Urteil vom Landgericht Frankenthal (Pfalz) (2. Zivilkammer) - 2 S 74/16

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Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 12.02.2016, Az. 2f C 127/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 2.500,-- festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Kündigung eines Stromversorgungsvertrages (Stromgrundverhältnis).

2

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Von der Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2 Nr. 313 a ZPO).

II.

3

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.

4

Das Amtsgericht hat zu Recht entschieden, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 13.05.2015 ausgesprochene Kündigung (Anlage B5, Bl. 68 d.A.) des Grundversorgungsverhältnisses unwirksam ist.

5

Es hat dabei auch offen lassen können, ob die Preissteigerungen, denen der Kläger seit Oktober 2010 widersprochen hat, im Hinblick auf den Vortrag der Beklagten zu Kostensteigerungen tatsächlich ordnungsgemäß und wirksam im Sinne der aktuellen BGH-Rechtsprechung zur ergänzenden Vertragsauslegung bei Grundversorgungsverhältnissen waren. Die auf die Weigerung des Klägers, die Preissteigerungen umfassend zu zahlen, gestützte Kündigung der Beklagten ist nämlich aus anderen Gründen unwirksam.

6

Sowohl die Parteien als auch das Amtsgericht gehen im Ausgangspunkt zu Recht davon aus, dass eine (ordentliche) Kündigung des Grundversorgungsverhältnisses durch den Versorger nur unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 S. 2 StromGVV möglich ist, also nur dann, wenn eine Pflicht zur Grundversorgung nach § 36 Abs. 1 Satz 2 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnwG) nicht besteht. § 36 Abs. 1 Satz 2 EnwG wiederum lässt die Grundversorgungspflicht nur entfallen, wenn die Versorgung für das Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.

7

Eine Unzumutbarkeit in diesem Sinne ist im Streitfall nicht feststellbar.

8

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 28.10.2016 (- VIII ZR 158/11 -, NJW 2016, 1718 ff. ), in der er (für den parallelen Fall der Gasgrundversorgung) aufgrund ergänzender Vertragsauslegung dazu gelangt, dass einseitige Preisänderungen des Versorgers zulässig sind, soweit sie durch entsprechende Kostensteigerungen gerechtfertigt sind, zur Begründung dieser Auslegung u.a. wie folgt wörtlich ausgeführt (vgl. BGH, aaO, Rdnr. 82):

9

„Ohne diese gebotene ergänzende Vertragsauslegung könnte sich der Grundversorger in derartig gelagerten Fällen - auch in Ansehung seiner verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit (vgl. BVerfG, NJW 2011, 1339, 1341) - darauf berufen, dass die Versorgung des Kunden zu dem Ausgangspreis für ihn eine unzumutbare Härte darstelle (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 2013 - VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991 Rn. 37; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11, BGHZ 195, 93 Rn. 80). In solchen Fällen könnten zudem die Voraussetzungen einer ausnahmsweise zum Wegfall der Grundversorgungspflicht führenden Unzumutbarkeit der Grundversorgung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 EnWG 2005 gegeben sein. Dies wiederum stünde angesichts der Vielzahl der hiervon möglicherweise betroffenen Tarifkundenverträge (Grundversorgungsverträge) insbesondere nicht im Einklang mit der durch das EnWG 2005 bezweckten Sicherheit der Energieversorgung“.

10

Daraus ergibt sich, dass der Bundesgerichtshof davon ausgeht, dass die von ihm vorgenommene Vertragsauslegung gerade eine andernfalls sich eventuell ergebende Unzumutbarkeit verhindert. Dies leuchtet ein, weil der Energieversorger dadurch ohne Weiteres die Möglichkeit erhält, etwaige Rückstände, die sich aus der Weigerungshaltung des Kunden ergeben, gerichtlich geltend zu machen. Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte keinen Gebrauch, sondern hat unzulässiger Weise direkt eine Kündigung ausgesprochen (nachdem sie im Übrigen über viele Jahre die Widersprüche des Klägers sanktionslos hingenommen hat).

11

In diesem Zusammenhang ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Kündigung durch den Grundversorger stets nur ultima ratio sein kann, mithin nur unter gesteigerten Voraussetzungen möglich ist. (vgl. Scholz in Bartsch, Röhling, Salje, Scholz, Stromwirtschaft, 2008, Kap. 60, Rdnr. 63.). Es wäre daher – wie das Amtsgericht richtig ausführt - Sache der Beklagten gewesen, vor der Kündigung sämtliche anderen Möglichkeiten auszuschöpfen.

12

Soweit die Beklagte bereits zum Kündigungszeitpunkt ihre Preisänderungen für zulässig und wirksam erachtet hat, wäre es mithin an ihr gelegen, etwaige Rückstände gerichtlich geltend zu machen. Eine rechtskräftige Entscheidung über die Preisänderung wäre bei weiterer Zahlungsverweigerung durch den Kläger sodann auch taugliche Grundlage für eine Versorgungssperre gemäß § 19 StromGVV gewesen, was im Wiederholungsfall dann wiederum die (fristlose) Kündigungsmöglichkeit eröffnet hätte (§ 21 StromGVV). Angesichts dieses in der StromGVV angelegten Stufenverhältnisses bis zur Kündigung als ultimo ratio, vermag es auch nicht zu überzeugen, soweit die Berufung meint, die Kündigung sei gegenüber der Versorgungssperre ohnehin das „mildere Mittel“.

13

Es verfängt auch nicht das Argument der Berufung, der Beklagten sei die gerichtliche Geltendmachung der durch die nicht bezahlten Preissteigerungen entstandenen Rückstände zum Kündigungszeitpunkt noch nicht möglich gewesen. Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass man zum Kündigungszeitpunkt aufgrund der EuGH-Entscheidungen vom 29.10.2014 (C-359/11 und 4-C 400/11) habe annehmen müssen, dass die Preisänderungen nicht wirksam seien, vermag dies die Kündigung nicht zurechtfertigen. Wie die BGH-Entscheidung vom 28.10.2016 (aaO) gerade zeigt, stehen die genannten EuGH-Entscheidungen der Geltendmachung von Preissteigerungen, soweit ihnen Kostensteigerungen zugrunde liegen, gerade nicht entgegen. Mit der ausgesprochenen Kündigung hat die Beklagte mithin lediglich das Risiko einer Klage auf den Kunden abgewälzt.

14

Im Übrigen verfängt auch nicht das Argument, die wirtschaftliche Unzumutbarkeit für die Beklagte ergebe sich nicht aus dem bislang (vermeintlich) aufgelaufenen Zahlungsrückstand, sondern aus der grundsätzlichen Weigerung des Klägers, auch zukünftig die Allgemeinen Preise im Sinne des § 36 EnwG zu zahlen. Insoweit muss sich die Beklagte entgegen halten lassen, dass sie erst im Rahmen des vorliegenden Verfahrens überhaupt zu konkreten Kostensteigerungen vorgetragen hat (Schriftsatz vom 13.01.2016, Seite 3 ff. Bl. 65 ff. d.A.). Zum Zeitpunkt der Kündigung war mithin gar nicht absehbar, ob der Kläger auch bei detaillierter Darlegung etwaiger Kostensteigerungen seinen Widerspruch aufrechterhalten hätte. Immerhin hat der Kläger bereits in seinem Widerspruchsschreiben vom 25.09.2007 darauf abgestellt, dass ihm ein Nachweis für die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Preise nicht vorgelegt wurde und er bis zu diesem Nachweis die Preiserhöhung nicht zahlen werden (vgl. Anlage K1, Bl. 8 d.A.). Aus dem Widerspruchsschreiben lässt sich mithin gerade nicht entnehmen, dass er sich grundsätzlich Preisanpassungen verweigert.

15

Nach alledem hat es bei der angefochtenen Entscheidung zu verbleiben.

16

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

17

Nixdorf

Malchus

Leone

Vorsitzender Richter
am Landgericht

Richterin
          am Landgericht          

Richter
am Amtsgericht

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