1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen zukünftigen - materiellen und immateriellen - Schaden aus der ärztlichen Behandlung in der F.-Klinik in B. wegen eines vom Kläger am 11. November 2002 erlittenen Sturzes zu ersetzen, soweit nicht Ansprüche auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind oder noch übergehen werden.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen
3. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 35 % und hat der Beklagte 65 % zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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| Der Kläger begehrt Schmerzensgeld und Feststellung aus Arzthaftung. |
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| Der am … 2000 geborene Kläger erlitt am 11. November 2002 bei einem Sturz eine Fraktur am rechten Arm. Wegen der Verletzungen wurde er in der Chirurgischen Klinik der F.-Klinik in B., deren Träger der beklagte Landkreis ist, behandelt. Bei dem klagenden Kind wurde eine schmerzhafte Einschränkung der Beweglichkeit im Ellbogengelenk festgestellt. Der rechte Oberarm mit Schultergelenk und Ellbogengelenk, sowie der Unterarm mit Handgelenk wurden in zwei Ebenen geröntgt. Danach ergab sich nach Einschätzung des behandelnden Arztes eine epikondyläre Oberarmfraktur mit Gelenkbeteiligung und einer minimalen Verschiebung der Fragmente. Auf dem gefertigten Röntgenbild ist eine Fehlstellung (Dislokation) des gebrochenen Knochens nicht zu erkennen. Der Arm des Kindes wurde durch Gipsverband ruhig gestellt. |
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| Am 13. November 2002 wurde der Gipsverband in der F.-Klinik korrigiert. |
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| Die Mutter des Klägers wurde durch Ärzte der F.-Klinik angewiesen, sich wegen der Gipskontrolle an den Hausarzt des Klägers zu wenden. |
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| Am 6. Dezember 2002 wurde der Gipsverband in der chirug. Praxis Dr. D. entfernt. Bei einer Röntgenkontrolle war eine Fehlstellung (Dislokation) des mittlerweile zusammengewachsenen Knochens zu erkennen, weshalb der Kläger am 30. Dezember 2002 in der kinderchirurgischen Klinik K. operiert wurde. Die Dislokation wurde durch diese Operation jedoch nicht behoben. Eine Kernspintomographie vom 25. Juni 2003 zeigt eine Rotationsfehlstellung. |
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| Am 12. Mai 2004 erstattete Prof. Dr. S. ein Gutachten für die Gutachterkommission und Schlichtungsstelle für Fragen ärztlicher Haftpflicht in K., in welchem er ausführte, dass erstens am Anfang der Behandlung eine prophylaktische operative Fixation hätte erfolgen müssen, der sich zweitens eine postprozedurale Kontrolldiagnostik hätte anschließen müssen; schließlich sei bei der Korrekturoperation vom 30. Dezember 2002 der Achsenfehler unzulänglich behoben worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten im Anlagenheft Seiten 1 - 23 (im Folgenden: AH) verwiesen. In ihrem Gutachten vom 2. August 2004 stellte die Gutachterkommission fest, dass ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliege (AH 25/27). |
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| Die Haftpflichtversicherung der beklagten Klinik zahlte nach Aufforderung und Fristsetzung am 22. Februar 2006 auf einen geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch von EUR 10.000,- an den Kläger insgesamt EUR 6.000,-. |
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| die am 11. November 2002 erlittene Fraktur am rechten Arm sei von den Ärzten der F.-Klinik in B. fehlerhaft diagnostiziert und behandelt worden. Fehlerhaft sei der Arm lediglich eingegipst worden, statt eines operativen Behandlungsverfahrens (prophylaktische operative Fixation). Falsch sei die Auffassung der Beklagten, aufgrund der bestimmten, beim Kläger festgestellten Fraktur auf der Grundlage der erstellten Röntgenbefunde sei eine konservative Behandlung mit Gips angezeigt, lege artis und leitliniengerecht gewesen. Fehlerhaft sei weiterhin die unzureichende postprozedurale Kontrolldiagnostik gewesen. |
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| Es bestehe aufgrund dieser Fehler und trotz einer Korrekturoperation am 30.Dezember 2002 eine nicht ausreichende Behebung des Achsenfehlers bzw. eine anhaltende gesundheitliche Beeinträchtigung. Der Kläger werde immer unter der eingeschränkten Streck- und Beugefähigkeit seines rechten Armes leiden. Durch eine Operation am Unfalltag oder kurz danach hätten diese Schäden verhindert werden können. |
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| 1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein weiteres angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.02.2006; |
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| 2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeglichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der aus der ärztlichen Behandlung des Klägers in der F.-Klinik in B. beginnend mit dem 11.11.2002 wegen eines vom Kläger am 11.11.2002 erlittenen Sturzes resultiert. |
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| der Kläger bzw. seine Eltern seien darauf hingewiesen worden, dass eine klinische Befundkontrolle bei einem niedergelassenen Chirurgen / Kinderarzt durchzuführen sei. Möglicherweise sei es im Rahmen der Nachbehandlung zu einer sekundären Dislokation gekommen. Auch liege ein mitwirkendes Verschulden bei festgestellter Schädigung am 6. Dezember 2002 und Operation am 30. Dezember 2002 durch diese Verzögerung vor. |
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| Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens (Beweisbeschluss vom 16. August 2007 - AS 73/75), welches am 6. Februar 2008 erstattet (AH 29 - 43), am 23. April 2008 ergänzt (AS. 193/195) und in der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2008 (AS 227 - 241) erörtert wurde. |
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| Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 24. August 2007 dem Städtischen Klinikum K. den Streit verkündet (AS 83/85); ein Beitritt ist nicht erfolgt. Der Beklagte hat am 25. Februar 2008 dem nachbehandelnden Arzt Dr. D. den Streit verkündet (AS. 167/169); ein Beitritt ist ebenfalls nicht erfolgt. |
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| Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2008 verwiesen. |
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| Die zulässige Klage ist teilweise begründet. |
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| Dem Kläger steht kein weiterer Anspruch auf Schmerzensgeld, jedoch ein Anspruch auf Feststellung der Haftung für materielle bzw. immaterielle künftige Schäden aus Krankenhausvertrag zu. Ihm ist der Nachweis schuldhaften Fehlverhaltens des behandelnden Arztes der F.-Klinik im Zusammenhang mit seinem Sturz vom 11. November 2002, welches kausal zu den bestehenden Bewegungseinschränkungen im Arm geführt hat, gelungen. |
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| 1. Dass der Beklagte als Träger der F.-Klinik in B. für die ambulante Behandlung durch die dort arbeitenden Ärzte grundsätzlich haftet, steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Ob es sich dabei um die ambulante Behandlung eines Kassenpatienten (vgl. zur Haftung bei Behandlungen in sog. Institutsambulanzen (§§ 117 - 119 SGB V) - BGH, Urteil vom 08. Dezember 1992, VI ZR 349/91, in BGHZ 120, 376 = NJW 1993, 784/786) oder eines Selbstzahlers (Privatpatient - vgl. BGH, Urteil vom 20. September 1988, VI ZR 296/87 in BGHZ 105, 189 = NJW 1989, 769/770) handelt, braucht wegen der Gleichstellung der Haftung des Krankenhausträgers nicht entschieden zu werden. |
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| 2. Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass das schuldhafte Fehlverhalten des in der Ambulanz des Klinikums der Beklagten arbeitenden Arztes bei der Behandlung der Sturzfolgen am 11. November 2002 kausal zu den bestehenden Bewegungseinschränkungen im rechten Arm geführt hat. |
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| a. Der maßgebliche Fehler des erstbehandelnden Arztes in der Ambulanz der F.-Klinik bestand darin, keine engmaschige Kontrolle der Fraktur am Ellbogen des Klägers nach der Ruhigstellung durch Gips unzweideutig angeordnet bzw. den Kläger nicht zur Nachbehandlung an einen Fachmann für Kinderchirurgie überwiesen zu haben. |
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| Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 6. Februar 2008 ausgeführt und in seinem Ergänzungsgutachten vom 23. April 2008 bestätigt, dass initial der Frakturtyp nicht korrekt interpretiert wurde. Beschrieben wurde durch den behandelnden Arzt der F.-Klinik eine Epikondylus ulnaris Fraktur, die jedoch bei einem 2 Jahre und 3 Monate alten Kind mangels radiologischer Darstellbarkeit des Epikondylus ulnaris nicht vorliegen konnte. Tatsächlich handelte es sich um eine intraartikuläre transkondyläre Y-Fraktur des rechten Humerus (AH 33/39; AS 193). |
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| Der initial nicht verschobene ellenbogennahe Anteil des Knochenbruchs muss zwischen dem Zeitpunkt der Erstversorgung am 11. November 2002 und der Röntgendiagnostik nach Abnahme des Gipsverbandes am 6. Dezember 2002 disloziert sein. Dieses sekundäre Abrutschen der gebrochenen Knochenanteile war für diese sehr spezielle Bruchform typisch und zu erwarten (AH 35/39). |
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| Die initiale Behandlung bei zunächst nicht dislozierter Fraktur mit Gips war korrekt. Bei dieser zur zweiseitigen Dislokation neigenden Fraktur muss jedoch zwingend notwendig eine engmaschige, zeitnahe Röntgenkontrolle ohne Gips erfolgen, um dann zeitnah eine operative Fixation durchführen zu können. Die erforderlichen Röntgenkontrollen - sowohl bei der vorliegenden transkondylären Humerusfraktur als auch bei der diagnostizierten epikondylären Humerusfraktur - hätten ohne Gips am 5. und am 10. Tag nach dem Unfall erfolgen müssen. |
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| Diese Kontrolle wurde nicht vorgenommen und nach den Behandlungsunterlagen auch nicht empfohlen (AH 35/39; AS 195). In Kenntnis der richtigen Diagnose, also auch der altersspezifischen Anatomie und der möglichen Problematik, hätten die Vorgaben der Weiterbehandlung und Empfehlungen zur fachspezifischen Überweisung anders lauten müssen. Die initiale Fehldiagnose wurde durch den nachbehandelnden Arzt übernommen (AS 195). In der gesamten Behandlungsphase von der Notfallversorgung in der Klinik bis zur Gipsabnahme 3 Wochen nach dem Unfall durch den niedergelassenen Arzt ist eine adäquate, fachspezifische, d.h. kindertraumatologische Behandlung, nicht erfolgt (AS 195). |
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| In der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2008 hat der Sachverständige seine gutachterlichen Feststellungen eindrucksvoll und zur Überzeugung des Gerichts bestätigt. |
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| Er hat ausgeführt, dass bei dem im Zeitpunkt der Behandlung 2 Jahre und 3 Monate alten Kläger nach der Ruhigstellung des Bruches mit Gips es anschließend drei Alternativen der Folgemaßnahmen gab, und zwar erstens eine Röntgenkontrolle durch den erstbehandelnden Arzt selbst, zweitens eine Röntgenkontrolle durch den nachfolgenden Arzt oder drittens eine fachgerechte Weiterbehandlung in einer Kinderchirurgie. Diese Kinderchirurgie weiß von sich aus, was bei solchen hochkomplexen Brüchen zu tun ist. Auf jeden Fall reicht es nicht aus, wenn ein allgemeiner Chirurg oder noch weniger wenn ein Kinderarzt mit der Weiterbehandlung ohne weitere Informationen über eine engere Kontrolle betraut wird. Dieses besondere Informationsbedürfnis der Nachbehandler hat seinen Grund darin, dass hier der Bruch mit einem Gips überzogen war und von außen weitere Erkenntnisse nicht gewonnen werden konnten. Es handelte sich um schwere Verletzungen mit einer hohen Komplexität, wie sie bei Ellenbogenverletzungen eines Kindes dieses Alters vorliegen. |
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| Eine Dislokation lag bereits nach dem Unfall vor mit einem ersten initialen Bild, welches der Sachverständige jedoch selbst nicht gesehen hat, da es verschwunden ist. Wahrscheinlich hat sich der Umfang der Dislokation bei diesem ersten Bild noch nicht gezeigt, sonst hätte - so der Sachverständige - auch sofort eine Operation erfolgen müssen, was aber nicht geschah. Dann besteht aber die Tendenz, dass innerhalb von einer Woche bis höchstens 10 Tagen die Dislokation sich soweit verändert, dass sie auf dem Röntgenbild zu erkennen ist (sogenannte zweitzeitige Dislokation oder auch sekundäre Dislokation). Bei einer ersten Röntgenkontrolle nach fünf Tagen lassen sich die dann erkennbar noch frischen Bruchstücke wieder aneinandersetzen und es ist eine größtmögliche Heilung möglich. Der zehnte Tag, das heißt der zweite Röntgentag, ist quasi der letzte Tag der möglichen Operation, ohne dass es zu schweren Folgen kommt. Jede spätere Behandlung zur Korrektur der Dislokation führt dann zu einer schwierigeren Knochenheilung, da der zusammengewachsene Bruch wieder aufgelöst werden müsste. Eine dritte Kontrolle, also nach 15 Tagen oder wie hier am 6. Dezember 2002, war im Hinblick auf die Möglichkeit der Heilung deutlich zu spät. |
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| b. Bestand aufgrund des Alters des Kindes und der Art der Verletzung die besondere Veranlassung, den Bruch durch eine engmaschige und zeitnahe Röntgenkontrolle zu überwachen, so mussten die Ärzte der F.-Klinik dafür sorgen, dass die erforderliche Nachbehandlung gesichert war. Da die Ärzte der F.-Klinik die gebotene Nachbehandlung nicht selbst vornahmen, hätte in der Mitteilung an den nachbehandelnden Arzt nicht nur der Entlassungsbefund, sondern auch die sich daraus für die Nachbehandlung ergebenden besonderen therapeutischen Konsequenzen niedergelegt werden müssen. Nur in einer solchen umfassenden Unterrichtung kann jedenfalls in einem derartigen, nicht einfach gelagerten Fall dem nachbehandelnden Arzt die alleinige Verantwortung für die Nachbehandlung zugeschoben werden, da er nur dann selbst beurteilen kann, ob er aufgrund seiner Ausbildung, seiner Fähigkeiten und ggfls. seiner medizinisch technischen Ausrüstung die Weiterbehandlung eigenverantwortlich durchführen kann (vgl. zu den Hinweispflichten BGH, Urteil vom 7. Juli 1987, VI ZR 146/86, in NJW 1987, 2927/2928 und OLG Karlsruhe, Urteil vom 25. Januar 1989, 7 U 155/87). |
|
| Dass der behandelnde Arzt einer solchen Hinweispflicht an den nachbehandelnden Arzt nachgekommen ist, ist nicht substantiiert vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Ein ausführlicher Arztbrief an den nachbehandelnden Arzt findet sich nicht in den Unterlagen. In dem Krankenblatt der F.-Klinik ist auch nicht angekreuzt, dass der Bericht über die Erstbehandlung an den Hausarzt via Post oder über den Patienten erfolgen soll. |
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| Einer Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung zur Behauptung der Beklagten, es sei am 11. November 2002 darauf hingewiesen worden, dass eine klinische Befundkontrolle bei einem niedergelassenen Chirurgen/Kinderarzt durchzuführen sei (AS. 35), bedurfte es nicht. Einerseits findet sich zu einem solchen Hinweis in den Behandlungsunterlagen der F.-Klinik, auf die sich der Beklagte zum Nachweis der o.g. Behauptung beruft, unter Therapievorschlag die Empfehlung „…Ruhigstellung ca. 3-4 Wo, klin. Befundkontrolle bei niedergelassenem Chirurgen/Kinderarzt, nach 3 - 4 Wo Ro - Kontrolle, am 13.11.02 Gipskontrolle bei Kinderarzt“. Die vollständige Aufzeichnung der Krankenunterlagen empfiehlt offenbar sogar eine Röntgen-Kontrolle erst nach 3 - 4 Wochen, was den Feststellungen des Sachverständigen zu einer unabdingbar notwendigen engmaschigen und zeitnahen Kontrolle widerspricht. Die Fehleinschätzung des behandelnden Arztes zur notwendigen Therapie beruht offensichtlich auf seiner Fehldiagnose einer Epikondylus ulnaris Fraktur. Tatsächlich handelte es sich um eine intraartikuläre transkondyläre Y-Fraktur des rechten Humerus. Zum Anderen ist angesichts der besonderen Anforderungen an die Nachuntersuchung durch eine engmaschige und zeitnahe Röntgenkontrolle der allgemeine Hinweis einer klinischen Befundkontrolle bei einem niedergelassenen Chirurgen/ Kinderarzt in jedem Fall unzureichend. Dies gilt umso mehr, als dieser Hinweis durch die nachfolgende Empfehlung einer Röntgenkontrolle nach 3 - 4 Wochen quasi wieder aufgehoben wird. |
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| c. Der beklagte Landkreis haftet für das Fehlverhalten des am 11. November 2002 in der F.-Klinik behandelnden Arztes auch, wenn sein Fehler neben der anschließenden fehlerhaften Nachbehandlung des Chirurgen Dr. D. bzw. der am 30. Dezember 2002 fehlerhaft operierenden Ärzte der kinderchirurgischen Klinik K. lediglich mitursächlich für die verbliebene Schädigung des klagenden Kindes war. Nach allgemeinem Schadensrecht steht eine Mitursächlichkeit, und sei es auch nur im Sinne eines Auslösers neben erheblichen anderen Umständen, der Alleinursächlichkeit haftungsrechtlich in vollem Umfang gleich. Dies gilt auch für die Arzthaftung (vgl. BGH, Urteil vom 5. April 2005, VI ZR 216/03, in NJW 2005, 2072/2073 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 27. Juni 2000 - VI ZR 201/99 - VersR 2000, 1282 f. m.w.N.). Etwas anderes kann allenfalls in dem - hier nicht vorliegenden - Fall der Teilkausalität gelten, wenn das ärztliche Versagen und ein weiterer, der Behandlungsseite nicht zuzurechnender Umstand abgrenzbar zu einem Schaden geführt haben (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362, 363 m.w.N. und OLG Karlsruhe, Urteil vom 25. Januar 1989, 7 U 155/87). Die „Kausalität“ ist im vorliegenden Fall nicht „abgebrochen“, weil sich der Kläger tatsächlich und rechtzeitig in die Nachbehandlung des Chirurgen Dr. D. begeben hat. Wie oben bereits ausgeführt hat dieser nachbehandelnde Arzt die erforderlichen Untersuchungen für eine mögliche Dislokation des Bruchs nicht vorgenommen. Er hat eine fachgerechte Nachbehandlung nicht eingeleitet. Es ist mithin nicht das eingetreten, was durch einen sachgerechten Arztbrief bezweckt und erreicht werden sollte. |
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| d. Das Gericht ist auch der Auffassung, dass die unterlassene Weiterverweisung an einen Kinderchirurgen bzw. unterlassene Anordnung einer engmaschigen und zeitnahen Kontrolle bei dem am 11. November 2002 vorliegenden Verletzungsbild einer intraartikulären transkondylären Y-Fraktur des rechten Humerus bei einem 2 Jahre und 3 Monate alten Kind einen groben Behandlungsfehler darstellt. |
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| Ein grober Behandlungsfehler liegt nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs nur dann vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Bei der Beurteilung eines Behandlungsfehlers als grob handelt es sich um eine juristische Wertung, die dem Tatrichter obliegt. Indessen muss, wie der Bundesgerichtshof hervorgehoben hat, diese wertende Entscheidung auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruhen, die sich in der Regel aus der medizinischen Bewertung des Behandlungsgeschehens durch den Sachverständigen ergeben (vgl. zum groben Behandlungsfehler bei unterlassener Befunderhebung BGH, Urteil vom 4. Oktober 1994, VI ZR 205/93, in NJW 1995, 778/779 m.w.N.). |
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| Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige ausgeführt, dass die Praxis der allgemeinen Chirurgie dahin geht, bei Brüchen kleiner Kinder nicht zwingend an die Kinderchirurgie weiter zu verweisen. Er, der Sachverständige, erhält immer wieder fehldiagnostizierte Kleinkinder. Die Weitergabe eines Kleinkindes mit einer Ellenbogenverletzung durch einen Allgemeinchirurgen sollte jedoch immer an einen Fachmann erfolgen, weil dieser Bruch extrem selten ist. Auch waren die Folgen des Bruchs zu dem Zeitpunkt des ersten Röntgenbildes am 11. November 2002 noch gar nicht absehbar gewesen, da der knöcherne Anteil bei kleinen Kindern noch nicht so angelegt ist, dass Feststellungen ohne Weiteres möglich sind. |
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| Zur Besonderheit der hier vorliegenden Fraktur hat der Sachverständige erläutert, dass zwischen dem Oberarmknochen und der Elle eine Gelenkverbindung besteht, die für das Beugen, Strecken und Drehen verantwortlich ist. Diese Gelenkverbindung am Oberarmknochen ist der Kondylus. Der Epikondylus ist ein Knöchelchen am Oberarmknochen, der an für sich nicht gelenkbildend ist. Die häufigste Fraktur ist eher oberhalb des Gelenkes. Dort kann es eventuell zu schwach dislozierenden Brüchen kommen, die bei der ersten Aufnahme erkennbar sind, weshalb auch ein Gips reicht und auch eine weitere Röntgenkontrolle nicht notwendig ist. Hier wurde eine solche oberhalb des Gelenkes liegende Fraktur aber nicht erwähnt und auch nicht erkannt. Bei der hier vorliegenden Art der Verletzung des Kondylus war deshalb auch auf jeden Fall eine Nachbehandlung mit einer regelmäßigen Kontrolle notwendig. Eine solche Nachbehandlung wäre sogar auch bei einem Erwachsenen mit dieser Art der Verletzung geboten gewesen. |
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| Die zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung nicht sicher abklärbare Art der Fraktur in dem höchst sensiblen Gelenkbereich - insbesondere bei einem Kleinkind - gab nach Auffassung des Gerichts Anlass zur besonderen Sorgfalt. Dann ist es aber nach Überzeugung des Gerichts gänzlich unverständlich, eine solche Nachuntersuchung durch einen Kinderchirurgen bzw. eine engmaschige und zeitnahe Kontrolle des Bruchs nicht angeordnet zu haben. Mit diesem Behandlungsfehler hat der erstbehandelnde Arzt die Aufklärung des Behandlungsverlaufs besonders erschwert (vgl. zum Wesen des groben Behandlungsfehlers bei Fehldiagnose und unterlassener Befunderhebung: BGH, Urteil vom 4. Oktober 1994, VI ZR 205/93, in NJW 1995, 778/779 m.w.N.). Der erstbehandelnde Arzt hat somit gegen gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf; er handelte grob fahrlässig. |
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| e. Liegt ein grober Behandlungsfehler vor, so tritt zugunsten des Patienten eine Beweislastumkehr für die Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Schaden ein, wenn der Fehler geeignet war, die Gesundheitsbeschädigung zu verursachen (vgl. nur BGH, Urteil vom 16. November 2004, VI ZR 328/03, in VersR 2005, 228, 229 = NJW 2005, 427, 428 m.w.N.). |
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| Dies führt hier dazu, dass der Beklagte für die beim Kläger eingetretene Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Arms haftet, da ihm der Beweis nicht gelungen ist, dass der Fehler nicht für diese Folgen ursächlich war. Die Eignung des Fehlers, die Bewegungseinschränkung des Arms durch die verspätete Operation herbeizuführen, ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zu bejahen. Insoweit hat er ausgeführt, eine sofortige Operation zu einem früheren Zeitpunkt hätte mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ein besseres Ergebnis gebracht. Inwieweit das zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2008 vorgefundene Ergebnis auf die fehlerhafte Initialbehandlung oder auf die spätere Korrekturoperation am 30. Dezember 2002 zurückzuführen ist, vermochte der Sachverständige nicht in Prozenten anzugeben. Wenn die Operation nach fünf oder nach zehn Tagen erfolgt wäre, das heißt in dem Bereich der von dem Sachverständigen angegebenen Röntgenkontrolluntersuchung, so wäre das Ergebnis auf jeden Fall günstiger gewesen, d.h. die Wahrscheinlichkeit auf ein folgenloses Abheilen der Fraktur hätte deutlich gesteigert werden können. Als Folge bleibt eine gesundheitliche Beeinträchtigung mit eingeschränkter Streck- und Beugefähigkeit des Arms. |
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| f. Die Eltern des Klägers oder andere nachbehandelnde Ärzte haben auch nicht schuldhaft eine schnellstmögliche Beseitigung der Dislokation verhindert, indem nach den radiologischen Feststellungen vom 6. Dezember 2002 eine Operation erst am 30. Dezember 2002 erfolgte. Zur Problematik, ob in der Zeit zwischen dem 6. Dezember und 30. Dezember 2002 eine Verzögerung bzw. eine Verschlechterung eingetreten sein könnte, hält der Sachverständige - wie er in der mündlichen Verhandlung ausführte - diesen Zeitraum im Hinblick auf den bereits eingetretenen Zustand und die dann erfolgte Operation für irrelevant. Er selbst, der Sachverständige, hätte vielleicht sogar noch länger zugewartet, bis er eine Korrektur vorgenommen hätte. Hier war die knöcherne Heilung des Ellbogens am 6. Dezember 2002 schon sehr weit fortgeschritten. Dann ist es im Hinblick auf den Zeitpunkt einer Korrekturoperation eine Frage der Abwägung, ob die Durchblutung eines eingeheilten Knochenstückes wieder verletzt oder eine Festigung abgewartet werden soll. |
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| g. Als Ausgleich für die sich aus dem Behandlungsfehler ergebenden Folgen für den Kläger rechtfertigt sich nach Überzeugung des Gerichts ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt EUR 6.000,-. Hinsichtlich der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2008 erkennbaren verbleibenden Schäden des Klägers für die Zukunft hat der Sachverständige ausgeführt, dass auf jeden Fall dauerhafte Folgen möglich sind, die aber erst zu einem späteren Zeitpunkt bei Abschluss des knöchernen Wachstums, das heißt bei einem Jungen mit 16 oder 17 Jahren festgestellt werden können. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf mögliche rentenpflichtige Schäden. Funktional könne sogar eine höhere Beweglichkeit und Stabilität bestehen, als unbedingt auf den Röntgenbildern oder dem Kernspin erkennbar ist. Es besteht die Möglichkeit einer Besserung ebenso, wie die einer Verschlechterung. Der Sachverständige hält eine jährliche Kontrolle hinsichtlich der Funktion des Arms für geboten. Bei der Untersuchung des klagenden Kindes in der mündlichen Verhandlung stellte der Sachverständige fest, dass eine fast komplette Beugung des Arms möglich ist. Die Streckung ist jedoch eingeschränkt. Der Kläger nimmt eine Korrektur über die Schulter vor; es besteht auch eine Verkrümmung des Ellenbogengelenks nach außen. Der Kläger hat jedoch gelernt, mit dieser Fehlstellung umzugehen. Nach heutiger, vorsichtiger Einschätzung geht der Sachverständige derzeit nicht davon aus, dass hier eine rentenpflichtige Einschränkung von über 20% vorliegen wird. Eine Einschränkung bei Sport und Spiel ist derzeit unzweifelhaft gegeben. Ob der Kläger eine Handwerkerlehre wird ausführen können, vermochte der Sachverständige nicht sicher anzugeben. Folgeverletzungen sind mit der hier vorliegenden Verletzung nicht typischerweise verbunden, eventuell gibt es später Druckschäden bei den Nerven in dieser Armregion, das heißt ggf. Neuralgien im Alter von 20 Jahren. Aber auch dies lässt sich heute noch nicht absehbar feststellen. Ob und inwieweit Folgeoperationen notwendig sind, um die Gelenkigkeit beizubehalten bzw. wiederherzustellen, bestimmt sich nach der jeweiligen Funktionsuntersuchung, die im jährlichen Abstand erfolgen sollte. Auch ob erst im ausgewachsenen Zustand eine solche Erstoperation geboten sein könnte, vermochte der Sachverständige nicht zu beantworten, da dies auch schon früher sein könnte, wenn eine deutliche Fehlstellung absehbar wird. Mit einer solchen Operation lässt sich die Achsabweichung beseitigen, aber nicht die Einschränkung von Beugung und Streckung. Das Gericht hat demnach bei der Bemessung des angemessenen Ausgleichs durch ein Schmerzensgeld entscheidend darauf abgestellt, dass bis zum 17. Lebensjahr des zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erst achtjährigen Klägers eine sichere Prognose der weiteren Entwicklung nicht möglich ist. Das hier zugesprochene Schmerzensgeld berücksichtigt demnach die eingeschränkte Bewegungsfähigkeit des rechten Arms nur für den Zeitraum von dem Zeitpunkt der Fehlbehandlung am 11. November 2002 bis zum Jahr 2016. Unberücksichtigt bleiben Feststellungen zu Möglichkeiten künftiger Berufsausübung, Nervenschädigungen und korrigierende Operationen wegen eingetretener Fehlstellungen nach der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2008. Diese Folgen des Behandlungsfehlers vom 11. November 2002 bleiben den vom Sachverständigen empfohlenen weiteren jährlichen Untersuchungen vorbehalten. Nachdem der Kläger bereits EUR 6.000,- an Schmerzensgeld erhalten hat, war ihm ein weiteres Schmerzensgeld nicht mehr zuzusprechen. |
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| 3. Die Feststellungsklage hat im Rahmen des gestellten Antrags Erfolg. |
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| Sie ist zulässig. Der Beklagte hat seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit in Abrede gestellt und Verjährung droht; die Möglichkeit eines weiteren Schadenseintritts kann nicht verneint werden, das erforderliche Feststellungsinteresse ist daher gegeben (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2004, VI ZR 328/03, in VersR 2005, 228, 230 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 16. Januar 2001, VI ZR 381/99, in VersR 2001, 874). Auch der Vorbehalt hinsichtlich künftiger noch ungewisser und bei der Ausurteilung der Zahlungsklage auf Schmerzensgeld noch nicht berücksichtigungsfähiger immaterieller Schäden ist zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2004, VI ZR 70/03, in NJW 2004, 1243, 124). Der Feststellungsantrag ist auch begründet, denn Gegenstand der Feststellungsklage ist ein befürchteter Folgeschaden aus der Verletzung eines deliktsrechtlich geschützten absoluten Rechtsguts (vgl. dazu BGH, Urteil vom 16. November 2004, VI ZR 328/03, in VersR 2005, 228, 230 m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige ausgeführt, dass als Folge der unzureichenden Versorgung des gebrochenen Arms eine anhaltende gesundheitliche Beeinträchtigung mit eingeschränkter Streck- und Beugefähigkeit des Arms verbleiben kann. Wie bei allen Knochenbrüchen im Kindesalter, lässt sich nach Überzeugung des Gerichts zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht feststellen, welchen Heilungsverlauf der fehlerhaft behandelte Arm nehmen wird. |
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| Aus oben dargelegten Gründen war der Klage im Umfang des Feststellungsantrages stattzugeben; im Übrigen war sie abzuweisen. |
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| Die zulässige Klage ist teilweise begründet. |
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| Dem Kläger steht kein weiterer Anspruch auf Schmerzensgeld, jedoch ein Anspruch auf Feststellung der Haftung für materielle bzw. immaterielle künftige Schäden aus Krankenhausvertrag zu. Ihm ist der Nachweis schuldhaften Fehlverhaltens des behandelnden Arztes der F.-Klinik im Zusammenhang mit seinem Sturz vom 11. November 2002, welches kausal zu den bestehenden Bewegungseinschränkungen im Arm geführt hat, gelungen. |
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| 1. Dass der Beklagte als Träger der F.-Klinik in B. für die ambulante Behandlung durch die dort arbeitenden Ärzte grundsätzlich haftet, steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Ob es sich dabei um die ambulante Behandlung eines Kassenpatienten (vgl. zur Haftung bei Behandlungen in sog. Institutsambulanzen (§§ 117 - 119 SGB V) - BGH, Urteil vom 08. Dezember 1992, VI ZR 349/91, in BGHZ 120, 376 = NJW 1993, 784/786) oder eines Selbstzahlers (Privatpatient - vgl. BGH, Urteil vom 20. September 1988, VI ZR 296/87 in BGHZ 105, 189 = NJW 1989, 769/770) handelt, braucht wegen der Gleichstellung der Haftung des Krankenhausträgers nicht entschieden zu werden. |
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| 2. Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass das schuldhafte Fehlverhalten des in der Ambulanz des Klinikums der Beklagten arbeitenden Arztes bei der Behandlung der Sturzfolgen am 11. November 2002 kausal zu den bestehenden Bewegungseinschränkungen im rechten Arm geführt hat. |
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| a. Der maßgebliche Fehler des erstbehandelnden Arztes in der Ambulanz der F.-Klinik bestand darin, keine engmaschige Kontrolle der Fraktur am Ellbogen des Klägers nach der Ruhigstellung durch Gips unzweideutig angeordnet bzw. den Kläger nicht zur Nachbehandlung an einen Fachmann für Kinderchirurgie überwiesen zu haben. |
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| Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 6. Februar 2008 ausgeführt und in seinem Ergänzungsgutachten vom 23. April 2008 bestätigt, dass initial der Frakturtyp nicht korrekt interpretiert wurde. Beschrieben wurde durch den behandelnden Arzt der F.-Klinik eine Epikondylus ulnaris Fraktur, die jedoch bei einem 2 Jahre und 3 Monate alten Kind mangels radiologischer Darstellbarkeit des Epikondylus ulnaris nicht vorliegen konnte. Tatsächlich handelte es sich um eine intraartikuläre transkondyläre Y-Fraktur des rechten Humerus (AH 33/39; AS 193). |
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| Der initial nicht verschobene ellenbogennahe Anteil des Knochenbruchs muss zwischen dem Zeitpunkt der Erstversorgung am 11. November 2002 und der Röntgendiagnostik nach Abnahme des Gipsverbandes am 6. Dezember 2002 disloziert sein. Dieses sekundäre Abrutschen der gebrochenen Knochenanteile war für diese sehr spezielle Bruchform typisch und zu erwarten (AH 35/39). |
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| Die initiale Behandlung bei zunächst nicht dislozierter Fraktur mit Gips war korrekt. Bei dieser zur zweiseitigen Dislokation neigenden Fraktur muss jedoch zwingend notwendig eine engmaschige, zeitnahe Röntgenkontrolle ohne Gips erfolgen, um dann zeitnah eine operative Fixation durchführen zu können. Die erforderlichen Röntgenkontrollen - sowohl bei der vorliegenden transkondylären Humerusfraktur als auch bei der diagnostizierten epikondylären Humerusfraktur - hätten ohne Gips am 5. und am 10. Tag nach dem Unfall erfolgen müssen. |
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| Diese Kontrolle wurde nicht vorgenommen und nach den Behandlungsunterlagen auch nicht empfohlen (AH 35/39; AS 195). In Kenntnis der richtigen Diagnose, also auch der altersspezifischen Anatomie und der möglichen Problematik, hätten die Vorgaben der Weiterbehandlung und Empfehlungen zur fachspezifischen Überweisung anders lauten müssen. Die initiale Fehldiagnose wurde durch den nachbehandelnden Arzt übernommen (AS 195). In der gesamten Behandlungsphase von der Notfallversorgung in der Klinik bis zur Gipsabnahme 3 Wochen nach dem Unfall durch den niedergelassenen Arzt ist eine adäquate, fachspezifische, d.h. kindertraumatologische Behandlung, nicht erfolgt (AS 195). |
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| In der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2008 hat der Sachverständige seine gutachterlichen Feststellungen eindrucksvoll und zur Überzeugung des Gerichts bestätigt. |
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| Er hat ausgeführt, dass bei dem im Zeitpunkt der Behandlung 2 Jahre und 3 Monate alten Kläger nach der Ruhigstellung des Bruches mit Gips es anschließend drei Alternativen der Folgemaßnahmen gab, und zwar erstens eine Röntgenkontrolle durch den erstbehandelnden Arzt selbst, zweitens eine Röntgenkontrolle durch den nachfolgenden Arzt oder drittens eine fachgerechte Weiterbehandlung in einer Kinderchirurgie. Diese Kinderchirurgie weiß von sich aus, was bei solchen hochkomplexen Brüchen zu tun ist. Auf jeden Fall reicht es nicht aus, wenn ein allgemeiner Chirurg oder noch weniger wenn ein Kinderarzt mit der Weiterbehandlung ohne weitere Informationen über eine engere Kontrolle betraut wird. Dieses besondere Informationsbedürfnis der Nachbehandler hat seinen Grund darin, dass hier der Bruch mit einem Gips überzogen war und von außen weitere Erkenntnisse nicht gewonnen werden konnten. Es handelte sich um schwere Verletzungen mit einer hohen Komplexität, wie sie bei Ellenbogenverletzungen eines Kindes dieses Alters vorliegen. |
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| Eine Dislokation lag bereits nach dem Unfall vor mit einem ersten initialen Bild, welches der Sachverständige jedoch selbst nicht gesehen hat, da es verschwunden ist. Wahrscheinlich hat sich der Umfang der Dislokation bei diesem ersten Bild noch nicht gezeigt, sonst hätte - so der Sachverständige - auch sofort eine Operation erfolgen müssen, was aber nicht geschah. Dann besteht aber die Tendenz, dass innerhalb von einer Woche bis höchstens 10 Tagen die Dislokation sich soweit verändert, dass sie auf dem Röntgenbild zu erkennen ist (sogenannte zweitzeitige Dislokation oder auch sekundäre Dislokation). Bei einer ersten Röntgenkontrolle nach fünf Tagen lassen sich die dann erkennbar noch frischen Bruchstücke wieder aneinandersetzen und es ist eine größtmögliche Heilung möglich. Der zehnte Tag, das heißt der zweite Röntgentag, ist quasi der letzte Tag der möglichen Operation, ohne dass es zu schweren Folgen kommt. Jede spätere Behandlung zur Korrektur der Dislokation führt dann zu einer schwierigeren Knochenheilung, da der zusammengewachsene Bruch wieder aufgelöst werden müsste. Eine dritte Kontrolle, also nach 15 Tagen oder wie hier am 6. Dezember 2002, war im Hinblick auf die Möglichkeit der Heilung deutlich zu spät. |
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| b. Bestand aufgrund des Alters des Kindes und der Art der Verletzung die besondere Veranlassung, den Bruch durch eine engmaschige und zeitnahe Röntgenkontrolle zu überwachen, so mussten die Ärzte der F.-Klinik dafür sorgen, dass die erforderliche Nachbehandlung gesichert war. Da die Ärzte der F.-Klinik die gebotene Nachbehandlung nicht selbst vornahmen, hätte in der Mitteilung an den nachbehandelnden Arzt nicht nur der Entlassungsbefund, sondern auch die sich daraus für die Nachbehandlung ergebenden besonderen therapeutischen Konsequenzen niedergelegt werden müssen. Nur in einer solchen umfassenden Unterrichtung kann jedenfalls in einem derartigen, nicht einfach gelagerten Fall dem nachbehandelnden Arzt die alleinige Verantwortung für die Nachbehandlung zugeschoben werden, da er nur dann selbst beurteilen kann, ob er aufgrund seiner Ausbildung, seiner Fähigkeiten und ggfls. seiner medizinisch technischen Ausrüstung die Weiterbehandlung eigenverantwortlich durchführen kann (vgl. zu den Hinweispflichten BGH, Urteil vom 7. Juli 1987, VI ZR 146/86, in NJW 1987, 2927/2928 und OLG Karlsruhe, Urteil vom 25. Januar 1989, 7 U 155/87). |
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| Dass der behandelnde Arzt einer solchen Hinweispflicht an den nachbehandelnden Arzt nachgekommen ist, ist nicht substantiiert vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Ein ausführlicher Arztbrief an den nachbehandelnden Arzt findet sich nicht in den Unterlagen. In dem Krankenblatt der F.-Klinik ist auch nicht angekreuzt, dass der Bericht über die Erstbehandlung an den Hausarzt via Post oder über den Patienten erfolgen soll. |
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| Einer Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung zur Behauptung der Beklagten, es sei am 11. November 2002 darauf hingewiesen worden, dass eine klinische Befundkontrolle bei einem niedergelassenen Chirurgen/Kinderarzt durchzuführen sei (AS. 35), bedurfte es nicht. Einerseits findet sich zu einem solchen Hinweis in den Behandlungsunterlagen der F.-Klinik, auf die sich der Beklagte zum Nachweis der o.g. Behauptung beruft, unter Therapievorschlag die Empfehlung „…Ruhigstellung ca. 3-4 Wo, klin. Befundkontrolle bei niedergelassenem Chirurgen/Kinderarzt, nach 3 - 4 Wo Ro - Kontrolle, am 13.11.02 Gipskontrolle bei Kinderarzt“. Die vollständige Aufzeichnung der Krankenunterlagen empfiehlt offenbar sogar eine Röntgen-Kontrolle erst nach 3 - 4 Wochen, was den Feststellungen des Sachverständigen zu einer unabdingbar notwendigen engmaschigen und zeitnahen Kontrolle widerspricht. Die Fehleinschätzung des behandelnden Arztes zur notwendigen Therapie beruht offensichtlich auf seiner Fehldiagnose einer Epikondylus ulnaris Fraktur. Tatsächlich handelte es sich um eine intraartikuläre transkondyläre Y-Fraktur des rechten Humerus. Zum Anderen ist angesichts der besonderen Anforderungen an die Nachuntersuchung durch eine engmaschige und zeitnahe Röntgenkontrolle der allgemeine Hinweis einer klinischen Befundkontrolle bei einem niedergelassenen Chirurgen/ Kinderarzt in jedem Fall unzureichend. Dies gilt umso mehr, als dieser Hinweis durch die nachfolgende Empfehlung einer Röntgenkontrolle nach 3 - 4 Wochen quasi wieder aufgehoben wird. |
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| c. Der beklagte Landkreis haftet für das Fehlverhalten des am 11. November 2002 in der F.-Klinik behandelnden Arztes auch, wenn sein Fehler neben der anschließenden fehlerhaften Nachbehandlung des Chirurgen Dr. D. bzw. der am 30. Dezember 2002 fehlerhaft operierenden Ärzte der kinderchirurgischen Klinik K. lediglich mitursächlich für die verbliebene Schädigung des klagenden Kindes war. Nach allgemeinem Schadensrecht steht eine Mitursächlichkeit, und sei es auch nur im Sinne eines Auslösers neben erheblichen anderen Umständen, der Alleinursächlichkeit haftungsrechtlich in vollem Umfang gleich. Dies gilt auch für die Arzthaftung (vgl. BGH, Urteil vom 5. April 2005, VI ZR 216/03, in NJW 2005, 2072/2073 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 27. Juni 2000 - VI ZR 201/99 - VersR 2000, 1282 f. m.w.N.). Etwas anderes kann allenfalls in dem - hier nicht vorliegenden - Fall der Teilkausalität gelten, wenn das ärztliche Versagen und ein weiterer, der Behandlungsseite nicht zuzurechnender Umstand abgrenzbar zu einem Schaden geführt haben (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362, 363 m.w.N. und OLG Karlsruhe, Urteil vom 25. Januar 1989, 7 U 155/87). Die „Kausalität“ ist im vorliegenden Fall nicht „abgebrochen“, weil sich der Kläger tatsächlich und rechtzeitig in die Nachbehandlung des Chirurgen Dr. D. begeben hat. Wie oben bereits ausgeführt hat dieser nachbehandelnde Arzt die erforderlichen Untersuchungen für eine mögliche Dislokation des Bruchs nicht vorgenommen. Er hat eine fachgerechte Nachbehandlung nicht eingeleitet. Es ist mithin nicht das eingetreten, was durch einen sachgerechten Arztbrief bezweckt und erreicht werden sollte. |
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| d. Das Gericht ist auch der Auffassung, dass die unterlassene Weiterverweisung an einen Kinderchirurgen bzw. unterlassene Anordnung einer engmaschigen und zeitnahen Kontrolle bei dem am 11. November 2002 vorliegenden Verletzungsbild einer intraartikulären transkondylären Y-Fraktur des rechten Humerus bei einem 2 Jahre und 3 Monate alten Kind einen groben Behandlungsfehler darstellt. |
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| Ein grober Behandlungsfehler liegt nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs nur dann vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Bei der Beurteilung eines Behandlungsfehlers als grob handelt es sich um eine juristische Wertung, die dem Tatrichter obliegt. Indessen muss, wie der Bundesgerichtshof hervorgehoben hat, diese wertende Entscheidung auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruhen, die sich in der Regel aus der medizinischen Bewertung des Behandlungsgeschehens durch den Sachverständigen ergeben (vgl. zum groben Behandlungsfehler bei unterlassener Befunderhebung BGH, Urteil vom 4. Oktober 1994, VI ZR 205/93, in NJW 1995, 778/779 m.w.N.). |
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| Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige ausgeführt, dass die Praxis der allgemeinen Chirurgie dahin geht, bei Brüchen kleiner Kinder nicht zwingend an die Kinderchirurgie weiter zu verweisen. Er, der Sachverständige, erhält immer wieder fehldiagnostizierte Kleinkinder. Die Weitergabe eines Kleinkindes mit einer Ellenbogenverletzung durch einen Allgemeinchirurgen sollte jedoch immer an einen Fachmann erfolgen, weil dieser Bruch extrem selten ist. Auch waren die Folgen des Bruchs zu dem Zeitpunkt des ersten Röntgenbildes am 11. November 2002 noch gar nicht absehbar gewesen, da der knöcherne Anteil bei kleinen Kindern noch nicht so angelegt ist, dass Feststellungen ohne Weiteres möglich sind. |
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| Zur Besonderheit der hier vorliegenden Fraktur hat der Sachverständige erläutert, dass zwischen dem Oberarmknochen und der Elle eine Gelenkverbindung besteht, die für das Beugen, Strecken und Drehen verantwortlich ist. Diese Gelenkverbindung am Oberarmknochen ist der Kondylus. Der Epikondylus ist ein Knöchelchen am Oberarmknochen, der an für sich nicht gelenkbildend ist. Die häufigste Fraktur ist eher oberhalb des Gelenkes. Dort kann es eventuell zu schwach dislozierenden Brüchen kommen, die bei der ersten Aufnahme erkennbar sind, weshalb auch ein Gips reicht und auch eine weitere Röntgenkontrolle nicht notwendig ist. Hier wurde eine solche oberhalb des Gelenkes liegende Fraktur aber nicht erwähnt und auch nicht erkannt. Bei der hier vorliegenden Art der Verletzung des Kondylus war deshalb auch auf jeden Fall eine Nachbehandlung mit einer regelmäßigen Kontrolle notwendig. Eine solche Nachbehandlung wäre sogar auch bei einem Erwachsenen mit dieser Art der Verletzung geboten gewesen. |
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| Die zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung nicht sicher abklärbare Art der Fraktur in dem höchst sensiblen Gelenkbereich - insbesondere bei einem Kleinkind - gab nach Auffassung des Gerichts Anlass zur besonderen Sorgfalt. Dann ist es aber nach Überzeugung des Gerichts gänzlich unverständlich, eine solche Nachuntersuchung durch einen Kinderchirurgen bzw. eine engmaschige und zeitnahe Kontrolle des Bruchs nicht angeordnet zu haben. Mit diesem Behandlungsfehler hat der erstbehandelnde Arzt die Aufklärung des Behandlungsverlaufs besonders erschwert (vgl. zum Wesen des groben Behandlungsfehlers bei Fehldiagnose und unterlassener Befunderhebung: BGH, Urteil vom 4. Oktober 1994, VI ZR 205/93, in NJW 1995, 778/779 m.w.N.). Der erstbehandelnde Arzt hat somit gegen gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf; er handelte grob fahrlässig. |
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| e. Liegt ein grober Behandlungsfehler vor, so tritt zugunsten des Patienten eine Beweislastumkehr für die Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Schaden ein, wenn der Fehler geeignet war, die Gesundheitsbeschädigung zu verursachen (vgl. nur BGH, Urteil vom 16. November 2004, VI ZR 328/03, in VersR 2005, 228, 229 = NJW 2005, 427, 428 m.w.N.). |
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| Dies führt hier dazu, dass der Beklagte für die beim Kläger eingetretene Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Arms haftet, da ihm der Beweis nicht gelungen ist, dass der Fehler nicht für diese Folgen ursächlich war. Die Eignung des Fehlers, die Bewegungseinschränkung des Arms durch die verspätete Operation herbeizuführen, ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zu bejahen. Insoweit hat er ausgeführt, eine sofortige Operation zu einem früheren Zeitpunkt hätte mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ein besseres Ergebnis gebracht. Inwieweit das zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2008 vorgefundene Ergebnis auf die fehlerhafte Initialbehandlung oder auf die spätere Korrekturoperation am 30. Dezember 2002 zurückzuführen ist, vermochte der Sachverständige nicht in Prozenten anzugeben. Wenn die Operation nach fünf oder nach zehn Tagen erfolgt wäre, das heißt in dem Bereich der von dem Sachverständigen angegebenen Röntgenkontrolluntersuchung, so wäre das Ergebnis auf jeden Fall günstiger gewesen, d.h. die Wahrscheinlichkeit auf ein folgenloses Abheilen der Fraktur hätte deutlich gesteigert werden können. Als Folge bleibt eine gesundheitliche Beeinträchtigung mit eingeschränkter Streck- und Beugefähigkeit des Arms. |
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| f. Die Eltern des Klägers oder andere nachbehandelnde Ärzte haben auch nicht schuldhaft eine schnellstmögliche Beseitigung der Dislokation verhindert, indem nach den radiologischen Feststellungen vom 6. Dezember 2002 eine Operation erst am 30. Dezember 2002 erfolgte. Zur Problematik, ob in der Zeit zwischen dem 6. Dezember und 30. Dezember 2002 eine Verzögerung bzw. eine Verschlechterung eingetreten sein könnte, hält der Sachverständige - wie er in der mündlichen Verhandlung ausführte - diesen Zeitraum im Hinblick auf den bereits eingetretenen Zustand und die dann erfolgte Operation für irrelevant. Er selbst, der Sachverständige, hätte vielleicht sogar noch länger zugewartet, bis er eine Korrektur vorgenommen hätte. Hier war die knöcherne Heilung des Ellbogens am 6. Dezember 2002 schon sehr weit fortgeschritten. Dann ist es im Hinblick auf den Zeitpunkt einer Korrekturoperation eine Frage der Abwägung, ob die Durchblutung eines eingeheilten Knochenstückes wieder verletzt oder eine Festigung abgewartet werden soll. |
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| g. Als Ausgleich für die sich aus dem Behandlungsfehler ergebenden Folgen für den Kläger rechtfertigt sich nach Überzeugung des Gerichts ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt EUR 6.000,-. Hinsichtlich der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2008 erkennbaren verbleibenden Schäden des Klägers für die Zukunft hat der Sachverständige ausgeführt, dass auf jeden Fall dauerhafte Folgen möglich sind, die aber erst zu einem späteren Zeitpunkt bei Abschluss des knöchernen Wachstums, das heißt bei einem Jungen mit 16 oder 17 Jahren festgestellt werden können. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf mögliche rentenpflichtige Schäden. Funktional könne sogar eine höhere Beweglichkeit und Stabilität bestehen, als unbedingt auf den Röntgenbildern oder dem Kernspin erkennbar ist. Es besteht die Möglichkeit einer Besserung ebenso, wie die einer Verschlechterung. Der Sachverständige hält eine jährliche Kontrolle hinsichtlich der Funktion des Arms für geboten. Bei der Untersuchung des klagenden Kindes in der mündlichen Verhandlung stellte der Sachverständige fest, dass eine fast komplette Beugung des Arms möglich ist. Die Streckung ist jedoch eingeschränkt. Der Kläger nimmt eine Korrektur über die Schulter vor; es besteht auch eine Verkrümmung des Ellenbogengelenks nach außen. Der Kläger hat jedoch gelernt, mit dieser Fehlstellung umzugehen. Nach heutiger, vorsichtiger Einschätzung geht der Sachverständige derzeit nicht davon aus, dass hier eine rentenpflichtige Einschränkung von über 20% vorliegen wird. Eine Einschränkung bei Sport und Spiel ist derzeit unzweifelhaft gegeben. Ob der Kläger eine Handwerkerlehre wird ausführen können, vermochte der Sachverständige nicht sicher anzugeben. Folgeverletzungen sind mit der hier vorliegenden Verletzung nicht typischerweise verbunden, eventuell gibt es später Druckschäden bei den Nerven in dieser Armregion, das heißt ggf. Neuralgien im Alter von 20 Jahren. Aber auch dies lässt sich heute noch nicht absehbar feststellen. Ob und inwieweit Folgeoperationen notwendig sind, um die Gelenkigkeit beizubehalten bzw. wiederherzustellen, bestimmt sich nach der jeweiligen Funktionsuntersuchung, die im jährlichen Abstand erfolgen sollte. Auch ob erst im ausgewachsenen Zustand eine solche Erstoperation geboten sein könnte, vermochte der Sachverständige nicht zu beantworten, da dies auch schon früher sein könnte, wenn eine deutliche Fehlstellung absehbar wird. Mit einer solchen Operation lässt sich die Achsabweichung beseitigen, aber nicht die Einschränkung von Beugung und Streckung. Das Gericht hat demnach bei der Bemessung des angemessenen Ausgleichs durch ein Schmerzensgeld entscheidend darauf abgestellt, dass bis zum 17. Lebensjahr des zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erst achtjährigen Klägers eine sichere Prognose der weiteren Entwicklung nicht möglich ist. Das hier zugesprochene Schmerzensgeld berücksichtigt demnach die eingeschränkte Bewegungsfähigkeit des rechten Arms nur für den Zeitraum von dem Zeitpunkt der Fehlbehandlung am 11. November 2002 bis zum Jahr 2016. Unberücksichtigt bleiben Feststellungen zu Möglichkeiten künftiger Berufsausübung, Nervenschädigungen und korrigierende Operationen wegen eingetretener Fehlstellungen nach der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2008. Diese Folgen des Behandlungsfehlers vom 11. November 2002 bleiben den vom Sachverständigen empfohlenen weiteren jährlichen Untersuchungen vorbehalten. Nachdem der Kläger bereits EUR 6.000,- an Schmerzensgeld erhalten hat, war ihm ein weiteres Schmerzensgeld nicht mehr zuzusprechen. |
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| 3. Die Feststellungsklage hat im Rahmen des gestellten Antrags Erfolg. |
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| Sie ist zulässig. Der Beklagte hat seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit in Abrede gestellt und Verjährung droht; die Möglichkeit eines weiteren Schadenseintritts kann nicht verneint werden, das erforderliche Feststellungsinteresse ist daher gegeben (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2004, VI ZR 328/03, in VersR 2005, 228, 230 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 16. Januar 2001, VI ZR 381/99, in VersR 2001, 874). Auch der Vorbehalt hinsichtlich künftiger noch ungewisser und bei der Ausurteilung der Zahlungsklage auf Schmerzensgeld noch nicht berücksichtigungsfähiger immaterieller Schäden ist zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2004, VI ZR 70/03, in NJW 2004, 1243, 124). Der Feststellungsantrag ist auch begründet, denn Gegenstand der Feststellungsklage ist ein befürchteter Folgeschaden aus der Verletzung eines deliktsrechtlich geschützten absoluten Rechtsguts (vgl. dazu BGH, Urteil vom 16. November 2004, VI ZR 328/03, in VersR 2005, 228, 230 m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige ausgeführt, dass als Folge der unzureichenden Versorgung des gebrochenen Arms eine anhaltende gesundheitliche Beeinträchtigung mit eingeschränkter Streck- und Beugefähigkeit des Arms verbleiben kann. Wie bei allen Knochenbrüchen im Kindesalter, lässt sich nach Überzeugung des Gerichts zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht feststellen, welchen Heilungsverlauf der fehlerhaft behandelte Arm nehmen wird. |
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| Aus oben dargelegten Gründen war der Klage im Umfang des Feststellungsantrages stattzugeben; im Übrigen war sie abzuweisen. |
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