stoppen.
10Die Strafanzeige des Beklagten gegen die Klägerin sei mit dem Vorwurf gestellt worden, dass die Klägerin ohne Zahnärzte tätig sei. Da dies überhaupt nicht stimme – die Pseudopatientin sei von einer Zahnärztin behandelt worden – sei der Hinweis auf die Strafanzeige in dem Artikel irreführend.
11Der Hinweis auf eine Standardunterschreitung sei wettbewerbswidrige Schmähkritik. Im übrigen sei es nicht standardunterschreitend, wenn die Partnerzahnärzte auf eine Röntgenaufnahme verzichteten. Röntgenuntersuchungen müssten indiziert sein. Für die B-Behandlung gebe es keine Leitlinien für die Behandlung.
12Ebenso sei es eine unzulässige Schmähkritik, wenn der Klägerin unterstellt werde, dass die Berufshaftpflicht ihre Partnerzahnärzte in Frage stehe. Eine Standardunterschreitung nach dem vermeintlichen Protokoll dürfe nicht als zutreffend unterstellt werden.
13Die Klägerin beantragt,
141.
15dem Beklagten zur Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren,
16zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken
17a)
18wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, dass dem Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden e.V. („C“) ein Erinnerungsprotokoll eines Mitgliedes vorliegt, wonach ein Behandlungstermin bei DrA in Anspruch geworden sei, bei dem vor Behandlungsbeginn weder eine klinische Untersuchung noch eine Röntgenaufnahme der Zähne angefertigt worden sei,
19b)
20wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, dass der BDK finanziell an der Seite der Zahnärztekammern stünde und eine Rücklage in Höhe von 200.000,-- € für gerichtliche Auseinandersetzungen gegen die Klägerin in Kooperation mit den Zahnärztekammern oder sonstigen Körperschaften gebildet habe,
21c)
22wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, dass gegen die Klägerin eine Strafanzeige gestellt worden sei,
23d)
24wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, dass die Behandlungen der Partnerzahnärzte der Klägerin eine eindeutige Standardunterschreitung bei Diagnostik und Therapie darstellen würden,
25e)
26wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, dass der Eintritt von Berufshaftpflichtversicherungen der Partnerzahnärzte der Klägerin mit Rücksicht auf die Standardunterschreitungen fraglich sei,
272.
28festzustellen, dass der Beklagte zum Ersatz sämtlicher Schäden verpflichtet ist, die ihr, der Klägerin, aus dem Verstoß gegen eine der vorbenannten Verpflichtungen entstanden ist.
29Der Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Der Beklagte stellt schon ein Wettbewerbsverhältnis der Parteien in Frage, weil er B nicht vertreibe, sondern als Behandlungsmittel einsetze. Demgegenüber erlaube die Klägerin dritten Zahnärzten die Nutzung ihrer Marke für B oder kooperiere mit Zahnärzten bei deren Einsatz von B.
32Der von ihm in der Zeitschrift des C veröffentlichte Artikel enthalte keine Schmähkritik. Vielmehr beruhe seine sachliche Kritik auf wahren Tatsachenbehauptungen und fachlich fundierten Einschätzungen der Behandlungsmethoden der Klägerin. Die näheren Umstände der Behandlungsmethode ergäben sich aus dem Erinnerungsprotokoll, das ein Fachzahnarzt und ein/e Weiterbildungsassistent/in für Kieferorthopädie erstellt hätten.
33Tatsächlich habe der C Rückstellungen in Höhe von 200.000,-- € für gerichtliche Verfahren gegen Unternehmen zur Verfügung gestellt.
34Es sei eine Standardunterschreitung, wenn nach Lieferung der B nach Hause „keine weiteren Zahnarzttermine mehr nötig seien“, wie es auf der Internetseite der Klägerin heiße.
35Es sei bei systematisch gegebener Standardunterschreitung unter Hinweis auf § 103 VVG fraglich, ob weiterhin Versicherungsschutz der behandelnden Ärzte bestehe.
36Wegen des weiteren Sach- und Streitstades wird auf die zwischen den Parteien gewechselten und zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
37Entscheidungsgründe
38I.
39Die Klage ist abzuweisen.
40Die Klägerin kann von dem Beklagten nicht Unterlassung wettbewerbswidrigen Schmähkritik nach §§ 12 Abs. 2, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 1, 3 Ziffer b) und 4 UWG verlangen.
411.
42Zwischen den Parteien besteht zwar ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, weil sowohl die Klägerin als auch der Beklagte Zahnschienen, sog. B, an Patienten weitergeben. Ob sie diese B als Behandlungsmittel einsetzen und nach § 9 GOZ als Auslagen abrechnen oder selbst als Hersteller von Medizinprodukten verkaufen, ist für die Mitbewerbereigenschaft der Parteien nicht entscheidend. Maßgebend ist vielmehr, dass beide Parteien letztlich den gleichen Kundenkreis von Menschen ansprechen, die ihre Zahnstellung korrigieren lassen möchten.
43Die Klägerin und der Beklagte sind auch auf demselben Markt tätig, weil sie beide zumindest auch in Berlin Zahnschienen an Interessenten abgeben.
442.
45Die Klägerin kann von dem Beklagten nicht Unterlassung der angegriffenen fünf Aussagen in dem Artikel „Schienen auf dem Postweg – Eine Alternative?“ als wettbewerbswidrig gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 1, 3 b) und 4 UWG verlangen. Alle fünf Aussagen sind nicht herabsetzende, verunglimpfende oder gezielt behindernde Kritik an einem Mitbewerber oder geschäftsschädigende Äußerungen im Sinne dieser Vorschriften.
46Grundsätzlich ist eine kritische Berichterstattung über unternehmerische Leistungen dem Wettbewerb immanent. Der Unternehmer muss sachliche Kritik deshalb grundsätzlich hinnehmen und kann für sich kein ausschließliches Recht auf eigene Außendarstellung und uneingeschränkte Selbstdarstellung auf dem Markt in Anspruch nehmen (Köhler/Bornkamm/Feddersen- Köhler, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 37. Aufl. 2019, Einl. UWG, Rdn. 7.30). Dient die Äußerung der Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen gegen andere wirtschaftliche Interessen, sind die Motive, Ziele und Zwecke der Äußerung zu bewerten. Je weniger daher eine Äußerung zur Meinungsbildung in einer die Öffentlichkeit berührenden Frage beiträgt und je mehr eigennützige Geschäftsinteressen wirtschaftlicher Art dient, desto weniger schutzwürdig ist sie (Köhler/Bornkamm/Feddersen- Köhler, aaO, § 3 Rdn. 1.20). Eine solche Abwägung ist nicht notwendig, wenn die Äußerung eine Schmähkritik darstellt, also nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Dafür reicht aber die bloße Überspitzheit einer Äußerung oder ihre teilweise Unsachlichkeit nicht aus (Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler, aaO, § 3 Rdn. 1.21). Unzulässig sind regelmäßig Formalbeleidigungen, die Menschenwürde verletzende Äußerungen oder reine Schmähkritik (Köhler/Bornkamm/Feddersen- Köhler, aaO, § 4 Rdn. 1.19). Der Bundesgerichtshof führt in seinem Urteil vom 01. März 2018 (BGH, I ZR 264/16 – Verkürzter Versorgungsweg II, Rdn 32) aus, dass der Begriff der Schmähkritik wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts eng auszulegen sei. Selbst eine überzogene oder gar ausfällige Kritik ist erst dann eine Schmähung, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die persönliche Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Bezieht sich die Äußerung auf eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage, so liegt eine Schmähkritik nur ausnahmsweise vor.
47Danach stellen alle fünf angegriffenen Äußerungen weder eine wettbewerbswidrige Schmähkritik dar noch sind sie unsachlich diffamierend wettbewerbswidrig.
48a)
49Die im Klagantrag zu Ziffer a) beanstandete Äußerung des Beklagten ist zunächst insoweit nicht wettbewerbswidrig nach § 4 UWG als ein Erinnerungsprotokoll eines Mitglieds des Berufsverbands der Deutschen Kieferorthopäden tatsächlich vorliegt und es sich damit lediglich um eine sachliche und wahre Aussage handelt. Die Klägerin kann nicht mit Nichtwissen bestreiten, dass das als Anlage B 4 vorgelegte „Protokoll eines Beratungsgesprächs“ auf einem tatsächlich mit Kooperationspartnern der Klägerin durchgeführten Beratungstermin beruht. Denn aus dem Protokoll selbst geht hervor, wo der Termin stattgefunden hat, nämlich in der D, wann der Termin stattgefunden hat, nämlich nach dem 03.05.2018 (Modellbefund am 03.05.2018) und vor dem 12.12.2018 (Kenntnis von dem Artikel) und an einer weiblichen Patientin mit Lingualretainer 33-43. Mit diesen Daten muss die Klägerin kann die Klägerin selbst einen entsprechende Behandlung und damit das Protokoll verifizieren oder eine entsprechende Behauptung als nicht stattgefunden behaupten.
50Soweit die Äußerung des Beklagten weiter deswegen angegriffen wird, weil der Beklagte behauptet, bei DrA finde „vor dem Behandlungsbeginn keine Röntgenaufnahme statt“, handelt es sich wiederum um eine sachlich richtige Aussage. Die Klägerin hat schon im Laufe des vorausgehenden Verfügungsverfahrens vor der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf (34 O 1/19) mehrfach bestätigt, aus welchen guten Gründen regelmäßig keine Röntgenaufnahme erfolge. Für die Behauptung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 28.08.2019, dass in den Räumen der Klägerin in Berlin ein Röntgengerät gestanden habe, tritt die Klägerin keinen Beweis an. Vielmehr relativiert sie diese Behauptung im Schriftsatz vom 04.09.2019, indem sie darauf hinweist, dass es nicht darauf ankomme, ob ein Röntgengerät vor Ort ist oder nicht.
51Die Kammer geht also davon aus, dass in dem Behandlungsraum in Berlin, in dem die Behandlung entsprechend dem Protokoll durchgeführt worden ist, kein Röntgengerät zur Verfügung stand.
52Soweit die Äußerung des Beklagten angegriffen wird, bei DrA finde „vor dem Behandlungsbeginn keine klinische Untersuchung statt“, hat die Klägerin weder dargelegt noch entsprechenden Beweis angetreten, dass es sich um eine nicht wahre Aussage handelt. Der Beklagte demgegenüber, hat ausreichend substantiiert dargelegt, dass die Aussage sachlich richtig ist. Sowohl nach dem Fragenbogen, den der/die Patient/in erhält, also auch nach dem tatsächlichen Behandlungsverlauf nach dem Erinnerungsprotokoll hat eine klinische Untersuchung durch eine/n Ärztin/Arzt nicht stattgefunden. In dem Fragebogen wird der Behandlungsverlauf im Kontakt zum Arzt wie folgt beschrieben:
53„#3 Gespräch mit dem Arzt
54Nachdem der Scan abgeschlossen ist, schaut sich der Arzt diesen genau an und beurteilt, ob eine Behandlung mit E für Dich in Frage kommt.
55#4 Beratungsgespräch
56Sofern der Arzt der Behandlung zustimmt, steht dieser von unserer Seite nicht mehr viel im Wege. In dem Beratungsgespräch wird Dir der genaue Ablauf, die Zahlungsabwicklung und was während der Behandlung zu beachten ist erläutert und du hast alle Zeit deine Fragen zu stellen.“
57Der Fragebogen selbst weist also an keiner Stelle auf eine klinische Untersuchung durch eine/n Zahnarzt/ärztin hin. Insbesondere wird in dem Abschnitt „Beratungsgespräch“ nicht auf eine klinische Untersuchung hingewiesen.
58Dieser Behandlungsverlauf wird bestätigt durch den im Erinnerungsprotokoll dargestellten Ablauf des Kontakts der Patientin mit der Zahnärztin. In dem Erinnerungsprotokoll stellt die Zahnärztin anhand der Selbstauskunft fest, dass die Patientin einen Retainer hat. Sie stellt anhand des 3DScan fest, dass nur eine geringe Fehlstellung der Zähne bestehe. Ausdrücklich erklärt die Mitarbeiterin von DrA auch, dass kein weiterer Kontakt mit der Zahnärztin notwendig sei. Die Zahnärztin hat also nicht in den Mund der Patientin geschaut, sie hat und wird die Patientin nicht mehr klinisch untersuchen.
59Soweit die Klägerin argumentiert, dass die „Behandlung“ in dem Fall des Erinnerungsprotokolls wegen des Retainers bei der Patientin noch nicht begonnen habe und deswegen noch keine klinische Untersuchung stattgefunden habe, legt die Klägerin damit nicht dar, dass regelmäßig, bei allen Patienten ohne Retainer, eine klinische Untersuchung stattfinde. Die Klägerin legt nicht ausreichend dar, dass regelmäßig bei DrA vor dem Einsetzen von B eine klinische Untersuchung durch einen Arzt/eine Ärztin erfolgt. Vielmehr formuliert der Geschäftsführer der Klägerin in der eidesstattlichen Versicherung vom 04.01.2019, vorgelegt im einstweiligen Verfügungsverfahren 34 O 1/19, lediglich unter Ziffer 3.2.:
60„Es ist auch keineswegs üblich oder von uns gefordert, dass ein „Behandlungsbeginn“, darunter verstehe ich den erstmaligen Einsatz der von uns hergestellten und auf Bitten des Kooperationspartners an den jeweiligen Patienten versehenen Zahnschienen, ohne entsprechende klinische Untersuchung oder Röntgenuntersuchung geschehen ist oder geschehen soll.“
61Die Klägerin legt also gerade nicht dar, dass die mit ihr kooperierenden Zahnärzte klinische Untersuchungen durchführen.
62Damit ist die angegriffene Aussage a) in dem Artikel des Beklagten objektiv richtig und keine wettbewerbswidrig herabsetzende (Schmäh)-kritik im Sinne von § 4 UWG.
63b)
64Soweit die Klägerin die Aussage des Beklagten zur Kooperation und finanziellen Unterstützung der Zahnärztekammern unter Ziffer b) der Klage angreift, liegt ebenfalls keine wettbewerbswidrige Schmähkritik vor.
65Zwar mag die Formulierung „Kooperation mit den Zahnärztekammern oder sonstigen Körperschaften“ überspitzt sein. Denn tatsächlich führen der C und die Zahnärztekammern bisher keine kooperativen Verfahren. Es ist auch zweifelhaft, ob die Zahnärztekammern oder sonstigen Körperschaften in gerichtlichen Auseinandersetzungen gegen ihre Mitglieder Geld des Berufsverbandes der Deutschen Kieferorthopäden e.V. annehmen würden. Fest steht jedoch, dass der C durch seinen geschäftsführenden Vorstand beschlossen hat, Rücklagen in Höhe von 200.000,-- € zu bilden, um Verstöße gegen das Zahnheilkundegesetz sowohl strafrechtlich als auch standesrechtlich zu verfolgen. Damit ist die angegriffene Äußerung nicht falsch und unrichtig herabwürdigend, sondern im Kern richtig. Der C setzt sich mit der Frage auseinander, mit welchen Mitteln er gegen eine mögliche Verletzung des Zahnheilkundegesetzes durch die Klägerin vorgehen kann und dafür hat der C finanzielle Rücklagen in Höhe von 200.000,-- € zurückgelegt. Bei der angegriffenen Äußerung in dem Artikel des Beklagten in der Verbandszeitschrift handelt es sich also ganz offensichtlich um eine Information über die Vorgehensweise des C an seine Mitglieder, die die Zeitschrift lesen. Damit steht die sachliche Information im Vordergrund.
66c)
67Die unter Ziffer c) der Klage angegriffene Aussage, gegen die Klägerin sei Strafanzeige gestellt, ist wahr und keine unlautere Schmähkritik. Der Beklagte und der C, vertreten durch den Beklagten, haben am 04.10.2018 bei der Staatsanwaltschaft Berlin Strafantrag unter anderem gegen die Klägerin gestellt. Die Aussage in der Mitgliederzeitung des C dient der Information der kieferorthopädischen Kollegen dahingehend, dass der C nicht tatenlos ist, sondern aktiv auch durch staatliche Stellen die Geschäftspraxis der Klägerin untersuchen lassen möchte. Das ist keine herabwürdigende Schmähkritik im Verhältnis zur Klägerin. Vielmehr begibt der Beklagte sich selbst mit einer solchen Strafanzeige in die Gefahr der Begehung der Straftat der falschen Verdächtigung und zeigt damit gleichzeitig, dass für ihn die sachliche Auseinandersetzung mit der Geschäftspraxis der Klägerin im Vordergrund steht.
68d)
69Auch die angegriffene Aussage unter Ziffer d) der Klage zur Standardunterschreitung bei der Behandlung durch die Zahnärzte, die mit der Klägerin kooperieren, behindert die Klägerin nicht herabwürdigend im Vertrieb der Zahnschienen, sondern beschreibt wahrheitsgemäß das Geschäftskonzept der Klägerin.
70Die Klägerin selbst hält in den Räumen, in denen die kooperierenden Zahnärzte die potentiellen Patienten sehen, keine Röntgengeräte vor, obwohl im Einzelfall auch die röntgenologische Darstellung aller Zähne und Zahnkeime zum kieferorthopädischen Standard gehört. Das heißt nicht, dass die Zähne jedes kieferorthopädischen Patienten geröntgt werden müssten. In den Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für die kieferorthopädische Behandlung vom 04.06.2003 heißt es in Ziffer 5, dass „für die Planung und Durchführung der kieferorthopädischen Behandlung je nach Indikation neben der Anamnese und klinischen Untersuchung folgende Unterlagen erforderlich sind: (…) Röntgenologische Darstellung aller Zähne und Zahnkeime beider Kiefer.“
71Genau diese Abwägung, nämlich als Zahnarzt persönlich und eigenverantwortlich zu entscheiden, ob ein Röntgenbild gefertigt wird oder nicht, ermöglicht die Klägerin in ihren Räumlichkeiten nicht. Die mit der Klägerin kooperierenden Zahnärzte arbeiten generell in den Räumen der Klägerin. Diese Zahnärzte können bei der entsprechenden Indikation ein Röntgen gar nicht anbieten. Damit wird schon mangels eines Röntgengeräts vor Ort der Standard bei der Diagnostik unterschritten, so dass es sich bei dieser Aussage nicht um eine Schmähkritik handelt.
72Auch soweit der Klägerin eine Standardunterschreitung bei der Therapie vorgehalten wird, handelt es sich nicht um eine unsachliche Herabsetzung. Vielmehr sieht der Patient den/die Zahnarzt/ärztin nur einmal. Es ist regelmäßig kein Kontrolltermin vorgesehen. Schon das widerspricht dem Standard einer kieferorthopädischen Behandlung, die eine Verlaufskontrolle durch den/die Arzt/Ärztin vorsieht.
73e)
74Schließlich ist auch der Hinweis des Beklagten auf die Fraglichkeit des Eintritts der Berufshaftpflicht bei Standardunterschreitung nicht unsachgemäße, wettbewerbswidrige Kritik. Der sachliche und naheliegende Hinweis auf Haftungsrisiken, wenn Zahnärzte die Richtlinien des Bundesausschusses nicht einhalten, ist ausreichend vorsichtig formuliert und nur als Denkanstoß zu verstehen. Eigene geschäftliche Interessen des Beklagten oder des BDK werden dadurch nicht zu Lasten der Klägerin begünstigt.
75II.
76Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
77Der Streitwert wird auf 150.000,-- € festgesetzt. Der Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens (34 O 1/19) war auf 100.000,-- € festgesetzt. Der Streitwert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens liegt in der Regel um 1/3 niedriger als der Streitwert der Hauptsache.
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Referenzen
- § 103 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 4 UWG 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- § 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG 1x (nicht zugeordnet)
- 34 O 1/19 4x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Bundesgerichtshof (1. Zivilsenat) - I ZR 264/16 1x