Beschluss vom Landgericht Saarbrücken - 5 T 147/16

Tenor

Auf die Beschwerde des Betroffenen und des Betreuers werden der Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken - Betreuungsgericht - vom 29.04.2016 - 10 XVII (W) 1347/13 - sowie die Vorlageverfügung des Betreuungsgerichts vom 29.04.2016 aufgehoben und das Verfahren an das Amtsgericht Saarbrücken - Betreuungsgericht - zurückverwiesen.

Gründe

A.

Das Betreuungsgericht hat für die Betroffene durch Beschluss vom 26.09.2013 deren jetzigen Ehemann ..., ..., zum Betreuer für die Aufgabenbereiche Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge bestellt.

Zur Begründung hat das Betreuungsgericht ausgeführt, es sei erforderlich, für die Betroffene auf deren Antrag einen Betreuer zu bestellen, weil sie aufgrund ihrer chronischen ZMS-Erkrankung nicht in der Lage sei, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen.

Zur Begründung der Erkrankung hat sich das Betreuungsgericht auf das ärztliche Zeugnis des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie ... vom 23.07.2013 gestützt.

Durch Beschluss vom 07.12.2015 hat das Betreuungsgericht Rechtsanwalt ..., ..., zum Gegenbetreuer der Betroffenen bestellt für den Aufgabenbereich der Vermögenssorge.

Das Amtsgericht hat ausgeführt, die Betroffene wünsche, dass ihr Ehemann die Betreuung fortführe. Der Betreuer selbst sehe sich von verschiedenen Seiten, insbesondere der ..., angegriffen und verfolgt. Er führe dies darauf zurück, dass er Ausländer sei. Im Rahmen der Anhörung sei festgestellt worden, dass die Betroffene ein Wohnanwesen geerbt habe und der Betreuer dort größere Umbauten plane, was er dem Gericht nicht angezeigt habe. Zudem sei ihm nicht bekannt gewesen, wer Vermieter der Betroffenen sei.

Das Betreuungsgericht habe ermittelt, dass es erhebliche Gründe gebe, an der Eignung des Betreuers zur Führung der Betreuung im finanziellen Bereich zu zweifeln. In allen Anhörungen habe sich gezeigt, dass sich der Betreuer direkt angegriffen fühle und ihm dies bei der Kommunikation zur Wahrnehmung von Aufgaben für die Betroffene im Wege stehe.

Da sich der Betreuer sehr um die Betroffene kümmere und diese wolle, dass er die Betreuung fortführe, werde von der Entlassung des Betreuers abgesehen.

Da die Betroffene eine Immobilie geerbt habe und sich Zweifel an der Eignung des Betreuers im Bereich der Vermögenssorge ergeben hätten, halte das Betreuungsgericht die Bestellung eines Gegenbetreuers für erforderlich.

Gegen diesen Beschluss haben der Betreuer und die Betroffene durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 23.12.2015 Beschwerde eingelegt mit dem Antrag,

die Bestellung des Gegenbetreuers aufzuheben.

Die Spannungen zwischen dem Betreuer und der ... stünden der Eignung des Betreuers auch für Vermögensangelegenheiten nicht entgegen.

Der Betreuer habe es nicht bewusst unterlassen, das Betreuungsgericht über Änderungen im Vermögensbereich der Betroffenen in Kenntnis zu setzen. Er sei davon ausgegangen, dass er mit seiner Mitteilung an das Nachlassgericht seiner Verpflichtung umfänglich nachgekommen sei.

Das Hausgrundstück ... in ... sei der Betroffenen von der Mutter geschenkt worden. Darüber sei der Betreuer weder von der Mutter noch von der Betroffenen in Kenntnis gesetzt worden. Er habe davon erst Anfang April 2014 durch die Mutter erfahren. Er habe dann den ..., der Zahlungen zur Grundsicherung und Hilfe zur Pflege für die Betroffene leiste, über diesen Umstand in Kenntnis gesetzt.

Der ... habe deswegen die Betroffene zur Rückzahlung angeblich zu Unrecht erhaltener Gelder aufgefordert.

Gegen die Bescheide sei Widerspruch eingelegt worden.

Der Betreuer beabsichtige, nur solche Umbaumaßnahmen vorzunehmen, die erforderlich seien, damit das Haus behindertengerecht bewohnbar sei.

Gegen die Bestellung eines Gegenbetreuers spreche der Umstand, dass die Betroffene und der Betreuer verheiratet seien.

Die Betreuungsbehörde hat ausgeführt, die mangelnde Eignung des Betreuers ergebe sich aus seiner Persönlichkeitsstruktur, aufgrund derer er in Konfliktsituationen seine persönliche Befindlichkeit nicht zum Wohle der Betroffenen zurückstellen könne. Zudem habe der Betreuer unvollständige Kenntnisse bezüglich der Vermögenssorge. Er besitze auch nicht die Fähigkeit zur Kommunikation mit allen relevanten Stellen, auch in Konfliktsituationen.

Der Gegenbetreuer hat den Betreuer vergeblich um einen Besprechungstermin ersucht.

Das Betreuungsgericht hat am 29.04.2016 beschlossen, den Beschwerden nicht abzuhelfen.

Es hat ausgeführt, die Anordnung der Gegenbetreuung sei erforderlich, da größeres Vermögen zu verwalten sei. Im Laufe des Betreuungsverfahrens habe sich zudem gezeigt, dass erhebliche Anhaltspunkte bestünden, aufgrund derer die Eignung des Betreuers zur Führung der Betreuung im Bereich der Vermögenssorge zu bezweifeln sei. Bei den gerichtlichen Anhörungen habe sich gezeigt, dass dem Betreuer elementare Fragen, wie etwa die nach dem Vermieter der Wohnung der Betroffenen, nicht geläufig seien. Im März 2016 habe der Betreuer mittels Zwangsgeld zur Einreichung des Berichtes und der Rechnungslegung angehalten werden müssen. Ferner habe die zuständige Rechtspflegerin im Rahmen eines Gespräches am 01.02.2016 den Eindruck gewonnen, dass der Betreuer mit finanziellen Fragen, soweit die Zusammenarbeit mit dem Gericht betroffen sei, überfordert sei.

B.

Die gemäß §§ 58 ff FamFG zulässigen Beschwerden der Betroffenen und des Betreuers (vgl. dazu BayObLG, Beschluss vom 21.04.2004 - 3 Z BR 51/04 - juris Rnr. 5), führen zur Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses und der Vorlageverfügung des Betreuungsgerichts und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Betreuungsgericht, damit dieses durch Einholung eines Sachverständigengutachtens klären kann, ob die Willensbildung und Willensbetätigung der Betroffenen krankheitsbedingt beeinträchtigt sind.

Obwohl die Aufgabe des Gegenbetreuers nicht in erster Linie in der Wahrnehmung der Angelegenheiten des Betreuten liegt, sondern der Kontrolle und der Aufsicht des Betreuers dienen soll (vgl. Staudinger/Bienwald, BGB, § 1908 i BGB, Rnr. 26), sind gemäß §§ 1908 i Abs. 1, 1792 Abs. 4 BGB auf die Bestellung eines Gegenbetreuers diejenigen Verfahrensvorschriften anzuwenden, die für die Bestellung des Betreuers gelten (vgl. Staudinger/Bienwald, a.a.O., Rnr. 32 m.w.N., Klüsener in Jürgens, Betreuungsrecht, § 1792 BGB, Rnr. 5, Jaschinski in Juris PK-BGB, 7. Auflage 2014, § 1908 i BGB, Rnr. 11; Roth in: Ehrman, BGB, § 1908 i BGB, Rnr. 12).

Deshalb begegnet die in der Rechtsprechung (vgl. BayObLG, Beschluss vom 26.03.2001 - 3 Z BR 5/01 - Juris, Rnr. 10) vertretene Auffassung, die persönliche Anhörung des Betreuten vor der Bestellung eines Gegenbetreuers sei nur ausnahmsweise erforderlich, Bedenken.

Wenn auch der Gegenbetreuer nicht der gesetzliche Vertreter des Betreuten ist (vgl. Staudinger/Bienwald, a.a.O., Rnr. 25), so wird die betreute Person durch die Bestellung des Gegenbetreuers sowohl dadurch betroffen, als sie - soweit sie aufgrund ihrer Vermögensverhältnisse dazu in der Lage ist - die Kosten der Bestellung zu tragen hat und sowohl den Auslagenersatz als auch die Vergütung des Gegenbetreuers aus ihrem Vermögen schuldet (vgl. Staudinger/Bienwald, a.a.O., Rnr. 32). Ferner hat der Gegenbetreuer - soweit seine Kontroll- und Mitwirkungspflichten dies erfordern, den Betroffenen persönlich zu betreuen (vgl. § 1897 Abs. 1 BGB), also bei Bedarf in einem persönlichen Kontakt mit ihm abzuklären, ob die erforderliche Genehmigung seinem Wohl und seinen Wünschen entspricht (vgl. Klüsener in Jürgens, a.a.O., Rnr. 8).

Aus diesen Gründen und im Hinblick auf die ähnlichen Interessenlagen bei der Gegenbetreuung einerseits und der Kontrollbetreuung (vgl. § 1896 Abs. 3 BGB) andererseits darf ein Gegenbetreuer nicht gegen den freien Willen des Betroffenen (vgl. dazu § 1896 Abs. 1a BGB) bestellt werden. Die Anwendung des § 1896 Abs. 1a BGB ist eine notwendige Konsequenz des dem Betroffenen in dem Betreuungsverfahren zu gewährenden rechtlichen Gehörs (Artikel 103 Abs. 1 GG) sowie des Grundsatzes, dass der Betroffene nicht zum Spielball gerichtlichen und behördlichen Handelns gemacht werden darf.

Da die Betroffene selbst gegen die Bestellung des Gegenbetreuers Beschwerde eingelegt hat, wird deutlich, dass sie mit seiner Bestellung nicht einverstanden ist.

Im Hinblick darauf kann die Bestellung des Gegenbetreuers nur dann aufrecht erhalten werden, wenn dieser entgegenstehende Wille der Betroffenen unbeachtlich ist, weil sie krankheitsbedingt nicht fähig ist, ihren Willen frei zu bestimmen und frei zu betätigen.

Zur Klärung dieser Frage wird das Betreuungsgericht ein Sachverständigengutachten (vgl. § 280 FamFG) einzuholen haben.

Die Einholung dieses Gutachtens ist insbesondere deshalb erforderlich, weil das Betreuungsgericht auch vor der Anordnung der Betreuung kein Sachverständigengutachten eingeholt hatte, obwohl die Betroffene zwar mit der Betreuung einverstanden war, jedoch nicht auf die Einholung eines Gutachtens verzichtet hatte (vgl. § 281 Abs. 1 Nr. 1 FamFG).

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