Hinweisbeschluss vom Landgericht Nürnberg-Fürth - 5 S 3537/18

Tenor

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 23.05.2018, Az. 21 C 680/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

1. Die berufungsführenden Kläger begehren Entschädigungsleistungen aufgrund der Fluggastrechteverordnung (Verordnung [EG] Nr. 261/2004 vom 11.02.2004). Der von ihnen über eine Pauschalreise gebuchte Flug sollte ursprünglich am 03.09.17 um 11:40 Uhr starten und den Zielort um 16:40 Uhr erreichen. Am 28.07.2017 informierte der Reiseveranstalter die Kläger über eine Flugänderung. Der Flug wurde entsprechend dieser Information am 03.09.2017 von 22:50 Uhr bis 3:50 Uhr durchgeführt.

Das Amtsgericht wies die Klage ab, da die Kläger zwei Wochen vor Abflug informiert wurden und eine Entschädigung damit nach Art. 5 Abs. 1 c der EU-Fluggastrechteverordnung ausgeschlossen sei. Zweck der Vorschrift sei der Schutz von Reisenden vor kurzfristigen Flugänderungen. Wer die Information über eine Flugänderung weitergibt sei irrelevant.

Hiergegen richtet sich die Berufung. Sie macht geltend, dass die Information über Flugänderungen eine Entschädigungsleistung nur dann entfallen lässt, wenn sie durch das Luftfahrtunternehmen geltend gemacht wird. Das Urteil des Amtsgerichts sei fehlerhaft, da es seine entgegenlaufende Rechtsauffassung nicht durch Zitate höchstrichterlicher Rechtsprechung stütze und sich dem namhaften Reiserechtskommentator Prof. Dr. F. widersetze. Zudem gehe das amtsgerichtliche Urteil auf die rechtzeitige Information aller beteiligten Fluggäste gar nicht ein, da nur der Kläger zu 1) unmittelbar vom Reiseveranstalter informiert worden sei, nicht aber seine Ehefrau, die Klägerin zu 2), und deren Kind. Im Übrigen wird auf die Berufungsbegründung vom 07.06.2018 Bezug genommen (vgl. Bl. 42 d. A.).

2. Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass nach § 529 ZPO die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen oder die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO beruht.

a) Es ist von dem im angefochtenen Urteil zu Grunde gelegten Sachverhalt auszugehen. Denn gemäß § 529 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht die vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten oder neue Tatsachen zu berücksichtigen sind. Konkrete Anhaltspunkte für fehlerhafte oder lückenhafte Feststellungen im Sinn des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bestehen nicht.

Soweit die Berufung geltend macht, dass das Amtsgericht nicht auf die Thematik der rechtzeitigen Information aller Fluggäste eingehe, ist dies dem Prüfungsumfang des Berufungsgerichtes entzogen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das Berufungsgericht ist an die tatbestandlichen Feststellungen des Amtsgerichts gebunden, da die rechtzeitige Information nach der Darstellung im Urteil unstreitig war (vgl. Urteil Seite 1: „wurden die Kläger (…) am 28.07.2017 informiert“) und die Unrichtigkeit nicht im Weg eines Tatbestandsberichtigungsantrages gerügt wurde (§§ 314, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

b) Die Auslegung von Art. 5 Abs. 1c) (i) VO (EG) Nr. 261/2004 durch das Amtsgericht begegnet keinen Bedenken.

(1) Das Amtsgericht hat bei der Auslegung zu Recht den Schutzzweck der Vorschrift herangezogen und diesen zutreffend ermittelt. Wie der Erwägungsgrund Nr. 12 der Verordnung ausdrücklich festhält, sollen durch die Verordnung Ärgernisse und die Unannehmlichkeiten verringert werden, die den Fluggästen durch die Annullierung von Flügen entstehen. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass die Luftfahrtunternehmen veranlasst werden, die Fluggäste vor der planmäßigen Abflugzeit über Annullierungen zu unterrichten und ihnen darüber hinaus eine zumutbare anderweitige Beförderung anzubieten, so dass die Fluggäste umdisponieren können. Dieses in Erwägungsgrund Nr. 12 der Verordnung ausdrücklich festgehaltene Ziel der Umdisponierung wird bereits dadurch erreicht, dass der Flugausfall dem Fluggast bekannt gegeben wird. Entscheidend ist dabei allein wann und nicht durch wen die Information erfolgt.

(2) Die Auslegung des Amtsgerichts steht auch nicht im Widerspruch zu den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen des Europarechts, insbesondere dem Effizienzgebot (vgl. dazu EuGH, Rs. 9/70, Slg. 1970, 825, Rn. 5; EuGH, Rs. C-441/93, Slg. 1996, I-1347, Rn. 70). Das von der Verordnung angestrebte, hohe Schutzniveau der Fluggäste (vgl. Erwägungsgrund Nr. 1 der Verordnung) wird hinreichend dadurch gewährleistet, dass das Luftfahrunternehmen die Beweislast dafür trägt, dass der Fluggast rechtzeitig über die Annullierung des Fluges unterrichtet wurde (Art. 5 Abs. 4 der Verordnung). Zudem ist durch die Rechtsprechung des EuGH auch sichergestellt, dass sich das Luftfahrtunternehmen durch die Information an einen Dritten -etwa den Reiseveranstalternicht entlasten kann (vgl. EuGH, Urteil v. 11.05.2017, C-2017/359, Rn. 32). Die Auffassung der Kläger hingegen, also die Entlastung nur bei Information durch das Luftfahrtunternehmen selbst, liefe dem Schutzziel der Verordnung eher zuwider, da dadurch die Möglichkeit, den Fluggast durch die Einschaltung Dritter zu informieren, wegfiele. Nachdem -wie auch im vorliegenden Falloft keine direkten Vertragsbeziehungen zwischen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen und dem Fluggast bestehen, würde dies in der Praxis wohl eher zu Verzögerungen führen. Denn in der Regel wird der direkte Vertragspartner, wie beispielsweise ein Reiseveranstalter, besser wissen, wie er schnell mit dem Fluggast in Kontakt treten kann.

(3) Die Auslegung des Amtsgerichts ist insbesondere auch nicht deswegen zu beanstanden, weil das Urteil keine „höchstrichterliche Rechtsprechung“ zitiert. Dieser Berufungsangriff ist schlichtweg nicht nachvollziehbar. Vielmehr steht die vom Amtsgericht vorgenommene Auslegung im Einklang mit der Auslegung durch andere Gerichte (vgl. z.B. LG Landshut, Urteil v. 14.12.2016, Az. 13 S 1146/16, Rn. 6; LG Frankfurt a.Main, Urteil v. 01.09.2011, Az. 2-24 S 92/11 - iuris) und der Literatur (vgl. Schmid, in: Beck´scher Onlinekommentar, Fluggastrechte-Verordnung, 6. Edition, Stand 01.04.18, Art. 5, Rn. 15; Besold/Wahl, RRa 2017, 106/108).

3. Die Kammer regt daher zur Vermeidung weiterer Kosten eine Berufungsrücknahme an. In diesem Fall ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 (vgl. GKG KV Nr. 1222).

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