Beschluss vom Landgericht Stuttgart - 17 O 547/04

Tenor

1. Das Urteil des Tribunal de Grande Instance de Strasbourg vom 15.01.1996 – Az: R. G. 93/1590 –

ist insoweit, als die Antragsgegnerin verurteilt worden ist, an die Antragstellerin 4.573,47 Euro als Erstattung der Gerichts- und Anwaltskosten zu bezahlen,

mit der Vollstreckungsklausel zu versehen.

2. Im Übrigen werden die Anträge – soweit nicht zurückgenommen – zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerin 6/7 und die Antragsgegnerin 1/7 zu tragen.

Streitwert: bis 40.000 Euro.

Gründe

 
1.
Die Antragstellerin hat eine beglaubigte Ausfertigung des diese Zahlungsverpflichtung aussprechenden Urteils des französischen Gerichts nebst beglaubigter Übersetzung vorgelegt ferner eine eine beglaubigte und übersetzte Ausfertigung das Urteils des Kassationsgerichtshofs vom 26.03.2002, durch welches dieses Urteil vom 15.01.1996 – nach zwischenzeitlicher Aufhebung in 2. Instanz – wieder hergestellt worden ist. Für das Kassationsurteil ist auch eine Bescheinigung über die Vollstreckbarkeit vorgelegt worden. Damit sind alle Voraussetzungen der Art. 31 f, 46, 47 EuGVÜ, das für das zu vollstreckende Urteil aus dem Jahre 1996 zur Anwendung kommt, erfüllt.
Soweit ferner beantragt worden war, beide Urteile auch insoweit mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, als dort die Verpflichtung zur Zahlung der Verfahrenskosten (dem Grunde nach) ausgesprochen ist, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 08.10.2004 Antragsrücknahme erklärt.
2.
Der weitergehende Antrag, das Urteil des Kassationsgerichtshofs vom 26.03.2002 dahin für vollstreckbar zu erklären, dass der Antragsgegnerin aufgegeben wird, an die Antragstellerin 30.849,80 Euro nebst gesetzlichen Zinsen zu bezahlen, war als unbegründet zurückzuweisen.
Dieser Antrag beruht auf folgendem von der Antragstellerin vorgetragenen Sachverhalt: Nachdem die von der Antragsgegnerin erstinstanzlich eingereichte Zahlungsklage durch das Urteil des Tribunal de Grande Instance de Strasbourg vom 15.01.1996 abgewiesen worden war, hatte der zweitinstanzlich angerufene Cour d'Appel de Colmar eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von 30.489,80 ausgesprochen. Dieser Betrag sei zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung an die Antragsgegnerin gezahlt worden. Das Urteil des Kassationsgerichtshofs vom 26.03.2002, durch das die zweitinstanzliche Entscheidung auf Revision der Antragstellerin wieder aufgehoben worden war, stelle nach französischem Recht bereits einen Vollstreckungstitel hinsichtlich der Rückzahlung dar unabhängig davon, ob der Tenor der Entscheidung einen solchen Ausspruch enthalte. Eine weitere Konkretisierung sei weder erforderlich noch möglich. Deshalb müsse dieser Titel bei der Vollstreckbarkeitsentscheidung dahin konkretisiert werden, dass diese Zahlungsverpflichtung grundsätzlich und auch betragsmäßig festgelegt werde. Andernfalls hätte der Gläubiger eines solchen Anspruchs keine Möglichkeit, seinen Rückzahlungsanspruch in einem rechtsstaatlichen Verfahren durchzusetzen. Dies würde aber der gemeinschaftsrechtlich garantierten Titelfreizügigkeit widersprechen.
3.
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.
Es mag zwar richtig sein, dass das Kassationsurteil vom 30.06.2004 nach französischem Recht Vollstreckungstitel ist hinsichtlich der Rückzahlungsverpflichtung derjenigen Beträge, die auf Grund aufgehobener Entscheidungen geleistet worden sind. Dieser Titel stellt insoweit aber allenfalls eine Grundentscheidung dar, da er über die Betragshöhe nichts aussagt. Ein ausländischer Titel muss aber grundsätzlich, um für vollstreckbar erklärt werden zu können, auf eine bestimmte Leistung lauten. Es kann zwar auch noch im Verfahren der Vollstreckbarkeit eine im ausländischen Titel nicht bestimmt genug ausgesprochene Leistungspflicht näher konkretisiert werden. Dies aber nur insoweit, als es dabei um Kriterien geht, die sich aus dem Titel selbst ergeben und die in Anwendung gesetzlicher Vorschriften des Auslands oder ähnlich sicher feststellbaren Umstände zu einer betragsmäßigen Festlegung herangezogen werden können. Dies ist etwa möglich bei der Konkretisierung einer Verurteilung zu den gesetzlichen Zinsen bzw. der Erstattung der gesetzlichen Mehrwertsteuer aus einem im Urteil ausgewiesenen Betrag, für einen öffentlich bekannt gemachten Währungsausgleich oder den Index für Lebenshaltungskosten (vgl. MüKoZPO-Gottwald, Rn. 17 zu § 722 ZPO m. w. Nw.; Kropholler, europäisches ZivilprozessR, 7. Auflage, Rn. 13 zu Art. 38; nicht anders auch das von der Antragstellerin angeführten Zitate bei Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht,, 2. Aufl., Rn 19 zu Art. 38).
Um eine solche Konkretisierung nach objektiv feststellbaren und sich aus der Entscheidung selbst ergebenden Kriterien geht es bei dem vorliegenden Antrag aber gerade nicht. Es handelt sich nicht lediglich um eine bloße Konkretisierung oder ergänzende Auslegung des ausländischen Titels. Hier soll vielmehr die Bestimmung einer konkreten Zahlungsverpflichtung anhand von Feststellungen, insbes. dem Nachweis der Zahlung, ausgesprochen werden, die außerhalb des ausländischen Titels liegen und daher von dem mit dem bloßen Ausspruch der Vollstreckbarkeit befassten inländischen Gericht nicht getroffen werden dürfen. Darauf, ob für die behauptete Zahlung Beweismittel vorgelegt sind, kommt es deshalb nicht an.
Auch das Argument, der Antragstellerin werde bei Ablehnung der Klauselerteilung in einem solchen Fall die Möglichkeit der Durchsetzung ihrer Rechte versagt, ist nicht richtig. Auf der Grundlage der internationalen Abkommen für die gegenseitige Anerkennung vollstreckungsfähiger Titel ist eine erneute Leistungsklage in einem Mitgliedstaat nur dann und insoweit ausgeschlossen, als das vereinfachte Verfahren der Vollstreckbarerklärung in Anspruch genommen werden kann. Liegen bei dem ausländischen Titel die Voraussetzungen für eine Klauselerteilung aber nicht vor, dann kann eine (erneute) Leistungsklage eingereicht werden (Kropholler a. a. O, Rn. 13 zu Art. 32).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 8 Abs. 1 AVAG iVm. § 788 ZPO sowie §§ 91, 92 ZPO.

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