Beschluss vom Landgericht Stendal (5. Zivilkammer) - 25 T 120/13

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Sachverständigen wird der Beschluss des Amtsgerichts Stendal vom 26. April 2013 – 3 C 856/11 (3.5) – abgeändert und die Vergütung des Sachverständigen auf 942,48 € brutto festgesetzt. Im Übrigen werden die Vergütungsanträge vom 7. Dezember 2012 und die Beschwerde gegen den Festsetzungsbeschluss des Amtsgerichts zurückgewiesen.

2. Das Verfahren ist gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerde ist zulässig. Festsetzungen der Vergütung eines Sachverständigen können nach § 4 Abs. 3 JVEG angefochten werden; das Rechtsmittel unterliegt keiner Frist (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 42. Auflage, § 4 Rn. 26). Der Sachverständige ist auch um mehr als 200 € beschwert, da ihm sein Vergütungsantrag von 1.087,36 € im angefochtenen Beschluss auf 537,58 € gekürzt worden ist (§ 4 Abs. 3 JVEG).

II.

2

Die Beschwerde hat in der Sache überwiegend Erfolg und führt zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Der Sachverständige hat nach §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 JVEG a. F. dem Grunde nach Anspruch auf Vergütung seiner Leistungen und Aufwendungen, da er mit Beschlüssen des Amtsgerichts Stendal vom 05.04.2012 und 20.06.2012 beauftragt worden ist, den Wert für 24 gebrauchte Europaletten zu ermitteln.

3

1. Vergütung

4

Die Höhe der Vergütung richtet sich gemäß § 9 Abs. 1 JVEG nach einem Stundensatz (dazu a) und der Anzahl der für die Erstellung des Gutachtens notwendigen Stunden (dazu b).

5

a) Stundensatz

6

Im vorliegenden Fall richtet sich der Stundensatz weder nach einer gesetzlich festgesetzten Honorargruppe (dazu aa) noch ist eine Bindung durch die Mitteilung des Stundensatzes durch den Sachverständigen eingetreten (dazu bb). Daher sind die Leistungen des Sachverständigen einer Honorargruppe zuzuordnen (dazu cc).

aa)

7

Die Vergütung des Sachverständigen richtet sich nach der bis zum 31.07.2013 geltenden Rechtslage, weil der Auftrag an den Sachverständigen vor diesem Datum erteilt worden ist (§ 24 S. 1 JVEG). Daher ist es der Kammer verwehrt, auf die Regelungen nach dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz zurückzugreifen, welches vorsieht, dass Sachverständige auf dem Gebiet Spedition, Transport und Lagerei der Gruppe 5 mit einem Stundensatz vom 85 €/Stunde zuzuordnen sind. Die bis zum 31.07.2013 maßgebliche Fassung der Anlage 1 zum JVEG erfasste das Tätigkeitsgebiet des Beschwerdeführers hingegen nicht.

bb)

8

Der Sachverständige hat auch keinen Anspruch auf einen Stundensatz von 90 € begründet, indem er durch Schreiben vom 02.07.2012 mitgeteilt hat, für diesen Betrag tätig zu werden. Eine besondere Vergütung im Sinne von § 13 JVEG kann er nur verlangen, wenn die Parteien sich dem Gericht gegenüber hiermit einverstanden erklärt haben oder – bei Zustimmung nur einer Partei – das Gericht zustimmt. Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Die Beklagte hat sich zwar mit einem Stundensatz von 90 € einverstanden erklärt; eine entsprechende Erklärung der Klägerin oder eine Zustimmung des Gerichts fehlen indes. Da keine entsprechenden Zusagen gegenüber dem Sachverständigen gemacht worden sind, durfte er auch nicht darauf vertrauen, einen Stundensatz von 90 € kraft Vereinbarung abrechnen zu können, denn sein Vergütungsanspruch gegen die Justizkasse richtet sich allein nach dem JVEG.

cc)

9

Wird die Leistung des Sachverständigen auf einem Gebiet erbracht, das in keiner Honorargruppe genannt wird, ist sie unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen (§ 9 Abs. 1 S. 3 JVEG). Die Kammer hat daher bei 22 Sachverständigen eine Onlinebefragung zu den außergerichtlich abgerechneten Stundensätzen durchgeführt. Acht Mails kamen als unzustellbar zurück, sieben Sachverständige haben ihre Stundensätze wie folgt mitgeteilt:

10

Name

Ort

Bestellungsgebiet

€/Stunde

DD

Weingarten

Spedition, Transport und Lagerei

110

EE

Bremen

Spedition, Transport und Lagerei

88

FF

Dietramszell

Spedition, Transport und Lagerei

90

GG

Karlsruhe u. a.

Spedition, Transport und Lagerei

90

HH

Lübeck

Spedition, Transport und Lagerei

95

JJ

Stuttgart

Spedition, Transport und Lagerei

90

KK

Oberursel

Verpackungswesen, Befülltechnik

120 – 140

11

Wenn man von den „Ausreißern“ absieht, ergibt sich ein relativ genau definierbarer Marktpreis, der zwischen und 88 und 95 €/Stunde liegt. Um den Stundensatz festzulegen, ist nicht das arithmetische Mittel zu bilden, sondern nach § 9 Abs. 1 S. 3 JVEG eine Zuweisung zu einem Stundensatz vorzunehmen. Er wird hier auf 90 €/Stunde fixiert. Da dies dem Antrag des Beschwerdeführers entspricht, musste ihm nicht zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zum Ergebnis der Umfrage gegeben werden.

12

b) Stundenzahl

13

Die vom Sachverständigen abgerechneten Stunden bedürfen lediglich einer geringfügigen Korrektur. Dabei folgt das Gericht grundsätzlich den vom Sachverständigen gemachten Zeitangaben. Anlass zur Nachprüfung besteht nur dann, wenn der Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.06.2008, 10 W 60/08; OLG Bremen, Beschluss vom 28.02.2008, 2 W 95/07). Um eine Plausibilitätsprüfung vornehmen zu können, hat der Sachverständige seinen Zeitaufwand detailliert darzulegen. Anzuerkennen sind nur die Zeiten, die ein Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen braucht, um sich nach sorgfältigem Aktenstudium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehenden Überlegungen seine gutachterliche Stellungnahme schriftlich niederzulegen. Dabei sind der Umfang des ihm unterbreiteten Streitstoffs, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung seiner Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang seines Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache angemessen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 16.12.2003, X ZR 206/98).

14

Im vorliegenden Fall hatte der Sachverständige den Auftrag, den marktüblichen Preis für 24 gebrauchte Europaletten zu überprüfen. Hierfür hat er folgende Zeiten angesetzt:

15

Summe

Std.

9,80

Aktenstudium inklusive Beurteilung der Beweisfrage

Std.

1,00

Kalkulation Aufwand, 2 x Schreiben ans Gericht

Std.

0,30

Marktrecherche

Std.

4,50

Berichterstellung inklusive Diktat

Std.

3,00

Redigieren, Plausibilitätsprüfung und Korrekturdurchsicht

Std.

1,00

16

Die Positionen Aktenstudium, Kalkulation Aufwand und Redigieren pp. sind nicht zu beanstanden. Das gilt auch für die Marktrecherche, den eigentlichen Kern der beauftragten Tätigkeit. Diese Aufgabe hat der Sachverständige nicht selbst erledigt, sondern an Wirtschaftsingenieur LL delegiert. Obwohl die Gutachtenerstattung an sich höchst persönlichen Charakter hat, ist diese Verfahrensweise nach § 407 a Abs. 2 S. 2 ZPO – auch vergütungsrechtlich – noch hinzunehmen, weil der Sachverständige seinen Mitarbeiter namhaft gemacht und den Umfang seiner Tätigkeit angegeben hat. Der Ansatz von 4,5 Stunden ist zudem angemessen, wenn man berücksichtigt, dass die Palettenhändler ermittelt und fernmündlich befragt werden mussten (22 Minuten pro Händler). Die für die Berichterstellung inklusive Diktat angesetzten 3 Stunden sind indes deutlich übersetzt. Der Sachverständige hat sich darauf beschränkt, einige Informationen zu Europaletten zusammenzustellen, die jedermann auch bei Wikipedia nachlesen könnte. Ferner hat er die Marktrecherche seines Kollegen LL verbalisiert und ausgewertet. Seine Ausführungen füllen gerade einmal 3 ½ spärlich bedruckte Seiten. Selbst wenn man berücksichtigt, dass sich der Sachverständige den Akteninhalt nach einer Erstbefassung zunächst in Erinnerung rufen musste, sind 3 Stunden nicht angemessen. Angesichts des Umstandes, dass das Aktenstudium gesondert abgerechnet ist, die Marktrecherche bereits vollständig durch einen Kollegen durchgeführt worden war, das Beweisthema sehr übersichtlich ist und die Auswertung der Recherche (Bildung eines arithmetischen Mittels nach Aussonderung eines „Ausreißers“) keine besondere Sachkunde bedarf, darf ein durchschnittlicher Sachverständiger selbst bei sehr wohlwollender Betrachtung nicht mehr als 2 Stunden für die Erstellung des Gutachtens aufwenden, zumal die Endkontrolle und die Korrektur des Diktates noch einmal gesondert abgerechnet wurden. Insgesamt ist die erforderliche Zeit demnach auf 8,8 Stunden einzukürzen.

c)

17

Die Höhe der Vergütung beträgt 792 € netto (8,8 Stunden x 90 €/Stunde). Nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 JVEG kommen 19 % Umsatzsteuer hinzu. Die Vergütung beträgt also 942,48 € brutto.

18

2. Auslagen

19

Der Sachverständige kann ferner nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 JVEG seine Schreib- und Versandkosten in Höhe von 31,75 € ersetzt verlangen.

III.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.

21

Die weitere Beschwerde war nach § 4 Abs. 5 JVEG nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat.


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