Urteil vom Landgericht Münster - 011 O 139/08
Tenor
Unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung
vom 30.04.2008 wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des
jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 25 %
vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Der Verfügungskläger ist als Berufsreiter Mitglied des Deutschen Olympischen B-Kaders des Deutschen Olympiadekomitees für Reiterei e.V. (DOKR) der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e.V. (FN). Er reitet hauptberuflich für einen belgischen Profi-Reitstall und gehört zur Weltspitze der Springreiter. Er ist ebenso wie der Verfügungsbeklagte über die Rahmenvereinbarung zur Kaderberufung an die Vorschriften der deutschen Leistungsprüfungsordnung (LPO) sowie das Reglement des Internationalen Reitsportverbandes (FEI) gebunden.
3Als der Verfügungskläger im Zeitraum vom 28.02. bis zum 04.03.2007 an der Wellington-Master-Horse-Show in den USA teilnahm, wurde bei seinem Pferd Q. unstreitig die Substanz Reserpine nachgewiesen, die nach dem Reglement der Internationalen Reitvereinigung für den Turniersport unzulässig ist. Mit Entscheidung vom 13.11.2007 (Bl. 54 ff d.A.) wurde der Verfügungskläger von der United States Equistian Federation Inc., also dem für diesen Fall zuständigen nationalen Verband für den Zeitraum vom 01.01. bis zum 31.03.2008 für nationale Wettkämpfe in den USA ausgeschlossen. Ferner wurde gegen den Verfügungskläger ein Bußgeld in Höhe von 2.000 US-Dollar verhängt. Weiter musste der Verfügungskläger alle mit dem Pferd Q. auf dem genannten Turnier gewonnenen Trophäen, Preise, Schleifen und Gelder zurückgeben und eine Gebühr in Höhe von 200 US-Dollar an den Veranstalter zahlen. In der Folge nahm der Verfügungskläger wieder an mehreren nationalen und internationalen Reitveranstaltungen außerhalb der USA teil. Mit Schreiben vom 05.03.2008 teilte der Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger mit, Kenntnis von der amerikanischen Sanktion erhalten zu haben und aufgrund des Sachverhaltes zu erwägen, die Ausstellung der Jahresturnierlizenz für das Jahr 2008 zu verweigern. Am 24.04.2008 fand eine mündliche Verhandlung vor der Disziplinarkommission des Verfügungsbeklagten statt. Aufgrund dieser mündlichen Verhandlung erging ein Beschluss der 1. Kammer der Disziplinarkommission des Verfügungsbeklagten dergestalt, dass dem Verfügungskläger aus wichtigem Grunde für die Dauer von fünf Monaten ab dem 24.04.2008 keine Turnierlizenz für 2008 erteilt werde. Gestützt wurde diese Maßnahme auf § 20 Ziff. 1 LPO. Ferner wurde angeordnet, dass der Verfügungskläger für den genannten Fünf-Monatszeitraum keine Startgenehmigung für internationale Leistungsprüfungen im In- und Ausland sowie für nationale Leistungsprüfungen im Ausland erhalte und zwar gemäß § 63 Ziff. 3.3.1 bis 3.3.3 LPO und dass für den genannten Zeitraum bereits erteilte Startgenehmigungen zurückgenommen würden. Ferner wurde dem Verfügungskläger erklärt, dass es gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gebe. Mit Schreiben vom 25.04.2008 legte der Verfügungskläger gleichwohl vorsorglich Beschwerde gegen den Beschluss des Verfügungsbeklagten ein.
4Auf Antrag des Verfügungsklägers hat das Gericht mit Beschluss vom 30.04.2008 eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der dem Verfügungsbeklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes aufgegeben wurde, seinen Beschluss vom 24.04.2008 bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen und bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Jahresturnierlizenz für 2008 nicht mit der Begründung zu versagen, es liege ein wichtiger Grund im Sinne von § 20 Ziff. 1 LPO wegen des Dopingvergehens im Zusammenhang mit dem Pferd Q. während der Wellington-Master-Horse-Show in Las Vegas vor.
5Wie dem Gericht aus dem seit 26.05.2008 anhängigen Hauptsacheverfahren (LG N, 11 O 158/08) bekannt ist, teilte der Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 09.05.2008 teilte mit, dass das DOKR den Verfügungskläger nicht an der Teilnahme an nationalen und internationalen Reitturnieren hindern werde, soweit dies auf den Beschluss des Gerichts vom 24.04.2008 gestützt werde. Die Mitteilung wurde durch das DOKR, vertreten durch dessen Geschäftsführer Wendt, mit Schreiben vom 15.05.2008 bestätigt, so dass der Verfügungskläger in der Folgezeit an nationalen und internationalen Reitturnieren teilnehmen konnte.
6Nachdem der Verfügungsbeklagte zunächst die Erhebung der Klage in der Hauptsache beantragt hat, hat er unter dem 29.08.2008, bei Gericht eingegangen am 03.09.2008, Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung vom 30.04.2008 eingelegt.
7Der Verfügungskläger vertritt die Ansicht, der Beschluss des Verfügungsbeklagten vom 24.04.2008 sei offenkundig rechtswidrig. Die Maßnahme finde keine Grundlage im Satzungs- oder Regelwerk des Verfügungsbeklagten. Zudem stelle die Verweigerung der Startgenehmigung eine faktische Sperre und damit ein Berufsausübungsverbot von fünf Monaten dar, die neben die bereits verhängte Sperre von drei Monaten trete und somit gegen das Verbot der Doppelbestrafung verstoße. Darüber hinaus werde der Verfügungskläger durch die Maßnahme und die öffentliche Verkündung durch den Verfügungsbeklagten unverhältnismäßig und unbillig belastet.
8Nachdem die vom Beklagten verhängte Sperre am 24.09.2008 abgelaufen war, hat der Verfügungskläger den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2008 für erledigt erklärt. Der Verfügungsbeklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
9Der Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, der Beschluss vom 24.04.2008 sei in einem nach den maßgeblichen Verbandsvorschriften ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen. Die Entscheidung sei auch in der Sache nicht zu beanstanden. Die Verweigerung der Jahresturnierlizenz sei in Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe des Verfügungsbeklagten erfolgt. Aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit des Verfügungsklägers und seiner deutschen Jahresturnierlizenz sei der Verfügungsbeklagte berechtigt gewesen, für seinen Geltungsbereich eine eigene Entscheidung zu treffen, ohne dass der Grundsatz "ne bis in idem" verletzt worden wäre. Der WADA-Code bzw. der NADA-Code sei vorliegend nicht anwendbar gewesen. Auch die Statuten der Internationalen Reiterlichen Vereinigung FEI hätten einem eigenen sportrechtlichen Disziplinarverfahren gegen den Verfügungskläger als deutschem Reitsportler nicht entgegengestanden.
10E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
11Nach der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung des Verfügungsklägers war sein Antrag dahingehend auszulegen, festzustellen, dass die einstweilige Verfügung vom 30.04.2008 zulässig und begründet war und diese sich durch den Ablauf der Sperre am 24.09.2008 erledigt hat.
12Nach diesen Maßstäben ist die Klage ist nicht begründet. Der Beschluss des Verfügungsbeklagten vom 24.04.2008 ist nach den Maßstäben, die in die Prüfungskompetenz der staatlichen Gerichtsbarkeit fallen, nicht zu beanstanden.
13Gerichtliche Maßnahmen gegen einen Sportler auf der Grundlage einer vertraglichen Unterwerfungsvereinbarung unter das Verbandsregelwerk unterliegen ebenso wie vereinsrechtliche Maßnahmen gegenüber einem Vereinsmitglied nur einer eingeschränkten richterlichen Kontrolle (vgl. BGHZ 21, 370; BGHZ 47, 381; BGHZ 87, 337; BGHZ 102, 265; OLG G a.M., NJWRR 1986, 133; Haas, NJW 96, 2351). Die Überprüfung der verbandsgerichtlichen Maßnahme durch staatliche Gerichte beschränkt sich auf die Punkte, ob das im Regelwerk vorgeschriebene Verbandsverfahren eingehalten worden und dies angemessen ist, ob die Sanktion eine ausreichende, dem Gesetz und dem Grundsatz von Treu und Glauben entsprechende Grundlage im Regelwerk hat, ob die verhängte Maßnahme gesetzes- oder sittenwidrig ist, ob die der Sanktion zu Grunde liegende Tatsachenermittlung fehlerfrei und die Maßnahme willkürlich oder grob unbillig ist (vgl. Haas, NJW 1996, 2351).
14Dass das vor Erlass dieses Beschlusses vorgesehene Verbandsverfahren nicht eingehalten worden sei bzw. dass die den angeordneten Maßnahmen zu Grunde liegende Tatsachenermittlung fehlerhaft erfolgt sei, rügt der Verfügungskläger nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich.
15Die durch die Disziplinarkommission des Verfügungsbeklagten verhängten Maßnahmen haben auch eine Grundlage im Regelwerk. Soweit dem Verfügungskläger die Jahresturnierlizenz für den Zeitraum von fünf Monaten verweigert worden ist, findet diese Maßnahme ihre Stütze in § 20 Ziff. 1 Satz 2 LPO. Hiernach kann die Ausstellung der Jahresturnierlizenz aus wichtigem Grund verweigert und eine bereits ausgestellte Jahresturnierlizenz entzogen werden, wobei als wichtiger Grund insbesondere eine durch die FEI ausgesprochene Ordnungsmaßnahme oder ein Verstoß gegen die sportlich faire Haltung und die reiterliche Disziplin in Betracht kommt. Auf diese Vorschrift hat sich der Verfügungsbeklagte in seinem Beschluss vom 24.04.2008 auch gestützt. Unabhängig davon, dass der Verfügungsbeklagte diese Maßnahme als reine Verwaltungsmaßnahme bezeichnet, handelt es sich bei dieser Maßnahme um eine solche mit jedenfalls auch sanktionierendem bzw. bestrafendem Charakter. Entscheidend ist aber, wie bereits ausgeführt, dass die Maßnahme eine Grundlage im Regelwerk des Verfügungsbeklagten, dem sich der Verfügungskläger durch seine Kadererklärung unterworfen hat, besitzt. Dass die Vorschrift in § 20 Ziff. 1 LPO bei abstrakter Betrachtung dem Gesetz sowie dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht entspricht, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
16Die weitere getroffene Maßnahme, keine Startgenehmigungen zu erteilen, lässt sich jedenfalls auf § 921 Ziff. 2 LPO stützen, ungeachtet dessen, dass der Verfügungsbeklagte diese Maßnahme mit § 63 Nr. 3.3.1 bis 3.3.3 LPO begründet hat. Auch die Rücknahme der bereits erteilten Startgenehmigungen lässt sich unter § 921 Ziff. 2 LPO als Ordnungsmaßnahme fassen. Eine Gesetzeswidrigkeit dieser Norm lässt sich bei abstrakter Betrachtung ebenfalls nicht feststellen.
17Die getroffenen Maßnahmen widersprechen entgegen der Rechtsauffassung des Verfügungsklägers auch nicht dem WADA-Code bzw. dem NADA-Code oder den Statuten der FEI. Ungeachtet der Frage, ob Artikel 15.4 des WADA-Codes in sachlicher oder zeitlicher Hinsicht überhaupt anwendbar ist, sagt diese Regelung des WADA-Codes lediglich, dass die Unterzeichnerverbände dieses Codes andere endgültige Entscheidungen eines anderen Unterzeichnerverbandes anerkennen und beachten. Hieraus lässt sich lediglich schließen, dass ein Unterzeichnerverband die Maßnahmen eines anderen Unterzeichnerverbandes nicht unterläuft, so beispielsweise eine Lizenz für einen bestimmten Zeitraum erteilt, obwohl diese Lizenz durch den anderen Verband für den identischen Zeitraum aufgrund eines bestimmten Vergehens verweigert worden ist. Aus der Regelung lässt sich aber nicht entnehmen, dass ein Unterzeichnerverband neben oder zusätzlich zu einer Sanktion eines anderen Unterzeichnerverbandes eine weitere Sanktion verhängt. Die Verhängung einer weiteren Sanktion bedeutet nämlich nicht, dass der Unterzeichnerverband, der diese weitere Sanktion verhängt, die Sanktion bzw. Maßnahme des anderen Unterzeichnerverbandes nicht anerkennt und beachtet.
18Der Artikel 37.3 der FEI-Statuten, auf den sich der Verfügungskläger weiterhin beruft, ist vorliegend tatbestandlich nicht anwendbar. Ausweislich der vom Verfügungskläger im Hauptsacheverfahren vorgelegten beglaubigten Übersetzung regelt dieser Passus die Anerkennung und Durchsetzung von Strafen, die sich auf die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen und Aktivitäten beziehen. Vorliegend wurde der Verfügungskläger aber durch den amerikanischen Verband nur für nationale Wettkämpfe in den USA gesperrt, so dass der Regelungsbereich des Artikels 37.3 der FEI-Statuten einer weiteren Sanktionierung durch den Verfügungsbeklagten nicht entgegensteht.
19Schließlich ergibt sich eine Gesetzeswidrigkeit der getroffenen Maßnahmen auch nicht aus dem sich aus Artikel 103 Abs. 3 GG ergebenden Verbot der Doppelbestrafung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie auch des Bundesgerichtshofs ist im strafrechtlichen Bereich das Verbot der Doppelbestrafung des Artikel 103 Abs. 3 GG auf Verurteilungen durch denselben Staat beschränkt und gilt daher bei ausländischen Verurteilungen nicht (vgl. BVerfG 12, 66; BGHSt 6, 177; BGHSt 24, 54; BGH NJW 1969, 1542; BGH, GA 77, 111; Bayrischer Verfassungsgerichtshof, GA 63, 250; OLG G a.M., NJW 97, 1937; Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, § 51, Rdn. 16). Da also selbst im strafrechtlichen Bereich der Grundsatz "ne bis in idem" nur eingeschränkt, nämlich nur bei einer Doppelbestrafung durch inländische Gerichte gilt, kann nicht festgestellt werden, dass eine entsprechende Doppelbestrafung durch sportgerichtliche Gremien gesetzes- oder sittenwidrig wäre. Daher können unter dem Gesichtspunkt der Doppelbestrafung die von dem Verfügungsbeklagten angeordneten Maßnahmen auch nicht als willkürlich oder grob unbillig betrachtet werden. Eine solche grobe Unbilligkeit ergibt sich auch nicht aus dem Umfang der von dem Verfügungsbeklagten verhängten Sanktionen. Bei der faktischen Sperre von fünf Monaten kann von einer solchen groben Unbilligkeit nicht die Rede sein, wobei die genaue Höhe des Umfangs der Sanktionen nicht in die Prüfungskompetenz der staatlichen Gerichte fällt.
20Soweit der Verfügungskläger in der mündlichen Verhandlung die Art und Weise der Durchsetzung des Beschlusses vom 24.04.2008 durch den Verfügungsbeklagten gerügt hat, etwa weil der Verfügungsbeklagte unverzüglich eine Pressemitteilung über den gefassten Beschluss weitergegeben hat, ist dies für die Frage, ob die Sanktionen selber nach den Kriterien, die durch die staatlichen Gerichte überprüfbar sind, rechtswidrig ist, ohne Belang. Dem Verfügungsbeklagten kann jedenfalls nicht vorgeworfen werden, dass er die von ihm getroffenen Anordnungen schnellstmöglich umsetzen wollte. Soweit man kritisieren könnte, dass der Verfügungsbeklagte nicht schnell genug über die Beschwerde des Klägers vom 25.04.2008 entschieden hat, ist dies dadurch in tatsächlicher Hinsicht kompensiert worden, als dass der Verfügungsbeklagte auf die einstweilige Verfügung des Gerichts vom 30.04.2008 dem Verfügungskläger erklärt hat, dass er ihm den Start an den Turnieren, an denen er teilnehmen will, nicht verweigert, soweit er dies auf die einstweilige Verfügung des Gerichts stützt und dies tatsächlich dann in der Praxis auch umgesetzt hat. Aufgrund dieser Tatsache bestand für den Verfügungsbeklagten zunächst kein akuter Handlungsbedarf im Sinne einer schnelleren Entscheidung der Verbandsgremien über die vom Verfügungskläger eingelegte Beschwerde.
21Nach alledem war nach den Kriterien, die in die Prüfungskompetenz der staatlichen Gerichte hinsichtlich Entscheidungen von Verbandsgremien fallen, eine Unwirksamkeit des Beschlusses vom 24.04.2008 nicht festzustellen. Die nunmehrige Feststellungsklage war daher unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 30.04.2008 abzuweisen.
22Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
23Der Streitwert war im Gegensatz zum Hauptsacheverfahren für das einstweilige Verfügungsverfahren angemessen zu reduzieren (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 26.Aufl., § 3, RdNr.16, Stichwort "Einstweilige Verfügung").
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