Beschluss vom Landgericht Münster - 05 T 681/10
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 09.10.2010 und die Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 07.10.2010 wird der Beschluss des Amtsgerichts Bocholt vom 22.09.2010 dahingehend abgeändert, dass die Vergütung des Beteiligten zu 1) auf 14.816,61 EUR festgesetzt wird.
Die weitergehenden Beschwerden werden zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht
erstattet.
1
Gründe
2Der beteiligte Sachverständige hat gemäß Beweisbeschluss vom 22.01.2009 ein schriftliches Gutachten zum Verkehrs- und Ertragswert zweier Grundbesitzungen bezogen auf drei bzw. zwei Stichtage erstattet und dafür unter dem 04.03.2010 insgesamt 14.890,39 EUR in Rechnung gestellt. Nach Anhörung des zuständigen Bezirksrevisors hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 22.09.2010 die Vergütung auf 10.715,45 EUR festgesetzt. Gegen diese Festsetzung haben sowohl der Sachverständige wie auch der Bezirksrevisor Beschwerde eingelegt. Umstritten ist im Wesentlichen der zu vergütende Zeitaufwand. Der Sachverständige hat 123 Arbeitsstunden abgerechnet, der Bezirksrevisor hält lediglich 76 Stunden für erstattungsfähig, das Amtsgericht ist im Wesentlichen dem Bezirksrevisor gefolgt, hat aber weitere 21,07 Stunden als erstattungsfähig akzeptiert. Weiter umstritten ist, ob der Sachverständige Kosten von 40,00 EUR für einen Grundstücksmarktbericht und 22,00 EUR Kopierkosten für zwei Lagepläne ersetzt verlangen kann, obwohl er dafür entsprechende Belege nicht eingereicht hat. Auf die Ausführungen des Sachverständigen in seinen Schreiben vom 28.06.2010, 13.07.2010, 10.09.2010, 09.10.2010, 29.10.2010 und 11.01.2011, die Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 22.09.2010 und die Stellungnahmen des Bezirksrevisors vom 24.06.2010, 16.08.2010, 07.10.2010, 25.10.2010 und 05.12.2010 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
3Die Beschwerden des Sachverständigen und des Bezirksrevisors sind zulässig nach § 4 III JVEG. Der Beschwerdewert von mehr als 200,00 EUR ist in beiden Fällen erreicht. Zuständig für die Beschwerden ist das Landgericht als nächsthöheres Gericht im Sinne des § 4 IV 2 JVEG, auch wenn es sich bei dem dem Festsetzungsverfahren zugrunde liegenden Verfahren um eine Familiensache handelt, für die in zweiter Instanz das Oberlandesgericht zuständig ist (vgl. Meyer/Höver/Bach § 4 JVEG Rn 4.17).
4Die Beschwerde des Sachverständigen ist im Wesentlichen begründet, während die Beschwerde des Bezirksrevisors weitgehend ohne Erfolg bleibt.
5Anders als der Bezirksrevisor und ihm folgend das Amtsgericht hält die Kammer eine Kürzung der Rechnung mit der Begründung, der vom Sachverständigen angesetzte Stundenaufwand sei nicht erforderlich bzw. angemessen gewesen, für nicht veranlasst.
6Dabei geht die Kammer davon aus, dass die Angaben eines Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit grundsätzlich als richtig zu unterstellen sind, zumal dem Gericht insoweit in der Regel auch jede Möglichkeit der Überprüfung fehlt (vgl. Meyer/Höver/Bach § 8 JVEG Rn 8.49). Ein Anlass zur Nachprüfung, ob die vom Sachverständigen angegebene Zeit auch erforderlich war, besteht nur dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint, wenn die Leistungsabrechnung undifferenziert gestaltet ist oder die Leistungsbeschreibung Unstimmigkeiten aufweist. In derartigen Fällen wird vom Sachverständigen eine spezifizierte und nachvollziehbare Darlegung seines tatsächlichen Zeitaufwandes und zur Erforderlichkeit dieses Zeitaufwandes anzufordern sein (vgl. Meyer/Höver/Bach § 8 JVEG Rn 8.49).
7Die Angaben des Sachverständigen zu seinem tatsächlichen Zeitaufwand werden im vorliegenden Fall nicht allein dadurch unglaubwürdig, dass der Zeitaufwand nicht minutengenau dokumentiert wurde oder dadurch, dass vorwiegend "glatte" Zeitangaben verwandt werden. Die Kammer geht dementsprechend davon aus, dass der Sachverständige tatsächlich die von ihm angegebenen Arbeitsstunden auf die Gutachtenerstellung verwandt hat.
8Von der Frage des tatsächlichen Zeitaufwands zu trennen ist die Frage des erforderlichen Zeitaufwands.
9Richtig ist in diesem Zusammenhang nämlich der Hinweis des Bezirksrevisors auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach einem Sachverständigen eine Entschädigung nicht für die tatsächlich aufgewendete, sondern nur für die erforderliche Zeit zusteht und dass dabei unter Berücksichtigung des Umfangs des Streitstoffes, des Schwierigkeitsgrades der Beweisfragen, des Umfangs des Gutachtens, der Bedeutung der Streitsache und der Sachkunde des Sachverständigen auf einen durchschnittlich schnell arbeitenden Gutachter Sachverständigen abzustellen ist (vgl. BGH Beschluss vom 16.12.2003, Az. X ZR 206/98).
10Richtig ist aber auch der Hinweis des Sachverständigen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach es nicht zulässig ist, dass das Gericht den erforderlichen Zeitaufwand für die Erstattung eines Gutachtens nach eigenem Ermessen schätzt und seine Schätzung des erforderlichen Stundenaufwandes bzw. seine Beurteilung, was für angemessen gehalten wird, an die Stelle der vom Sachverständigen angegebenen Stundenzahl setzt (vgl. BVerfG Beschluss vom 26.07.2007, Az. 1 BvR 55/07). Für eine solche Schätzung gibt es im Gesetz keine Grundlage, sie erscheint willkürlich. Auch geht die Kammer davon aus, dass der Bundesgerichtshof, wenn er auf einen "Sachverständigen mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen" abstellt, weder meint, dass das Gericht die jeweils veranschlagte Stundenzahl nach eigener Angemessenheitsprüfung herabsetzen kann, noch dass im Zweifelsfall ein weiteres Gutachten dazu einzuholen ist, welcher Zeitaufwand zur Beantwortung der Beweisfrage erforderlich und angemessen ist.
11Ausgehend von diesen Grundsätzen, die die Kammer in Festsetzungsverfahren nach § 4 JVEG in ständiger Rechtsprechung anwendet, kann sie im vorliegenden Fall nicht feststellen, dass die vom Sachverständigen abgerechnete Stundenzahl deutlich über dem liegt, was durchschnittliche Sachverständige üblicherweise für vergleichbare Gutachten abrechnen. Der Sachverständige hat die im Einzelnen angefallenen Tätigkeiten beschrieben und erläutert und sie in einer ausführlichen und nachvollziehbaren Aufstellung seines Zeitaufwandes zusammengefasst, die auch in Relation zu Aktenumfang, Schwierigkeit der Materie und Umfang des Gutachtens plausibel ist. Die vom Bezirksrevisor bzw. vom Amtsgericht vorgenommene Kürzung und insbesondere die Standardisierung anhand der Seitenzahlen des Gutachtens erscheint spekulativ bzw. willkürlich. Die Kammer geht dementsprechend davon aus, dass die vom Sachverständigen angegebenen Arbeitsstunden für die Gutachtenerstellung auch erforderlich waren.
12Zu kürzen war die Sachverständigenrechnung demzufolge lediglich insoweit als der Sachverständige für Auslagen in Höhe von insgesamt 62,00 EUR keine entsprechenden Belege zur Akte gereicht hat. Der Sachverständige muss nämlich seine Aufwendungen auf Verlangen belegen (Meyer/Höver/Bach § 12 JVEG Rn 12.23 m.w.N.), was er vorliegend hinsichtlich des Grundstücksmarktberichts (40,00 EUR) und der Kopien der erwähnten Lagepläne (22,00 EUR) nicht getan hat. Abzusetzen waren von der Sachverständigenrechnung demnach 60,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer = 73,78 EUR, so dass sich ein Festsetzungsbetrag von 14.816, 61 EUR errechnet.
13Die Rechnung des Sachverständigen ist auch nicht wegen Überschreitung des angeforderten Kostenvorschusses zu kürzen. Dass das Gericht lediglich einen Kostenvorschuss von insgesamt 4.000,00 EUR angefordert hat, ist nicht dem Sachverständigen anzulasten. Der Sachverständige hat bereits vor der Begutachtung mit Schreiben vom 10.02.2009 mitgeteilt, dass die Kosten, die er zunächst mit 5.000,00 EUR bis 7.000,00 EUR bezifferte, im Voraus nur schwer zu schätzen seien. Unter dem 14.12.2009 hatte er dann mitgeteilt, dass bereits Kosten in Höhe von 8.500,00 EUR angefallen seien und weitere Kosten von 3.000,00 EUR bis 4.000,00 EUR zu erwarten seien, mithin insgesamt bis zu 12.500,00 EUR. Dieser Betrag von 12.500,00 EUR wird um weniger als 20 % und damit nicht in erheblichem Umfang im Sinne des § 407a III 2 ZPO überschritten. Werden zunächst veranschlagte Kosten um bis zu rund 20 % überschritten, so dass das aber hinzunehmen, weil jeder Kostenvoranschlag nur eine ungefähre Kostenschätzung beinhaltet.
14Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 VIII JVEG.
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