Urteil vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 11 AL 72/04

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Versorgung mit einem Elektro-Rollstuhl der 10 km/h-Version.
Die 1970 geborene Klägerin, die bei der Beklagten krankenversichert ist, leidet an einer Arthrogryposis multiplex congenita mit Thorakolumbalskoliose, Spitzfuß links, Sichelstellung des rechten Fußes und Kontrakturen im Bereich der oberen Extremitäten. Sie ist auf Dauer auf einen Rollstuhl angewiesen.
Unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung des Facharztes für Physik u. Rehamedizin H. vom 04.02.2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten am 14.03.2003 die Kostenübernahme für einen Elektrorollstuhl Allround 970 von O. in der 10 km/h-Version. Nach dem vorgelegten Kostenvoranschlag der Firma A. vom 02.04.2003 beträgt der Kaufpreis insgesamt 6.648,12 EUR.
Mit Bescheid vom 15.04.2003 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, es dürften seit einiger Zeit nur noch die Kosten für Rollstühle mit einer Geschwindigkeit von 6 km/h übernommen werden. Es könnten auch keine Kosten in Höhe der 6 km/h-Version übernommen werden, wenn die Klägerin auf den 10 km-Rollstuhl bestehe.
Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin u.a. geltend, ihr jetziger Rollstuhl (in der 10 km/h-Version), den sie bereits seit ca. 9 Jahren habe, der aber nicht mehr reparierbar sei, gebe ihr durch die höhere Geschwindigkeit eine gewisse Sicherheit, insbesondere auch im Straßenverkehr. Da sie kein Auto besitze, sei sie auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Die nächste Haltestelle sei in voller Fahrt in etwa zehn Minuten zu erreichen. Im Winter müsse sie bei Schnee auf der Hauptstraße fahren, was gefährlich sei. Mit einem langsameren elektrischen Rollstuhl könne sie auch die zahlreichen Termine in H. bei Ämtern und Ärzten nicht wahrnehmen, da sie immer eineinhalb Stunden verlieren würde und daher nicht pünktlich zu Hause sein könne, um auf die Toilette zu gehen.
Auf Anfrage der Beklagten teilte der Arzt H. mit, dass aus medizinischen Gründen ein Hilfsmittel mit 10 km/h nicht unbedingt erforderlich sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Zwar sei der Elektrorollstuhl erforderlich, die Beklagte komme ihrer Leistungsverpflichtung jedoch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG Urteil vom 16.09.1999 -B 3 KR 8/98 R-) dadurch nach, dass sie der Klägerin einen Elektrorollstuhl in der 6 km/h-Version zur Verfügung stelle. Eine darüber hinaus gehende Versorgung falle nicht in den Leistungskatalog der Beklagten.
Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) - S 10 KR 2408/03 - und legte eine Aufstellung ihres Arztes Dr. W. vom September 2003 über die Häufigkeit der Arztbesuche sowie einen Stadtplan N./K. vor. Ergänzend wies sie darauf hin, sie sei ständig auf den Elektrorollstuhl angewiesen, weil mehrfach in der Woche Arztbesuche anstünden und auch sämtliche anderen Dinge des täglichen Lebens unter Zuhilfenahme des Elektrorollstuhls bewerkstelligt werden müssten. Dabei sei auch ihre Wohnsituation zu berücksichtigen und die Tatsache, dass sie insbesondere zur Winterzeit sogar die Hauptstraße in N. befahren müsse, um zu öffentlichen Verkehrsmitteln zu gelangen. Auch sei aus medizinischen Gründen die Gewährung eines Elektrorollstuhls mit 10 km/h erforderlich.
Das SG holte eine Auskunft der Firma A. ein. Danach betrage der Preis für die 6 km/h Version incl. Beleuchtung 436,-EUR, wobei dieser Betrag bereits im AOK Festpreis von 4650,-EUR beinhaltet sei.
Mit Urteil vom 10.12.2003 hob das SG den Bescheid vom 15.04.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2003 auf und verurteilte die Beklagte, die Klägerin mit einem Rollstuhl in der 10 km/h-Version zu versorgen. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin sei für die Fahrt zur Praxis ihres Arztes in K., die durchschnittlich einmal in der Woche anfalle, und für ihre täglichen Besorgungen, die sie nur mit dem Rollstuhl erledigen könne, sowohl aus gesundheitlichen wie aus Sicherheitsgründen unabdingbar auf einen Rollstuhl in der schnelleren 10 km/h-Version angewiesen. Dies ergebe sich einmal aus der Situation am Wohnort der Klägerin und insbesondere aus den Verhältnissen in der Winterzeit. Diese bedeuteten für die gehunfähige Klägerin eine erhebliche und damit unzumutbare Gesundheitsgefährdung, so lange sie auf den langsameren Elektrorollstuhl in der 6 km/h-Version angewiesen sei.
10 
Hiergegen richtet sich die am 08.01.2004 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie trägt vor, die Notwendigkeit eines Elektrorollstuhls sei bei der Klägerin unstreitig. Es bedürfe jedoch nicht eines Hilfsmittels, das eine Geschwindigkeit von 10 km/h erreiche. Eine entsprechende Versorgung würde dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V widersprechen. Die Hilfsmittel aus der gesetzlichen Krankenversicherung stellten die Krankenkassen zur Verfügung, soweit sie im Einzelfall erforderlich seien zur Sicherstellung der ärztlichen Behandlung oder wenn ein Grundbedürfnis davon betroffen werde. Grundbedürfnis in diesem Zusammenhang sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch das Erreichen eines gewissen körperlichen oder geistigen Freiraumes. Maßgebend in diesem Zusammenhang seien die Strecken, die ein Gesunder üblicherweise zu Fuß zurücklege. Der so umgrenzte Basisausgleich sei durch die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl in der 6 km/h-Version sichergestellt. Maßgebend seien dementsprechend die Verhältnisse im unmittelbaren Wohnumfeld. Ein Fußgänger erreiche etwa eine Geschwindigkeit von 4 bis 5 km/h. Auch dieser könnte dementsprechend die Wege, die die Klägerin geltend mache, nicht schneller zurücklegen. Grund dafür, dass die Klägerin zwischen zwanzig und dreißig Minuten brauche, um ihre Ziele zu erreichen, sei demnach nicht der medizinische Aspekt, sondern vielmehr die Wahl des Wohnortes. Die Ausstattung mit Hilfsmitteln könne sich aber nur an dem medizinischen Bedarf orientieren.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Dezember 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Situation eines Fußgängers sei mit der eines Rollstuhlfahrers nicht vergleichbar. Ein Fußgänger könne je nach Bedarf schneller oder langsamer laufen, er könne oft kürzere Wege gehen, die sie jedoch nicht gehen könne wegen etwaiger Hindernisse wie Treppen etc. Ein Fußgänger könne auch ein Fahrrad benutzen, er sei insgesamt wesentlich flexibler, insbesondere bei schwierigen Witterungsverhältnissen. Die Verhältnisse im unmittelbaren Wohnumfeld seien auch nach der Rechtsprechung des BSG zu beachten.
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Mit Beschluss vom 27.05.2004 hat der Senat den Antrag der Klägerin, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie mit einem Rollstuhl der 10 km/h-Version zu versorgen, zurückgewiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektro-Rollstuhl der 10 km/h-Version. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
19 
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V i. d. F. des Gesetzes vom 19.06.2001 haben Versicherte einen Anspruch gegen ihre Krankenkasse auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V durch Rechtsverordnung ausgeschlossen sind. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch.
20 
Die von der Klägerin begehrte Versorgung mit einem Elektro-Rollstuhl der 10 km/h-Version scheitert an der fehlenden Erforderlichkeit. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die stärkere Motorversion, „um ihre Behinderung auszugleichen". Dieser in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannte Zweck des Behinderungsausgleichs eines von der gesetzlichen Krankenkasse zu leistenden Hilfsmittels bedeutet auch nach Inkrafttreten des SGB IX (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) nicht, dass nicht nur die Behinderung selbst, sondern auch sämtliche direkten und undirekten Folgen der Behinderung auszugleichen wären. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist nach wie vor die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktion einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinaus gehende berufliche oder soziale Rehabilitation bleibt Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel ist von der gesetzlichen Krankenversicherung daher nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (vgl. BSG SozR 3 - 2500 § 33 Nrn. 31 und 32; Urteile des BSG v. 23.07.2002 - B 3 KR 3/02 R -, vom 21.11.2002 - B 3 KR 8/02 R - und vom 26.03.2003 - B 3 KR 23/02 R -), der sich der Senat anschließt, gehören zu derartigen Grundbedürfnissen die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, die auch die Aufnahme von Informationen, Kommunikation mit anderen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfassen (vgl. zum Ganzen BSG Breithaupt 1999, 408 = SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 29 m. w. N.; Urteil vom 26.03.2003 - B 3 KR 23/02 R -).
21 
Auch das Grundbedürfnis des „Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums" hat die Rechtsprechung bislang immer nur im Sinne eines Basisausgleichs der Behinderung selbst und nicht im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden verstanden. So hat das BSG in seiner Entscheidung vom 08.06.1994 (3/1 RK 13/93 = SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 7) zwar die Bewegungsfreiheit als Grundbedürfnis bejaht, aber dabei nur auf diejenigen Entfernungen abgestellt, die ein Gesunder zu Fuß zurücklegt. Später hat das BSG das auf die Fähigkeit präzisiert, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang „an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (vgl. Urteil vom 16.09.1999 - B 3 RK 8/98 R = SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 31). Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind bisher immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden, die hier jedoch nicht vorliegen (vgl. dazu BSG Urteil vom 16.04.1998 - B 3 KR 9/97 R = SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 27).
22 
In Ansehung dieser Grundsätze hat die Klägerin nur Anspruch auf solche Hilfsmittel, die ihrem Grundbedürfnis „Bewegungsfreiheit" im Sinne des genannten Basisausgleichs dienen. Diesen Zweck erfüllt bereits der Rollstuhl in der Standardausführung (6 km/h-Version). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine besonders schnelle Fortbewegungsmöglichkeit, die sich etwa hinsichtlich der zurückzulegenden Entfernung und der Schnelligkeit bei der Fortbewegung an einem Radfahrer orientiert (vgl. LSG Niedersachsen, Urteil vom 30.01.2002 - L 4 KR 12/01 -). Vielmehr ist vergleichend der Fußgänger heranzuziehen, dessen Tempo beim Zurücklegen eines Weges üblicherweise 6 km/h nicht übersteigt. Der Senat verkennt nicht, dass der stärker motorisierte Rollstuhl größere Bewegungsfreiheit erschließt, zu dem von der Beklagten auszugleichenden Grundbedürfnis zählt dies indes nicht, auch ergibt sich diesbezüglich kein begründeter Hinweis auf eine medizinische Notwendigkeit.
23 
Entgegen dem SG führt die Wohnsituation der Klägerin und die damit verbundenen Wegstrecken, die die Klägerin für ihre Besorgungen und Arztbesuche zurücklegen muss, zu keiner anderen Beurteilung, denn diese Entfernungen werden üblicherweise mit einem Fahrrad oder Pkw oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt und gehen über den Nahbereich bzw. die Entfernungen, die ein Gesunder zu Fuß zurücklegt, hinaus. Die Fortbewegung über den Nahbereich hinaus hat die Beklagte indes nicht zu versorgen. Damit sind auch behindernde Schneeverhältnisse in der Winterzeit, abgesehen davon, dass solche am Wohnort der Klägerin eher selten sind, nicht zu berücksichtigen.
24 
Auf die Berufung der Beklagten war hiernach das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
25 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
26 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
18 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektro-Rollstuhl der 10 km/h-Version. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
19 
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V i. d. F. des Gesetzes vom 19.06.2001 haben Versicherte einen Anspruch gegen ihre Krankenkasse auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V durch Rechtsverordnung ausgeschlossen sind. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch.
20 
Die von der Klägerin begehrte Versorgung mit einem Elektro-Rollstuhl der 10 km/h-Version scheitert an der fehlenden Erforderlichkeit. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die stärkere Motorversion, „um ihre Behinderung auszugleichen". Dieser in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannte Zweck des Behinderungsausgleichs eines von der gesetzlichen Krankenkasse zu leistenden Hilfsmittels bedeutet auch nach Inkrafttreten des SGB IX (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) nicht, dass nicht nur die Behinderung selbst, sondern auch sämtliche direkten und undirekten Folgen der Behinderung auszugleichen wären. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist nach wie vor die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktion einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinaus gehende berufliche oder soziale Rehabilitation bleibt Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel ist von der gesetzlichen Krankenversicherung daher nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (vgl. BSG SozR 3 - 2500 § 33 Nrn. 31 und 32; Urteile des BSG v. 23.07.2002 - B 3 KR 3/02 R -, vom 21.11.2002 - B 3 KR 8/02 R - und vom 26.03.2003 - B 3 KR 23/02 R -), der sich der Senat anschließt, gehören zu derartigen Grundbedürfnissen die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, die auch die Aufnahme von Informationen, Kommunikation mit anderen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfassen (vgl. zum Ganzen BSG Breithaupt 1999, 408 = SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 29 m. w. N.; Urteil vom 26.03.2003 - B 3 KR 23/02 R -).
21 
Auch das Grundbedürfnis des „Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums" hat die Rechtsprechung bislang immer nur im Sinne eines Basisausgleichs der Behinderung selbst und nicht im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden verstanden. So hat das BSG in seiner Entscheidung vom 08.06.1994 (3/1 RK 13/93 = SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 7) zwar die Bewegungsfreiheit als Grundbedürfnis bejaht, aber dabei nur auf diejenigen Entfernungen abgestellt, die ein Gesunder zu Fuß zurücklegt. Später hat das BSG das auf die Fähigkeit präzisiert, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang „an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (vgl. Urteil vom 16.09.1999 - B 3 RK 8/98 R = SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 31). Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind bisher immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden, die hier jedoch nicht vorliegen (vgl. dazu BSG Urteil vom 16.04.1998 - B 3 KR 9/97 R = SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 27).
22 
In Ansehung dieser Grundsätze hat die Klägerin nur Anspruch auf solche Hilfsmittel, die ihrem Grundbedürfnis „Bewegungsfreiheit" im Sinne des genannten Basisausgleichs dienen. Diesen Zweck erfüllt bereits der Rollstuhl in der Standardausführung (6 km/h-Version). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine besonders schnelle Fortbewegungsmöglichkeit, die sich etwa hinsichtlich der zurückzulegenden Entfernung und der Schnelligkeit bei der Fortbewegung an einem Radfahrer orientiert (vgl. LSG Niedersachsen, Urteil vom 30.01.2002 - L 4 KR 12/01 -). Vielmehr ist vergleichend der Fußgänger heranzuziehen, dessen Tempo beim Zurücklegen eines Weges üblicherweise 6 km/h nicht übersteigt. Der Senat verkennt nicht, dass der stärker motorisierte Rollstuhl größere Bewegungsfreiheit erschließt, zu dem von der Beklagten auszugleichenden Grundbedürfnis zählt dies indes nicht, auch ergibt sich diesbezüglich kein begründeter Hinweis auf eine medizinische Notwendigkeit.
23 
Entgegen dem SG führt die Wohnsituation der Klägerin und die damit verbundenen Wegstrecken, die die Klägerin für ihre Besorgungen und Arztbesuche zurücklegen muss, zu keiner anderen Beurteilung, denn diese Entfernungen werden üblicherweise mit einem Fahrrad oder Pkw oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt und gehen über den Nahbereich bzw. die Entfernungen, die ein Gesunder zu Fuß zurücklegt, hinaus. Die Fortbewegung über den Nahbereich hinaus hat die Beklagte indes nicht zu versorgen. Damit sind auch behindernde Schneeverhältnisse in der Winterzeit, abgesehen davon, dass solche am Wohnort der Klägerin eher selten sind, nicht zu berücksichtigen.
24 
Auf die Berufung der Beklagten war hiernach das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
25 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
26 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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