Beschluss vom Landgericht Köln - 123 StVK 98/19
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Der Streitwert wird auf 1.500 € festgesetzt.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Antragsteller befindet sich derzeit im Maßregelvollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB in der M-Klinik Köln am Standort Q. Er wurde auf Grundlage des § 126a StPO zunächst vom 25. Juni 2015 bis zum 17. November 2015 im M-Klinikum in F aufgenommen und wurde nach Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Köln vom 09. November 2015 (15 KLs 15/15) in die M-Klinik Köln verlegt. Diagnostisch liegt bei dem Antragsteller eine paranoide Schizophrenie (F 20.0) vor.
4Unter dem 07.06.2018 beantragte die Antragsgegnerin erstmals bei dem Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen die Zwangsmedikation des Antragstellers mit Aripiprazol für die Dauer von drei Monaten, zur Erreichung der Entlassfähigkeit des Antragstellers. Die Genehmigung wurde am 28.06.2018 erteilt. Auf entsprechenden Antrag erhielt die Antragsgegnerin am 24.09.2018 die Genehmigung zur Fortführung der Behandlung für die Dauer von weiteren drei Monaten. Der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug nahm dabei auf ein ausführliches Votum des externen Facharztes Prof. Dr. med. N Bezug (vgl. Bl. 81ff. des Gesuchsheftes).
5Da der Antragsteller nach dem „Auslaufen“ dieser Genehmigung die Medikation zunächst freiwillig mit Zustimmung seines Betreuers einnahm, wurde ein weiterer „Fortsetzungsantrag“ zunächst nicht gestellt. Ab dem 07.03.2019 lehnte der Antragsteller sodann die Medikation erneut ab, weshalb die Antragsgegnerin am 08.04.2019 einen erneuten – den hier streitgegenständlichen – Antrag auf Genehmigung einer Zwangsmedikation (2-mal täglich 5 mg Haloperidol i.m., ggf. Steigerung auf 10 mg oder 10mg bzw. 20mg oral sowie im Verlauf Umstellung auf die Depotform, 1-mal monatlich 100 bis 150mg i.m.) sowie der erforderlichen Voruntersuchungen stellte. Zur Begründung führte sie aus, dass die medikamentöse Behandlung mit Aripiprazol zu einer leichten Verbesserung des Zustandes des Antragstellers geführt habe. Da sich der Antragsteller aber weiterhin hochpsychotisch gezeigt habe, solle nun mehr eine Weiterbehandlung mit Haloperidol erfolgen. Eine Behandlung über einen ausreichend langen Zeitraum sei erforderlich, um die fortbestehende psychotische Symptomatik zu reduzieren und eine neuerliche Exazerbation zu verhindern sowie letztlich einen Zustand der Einsichts- und Einwilligungsfähigkeit zu erreichen. Anamnestisch sei aus der Vorgeschichte bei konsequenter Medikation eine deutliche Besserung der Symptomatik bekannt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Antrag auf Zwangsmedikation der Antragsgegnerin vom 08.04.2019 (Anlage 5 zur Antragserwiderung vom 13.05.2019, Bl. 106ff. des Gesuchsheftes) Bezug genommen.
6Der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen erteilte unter dem 24.04.2019 zu der beabsichtigten zwangsweisen Behandlung seine Einwilligung. Dabei nahm er auf das Votum des externen Facharztes Dr. med. R Bezug.
7Mit Schreiben vom 29.04.2018, welches dem Antragsteller und seinem Betreuer am selben Tag ausgehändigt wurde, kündigte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die beabsichtigte Zwangsbehandlung an und belehrte ihn über die Möglichkeit, eine gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG herbeizuführen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schreiben der Antragsgegnerin vom 29.04.2019 (Anlage 7 zur Antragserwiderung vom 13.05.2019, Bl. 140 f. des Gesuchsheftes) Bezug genommen. Im Zusammenhang mit der Aushändigung des Schreibens erfolgte auch eine mündliche Information des Antragstellers über die beabsichtigte Behandlung.
8Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 29.04.2019, eingegangen bei Gericht am selben Tag, wendet sich der Antragsteller gegen die beabsichtigte Zwangsbehandlung.
9Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
10der Antragsgegnerin die Zwangsbehandlung mit der Medikation Haloperidol für die Dauer von zunächst drei Monaten zu untersagen.
11Die Antragsgegnerin beantragt,
12den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.
13Sie hält unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Antrag an den Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen daran fest, dass die Voraussetzungen für die Zwangsmedikation erfüllt seien.
14II.
151.
16Der nach § 17a Abs. 5 S. 2 MRVG, §§ 138 Abs. 3, 109 Abs. 1 und 2 StVollzG zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist in der Sache nicht begründet.
17Die Voraussetzungen für eine medizinische Behandlung gegen den natürlichen Willen des Antragstellers zur Erreichung seiner Entlassfähigkeit gemäß § 17a Abs. 2 bis 8 MRVG liegen vor.
18Der Antragsteller ist zur Einsicht in die Notwendigkeit der Maßnahme krankheitsbedingt nicht in der Lage, § 17a Abs. 2 Nr. 1 MRVG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer medizinischen Zwangsbehandlung mit dem Ziel, den Betroffenen entlassungsfähig zu machen, strikt dessen krankheitsbedingte Unfähigkeit zu verhaltenswirksamer Einsicht – kurz: krankheitsbedingte Einsichtsunfähigkeit – zur Voraussetzung. Soweit unter dieser Voraussetzung ausnahmsweise eine Befugnis des Staates, den Einzelnen „vor sich selbst in Schutz zu nehmen“, anzuerkennen ist, eröffnet dies keine „Vernunfthoheit“ staatlicher Organe über den Grundrechtsträger dergestalt, dass dessen Wille allein deshalb beiseitegesetzt werden dürfte, weil er von durchschnittlichen Präferenzen abweicht oder aus der Außensicht unvernünftig erscheint. Auf eine eingriffslegitimierende Unfähigkeit zu freier Selbstbestimmung darf daher nicht schon daraus geschlossen werden, dass der Betroffene eine aus ärztlicher Sicht erforderliche Behandlung, deren Risiken und Nebenwirkungen nach vorherrschendem Empfinden im Hinblick auf den erwartbaren Nutzen hinzunehmen sind, nicht dulden will. Erforderlich ist eine krankheitsbedingte Einsichtsunfähigkeit oder Unfähigkeit zu einsichtsgemäßem Verhalten (vgl. BVerfG NJW 2011, 2113 Rn. 54 f.). Eine solche krankheitsbedingte Einsichtsunfähigkeit ist bei dem Antragsteller gegeben.
19Wie die Antragsgegnerin in ihrem Antrag auf Einwilligung des Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen vom 08.04.2019 überzeugend ausgeführt hat, besteht bei dem Antragsteller keine Krankheitseinsicht. Es sei dem Antragsteller nicht möglich, seine Erkrankung als Erkrankung zu erleben und sich auf entsprechende notwendige Maßnahmen dauerhaft und längerfristig einzulassen bzw. diese frei von psychotischem Erleben zu beurteilen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Darstellung der Antragsgegnerin wird auf die Ausführungen unter Ziff. 14 des Antrags auf Einwilligung in die Zwangsbehandlung vom 08.04.2019 (Bl. 116ff. des Gesuchsheftes) verwiesen.
20Der externe Facharzt Dr. med. N hat in seinem Gutachten vom 17.09.2018 bestätigt, dass sich die Diagnose nach der Aktenlage zwanglos nachvollziehen lasse und die Argumentation der Klinik insgesamt schlüssig sei (vgl. das Gutachten vom 17.09.2018, Bl. 90 und 92 des Gesuchsheftes).
21Danach bestehen aus Sicht der Kammer keine Zweifel an der Einsichtsunfähigkeit des Antragstellers. Die Kammer konnte sich zudem im Rahmen der kurz zuvor am 15.01.2019 gemäß § 67e StGB von der großen Strafvollstreckungskammer durchgeführten Anhörung einen eigenen Eindruck von dem Antragsteller machen. Im Rahmen der Erörterungen in diesem Anhörungstermin waren das psychotische Erleben des Antragstellers sowie die fehlende Krankheitseinsicht klar erkennbar. Der Antragsteller hat damals folgendes ausgeführt:
22„Mir wird es langsam hier ein bisschen zu lange. Ich bin jetzt ja seit 4 Jahren hinter Gittern. Das ist eine lange Zeit für eine Tat, die keine war. Es war bei der Tat ja genau umgekehrt, das will ich aber zunächst mal beiseitelegen. Es geht mir um eine andere Sache. Mir wurden 200.000,-- Euro entwendet. Hierfür ist, das vermute ich jedenfalls, der Bruder einer Person verantwortlich, die hier auch im Raum sitzt. Ich war damals zu beschäftigt, um mich mit der Sache intensiver zu befassen, denn ich habe damals sehr viel dafür getan, dass es keinen Autoverkehr mehr gibt. Ich bin sehr viel mit dem Fahrrad gefahren, dabei habe ich sieben Fahrräder verschlissen. Ich möchte hier auch noch Eingehen auf einen ehemaligen hohen Richter aus Wermelskirchen, Herrn Dr. K. Der ist letztlich dafür verantwortlich, dass er es geschehen ließ, dass dort Leute in der Gegend umgebracht wurden. Nicht wirklich getötet, sondern durch Ausgrenzung und Ähnliches. Sie wissen ja, was ich meine. Dies ist allerdings auch nur eine Vermutung.
23Wenn ich weiter gefragt werde, wie es mir hier geht, so geht es mir schlecht. Ich bin hier nicht überlebensfähig. Es gibt hier keine Vitamine, kein Obst und keine Süßigkeiten. Auf diese Weise ist man nicht überlebensfähig, dann muss man halt mit 64 Jahren erlöschen. Hinsichtlich der Tat ist es so, dass es genau umgekehrt war, weil nämlich der Mann damals mich töten wollte. Ich hatte ja nur ein kleines Stöckchen, mit dem ich ihn nur viermal geschlagen habe. Ich kann hier zu dem Verlauf noch einiges Weiteres ausführen.“
24Der Zwangsbehandlung ist auch der mit dem nötigen Zeitaufwand unternommene Versuch vorausgegangen, die Zustimmung des Antragstellers zu erreichen, § 17a Abs. 2 Nr. 2 MRVG. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bei den Behandlungen nach § 17a Abs. 2 MRVG regelmäßig mehr Zeit für die Erreichung der Zustimmung vorhanden ist als bei Akutsituationen nach § 17a Abs. 1 MRVG (vgl. LT-Drucks.16/13470, S. 351).
25Nach der vom Antragsteller nicht in Frage gestellten Darstellung der Antragsgegnerin im Antrag an den Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug des Landes Nordrhein-Westfalen vom 08.04.2019 wurde im Rahmen der Visiten, also wöchentlich das Thema der psychopharmakologischen Behandlung mit dem Antragsteller besprochen. Eine Zustimmung sei nicht zu erreichen gewesen. Diese regelmäßigen Versuche, eine Zustimmung des Antragstellers zur medikamentösen Behandlung zu erreichen, genügen des Anforderungen des § 17a Abs. 2 Nr. 2 MRVG.
26Die Maßnahme ist zur Erreichung des Ziels der Erreichung der Entlassfähigkeit geeignet, in Art, Umfang und Dauer erforderlich und für die Beteiligten zumutbar, § 17a Abs. 2 Nr. 3 MRVG.
27Die bisherige Behandlung mit Aripiprazol hat nach den nachvollziehbaren Angaben der Antragsgegnerin allenfalls zu einer geringfügigen Besserung der psychotischen Symptomatik geführt, weshalb nunmehr eine Behandlung mit Haloperidol versucht werden soll. Die beabsichtigte Behandlung entspreche den aktuellen Leitlinien. Diese Einschätzung wird von dem externen Facharzt Dr. med. R bestätigt (vgl. Bl. 133f. des Gesuchsheftes).
28Die Kammer schließt sich diesen Bewertungen an und macht sie sich zu eigen. Gegen die Erforderlichkeit der Behandlung nach Art, Umfang und Dauer bestehen danach keine Bedenken. Die Maßnahme ist auch für die Beteiligten, insbesondere den Antragsteller, zumutbar. Dem steht nicht entgegen, dass die Gaben bei körperlicher Abwehr gegebenenfalls zunächst im Rahmen einer kurzen körperlichen Sicherung des Antragstellers erfolgen müssen, da erhebliche Schäden für die Gesundheit davon nicht zu erwarten sind. Zunächst ist insofern hervorzuheben, dass der Antragsteller das Medikament in der Vergangenheit nach eigenen Angaben bereits erhalten und gut vertragen hat. Wie die Antragsgegnerin im Antrag an den Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen dargelegt hat, werden die Auswirkungen der Medikamentengabe zudem durch regelmäßige Kontrollen überwacht, so dass bei Bedarf Interventionen möglich sind.
29Der von der Maßnahme zu erwartende Nutzen für den Antragsteller überwiegt die mit der Maßnahme für ihn verbundenen Belastungen deutlich und eine weniger eingreifende Behandlung ist aussichtslos, § 17a Abs. 2 Nr. 4 MRVG.
30Die Antragsgegnerin sowie der externe Sachverständige Dr. med. R kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der Nutzen der Maßnahme bei der erforderlichen Abwägung gegenüber den Belastungen deutlich überwiege (vgl. Ziff. 17 f. des Antrags der Antragsgegnerin an den Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug vom 08.04.2019, Bl. 120 f. des Gesuchsheftes; Votum des externen Facharztes, Bl. 137 des Gesuchsheftes). Dieser Bewertung schließt sich die Kammer an.
31Der zu erwartende Nutzen einer erfolgreichen medikamentösen Behandlung für den Antragsteller ist sehr hoch zu bewerten. Wie bereits dargelegt, ist zu erwarten, dass die Behandlung zu einer deutlichen Erhöhung der Lebensqualität führen und die Entlassung in den Bereich des Möglichen rücken lassen wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die derzeit auftretenden Erregungszustände nicht nur das psychische Befinden des Antragstellers und seine Fähigkeit zum adäquaten Umgang mit anderen Menschen stark beeinträchtigen, sondern auch die Gefahr für somatische Leiden erhöhen, da sich die Unruhezustände und die damit einhergehende Belastung auf das Herz-Kreislauf-System auswirken (vgl. die Ausführungen der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung vom 13.05.2019, Bl. 10 des Gesuchsheftes sowie im Antrag vom 08.04.2019 unter 10., Bl. 114 des Gesuchsheftes).
32Demgegenüber haben die mit der Maßnahme für den Antragsteller verbundenen Belastungen ein deutlich geringeres Gewicht. Es handelt sich dabei um die erforderliche Injektion mit kurzer körperlicher Sicherung sowie die eventuell auftretenden Nebenwirkungssymptome. Hinsichtlich der zwangsweisen Injektion ist zu berücksichtigen, dass die tägliche Injektionsbehandlung wahrscheinlich nach kurzer Zeit durch die intramuskuläre Gabe eines Depotpräparats ersetzt werden kann, was die Belastungen durch die zwangsweise Verabreichung deutlich vermindert. Die von der Behandlung zu erwartenden Vorteile einer Minderung der psychopathologischen Symptomatik, einer Verhinderung der Chronifizierung der Erkrankung, einer Herstellung der Entlassfähigkeit und einer Reduzierung der kardialen Risiken für den Antragsteller, sind daher als deutlich höher einzustufen, als die mit der Behandlung verbundenen Belastungen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Antragsteller sich während der Behandlung in hochprofessioneller fachärztlicher Betreuung befindet, was die Behandlungsrisiken minimiert.
33Eine weniger eingreifende Behandlung nicht zur Verfügung. Nach der Einschätzung der Antragsgegnerin ist das Krankheitsbild des Antragstellers ohne eine medikamentöse Intervention nicht veränderbar. Mit Blick auf den letztlich nur wenig erfolgreichen Behandlungsversuch mit Aripiprazol sei nunmehr eine Behandlung mit einem potenteren Antipsychotikum erforderlich (vgl. Ziff. 17 f. des Antrags der Antragsgegnerin an den Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug vom 08.04.2019, Bl. 120 des Gesuchsheftes). Dieser überzeugenden Bewertung hat sich der externe Facharzt Dr. med. R angeschlossen (Votum des externen Facharztes, Bl. 137 des Gesuchsheftes).
34Die Maßnahme ist nicht mit einer erheblichen Gefahr für das Leben des Antragstellers verbunden, § 17a Abs. 2 Nr. 5 MRVG.
35Die Antragsgegnerin hat im Antrag an den Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen vom 08.04.2019 überzeugend dargelegt, dass das Medikament so ausgewählt sei, dass keine erhebliche Gefahr für das Leben bestehe. Eventuelle Nebenwirkungen würden durch Beaufsichtigung des Patienten im Stationsalltag beobachtet, sodass ggf. Interventionen möglich seien. Anhaltspunkte dafür, dass die Maßnahme das Leben des Antragstellers gefährden könnte, sind danach nicht ersichtlich. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin engmaschige Kontrollen der Vitalparameter, des Labors sowie des EKGs beabsichtigt.
36Die Maßnahme ist nicht mit mehr als einem vernachlässigbaren Restrisiko irreversibler Gesundheitsschäden verbunden, § 17a Abs. 2 Nr. 6 MRVG.
37Im Antrag an den Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen hat die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass extrapyramidale Nebenwirkungen in der Literatur bei Anwendung von Haloperidol als Gefahr einer dauerhaften Nebenwirkung zwar beschrieben würden, der Patient habe das Medikament nach eigenen Angaben in der Vergangenheit aber über Jahre hinweg bekommen und klinisch beobachtbare Hinweise auf irreversible Gesundheitsschäden seien nicht vorhanden. Weitere irreversible Gesundheitsschäden durch die Gabe des Medikaments Haloperidol gingen aus der Fachinformation des Medikaments nicht hervor. Die Medikation sei außerdem durch Personal ausgewählt worden, welches ein medizinisches Basisstudium sowie eine Facharztausbildung erfolgreich absolviert habe und sich fortlaufend fachspezifisch weiterbilde. Zudem würden die Medikationsideen im Rahmen der hierarchischen Strukturen kritisch gewürdigt.
38Die fachärztliche Anordnung der Maßnahme im Einvernehmen mit der therapeutischen Leitung der Einrichtung sowie die Leitung und Überwachung der Maßnahme nach § 17a Abs. 3 S. 1 und 2 MRVG kommen erst bei Beginn der Behandlung nach Abschluss des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens zum Tragen.
39Der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug hat die gemäß § 17a Abs. 4 S. 1 MRVG NRW erforderliche Einwilligung in die Zwangsbehandlung mit Schreiben vom 24.04.2019 erteilt. Fraglich erscheint hier aus Sicht der Kammer allerdings, ob der Antrag als „Erstantrag“ – dies nehmen offenbar die Antragsgegnerin sowie der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug an – oder als (erneuter) „Fortsetzungsantrag“ im Sinne des § 17a Abs. 6 S. 2 MRVG NRW anzusehen ist. Letzteres hätte zur Folge, dass die Anordnung zusätzlich ein positives Votum zur Fortsetzung der Zwangsbehandlung von einer unabhängigen Fachärztin oder einem unabhängigen Facharzt voraussetzen würde. Das Gesetz macht dabei keinen Unterschied zwischen einem erstmaligen „Fortsetzungsantrag“ und einem wiederholten „Fortsetzungsantrag“. Ob bereits eine ungefähr einmonatige Unterbrechung der Zwangsbehandlung wegen einer zeitweisen freiwilligen Einnahme – wie sie hier erfolgt ist – dazu führt, dass ein erneuter Antrag als „Erstantrag“ anzusehen ist, erscheint aus Sicht der Kammer zweifelhaft. Letztlich spielt dies im Ergebnis jedoch keine Rolle. Das Votum eines externen Facharztes liegt vor, da – wie der Kammer bekannt ist – der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug im Moment aufgrund einer Erkrankung der eigenen Fachkraft auch bei einem „Erstantrag“ ein externes Votum einholt. Dass das Votum danach hier nicht von der Klinik vor Beteiligung des Landesbeauftragen eingeholt wurde, spielt aus Sicht der Kammer letztlich keine Rolle. Zwar entspricht dies dem „üblichen“ Vorgehen und in der Begründung zum Gesetzesentwurf heißt es, dass das Votum „vor Beteiligung der oder des Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug, einzuholen sein [wird]“, zwingend ist dies nach dem Wortlaut des Gesetzes jedoch nicht und das Ziel des Gesetzes – sachgerechte Überprüfung durch den Landesbeauftragten – wird ebenso bei einer Beauftragung durch den Landesbeauftragten selbst erreicht.
40Die schriftliche und mündliche Ankündigung der Maßnahme nebst Belehrung über die Möglichkeit, eine gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG herbeizuführen, ist gemäß § 17a Abs. 5 MRVG erfolgt. In der schriftlichen Ankündigung vom 29.04.2019, die dem Antragsteller sowie seinem Betreuer am selben Tag ausgehändigt wurde, ist der Grund der Erreichung der Entlassfähigkeit angegeben. Die Gabe erfolge mit dem Ziel, dass der Antragsteller wieder ein straffreies Leben außerhalb einer Maßregelvollzugseinrichtung führen könne. Zudem wird in dem Schreiben erläutert, dass ein Neuroleptikum mit dem Wirkstoff Haloperidol in Form einer Injektionslösung zwei Mal täglich intramuskulär für die Dauer von zunächst drei Monaten verabreicht werden solle. Die Antragsgegnerin hat in der Antragserwiderung vom 13.05.2019 zudem ausgeführt, dass der Antragsteller auch mündlich aufgeklärt worden sei. Dieser Darstellung ist der Antragsteller nicht entgegengetreten.
41Gemäß § 17a Abs. 6 S. 1 MRVG ist die Zwangsbehandlung zunächst nur für die Dauer von drei Monaten vorgesehen.
42Der Betreuer des Antragstellers, Herr C ist gemäß § 17a Abs. 7 S. 1 MRVG über die beabsichtigte Maßnahme unterrichtet worden und hat seine Zustimmung erteilt.
43Eine Patientenverfügung, die gemäß § 17a Abs. 8 MRVG zu beachten wäre, besteht nicht.
44Einer Anhörung des Antragstellers bedurfte es – jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen – nicht. Ob der Auffassung, wonach bei der Prüfung von Zwangsbehandlungen im gerichtlichen Verfahren „regelmäßig“ eine Anhörung zu erfolgen hat, zu folgen ist, kann dabei offenbleiben (dafür OLG München, Beschluss vom 04. März 2019 – 1 Ws 145/19; OLG Nürnberg, Beschluss vom 23. Februar 2018 – 2 Ws 60/18 –; zweifelnd, im Ergebnis jedoch offengelassen OLG Hamm, Beschluss vom 03. Dezember 2018 – 1 Vollz (Ws) 311/18 –, jeweils zit. nach juris). Die Kammer hat erst vor kurzem einen persönlichen Eindruck von dem Antragsteller und seinem Zustand in der Anhörung nach § 67e StGB gewinnen können. Weitere Erkenntnisse sind von einer erneuten Anhörung nicht zu erwarten.
452.
46Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 138 Abs. 3, 121 Abs. 2 S. 1 StVollzG.
473.
48Die Entscheidung betreffend den Streitwert beruht auf den §§ 65 S. 1, 60 Hs. 1, 52 Abs. 1 GKG.
49Rechtsmittelbelehrung
50Gegen die Entscheidung betreffend den Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde (§§ 138 Abs. 3, 116 StVollzG) gegeben. Die Rechtsbeschwerde muss beim Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50969 Köln, binnen eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung eingelegt werden. In dieser Frist ist außerdem die Erklärung abzugeben, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Aufhebung beantragt wird. Die Anträge sind zu begründen.
51Aus der Begründung muss hervorgehen, ob die Entscheidung wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden. Der Antragsteller als Beschwerdeführer kann dies nur in einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle tun.
52Gegen die Festsetzung des Streitwerts kann bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Straße 101, 50939 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
53Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
54Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
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Referenzen
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- 2 Ws 60/18 1x (nicht zugeordnet)
- 1 Ws 145/19 1x (nicht zugeordnet)
- 1 Vollz (Ws) 311/18 1x (nicht zugeordnet)
- § 17a Abs. 6 S. 2 MRVG 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 67e Überprüfung 2x