Beschluss vom Landgericht Kiel (3. Zivilkammer) - 3 T 221/13
Tenor
Der angerufene Rechtsweg vor den Zivilgerichten ist unzulässig.
Der Rechtsstreit wird verwiesen an das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht in Schleswig, Brockdorff-Rantzau-Straße 13, 24837 Schleswig.
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben. Sie wäre einzulegen binnen einer Frist von 1 Monat nach Zustellung dieses Beschlusses durch Einreichung einer Beschwerdeschrift in deutscher Sprache. Die Beschwerdeschrift ist bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a in 76133 Karlsruhe, einzureichen, und zwar von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt.
Gründe
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Die Beteiligte ordnete am 08.07.2012 die Unterbringung der Betroffenen nach § 11 Abs. 1 PsychKG-SH an (Bl. 1 d.A.). Auf Antrag der Beteiligten ordnete sodann das AG Kiel die Unterbringung bis zum 08.07.2012 nach § 7 PsychKG-SH an.
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Nach Entlassung hat die Betroffene beantragt, die Rechtswidrigkeit
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1. der vorläufigen Unterbringung durch die Beteiligte,
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2. der Unterbringung durch das AG Kiel – im Rahmen des Beschwerdeverfahrens – festzustellen (Bl. 103 d.A.).
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Die Kammer hat durch Beschluss vom 16.9.2013 festgestellt, dass der Beschluss des AG Kiel vom 07.07.2012 die Betroffene in ihren Rechten verletzt hat (Bl. 187 ff).
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Die Kammer hat die Betroffene darauf hingewiesen, dass sie sich für den an sie gerichteten Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme der Beteiligten nicht für zuständig hält (Bl. 192 ff d.A.).
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Die Betroffene ist dem entgegengetreten und hat – hilfsweise – erklärt, das Gericht möge die Sache an das Verwaltungsgericht verweisen.
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Die Sache war von Amts wegen gemäß § 17 a Abs. 2 GVG an das Verwaltungsgericht zu verweisen. Für eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Handels der Beteiligten sind die Zivilgerichte - im FamFG-Verfahren – nicht zuständig.
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Die Verweisung ist insoweit zulässig, als es sich um ein Antragsverfahren nach FamFG handelt. Denn in Amtsverfahren findet eine Verweisung nicht statt, es ist vielmehr von Amts wegen einzustellen (vgl. Keidel-Sternal, § 1 FamFG, Rn. 50).
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Die Kammer folgt der zutreffenden Kommentierung bei Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, München 2001, Rn. B 101 (Seite 108):
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„Die Möglichkeit der Anfechtung von Maßnahmen der Gesundheitsbehörde im Verwaltungsverfahren einschließlich der Vollstreckung und während der Verwaltungsunterbringung ist durch Art. 19 Abs. 4 GG garantiert. Nach der Generalklausel des § 40 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben, wenn nicht das Landesrecht einen davon abweichenden Rechtsweg regelt“.
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Zwar haben verschiedene Länder davon Gebrauch gemacht. Schleswig-Holstein gehört nicht dazu. Mangels einer Norm, die die Überprüfung des Handelns des Gesundheitsamts den Zivilgerichten zuweist, bleibt es bei der Regel, dass der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.
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Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 104 Abs. 2 GG. Danach hat nur der Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung zu entscheiden. Daraus ergibt sich nicht, dass das Zivilgericht für die Entscheidung zuständig ist. Dazu wäre eine Zuweisung an die Zivilgerichte im PsychKG-SH erforderlich, an der es fehlt.
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Soweit das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 02.12.1992 eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts in Bezug auf einstweilige Sofortmaßnahmen der Kreisgesundheitsbehörde verneint hat, folgt die Kammer dem – soweit der Verwaltungsrechtsweg für die hier vorliegende Fallgestaltung verneint werden sollte – nicht.
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Zunächst ist festzuhalten, dass auch dass OVG die Zuständigkeit der Zivilgerichte nicht etwa aus Art. 104 Abs. 2 GG folgert. Vielmehr stützt das OVG die Unzuständigkeit der Verwaltungsgerichte zum einen auf eine „Doppelgleisigkeit“ der Rechtsmittelverfahren. Dies Argument überzeugt nicht. Bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit ist es ohne weiteres möglich, dass etwa die Maßnahme des Gesundheitsamtes rechtswidrig und die Entscheidung des Amtsgerichts rechtmäßig ist. Ebenso ist die umgekehrte Fallgestaltung möglich. Im Übrigen ist es Aufgabe des Gesetzgebers, eine – hier nicht gegebene – Doppelgleisigkeit zu verhindern. Selbst wenn sie vorläge, ersetzte sie die Zuweisung der Zuständigkeit an die Zivilgericht nicht.
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Das OVG stützt die Unzuständigkeit der Verwaltungsgerichte weiter auf eine mit Art. 104 GG „nicht zu vereinbarende Verzögerung der richterlichen Entscheidungen“. Dieses Argument ist unrichtig. Zu Verzögerungen kommt es nicht. Soweit es die Eilbedürftigkeit betrifft, hat das Gesundheitsamt schon aufgrund der Verfassungsbestimmung in Art. 104 Abs. 2 Satz 3 GG unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Mit dieser Entscheidung wird allerdings die Unterbringung durch das Amtsgericht auf Antrag der Beteiligten aufgrund der bei der Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage angeordnet (oder abgelehnt), nicht aber etwa die Rechtmäßigkeit der bisherigen Entscheidung des Gesundheitsamtes überprüft. Dementsprechend hat das AG Kiel hier auf Antrag der Beteiligten die Unterbringung der Betroffenen angeordnet, ohne dass es dazu berufen war oder gar darüber entschieden hat, ob die vorläufige Unterbringung durch das Gesundheitsamt rechtens war. Damit war aber die Unterbringungsmaßnahme durch das Gesundheitsamt erledigt. Anders als die Unterbringungsmaßnahme selbst unterliegt die Entscheidung über einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht dem aus Art. 104 GG abzuleitenden besonderen Beschleunigungsgebot und muss nach Erledigung der Maßnahme nicht unverzüglich, spätestens bis zum Ende des Folgetages, erfolgen.
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Zur ergänzenden Begründung wird auf die Ausführungen in der Verfügung vom 16.09.2013 (Bl. 192-195 d.A.) verwiesen.
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Demgemäß ist aus den eingangs genannten Gründen mangels Zuweisung an die Zivilgerichte der Verwaltungsrechtsweg für den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Maßnahmen nach § 11 PsychKG-SH gegeben.
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Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die abweichende Beurteilung durch das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht zugelassen. Allerdings ist die Klärung der Frage, ob gegen die Entscheidung der Kammer ein (zulassungsfreies) Rechtsmittel gegeben wäre, nicht ganz sicher zu bestimmen. Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass das Landgericht zu Entscheidungen über Beschwerden gegen amtsgerichtliche Beschlüsse in Unterbringungsverfahren aufgerufen ist, sich der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des vorläufigen Unterbringung durch die Beteiligte sich also sogleich an die Beschwerdeinstanz richtet. Dagegen dürfte allerdings das selbe Rechtmittel gegeben sein wie bei einer Beschwerdeentscheidung durch das Landgericht. Auf der Grundlage der Erwägungen in dem Beschluss des BGH (NJW 2003,2913) und der Kommentierung bei Kissel/Mayer (§ 17 GVG, Rn. 29 letzter Satz) hält sich die Kammer für berechtigt, auch im vorliegenden Fall die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Von diesem Recht hat die Kammer aus dem eingangs genannten Grunde Gebrauch gemacht.
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Referenzen
- VwGO § 40 1x
- GVG § 17 1x
- GVG § 17a 1x
- FamFG § 1 Anwendungsbereich 1x