Grundurteil vom Landgericht Krefeld - 5 O 136/10
Tenor
Der Anspruch des Klägers ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
1
Tatbestand:
2Der Kläger beauftragte die Beklagte als Architektin mit der Planung und Bauleitung von Umbau und Sanierung seines denkmalgeschützten Bauernhauses auf dem Grundstück M. 21 in X.. Gleichzeitig mit der Sanierung sollte ein Kellerraum neben dem Gebäude errichtet werden, der dann auch von dem weiteren, bereits sanierten Bauernhofgebäude benutzt werden sollte. Auf den schriftlichen Architektenvertrag der Parteien vom 02.08.2008 (Anlage K1) wird verwiesen. Der Streithelfer des Klägers war aufgrund seines Angebots vom 24.07.2008 (Anlage HWH3) von der Beklagten im Namen des Klägers mit der Tragwerksplanung beauftragt worden. Dieser erstellte zu dem Bauvorhaben die statische Berechnung, welche auszugsweise als Anlage HWH4 vorgelegt ist.
3Nach Genehmigung der Planung durch die Denkmalschutzbehörde und die Bauaufsichtsbehörde im Juli 2008 begannen die Arbeiten. Im Rahmen der Sanierung wurde das denkmalgeschützte Wohnstallgebäude entkernt. Gleichzeitig ließ die Beklagte schräg vor dem Gebäude den Aushub des Kellerraums ausführen. Der Streithelfer des Klägers erbrachte die statische Planung der Giebelsicherung gegen Windlasten (Anlage K2). Außerdem fertigte der Streithelfer anlässlich einer Baubesprechung am 10.09.2008 die als Anlage HWH5 vorgelegte Skizze betreffend die Unterfangung der Giebelwand. Danach war vorgesehen, dass bei Aushub der Baugrube für den Kellerraum zur Sicherung der der Baugrube zugewandten Giebelwand eine sogenannte Berme vor der Giebelwand bestehen blieb. Nach der Skizze des Streithelfers sollte der Bermenkopf eine Breite von einem Meter haben und war der Böschungswinkel der Berme mit 45 Grad angegeben. Die Höhe der Bermenoberkante war nicht vermaßt. Die Breite der jeweiligen Unterfangungsabschnitte ist auf der Skizze mit jeweils 1,50 Meter angegeben.
4Die Beklagte übergab diese Skizze der mit den Erdarbeiten durch Vertrag vom 03.09.2008 (Anlage HWH6) beauftragten Fa. I. GmbH. Diese führte vom 11. bis 15.09.2008 die Ausschachtungsarbeiten für den Keller aus. Die Leistungen zur Unterfangung der Giebelwand sollten danach von der mit den Rohbauarbeiten beauftragten Fa. N. GmbH (im Folgenden: Fa. N) ausgeführt werden. Die Fa. N. wurde mündlich am 16.09.2008 beauftragt. Im schriftlichen Vertrag (Anlage HWH10 a), den die Fa. N. jedoch nicht unterschrieb, war der 15.09.2008 als Baubeginn vorgesehen. Die Fa. N. begann mit den Arbeiten verzögert. Mit Schreiben vom 16. und 18.09.2008 (Anlagen HWH11 und HWH12) mahnte die Beklagte bei der Fa. N. den Beginn mit den Arbeiten an der Tiefenunterfangung an. Auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers setzte der Fa. N. mit Schreiben vom 22.09.2008 (Anlage K82) eine Frist zur Aufnahme der Arbeiten bis zum 24.09.2008. Am 25.09.2008 begann die Fa. N. mit den Arbeiten an der kleinen Unterfangung an den seitlichen Gebäudewänden. Die Beklagte forderte die Fa. N. mit Schreiben vom 29.09.2008 (Anlage HWH13) erneut auf, mit den Arbeiten an der Unterfangung zu beginnen und die Baugrube gegen Regenfälle zu sichern. Am 30.09.2008 kündigte die Fa. N. den Beginn mit den Arbeiten an der großen Unterfangung für den 01.10.2008 an. Auch am 01.10. und 02.10.2008 wurde mit den Arbeiten an der großen Unterfangung jedoch nicht begonnen. Der nachfolgende Freitag, der 03.10.2008, war ein Feiertag. Am Sonnabend, den 04.10.2008, führte die Fa. N. unstreitig mit einem Minibagger Abgrabungsarbeiten durch. Die Beklagte war nicht vor Ort. Der Umfang dieser Arbeiten ist zwischen den Parteien streitig. Eine Unterfangung des Giebels erfolgte nicht. Nach Regenfällen am Wochenende stürzte die der Baugrube zugewandte Giebelwand in der Nacht vom 05. auf den 06.10.2008 ein. Aus statischen Gründen ordnete der Streithelfer nach Besichtigung an, den teilweise in die Baugrube eingestürzten Giebel vollständig einzureißen. In Folge des Gebäudeeinsturzes entzog die Stadt X. mit Bescheid vom 01.12.2008 dem streitgegenständlichen Gebäude den Denkmalschutz, was den Entfall von Sonderabschreibungsmöglichkeiten zur Folge hatte. Der Kläger hat inzwischen auf dem Grundstück einen Neubau errichten lassen, welcher allerdings nicht auf derselben Stelle errichtet werden konnte, wo das alte Gebäude stand, da eine neue Baugenehmigung unter Einhaltung der in der Bauordnung NRW vorgegebenen Abstandsflächen erforderlich war.
5Mit Schreiben vom 12.11.2009 (Anlage K74) nahm der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Der Berufshaftpflichtversicherer der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 29.11.2009 (Anlage K75) die Einstandspflicht der Beklagten ab.
6Mit der Klage verfolgt der Kläger seine Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten wegen des Einsturzes des Giebels. Er trägt vor, die Beklagte habe gegen die ihr als planenden und bauaufsichtsführenden Architektin obliegenden Pflichten in mehrfacher Weise verstoßen. Sie habe weder selbst eine Detailplanung für die Hauptunterfangung des Giebels erstellt, noch eine solche durch den Statiker erstellen lassen. Die den Giebel während der Bauarbeiten sichernde Berme sei unterdimensioniert und statisch unzureichend geplant gewesen. Sie habe keine Maßnahme zur Sicherung des Giebels ergriffen. Außerdem habe sie ihre Bauaufsichtspflichten verletzt dadurch, dass sie nicht so lange persönlich auf der Baustelle anwesend war, bis die Unterfangung ausgeführt wurde. Soweit die Beklagte behauptet, Einsturzursache seien allein die von der Fa. N. unabgesprochen am Sonnabend, den 04.10.2008, vorgenommenen Abschachtungsarbeiten gewesen, bestreitet der Kläger den Umfang dieser Arbeiten mit Nichtwissen. Durch den Einsturz des Gebäudes und dadurch verursachten Entzug des Denkmalschutzes für das streitgegenständliche Gebäude seien dem Kläger Schäden in einer Gesamthöhe von 369.442,04 € entstanden.
7Der Streithelfer des Klägers trägt vor, er sei weder mit der Bauüberwachung, noch mit der Detailplanung der Unterfangungsarbeiten zur Herstellung des Kellerraums vertraglich beauftragt worden, sondern lediglich mit der Gebäudeberechnung, dem Schallschutz und dem Energiesparnachweis. In seinem Angebot vom 24.07.2008, welches Grundlage seiner Beauftragung war, sei die Sonderleistung der Unterfangungsberechnung nicht enthalten. Er habe lediglich kulanzhalber bei einem Baustellentermin auf die Frage der Beklagten hin, wie theoretisch die Unterfangung vorzunehmen sei, eine Auskunft erteilt, auf die DIN 4123 verwiesen und in wenigen Sekunden die als Anlage HWH5 vorgelegte Skizze gezeichnet. Anlässlich der Besprechungen auf der Baustelle habe sich ergeben, dass der Mitarbeiter der Fa. N. T. mit der Herstellung von Unterfangungen nicht vertraut gewesen sei.
8Der Kläger und der Streithelfer beantragen,
9die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von
10369.442,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem
11Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte trägt vor, der Einsturz der Giebelwand sei nicht auf eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten zurückzuführen, sondern ausschließlich Folge der seitens der Fa. N. am Sonnabend, den 04.10.2008, vorgenommenen Abschachtungsarbeiten, die mit der Beklagten nicht abgesprochen und für diese nicht vorhersehbar gewesen seien. Die bis zu diesem Tag vorhandene Berme sei ausreichend standsicher gewesen. Diese Berme sei entsprechend den Vorgaben des Streithelfers ausgeführt worden. Soweit im Bereich der Türöffnungen des Giebels weiter abgeschachtet gewesen sei als auf der Skizze des Streithelfers vorgesehen, sei dies auf dessen entsprechende Vorgaben hin erfolgt. Der Zustand der Berme vor den Abschachtungsarbeiten am 04.10.2008 sei derjenige gewesen, der auf dem Lichtbild Nr. 3 von Anlagenkonvolut HWH18 (Bl. 259 d.A.), bzw. dem Lichtbild Anlage HWH 21 (Blatt 626 d.A.) erkennbar ist. Diese Berme sei am 04.10.2008 von Mitarbeitern der Fa. N. mit dem Minibagger vollkommen weggeschachtet worden. Hierfür sei lediglich eine Zeitspanne von etwa drei Stunden am 04.10.2008 nötig gewesen, wie sich aus den Berechnungen des privaten Gutachters O. (Anlage HWH20, Bl. 343) ergebe. Bei dem Baustellentermin am 10.09.2008, an dem der Streithelfer die Skizze für die Unterfangungsarbeiten gezeichnet habe, sei auch der zunächst zuständige Mitarbeiter T. der Fa. N. anwesend gewesen. Der Termin habe der Besprechung des Baubeginns und der Berme gedient. Auf Bitte des später zuständigen Mitarbeiters U. von der Fa. N. hin habe am 01.10.2008 ein weiterer Termin auf der Baustelle mit einem Mitarbeiter des Streithelfers stattgefunden, in dessen Rahmen die Fa. N. in die durchzuführenden Arbeiten eingewiesen worden sei.
15Der Streithelfer P. habe im Rahmen seiner Beauftragung für die Tragwerksplanung auch die Planung der Gebäudeunterfangung geschuldet.
16Die Beklagte bestreitet im Übrigen einen Schaden in der vom Kläger angegebenen Höhe und behauptet, dass Grundstück habe aufgrund des Abrisses des Denkmalschutzobjekts in Höhe von 84.797,00 € an Wert gewonnen.
17Das Gericht hat aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 01.12.2011 (Bl. 396), 08.03.2012 (Bl. 477) und 23.07.2012 (Bl. 522) Beweis zur Anspruchshöhe durch Vernehmung von Zeugen erhoben. Auf die Terminsprotokolle vom 08.03.2012 (Bl. 477 ff.) und vom 10.05.2012 (Bl. 509 ff.) wird verwiesen. Ferner hat das Gericht zum Anspruchsgrund Beweis erhoben aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 18.10.2012 (Bl. 557), vom 22.01.2013 (Bl. 584) und vom 09.10.2014 (Bl. 747). Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll vom 21.03.2013 (Bl. 603 ff.) und das Terminsprotokoll vom 28.05.2015 (Bl. 769 ff.) verwiesen.
18Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB zu, weil diese gegen ihre aufgrund des Architektenvertrages zwischen den Parteien bestehenden Bauplanungs- bzw. Bauüberwachungspflichten verstoßen hat.
21Die Beklagte war von dem Kläger unstreitig mit den Leistungsphasen 1-8 des § 15 HOAI a.F. beauftragt. Im Rahmen dieses Architektenvertrages war sie verpflichtet, die Sanierung und den Bau so zu planen und zu überwachen, dass die denkmalgeschützte Giebelwand während des Baus hinreichend standsicher war und nicht einstürzte. Insoweit war, wie zwischen den Parteien auch unstreitig ist, bei Aushub der Baugrube für den Keller und Unterfangung der denkmalgeschützten Giebelwand die DIN 4123 zu beachten. Bei dieser DIN-Vorschrift handelt es sich um keine reine „Anwender“- Norm; diese verhält sich vielmehr ausdrücklich bereits nach ihrem Wortlaut auch zur Planung (OLG Stuttgart Baurecht 2006, 1772 ff.). Der Bodenaushub neben einem bestehenden Gebäude und die Unterfangung des Gebäudes sind danach zu planen. Nach Ziffer 10.3 der DIN 4123 ist bei jeder Unterfangungswand für den Endzustand der Unterfangung und ggf. für die Zwischenbauzustände ein Standsicherheitsnachweis zu führen. Nach Ziffer 10.2 der DIN 4123 darf auf den Nachweis der Standsicherheit für die Bauzustände für Ausschachtungen, Gründungen und Unterfangungen nur verzichtet werden, soweit die vorliegenden Erfahrungen es rechtfertigen. Dies ist nach Satz 2 von Ziffer 10.2 der DIN 4123 der Fall bei Einhaltung der Angaben zu den Bodenaushubgrenzen nach Ziffer 7.2, zu den Stichgräben nach Ziffer 7.3 und 9.5, zur abschnittsweisen Herstellung von Fundamenten nach Ziffer 8.3, und zu den Unterfangungsabschnitten nach Ziffer 9.5 bzw. Ziffer 9.6.
22Vorliegend entsprachen Planung und Ausführung der Berme nicht der DIN 4123 und waren daher mangelhaft.
23Die Beklagte hat die Fa. I. angewiesen, die Ausschachtung der Baugrube für den Keller entsprechend der als Anlage HWH5 vorgelegten Skizze vorzunehmen, welche der Streithelfer anlässlich eines Baustellentermins am 10.09.2008 gefertigt hat. Die Angaben auf dieser Skizze zur Berme, die zur Sicherung der Giebelwand bestehen bleiben sollte, entsprachen nicht den Vorgaben von Ziffer 7.2 der DIN 4123, wie zwischen den Parteien auch unstreitig ist. Nach Ziffer 7.2 der DIN 4123 muss die Breite der Berme mindestens zwei Meter betragen und darf der Erdblock neben der Berme nicht steiler als 1:2 geböscht sein. Nach der Skizze des Streithelfers war demgegenüber vorgesehen, dass die Berme eine Breite von nur einem Meter hatte und der Böschungswinkel 45 ° betrug, also steiler war. Zudem waren die einzelnen Unterfangungsabschnitte – jedenfalls teilweise und soweit leserlich – mit einer Breite von 1,50 m angegeben, während die Breite dieser Abschnitte nach Ziffer 7.3. der DIN 4123 maximal 1,25 m haben soll. Dementsprechend konnte gemäß Ziffer 10.2 der DIN 4123 nicht auf einen Standsicherheitsnachweis verzichtet werden. Ein solcher Standsicherheitsnachweis lag aber nicht vor.
24Soweit die Beklagte geltend macht, sie habe für diesen Planungsmangel nicht einzustehen, weil die Skizze von dem Streithelfer erstellt worden sei, welcher vertraglich zur Planung der Berme und der Unterfangung verpflichtet gewesen sei, entlastet sie dies nicht. Es kann offen bleiben, ob die Planung der Berme und der Unterfangung (für den Zwischenbauzustand) in dem vom Streithelfer geschuldeten Leistungsumfang enthalten waren. Selbst wenn dies der Fall war und er mit der Skizze seine vertragliche Pflicht gegenüber dem Kläger erfüllte, haftet die Beklagte gleichwohl jedenfalls neben dem Streithelfer. Denn die Beklagte hätte den Fehler erkennen, auf die Notwendigkeit eines Standsicherheitsnachweises hinweisen und diesen dem Streithelfer abfordern müssen. Der Architekt muss die von Sonderfachleuten im Rahmen der Ausführungsplanung erbrachten Leistungen auf Vollständigkeit überprüfen. Zwar werden von einem Architekten statische Spezialkenntnisse nicht erwartet und er haftet nicht für die Richtigkeit der statischen Berechnungen, wenn im Auftrag des Bauherrn ein Statiker tätig geworden ist, weil er sich auf die Fachkenntnisse des Sonderfachmannes verlassen darf. Aber dort, wo der Architekt die bautechnischen Fachkenntnisse haben muss, wird ein „Mitdenken“ vom Architekten erwartet. Gehört deshalb die bautechnische Frage zum Wissensbereich eines Architekten, muss dieser sich im Einzelfall vergewissern, ob der Sonderfachmann entsprechend den örtlichen Gegebenheiten zutreffende bautechnische Vorgaben gemacht hat (vergleiche OLG Düsseldorf IBR 2007, 502). Die Beklagte musste die DIN-Vorschrift 4123, die sich ausdrücklich auch an den Planer wendet, kennen. Sie musste wissen, dass diese Vorschrift Standardvorgaben enthält und bei Nichteinhaltung dieser Erfahrungswerte ein statischer Nachweis erforderlich ist. Dass die Zeichnung des Streithelfers nicht den Standardvorgaben von Ziffer 7.2 der DIN 4123 entsprach, war schon angesichts der in der DIN-Vorschrift enthaltenen Abbildung 1 ohne weiteres zu erkennen.
25Hinzu kommt, dass die – notwendigerweise schriftlich zu erstellende - Planung der Unterfangung nicht hinreichend an die Fa. N. weitergegeben worden ist. Besonders gefahrenträchtige Details der Bauausführung – wie z.B. Abbruch- und Unterfangungsarbeiten (OLG Frankfurt NJW-RR 09,1320) - müssen dem Unternehmer in einer jedes Risiko ausschließenden Weise verdeutlicht werden (OLG Stuttgart NZBau 06,446). Selbst wenn die - nicht vollständig vermasste und auf der Baustelle frei aus der Hand gezeichnete - Skizze des Streithelfers als schriftliche Detailplanung ausgereicht hätte, ist diese Planung nicht ausreichend an das ausführende Unternehmen weitergegeben worden. Der Streithelfer hatte diese Skizze am 10.9.2008 auf der Baustelle in Anwesenheit des zunächst für die Firma N. zuständigen Mitarbeiters T, gezeichnet. Dass die Skizze der Fa. N. auch übergeben wurde, behauptet die Beklagte nicht. Außerdem war danach ein anderer Mitarbeiter, Herr T., auf Seiten der Firma N. für das Bauvorhaben zuständig und dessen nach Beklagtenvortrag geäußerte Bitte, wegen der Unterfangungsarbeiten einen Termin mit dem Statiker zu machen, zeigte, dass die Vorgehensweise zu diesem Zeitpunkt für die Firma N. offensichtlich nicht hinreichend klar war. Dies musste sich der Beklagten umso mehr aufdrängen, als die Fa. N. erst seit kurzer Zeit tätig war und nach dem eigenen Eindruck der Beklagten eine inkompetenten und unzuverlässigen Eindruck machte. Außerdem war auch im Hinblick darauf, dass in der Ausführung von der ursprünglichen Planungskizze abgewichen und die Berme jedenfalls in dem Bereich der Türöffnungen vollständig abgeschachtet worden war, eine besondere Planung und Erläuterung nötig, wo welcher Abschnitt zunächst unterfangen werden sollte. - Soweit die Beklagte vorgetragen hat, am 1. Oktober 2008 habe wegen der Unterfangung ein weiterer Abstimmungstermin auf der Baustelle auch mit dem Statiker stattgefunden, ist die Durchführung eines solchen Termins in der Beweisaufnahme von dem Zeugen U., dem Mitarbeiter des Streithelfers, welcher nach Beklagtenvortrag diesem Termin durchgeführt haben soll, unbestätigt geblieben. Er konnte bereits die Durchführung eines Termins überhaupt zu diesem Zeitpunkt nicht bestätigen und hat darüber hinaus bekundet, die Skizze HWH5 nicht gesehen zu haben und schließlich, dass Fragen wie die Unterfangung eines solchen Giebels ohnehin nicht von ihm, sondern von dem Streithelfer selbst entschieden würden. Danach kann davon ausgegangen werden, dass eine hinreichende Weitergabe der Planung an die Fa. N. nicht stattgefunden hat.
26Die Beklagte hat ferner gegen ihre Bauaufsichtspflichten verstoßen. Denn bei dem Aushub ist auch nach eigenem Vortrag der Beklagten von der Skizze des Streithelfers abgewichen worden. Zum einen ist im Rahmen der Türöffnungen des Giebels die Berme komplett weggeschachtet worden. Soweit die Beklagte vorträgt dies sei auf Anraten und nach Vorgabe des Streithelfers erfolgt, entlastet sie dies nicht. Denn auch insoweit hätte sie erkennen müssen, dass diese Änderung ohne entsprechenden Standsicherheitsnachweis gegen die einschlägige DIN-Vorschrift verstößt. Zum anderen ist auch nach eigenem Vortrag der Beklagten die vom Streithelfer mit einem Meter vorgegebene Bermenbreite gar nicht eingehalten worden. Die Beklagte trägt im Schriftsatz vom 26.05.2011 mit Bezugnahme auf privatgutachterliche Stellungnahme O. vom 06.05.2011 vor, es habe sich vor dem Giebelmauerwerk am 23.09.2008 noch ein Streifen von –nur- ca. 50 cm Breite befunden. Unabhängig von dem Streit der Parteien über das Ausmaß der zur Sicherung belassenen Berme war der Bermenkopf in Abweichung von der Skizze des Streithelfers der diesen mit einem Meter vorgegeben hatte, nach eigenem Beklagtenvortrag also nur 50 cm breit.
27Es ist auch davon auszugehen, dass diese Planungs- und Überwachungsfehler kausal für den Einsturz der Giebelwand am 06.10.2008 waren. Die DIN-Normen des Deutschen Instituts für Normung e.V. stellen anerkannte Regeln in der Technik dar. Werden sie bei der Aushebung und Sicherung von Baugruben nicht eingehalten, so spricht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen der damit verbundenen Gefahrerhöhung eine –widerlegliche- Vermutung dafür, dass im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Aushebung einer Baugrube auf dem Nachbargrundstück entstandene Schäden bei Beachtung der DIN-Normen vermieden worden wären und auf die Verletzung der DIN-Norm zurückzuführen sind (vergleiche BGH NJW 1991, 2021).
28Soweit die Beklagte behauptet, der Giebel sei bis zum 04.10.2008 hinreichend standsicher gewesen und für den Einsturz seien allein die von der Fa. N. am 04.10.2008 eigenmächtig und unvorhersehbar durchgeführten Ausschachtungsarbeiten gewesen, hat sie für ihre Behauptung keinen geeigneten Beweis angetreten.
29Durch ein Sachverständigengutachten kann dies nicht festgestellt werden, weil zwischen den Parteien streitig ist, in welchem Umfang am 04.10.2008 bei Eingreifen der Fa. N. überhaupt eine Berme noch bestand.
30Der Kläger hat den Vortrag der Beklagten, der Zustand der Berme habe vor dem Eingreifen der Fa. N. demjenigen entsprochen, der auf Bild 2 der gutachterlichen Stellungnahme O. vom 06.05.2011 (Anlage HWH20, Bl. 344, bzw. Anlage HWH21, Bl. 626 d.A.) entsprochen, zulässig mit Nichtwissen bestritten, weil er dies nicht aus eigener Wahrnehmung beurteilen kann. Er kam unstreitig erst am 04.10.2008 von einer Reise nach Australien zurück und bei seiner Rückkehr auf das Grundstück arbeitete die Fa. N. dort bereits in der Baugrube. Da er aber zuvor länger nicht auf dem Baugrundstück anwesend war, konnte er nicht beurteilen, welchen Zustand die Berme zu Beginn der Abschachtungsarbeiten der Fa. N. diesen Tag hatte.
31Die für eine Sachverständigenbegutachtung der Standsicherheit der vor der Tätigkeit der Fa. N. am 04.10.2008 belassenen Berme erforderliche Feststellung, welchen Umfang diese hatte, kann nach der Beweisaufnahme nicht getroffen werden. Die vor dem Einsturz aufgenommenen Fotos geben die Berme nur ausschnittsweise und zudem aus einer schrägen Perspektive wieder, so dass ein Sachverständiger den Umfang der sichernden Berme von vornherein nur grob schätzen könnte. Vor allem aber hat die Beklagte den Beweis nicht führen können, dass der Zustand der Berme am 04.10.2008 noch demjenigen entsprach, der auf den Fotos zu sehen ist, die ihren Angaben nach die seit dem 23.9.2008 unveränderte Berme wiedergeben.
32Zunächst ist schon der Vortrag der Beklagten selbst zu dem Umfang der Arbeiten widersprüchlich. Sie hatte in der Klageerwiderung zunächst vorgetragen, die Aushubarbeiten seien seitens der Fa. I. GmbH auf Basis der Skizze des Streithelfers ausgeführt worden und die Fa. N. habe den Giebel sodann am 04.10.2008 auf einer Breite von zwei Metern komplett untergraben und in diesem Bereich die Berme entfernt. Später hat die Beklagte vorgetragen, die Berme sei an diesem Tag von der Fa. N. komplett, das heißt auf der gesamten Giebellänge weggeschachtet worden. Und nach den Angaben des Privatgutachters O., auf den sich die Beklagte bezieht, soll die Berme nicht nur abweichend von der Skizze im Bereich der Türöffnungen weggeschachtet gewesen sein, sondern auch nur eine Breite von ca. 50 cm – und nicht einem Meter, wie nach der Skizze des Streithelfers vorgesehen- gehabt haben.
33Die Beweisaufnahme hat die Richtigkeit des Vortrags der Beklagten nicht gegeben. Zwar haben die Zeugen Q. und V. bekundet, sie seien am 02.10.2008 auf der Baustelle gewesen und zu diesem Zeitpunkt hätte sich vor der Giebelwand noch eine Berme befunden, die ungefähr die Ausmaße gehabt habe, wie sie Bild 3 von Anlagenkonvolut HWH 18 (Bl. 259 d.A.) bzw. Anlage HWH 21 zu sehen sei. Die Richtigkeit ihrer Aussagen ist aber zu bezweifeln. So hat der Zeuge Q. nämlich weiter bekundet, die Berme habe seiner Erinnerung nach den üblichen Umfang, nämlich ungefähr 1,20 m bis 1,50 m Breite gehabt. Nach eigenem Vortrag der Beklagten hatte sie jedoch nur eine Breite von ca. 50 cm. Hinzu kommt, dass es dem Gericht nicht plausibel erscheint, dass der Zeuge Q. am 02.10.2008 noch einmal auf der Baustelle gewesen sein soll, um dort, wie er bekundet hat, auf Bitten der Beklagten sich die Giebelsicherung noch einmal vor Beginn der Unterfangungsarbeiten anzusehen. Nach Vortrag der Beklagten sollten die Unterfangungsarbeiten, welche eigentlich bereits am 15.09.2008 beginnen sollten, von der Fa. N. jedenfalls ab dem 25.09.2008 aufgenommen werden. Ab diesem Zeitpunkt hat die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag täglich die Aufnahme der Unterfangungsarbeiten erwartet, so dass nicht plausibel erscheint, weshalb sie den Zeugen Q. erst und ausgerechnet am 02.10.2008 gebeten haben sollte, sich die Giebelsicherung noch einmal anzusehen. Auch die seiner Erinnerung nach an diesem Tag gefertigten Fotos hat der Zeuge entgegen seiner Ankündigung nicht vorgelegt. Die Zeugin X., welcher seinerzeit als Bauzeichnerin bei der Beklagten beschäftigt war, hat bekundet, am 01. und 02.10.2008 jeweils nachmittags auf der Baustelle gewesen zu sein. Zu diesem Zeitpunkt habe sich ein Erdhaufen zwischen zwei Türöffnungen vor dem Giebel befunden und der Zustand habe demjenigen entsprochen, welcher sich aus Foto Nr. 3 von Anlagenkonvolut HWH 18 bzw. Anlage HWH 21 ergibt. Das Gericht hat auch an der Richtigkeit ihrer Aussage Zweifel. Diese bestehen schon deshalb, weil sie seinerzeit –so wörtlich allerdings nicht protokolliert- bekundet hatte, sie sei auf die Baustelle gefahren, um zu überprüfen, ob die Haufen da noch lägen. Da sie ihren sonstigen Angaben nach immer nur deshalb von der Beklagten zur Baustelle geschickt wurde, um zu überprüfe, ob Arbeiter vor Ort seien, erscheint es dem Gericht zweifelhaft, dass sie von der Beklagten an diesen Tagen dahin geschickt worden ist, um zu überprüfen, ob die Berme noch steht. Davon abgesehen steht ihre Aussage auch im Widerspruch zur Aussage der Zeugin N. , der Lebensgefährtin des Klägers. Nach deren Bekundungen entsprach der Zustand des Bereichs vor dem Giebel demjenigen, welcher aus dem (nach Einsturz aufgenommenen) Foto 5 von Anlagenkonvolut HWH 18 entspricht,- mit Ausnahme des eingestürzten Teils. Die Zeugin bekundete, sie könne sich vor allem an die bei Draufsicht linke Seite des Giebels erinnern, wo die Hausecke praktisch frei geschwebt habe und ferner, dass sie auch keine Erinnerung an eine Rest-Grasfläche vor dem Giebel habe. Nach ihrer Aussage war die Berme auch im linken Eckbereich vollkommen weggeschachtet und der Bermenkopf zwischen den Türöffnungen erheblich schmaler, bzw. weggeschachtet. Der Zeuge T., der schließlich als Mitarbeiter des Streithelfers mit dem Bauvorhaben befasst war, hatte bereits keine genaue Erinnerung daran, ob er überhaupt in der Woche vor dem Einsturz vor Ort gewesen ist. Seiner Erinnerung nach war es ihm bei seinem Baustellenbesuch noch möglich, auf der Bermenseite des Giebels entlang zu gehen, was, wie er selbst bekundete, nach Ausschachtung im Bereich der Türöffnungen jedenfalls nicht mehr möglich war. Diese erfolgte nach Angaben der Beklagten aber bereits am 15.09.2008.
34Es steht mithin weder hinreichend sicher fest, in welchem Ausmaß die Berme nach den Arbeiten der Fa. I. bestehen blieb, noch ist klar, ob seitens der Fa. N. der Zeit ab dem 25.09.2008 weitere Arbeiten im Bereich der Berme vorgenommen wurden. Am 25.09.2008 hat die Fa. N. nämlich jedenfalls die Arbeiten auf der Baustelle begonnen. Gerade weil seitens der Beklagten vorgesehen war, dass mit den Unterfangungsarbeiten begonnen werden sollte und sie im Übrigen sie auch die Anweisung erteilt haben will, die Unterfangung sei in Handschachtung zu beginnen, ist ohne weiteres vorstellbar, dass Abschachtungsarbeiten - ggf. auch ohne Minibagger - in der Zeit nach dem 25.09.2008 erfolgten.
35Durch den von der Beklagten verursachten Einsturz des Giebels ist dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten erwachsen, über dessen Umfang im Rahmen des Schlussurteils zu entscheiden sein wird.
36Rechtsbehelfsbelehrung:
37Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
381. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
392. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
40Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
41Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Düsseldorf zu begründen.
42Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
43Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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