Beschluss vom Landgericht Frankenthal (Pfalz) (1. Zivilkammer) - 1 T 182/10

Der Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Ludwigshafen am Rhein vom 14. Juli 2010 wird aufgehoben und das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung über den Insolvenzeröffnungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer an das Amtsgericht zurückgegeben.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin ist die für die Einziehung von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 28 f Abs. 3 SGB IV zuständige Stelle für den Schuldner.

2

Sie hat mit am 12. Juli 2010 eingegangenem Schreiben vom 06. Juli 2010 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners beantragt und sich zur Glaubhaftmachung von Forderung und Insolvenzgrund auf eine "Säumniszuschlagsberechnung auf Belegebene" berufen, in der die monatlichen Beitragsrückstände des Schuldners für die Zeit von Mai 2008 bis Juni 2010 auf der Grundlage der Beitragsnachweise des Schuldners (für Juni 2010 auf Grund einer Schätzung) aufgelistet worden sind, wobei der Schuldner - und dementsprechend die Antragstellerin - in den monatlichen Beitragsnachweisen die Gesamtbeträge angegeben, eine Aufschlüsselung nach Arbeitnehmern aber nicht vorgenommen hat.

3

Mit Beschluss vom 14. Juli 2010 hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Ludwigshafen am Rhein den Eröffnungsantrag zurückgewiesen, da die Forderung der Antragstellerin vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BGH nicht schlüssig dargelegt sei, da dies eine Aufgliederung nicht nur nach Monaten, sondern auch nach Arbeitnehmern erfordere.

4

Gegen diesen Beschluss, über den ein Zustellungsnachweis nicht vorliegt, richtet sich die am 30. Juli 2010 eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 28. Juli 2010, mit der sie ihren Antrag weiterverfolgt und die Rechtsauffassung vertritt, nach der seit dem 01. Januar 2006 geltenden Fassung des § 28 f Abs. 3 Satz 3 SGB IV reiche der Beitragsnachweis zur Glaubhaftmachung der Forderungen der Einzugsstelle; eine Aufspaltung nach Arbeitnehmern sei nicht erforderlich und mangels Mitteilung durch den Schuldner auch nicht möglich.

5

Der Amtsrichter hat der Beschwerde mit.Beschluss vom 03. August 2010 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH nicht abgeholfen und ergänzend darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin in einem weiteren Verfahren durchaus in der Lage gewesen sei, die Arbeitnehmer des Antragsgegners zu benennen.

II.

6

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 6 Abs. 1, 34 Abs. 1 InsO, 567 f. ZPO zulässig, insbesondere rechtzeitig. Auch wenn kein Zustellungsnachweis vorliegt, so ergibt sich aus der Akte, dass die Geschäftsstelle die Zustellverfügung erst am 20. Juli 2010 ausgeführt hat und mithin die am 30. Juli 2010 eingegangene sofortige Beschwerde auf jeden Fall rechtzeitig sein muss.

7

In der Sache führt die sofortige Beschwerde zu einem Erfolg insoweit, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Verfahren an das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Ludwigshafen am Rhein zur weiteren Behandlung des Insolvenzeröffnungsantrags unter Berücksichtigung der Auffassung der Kammer zurückzugeben ist.

8

Zwar gibt der Amtsrichter in der angefochtenen Entscheidung die Rechtsprechung des BGH vom 05. Februar 2004 (ZIP 2004,1466) und vom 08. Dezember 2005 (ZIP 2006, 141) zutreffend wieder: Dort hatte der BGH ausgeführt, dass eine schlüssige Darlegung der Beitragsforderungen erfordere, dass eine Aufschlüsselung nach Monat und Arbeitnehmer zu erfolgen habe.

9

Diese Rechtsprechung hat aber in der Praxis zu Problemen deshalb geführt, weil die einheitlich gestatteten Beitragsnachweise (vgl. hierzu jurisPK-SGB IV-Werner, Rn 78) zwar eine monatliche Aufstellung vorsehen, nicht aber getrennt nach Arbeitnehmern, sondern der Beitragsnachweis den insgesamt für alle Arbeitnehmer abzuführenden Beitrag enthält. Für die Zwangsvollstreckung bestimmte daher § 28 f Abs. 3 Satz 3 SGB IV schon vor dem 01. Januar 2006, dass der Beitragsnachweis für die Vollstreckung als Leistungsbescheid der Einzugsstelle gilt (vgl. hierzu auch Beschluss der Kammer vom 05.02.2007, Az. 1 T 16/07, bestätigt durch Beschluss des BGH vom 25.10.2007, Az. I ZB 19/07).

10

Wegen der oben zitierten Rechtsprechung des BGH zur Aufschlüsselung der Beitragsforderungen nach Monat und Arbeitnehmer und der sich aus den geschilderten Umständen ergebenden Schwierigkeit der Erfüllung dieser Anforderungen durch die Einzugsstelle hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen und zur Änderung weiterer Gesetze zum 01. Januar 2006 § 28 f Abs. 3 Satz 3 SGB IV dahingehend erweitert, dass der Beitragsnachweis im Insolvenzverfahren als Dokument zur Glaubhaftmachung der Forderungen der Einzugsstelle gelten soll.

11

In den Gesetzesmotiven heißt es hierzu (Bundestags-Drucksache 614/05, Seite 27 zu § 28 f SGB IV):

12

Durch diese Regelung wird klargestellt, dass für Anträge der Einzugssteilen im Insolvenzverfahren der Beitragsnachweis als Nachweis zur Glaubhaftmachung der Forderungen ausreicht. Eine von den Gerichten geforderte, nach einzelnen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen aufgeschlüsselte Aufstellung der Forderungen ist in dem bisherigen Melde- und Beitragsnachweisverfahren nicht darstellbar und nicht notwendig.

13

Ziel des Gesetzgebers war es also, die bekannte Rechtsprechung des BGH durch eine Gesetzesänderung bzw. -ergänzung obsolet zu machen und den - wie oben dargestellt nicht nach einzelnen Arbeitnehmern aufgegliederten - Beitragsnachweis als ausreichend anzusehen, um eine Forderung im Insolvenzverfahren glaubhaft zu machen. Dass sich der Gesetzgeber hierbei nicht juristisch einwandfrei ausgedrückt hat, indem er nicht zwischen schlüssiger Darlegung und Glaubhaftmachung einer Forderung unterschieden hat, ändert nichts daran, dass es Ziel der Gesetzgebungsinitiative war, den Beitragsnachweis in der Form des Gesamtnachweises für das Insolvenzverfahren als ausreichend ansehen zu wollen. Der Beitragsnachweis, der bisher schon für die Zwangsvollstreckung ausreichend war, soll dies nun auch für die Beantragung eines Insolvenzverfahrens sein, sowohl was die Darlegung der Forderung als auch ihre Glaubhaftmachung betrifft (vgl, auch jurisPK-Werner SGB IV § 28 f Rdn 94; Beck online Komm. Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching SGB IV § 28 f Rdn 13, die ebenfalls den Beitragsnachweis ohne Aufschlüsselung nach Arbeitnehmern für ausreichend erachten).

14

Damit ist die zitierte Rechtsprechung des BGH überholt und kann ein Insolvenzeröffnungsantrag nicht mehr mit der Begründung zurückgewiesen werden, der Beitragsnachweis enthalte keine Aufschlüsselung nach einzelnen Arbeitnehmern.

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Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung über den Insolvenzeröffnungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer an das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Ludwigshafen am Rhein zurückzugeben.

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