Urteil vom Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (6. Senat) - L 6 P 20/12 KL

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruchs über die Höhe der Pflegesätze nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) für das Schwerstpflegeheim "M-Hof" im Zeitraum vom 16. April 2012 bis zum 31. Oktober 2012.

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Die Beigeladene zu 1., eine kirchliche Stiftung im Sinne von § 11 Stiftungsgesetz M-V, ist u.a. Trägerin des Schwerstpflegeheims "M-Hof" in A-Stadt, einer Einrichtung mit 115 Plätzen für Menschen mit schwerer geistiger und Mehrfachbehinderung. Neben den hier streitigen Vergütungssätzen nach § 85 SGB XI werden für die Bewohner der Einrichtung regelmäßig auch Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII gewährt. Dem Pflegeheim angegliedert ist als weitere Einrichtung der Beigeladenen zu 1. eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM).

3

Zuletzt hatte sich die Beigeladene zu 1. mit den Kostenträgern im Rahmen eines Schiedsstellenverfahrens für den Zeitraum vom 01. September 2009 bis zum 31. Dezember 2010 auf eine Pflege-Personalausstattung mit 50 Vollzeitkräften (VK) und auf folgende Vergütungssätze nach dem SGB XI geeinigt:

4

Alte Vergütungssätze:

5

Pflegestufe I

37,59 €

Pflegestufe II

50,58 €

Pflegestufe III

66,17 €

Unterkunft/Verpflegung

16,38 €

6

Im August 2011 begann die Beigeladene zu 1. erneut Verhandlungen mit den Kostenträgern für den Zeitraum ab dem 01. Oktober 2011 und einer angestrebten Laufzeit von 2 Jahren. Dabei machte sie höhere Vergütungssätze u.a. im Hinblick auf eine nach ihrer Auffassung erforderliche Erhöhung des Pflege-Personals auf 51,89 VK sowie auf anstehende Tarifsteigerungen geltend. Im Verlauf der Verhandlungen wurden folgende wechselseitige Angebote unterbreitet:

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Forderung
Beigel.

Angebot
Kostenträger

Vgl.-Angebot
Beigel.

Pflegestufe I

43,01 €

37,50 €

42,54 €

Pflegestufe II

57,63 €

50,58 €

57,33 €

Pflegestufe III

75,18 €

66,28 €

75,07 €

Unterkunft/Verpflegung

18,23 €

16,09 €

18,17 €

8

Von Kostenträgerseite wurde die Darstellung der prospektiven Kosten im Wesentlichen als rechnerisch nachvollziehbar und plausibel anerkannt. Bedenken wurden zunächst schriftlich geäußert hinsichtlich des Kostenaufwands für ein in der Einrichtung befindliches Schwimmbad sowie für Fremdleistungen (insbesondere Wäscherei, Reinigungs- Verpflegungs- und Hausdienstleistungen) seitens der WfbM sowie der Dienstleistungsgesellschaft im M-Hof (DGM) mbH. Zudem wurde moniert, dass eine VK-Zahl von 51,89 mit einer 99 %igen Ausschöpfung des im Landes-Rahmenvertrag festgelegten Personalkorridors verbunden sei, während andere Einrichtungen mit lediglich 80 % arbeiteten.

9

Nach Scheitern der Verhandlungen beantragte die Beigeladene zu 1. mit Schreiben vom 25. Oktober 2011 die Entscheidung der Beklagten. Dabei begehrte sie nur noch die Festsetzung eines Pflegepersonaleinsatzes von 50,77 VK jedoch erneut die Festsetzung der zu Beginn der Verhandlungen geltend gemachten Vergütungssätze:

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Pflegestufe I

43,01 €

Pflegestufe II

57,63 €

Pflegestufe III

75,18 €

Unterkunft/Verpflegung

18,23 €

11

Nach einer ersten Schiedsstellenverhandlung am 13. März 2012, die zu keiner Einigung führte und bei der seitens der kommunalen Kostenträger weitere detaillierte Angaben zu den Personalkosten erbeten wurden, fand am 16. April 2012 ein weiteres Treffen von Vertretern der Beigeladenen ohne Beteiligung der Beklagten in den Räumlichkeiten des Michaelhofes statt. Den Kostenträgern wurden umfangreiche Unterlagen zu den Lohnkosten und zur Eingruppierung der Mitarbeiter sowie zu Verträgen mit Dritten im Sachkostenbereich vorgelegt. Im Ergebnis dieses Treffens wurde in Form eines handschriftlichen Protokolls festgehalten, es bestehe „darüber Einvernehmen, dass die rechnerische Plausibilität der Personal- und Sachkosten nachgewiesen wurde.“

12

Im Rahmen eines weiteren Verhandlungstermins vor der Beklagten am 09. Mai 2012, wegen dessen Ablaufs auf die diesbezügliche Sitzungsniederschrift Bezug genommen wird, setzte die Beklagte mit dem angegriffenen Schiedsspruch vom 09. Mai 2012 für den Zeitraum vom 16. April 2012 bis zum 31. Oktober 2012 folgende Pflegesätze (bei 50,5 VK Pflegepersonal) fest:

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Pflegestufe I

41,88 €

Pflegestufe II

56,71 €

Pflegestufe III

74,50 €

Unterkunft/Verpflegung

17,08 €

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Zur Begründung führte die Beklagte in der schriftlichen Endfassung des Schiedsspruches vom 29. September 2012 aus, dass der Antrag zulässig, insbesondere mehr als sechs Wochen nach Aufforderung der Kostenträger zur Aufnahme von Pflegesatzverhandlungen gestellt worden sei. Der Antrag sei auch überwiegend begründet.

15

Hinsichtlich der Leistungs- und Qualitätsmerkmale der Pflegesatzvereinbarung sei zunächst über den angemessenen pflegerischen Personalaufwand zu entscheiden gewesen. In dem Bewusstsein, dass eine rechnerische oder ansonsten trennscharfe Feststellung des Pflegepersonaleinsatzes nicht möglich sei, habe die Schiedsstelle diesen auf 50,5 VK festgesetzt. Hierbei sei sie davon ausgegangen, dass die Festlegungen bezüglich der Nachtwachen keinen gesteigerten Personalaufwand rechtfertigten, weil diese Festlegungen bereits seit der letzten Vereinbarung bestünden. Auch der tatsächliche Personaleinsatz oberhalb der seinerzeitigen Festlegungen vermöge den Anspruch auf eine höhere Festsetzung nicht zu begründen. Eine Erhöhung um 0,5 VK erscheine jedoch unter teilweiser Anerkennung des von der Einrichtung in der Verhandlung plausibel dargelegten gestiegenen Interventionsbedarfs angemessen. Auch die Ausstattung mit drei anstelle von bislang zwei Stellen BFD bzw. FSJ habe die Einrichtung in der Verhandlung hinreichend dargetan.

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Die Entscheidung zu den Vergütungssätzen ergehe auf der Grundlage der §§ 76, 82 Abs. 1, 84 Abs. 2 SGB XI sowie unter Beachtung der vom Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 29. Januar 2009 – B 3 P 9/08 R – entwickelten Verfahrensgrundsätze. Auf der ersten Stufe seien die von der Beigeladenen zu 1. für den bevorstehenden Pflegesatzzeitraum prognostisch geltend gemachten einzelnen Kostenansätze anhand der Gestehungskosten plausibel und nachvollziehbar dargestellt worden. Dies sei ausweislich der Stellungnahmen der Kostenträger bereits seit der Verhandlung zwischen den Vertragsparteien am 06. September 2011 der Fall gewesen. Seien die Kostenansätze wie vorliegend plausibel, erfolge auf der zweiten Stufe die Prüfung der wirtschaftlichen Leistungserbringung anhand eines Vergleichs der Kostenansätze mit denen vergleichbarer Leistungen in anderen Einrichtungen im Sinne eines externen Vergleichs. Zur Durchführung dieses externen Vergleichs sei die von den Kostenträgern erstellte Preisvergleichsliste herangezogen worden. Dabei sei der landesweite Bezug der Vergleichsliste notwendig gewesen, weil anderenfalls eine hinreichende Vergleichszahl nicht hätte erreicht werden können.

17

Danach liege das Erhöhungsverlangen der Beigeladenen zu 1. deutlich über allen Vergütungsvereinbarungen der Vergleichseinrichtungen. Gleichwohl sei das Erhöhungsverlangen in diesem Fall zu einem großen Teil begründet. Das lediglich auf den externen Vergleich in allgemeiner Weise gestützte Bestreiten der Angemessenheit der dargestellten prognostizierten Lohnkosten sei nicht geeignet, die Angemessenheit des Erhöhungsverlangens in Zweifel zu ziehen. Diese Betrachtung trage der notwendigen Berücksichtigung der tatsächlichen Gestehungskosten der Einrichtung nicht ausreichend Rechnung. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene zu 1. tatsächlich nicht das von ihr vorgetragene Tarifsystem anwende. Es sei auch weder von den Kostenträgern vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass die tarifliche Eingruppierung der Mitarbeiter nicht den inhaltlichen Vorgaben des Tarifwerkes entspreche. Die Bindung der Beigeladenen zu 1. an die AVR der Diakonie stelle dabei eine mit der Tarifbindung vergleichbare Bindung dar. Kennzeichnend sei insoweit, dass von überbetrieblichen Gremien mit zumindest regionaler Bedeutung im Wege eines formalisierten Verfahrens, ähnlich wie in Tarifverhandlungen, Arbeitsentgelte ausgehandelt werden, die die angeschlossenen Einrichtungen binden, ohne dass es auf einzelbetriebliche Belange ankomme. Anders als bei Haustarifverträgen oder Weisungen der Leitung eines Betriebes, obliege es damit nicht mehr dem Betrieb selbst, die Höhe der Arbeitsentgelte mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auszuhandeln, sondern er habe das an anderer Stelle beschlossene Entgeltsystem umzusetzen. Da mithin andere Einflussfaktoren auf die Höhe der Personalkosten als die Auswirkungen der tariflichen Bindung nicht erkennbar seien, sei das Erhöhungsverlangen grundsätzlich als leistungsgerecht anzusehen. Die Einhaltung einer Tarifbindung und ein deswegen höherer Personalkostenaufwand genüge stets den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung, was sich nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urteil vom 29. Januar 2009 – B 3 P 7/08 R, Rn. 36, Juris) ausdrücklich aus § 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XI ergebe. Einer tariflich gebundenen Einrichtung solle im System des § 84 Abs. 2 SGB XI nicht vorgehalten werden, dass ihre Personalkosten nicht leistungsgerecht oder unangemessen seien.

18

Die Schiedsstelle folge bezüglich der Anerkennung der tariflich bedingten Personalkosten den Ausführungen des BSG, a.a.O., sowie im Urteil vom 25. November 2010 – B 3 KR 1/10 R. Nur so könne verhindert werden, dass den in der Pflege tätigen Arbeitnehmern kein ihren Leistungen und ihrem Einsatz angemessenes Arbeitsentgelt zukomme, dass ein Preiskampf zwischen den Trägern zu einer nicht vertretbaren Absenkung der Entgelte und der Qualität der Leistungen führe, und sich das Entgeltniveau auf Dauer dem geltenden Mindestlohnniveau nähere, sowie dass der Anreiz zur Tarifflucht verstärkt werde. Die Erfahrung aus einer Vielzahl von Schiedsstellenverfahren habe gezeigt, dass die jahrelange Praxis in der Verhandlungsführung der Kostenträger und in der Entscheidungsfindung der Schiedsstelle, zu eben diese Auswirkungen geführt habe. Indem die Kostenstruktur von tarifgebundenen Einrichtungen zwar zur Kenntnis genommen, im Rahmen des externen Vergleichs aber auch dann nicht vollumfänglich berücksichtigt worden sei, wenn andere Gründe als die höheren Personalkosten aufgrund tariflicher Bindung nicht ersichtlich gewesen seien, seien tarifgebundene Einrichtungen dazu gezwungen worden, entweder die kollektiven Tarifverträge bzw. tarifähnlichen Systeme (AVR) zu verlassen bzw. - soweit vorhanden - auf Notlagenregelungen zurückzugreifen, ggf. mit der Belegschaft rechtlich fragwürdige Lohnverzichtsvereinbarungen bei formalem Fortbestand der tariflichen Bindung zu treffen oder schließlich den nicht mehr über die durch Schiedsspruch festgesetzten Pflegesätze zu finanzierenden Teil der tariflichen Lohnkosten über längere Zeiträume aus Rücklagen zu entnehmen.

19

Stehe nach vollständiger Prüfung aller möglichen Ursachen fest, dass nur die tarifliche Bindung und die damit verbundenen höheren Personalkosten für das über den Vergleichseinrichtungen liegende Erhöhungsverlangen ursächlich sei, könne der Einrichtung nicht im Wege einer pauschalen Angemessenheitsbetrachtung die wirtschaftliche Leistungserbringung abgesprochen werden (Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 05. März 2010 – L 4 P 4532108 KL, Rn. 59, Juris). Dies gelte vorliegend auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Kostenträger, dass eine andere Vergleichseinrichtung, die Heilpädagogischen Wohn- und Förderheime, ebenfalls tarifgebunden sei und gleichwohl im Verhandlungswege deutlich niedrigere Vergütungssätze akzeptiert habe. Eine solche Erkenntnis gebe zwar grundsätzlich größeren Anlass, die Kosten der antragstellenden Einrichtung tiefergehend zu hinterfragen. Wenn aber nach Durchleuchtung der Kostenstruktur die Plausibilität der Personalkosten anerkannt werde sowie fehlerhafte Anwendungen des Tarifvertrages und das Vorliegen eines strukturell ohne sachlichen Grund überhöhten Tarifvertrages nicht festgestellt werden könne, verfange der pauschale Verweis auf andere, trotz Tarifbindung günstigere vergleichbare Einrichtungen nicht, solange nicht Einsparpotentiale aufgrund disponibler Kosten in entsprechender Höhe erkennbar seien. Dass vorliegend im Sinne der Rechtsprechung des BSG „die Höhe der tarifvertraglich vereinbarten Lohn- und Gehaltssteigerungen die von anderen Einrichtungsträgern gezahlten Arbeitsentgelte deutlich übersteigt und es hierfür am Markt keine sachlichen Gründe gibt", sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Grund für die überdurchschnittliche Steigerung der Entgelte liege vielmehr darin, dass die zu zahlenden tarifähnlichen Löhne nach AVR in der Vergangenheit nicht aus den Vergütungssätzen finanzierbar gewesen seien, weil die Beigeladene zu 1. bislang in der Verhandlungsführung der Kostenträger im Einklang mit der bisherigen Entscheidungspraxis der Beklagten die eigentlich notwendige Berücksichtigung der tariflichen Bindung bei der Ermittlung der Pflegesätze abgelehnt habe, was für die Vergangenheit zu einer Finanzierungslücke geführt habe. Diese könne zwar nicht nachträglich geschlossen werden. Der Beigeladenen zu 1. sei es jedoch nicht verwehrt, sich für die Zukunft auf die plausibel gemachte Unterfinanzierung als Argument für das überdurchschnittliche Erhöhungsverlangen zu berufen.

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Es seien die Forderungen der Beigeladenen zu 1. jedoch nicht in vollem Umfang zu berücksichtigen. Zum einen bleibe der festgesetzte Personaleinsatz mit 50,5 VK Pflegepersonal hinter den begehrten 50,77 VK zurück, zum anderen seien die Gestehungskosten aus Fremddienstleistungen nur teilweise anzuerkennen. In diesem Bereich gelte keine Tarifbindung oder ähnliches. Die allein tatsächliche vertragliche Bindung an einen externen Dienstleister über einen bestimmten Zeitraum führe nicht notwendig zur Refinanzierung dieser Kosten, wenn sie sich als unwirtschaftlich darstellten. Es müsse der Einrichtung durch interne Organisation und/oder Vertragsgestaltung mit den externen Dienstleistern möglich sein, in den Bereichen Hauswirtschaft und Verwaltung jedenfalls keine höheren Kosten als die von den Kostenträgern für diese Bereiche genannten Durchschnittskosten zu verursachen. Zudem müsse eine in den Lohnkosten aus anzuerkennenden Gründen hochpreisige Einrichtung besondere Bemühungen unternehmen, um in den verbleibenden eher disponiblen Kostenpositionen besonders wirtschaftlich zu arbeiten.

21

Die Beschränkung des Zeitraums für die Erhöhung der Vergütungssätze auf den 16. April 2012 bis zum 31. Oktober 2012 beruhe darauf, dass erst in den Nachverhandlungen während des laufenden Schiedsstellenverfahrens alle erforderlichen Unterlagen, insbesondere die Verträge mit den externen Dienstleistern vorgelegt worden seien.

22

Gegen den Schiedsspruch hat der Kläger, vertreten durch den Beigeladenen zu 6., am 02. November 2012 Klage erhoben. Der Schiedsspruch sei ihm am 04. Oktober 2012 zugegangen. Mit der Klagebegründung aus Juli 2015 trägt er im Wesentlichen vor, dass auch eine Einrichtung mit Tarifbindung dem externen Vergleich unterworfen sei. Der Einrichtungsträger müsse den externen Vergleich bzw. die Vergleichbarkeit der herangezogenen Einrichtungen substantiiert bestreiten. Dieser ergebe hier eindeutig, dass bereits die alte Pflegesatzvereinbarung deutlich über allen anderen vergleichbaren Schwerstpflegeeinrichtungen gelegen habe. Nunmehr werde eine Steigerung von weiteren 16,49 % begehrt, was offenkundig nicht ohne weiteres angemessen sei. Der Vorwurf eines lediglich pauschalierten Bestreitens der Angemessenheit sei daher nicht haltbar. Auch die Erhöhung auf 50,5 VK sei von der Beklagten nicht nachvollziehbar begründet worden; sie sei ferner zu Unrecht von der Feststellung der Plausibilität der Gestehungskosten durch die Kostenträger ausgegangen; insbesondere die Höhe der Kosten für Leistungen anderer Einrichtungen der Beigeladenen zu 1. hätte nicht ohne weiteres berücksichtigt werden dürfen. Schließlich sei die Position „Unternehmerrisiko“ nicht zu berücksichtigen, da ein konkretes Risiko nicht dargetan sei. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte die Pflegesätze nicht wie geschehen festsetzen dürfen, obwohl sie selbst festgestellt habe, dass das Erhöhungsverlangen deutlich über allen Vergleichseinrichtungen liege. Ergänzend wird auf den Schriftsatz vom 13. Juli 2015 Bezug genommen.

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Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

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den Schiedsspruch der Beklagten vom 29. September 2012 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung hat der (neue) Vorsitzende der Beklagten ausgeführt, dass der Kläger im Klageverfahren zwar Unplausibilitäten geltend mache, zugleich aber selbst feststelle, dass in den Verhandlungen vom 16. April 2012 die "Plausibilität der Personal- und Sachkosten hergestellt" worden sei. Es werde nicht klar, ob der Kläger geltend mache, die Beklagte hätte tatsächlich Zweifel an der gemeinsamen Feststellung der Plausibilität durch die Parteien gehabt oder (und aus welchen Gründen) haben müssen. Der Kläger erläutere auch nicht, warum die Beklagte derartigen Zweifeln noch hätte nachgehen müssen, nachdem die Beigeladene zu 1. den Kostenträgern umfangreiche Nachweise zum Stellenschlüssel und Lohnnachweise vorgelegt hatte und daraufhin die Plausibilität durch die Parteien einvernehmliche festgestellt worden sei. Die Einrichtung der Beigeladenen zu 1. habe mit ihren bisherigen Entgelten keineswegs in auch nur einer Position an der Spitze der Vergleichsgruppe gelegen. Zu Grunde zu legen sei insofern die korrigierte Vergleichstabelle, die der Kläger am 29. März 2012 vorgelegt habe. Hiernach habe die Einrichtung auf der Basis der Einigung von 2009 meist an dritter oder vierter Stelle von insgesamt 15 Einrichtungen gelegen. Auch nach der Festsetzung durch die Schiedsstelle habe die Einrichtung nicht an erster, sondern durchweg an zweiter Stelle nach der Einrichtung in H. gelegen. Zwischen den Parteien habe Einigkeit bestanden, dass diese Vergleichsgruppenbildung sachgerecht ist. Zwar obliege es in der Tat der Einrichtung selbst, darzulegen, welche Besonderheiten die geforderten überdurchschnittlich hohen Entgelte rechtfertigen. Dabei seien jedoch die einzelnen Elemente, die eine Angemessenheit rechtfertigen können, zu trennen. Zum einen sehe die Klägerin keine Besonderheiten in der Personalausstattung, die die hohen Entgelte der Einrichtung M-Hof rechtfertigen könnten; sie halte sie für unwirtschaftlich und verweise auf „Rationalisierungsmöglichkeiten“. Mit ihrer Personalausstattung nach der LQV von 2009 wie auch mit dem von der Schiedsstelle für angemessen gehalten VZK-Wert von 50,5 Stellen im Pflegebereich bleibe die Einrichtung M-Hof jedoch im Rahmen der Korridorwerte des § 20 Abs. 5 des Landes-Rahmenvertrages. Ausdrücklich diene der gesamte Korridor der Sicherstellung wirksamer und wirtschaftlicher Leistungen der vollstationären Pflege, weshalb eine Personalausstattung, die sich im Korridor bewege, nicht ohne nähere Argumentation als unwirtschaftlich und nicht pflegerisch gerechtfertigt angesehen werden könne. Zudem sei im Rahmenvertrag ausdrücklich vereinbart, dass der Personalaufwand auch erhöht und der Korridor verlassen werden könne, um Personen mit besonderem Interventionsaufwand gerecht zu werden. Hierzu zählten aber laut LQV von 2009 gerade alle Einwohner der Einrichtung der Beigeladenen zu 1., was gerade den besonderen Charakter der Einrichtung ausmache und sicherlich eine weitere Stelle BFD/FSJ rechtfertige. Hierin liege auch ein Grund, bei der Beurteilung der Kostenstruktur der Einrichtung Zurückhaltung zu üben. Es sei in beiden mündlichen Verhandlungen mehrfach angesprochen worden, dass die Einrichtung tatsächlich sogar mehr als das in der LQV festgelegte Personal beschäftige. Die Beigeladene zu 1. habe durchweg glaubhaft vorgetragen, sie habe notwendigen Pflegeaufwand betrieben, den sie nicht refinanziert bekommen habe. All dies sei für die Schiedsstelle nachvollziehbar und Anlass gewesen, die Angemessenheitsprüfung auf die Einhaltung der Tarifentgelte zu konzentrieren. Dass die Einstufung entsprechend den Tarifverträgen erfolgt sei, sei mit der (positiven) Plausibilitätsprüfung abschließend festgestellt, wenn die erste Prüfungsstufe denn überhaupt eine Funktion haben solle. Die aufwändige Hausstruktur und ihre Abbildung in der Personalleitungsstruktur sollte zudem der Entscheidung der Einrichtung überlassen bleiben, zumal für eine kleinräumige Struktur viele pflegerische Gründe sprächen. Seien die großen Kostenblöcke, vor allem die Personalkosten, wirtschaftlich vertretbar, dann sei es letztlich gerechtfertigt, die Ist-Kosten zu akzeptieren, die sich aus der Zahlung von Tarifentgelten ergeben. Dies zeige nicht zuletzt die Neufassung von § 84 Absatz 2 Satz 5 und Absatz 7 SGB XI, welche vom Gesetzgeber als "Gesetzliche Klarstellung der Wirtschaftlichkeit von Tariflöhnen bei Pflegevergütungsverhandlungen" bezeichnet werde (BT-Drs. 18/2909 S. 44).

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Die Beigeladene zu 1. beantragt ebenfalls,

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die Klage abzuweisen.

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Er hält den Schiedsspruch für billig.

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Die weiteren Beigeladenen haben sich nicht zum Verfahren geäußert.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angegriffene Schiedsspruch ist nicht unbillig und daher rechtmäßig.

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Der Senat konnte trotz Nichterscheinens eines Vertreters des Beklagten aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, nachdem sein Prozessbevollmächtigter im Rahmen der Terminbenachrichtigung auf die Möglichkeit einer Entscheidung auch im Falle seines Ausbleibens hingewiesen worden war.

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1. Die Klage ist zulässig

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Sie ist zunächst rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 87 SGG erhoben. Für den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsakts (Schiedsspruch) ist dabei auf den Zugang der vollständigen, mit einer Begründung nebst Rechtsbehelfsbelehrung versehenen schriftlichen Fassung des zuvor mündlich erlassenen Schiedsspruches vom 09. Mai 2012 abzustellen. Diese Fassung trug das Datum 29. September 2012, ist von der Geschäftsstelle der Beklagten erstmals per E-Mail am 02. Oktober versandt worden und dem Kläger nach eigenen Angaben am 04. Oktober 2012 zugegangen ist. Die Klageerhebung am 02. November 2012 erfolgte mithin rechtzeitig.

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Die Bezeichnung des angegriffenen Schiedsspruches der Beklagten durch das Datum der schriftlichen Fassung (und unter zusätzlicher Angabe des Aktenzeichens der Beklagten) erfüllt die Anforderungen von § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG, wonach die Klage den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen hat; der Senat stellt lediglich klar, dass er als zutreffendes Datum des angegriffenen Schiedsspruches den Tag seiner mündlichen Bekanntgabe, mithin den 09. Mai 2012, ansieht. Die schriftliche Fassung stellt im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB X lediglich die schriftliche Bestätigung eines bereits mündlich erlassenen Verwaltungsaktes dar.

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Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht; das Landessozialgericht ist auch örtlich und instanziell zuständig. Gemäß § 85 Abs. 5 Satz 4 SGB XI findet ein Vorverfahren nicht statt. Gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 1 SGG entscheiden die Landessozialgerichte im ersten Rechtszug über Klagen gegen Entscheidungen der C.. Örtlich zuständig ist zur Vermeidung doppelter Rechtshängigkeiten in sinngemäßer Anwendung von § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG das für den Sitz und den Bezirk der beklagten Schiedsstelle zuständige Landessozialgericht, vgl. O´Sullivan in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, 2. Aufl. 2017, § 85 SGB XI, Rn. 59.

38

Die Klage ist auch zutreffend gegen die Schiedsstelle gerichtet worden, deren Schiedsspruch angegriffen ist. Anders als bei Schiedssprüchen nach dem SGB XII, für welche § 77 Abs. 2 Satz 4 SGB XII ausdrücklich anordnet, dass die Klage gegen den Verhandlungspartner zu richten ist, fehlt für das SGB XI eine entsprechende Regelung, weshalb gilt, was für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen regelmäßig gilt, vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 – B 3 P 19/00 R.

39

Der Kläger ist als Partei der Pflegesatzvereinbarung klagebefugt. Gemäß § 85 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI in der Fassung vom 28. Mai 2008 sind u.a. die für die Bewohner des Pflegeheimes zuständigen Träger der Sozialhilfe Parteien der Pflegesatzvereinbarung, soweit auf sie im Jahr vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen mehr als fünf vom Hundert der Berechnungstage des Pflegeheimes entfallen. Ausweislich der aktenkundigen Aufstellung der Berechnungstage entfielen auf den Kläger mit 28.163 etwa 2/3 der Berechnungstage.

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Daneben waren als weitere Vertragsparteien von der Beklagten zu beteiligen und vorliegend zum Rechtsstreit beizuladen der Träger des Pflegeheims (Beigeladener zu 1.), der Beigeladene zu 5. als Rechtsnachfolger des ebenfalls das 5 %-Quorum erfüllenden Sozialhilfeträgers Landkreis Bad Doberan und gemäß § 85 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI die Beigeladene zu 1. als einzige Pflegekasse, die das gleiche Quorum erfüllt. Die Beiladung der Beigeladenen zu 3. 4. und 6. erfolgte allein im Hinblick auf ihre formale Stellung als Beteiligte des Schiedsverfahrens und Adressaten des angegriffenen Schiedsspruches, vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 P 3/08 R, Rn. 26. Vertragsparteien sind sie jeweils nicht geworden, vgl. zu den Krankenkassenverbänden (Beigeladene zu 3. und 4.) BSG, Urteil vom 16. Mai 2013 – B 3 P 2/12 R – Rn. 12, und zum Kommunalen Sozialverband als seinerzeitiger überörtlicher Sozialhilfeträger BSG, Beschluss vom 14. Februar 2014 – B 3 P 19/13 B – Rn. 6.

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2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

42

Der angegriffene Schiedsspruch ist nicht unbillig und daher rechtmäßig.

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Der Schiedsspruch unterliegt inhaltlich nur einer eingeschränkten gerichtlichen Prüfung dahingehend, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt ist, ob zwingendes Gesetzesrecht beachtet und ob der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten worden ist, vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2009 – B 3 P 7/08 R – Rn. 42, sowie Urteil vom 14. Dezember 2000 – B 3 P 19/00 R – Rn. 22. Der Schiedsspruch stellt nach dieser zutreffenden Rechtsprechung „seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch ein sachnahes und unabhängiges Gremium dar. Insbesondere mit der paritätischen Zusammensetzung, dem Mehrheitsprinzip und der fachlichen Weisungsfreiheit (§ 76 Abs. 4 SGB XI) will der Gesetzgeber die Fähigkeit dieses Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen und zu einer Entscheidungsfindung nutzen, die nicht immer die einzig sachlich vertretbare ist und häufig Kompromißcharakter aufweist.“

44

Soweit das vor der Beklagten durchgeführte Verfahren einer gerichtlichen Überprüfung dahingehend unterliegt, ob es als fair anzusehen ist, ist weiter zu beachten, dass das Pflegesatzverfahren nach einem zweigliedrigen Prüfungsschema erfolgt, welches den Vertragsparteien die Hoheit bei der Sachverhaltsermittlung belässt und zugleich sowohl die Schiedsstelle als auch die Gerichte weitgehend von der Amtsermittlungspflicht entbindet. Zunächst ist – im ersten Prüfungsschritt – die Plausibilität der einzelnen Kostenansätze festzustellen, vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2009 – B 3 P 7/08 R – Rn. 23. Dieser Prüfungsschritt ist vorliegend von den Vereinbarungsparteien spätestens im Rahmen des Termins vom 16. April 2012 mit dem Ergebnis abgeschlossen worden, dass die von Seiten des Beigeladenen zu 1. geltend gemachten Kostenansätze als plausibel festgestellt worden sind. Soweit der Kläger einzelne Kostenpositionen insgesamt, also bereits dem Grunde nach nicht anzuerkennen bereit ist, etwa weil für die in Rede stehende Einrichtung Kosten geltend gemacht werden, die diese Einrichtung gar nicht betreffen, oder bereits aus anderen Rechtsbereichen (z.B. dem SGB XII) gefördert werden, so hätte dies spätestens an diesem Tage festgehalten werden müssen. Gleiches gilt für Einwendungen zur Plausibilität der Höhe einzelner Kostenansätze, etwa dass den Personalkosten unzutreffende tarifliche Einstufungen zugrunde liegen, oder dass Sachkostenpositionen unrealistisch hoch prognostiziert werden. Mit der Feststellung der Plausibilität im Protokoll vom 16. April 2012 haben die Vertragsparteien derartige Einwendungen jedoch einvernehmlich ausgeschlossen. Weder die Beklagte noch der Senat können entgegen dieser einvernehmlichen Regelung im Nachhinein einzelne Kostenansätze wieder in Frage stellen; erst Recht sind sie nicht gehalten diesbezüglich erneut in die Sachverhaltsermittlung einzutreten und ursprünglich gar nicht gestellte Fragen zu beantworten.

45

Im zweiten Prüfungsschritt ist sodann im Wege des sog. externen Vergleichs mit anderen, ähnlichen Einrichtungen die so ermittelte leistungsgerechte Vergütung auf ihre Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen. Bezugspunkt hierfür ist der einrichtungsindividuelle Versorgungsauftrag.

46

Der hier angegriffene Schiedsspruch überschreitet den der Beklagten vom Gesetzgeber zugebilligten Beurteilungsspielraum im Ergebnis nicht. Er berücksichtigt alle seinerzeit und hinreichend konkret geltend gemachten Einwendungen der Kostenträger und insbesondere des Beklagten hinreichend und lässt in seiner ausführlichen Begründung erkennen, aus welchen Gründen teilweise der einen, teilweise der anderen Vertragspartei in ihrer Argumentation gefolgt wird. Dabei bewegt sich der Begründungsweg im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben.

47

Die wesentliche Argumentation des Klägers, die von der Beklagten festgesetzten Vergütungssätze seien im Vergleich zu hoch, ist – wie die Beklagte in ihrer Klageerwiderung zutreffend ausführt – zu einem großen Teil bereits sachlich unrichtig und im Übrigen in ihrer Pauschalität nicht geeignet, die Billigkeit des von der Beklagten gefundenen Ergebnisses in Frage zu stellen. So unterliegt der Kläger im Rahmen des sog. externen Vergleichs offenbar nicht nur dem gleichen Fehler, dem auch der seinerzeitige Vorsitzende der Beklagten in seiner schriftlichen Begründung unterlag: Für den Vergleich wurde darin augenscheinlich die später korrigierte, vom Prozessbevollmächtigten des Klägers selbst verantwortete Tabelle mit Stand November 2011 herangezogen. In diese waren jedoch die bereits ab März 2011 geltenden Vergütungssätze der Einrichtung in H. noch nicht eingearbeitet. Diese lagen (mit 43,74 € / 59,06 € / 77,44 €) für alle Pflegestufen weit über den alten und noch deutlich über den von der Beklagten schließlich festgesetzten Beträgen, letztlich auch signifikant über den von der Beigeladenen zu 1. geforderten Beträge.

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Zu Beginn der Verhandlungen lagen die für die Einrichtung der Beigeladenen zu 1. maßgeblichen Pflegesätze – auch hierauf weist die Beklagte zutreffend hin – aber auch bei Berücksichtigung der alten Tabelle keineswegs an der Spitze der lediglich 13 Einrichtungen umfassenden Vergleichsgruppe, sondern in jeder Pflegestufe auf Platz 3 (tatsächlich mithin auf Platz 4), weshalb die diesbezügliche Argumentation der Klägerseite schlicht nicht nachvollziehbar ist.

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Unabhängig von der Positionierung der Einrichtung der Beigeladenen zu 1. im Rahmen des externen Vergleichs trägt die Argumentation des Klägers jedoch insofern nicht, als die bloße Tatsache der verhältnismäßig hohen geltend gemachten Vergütungssätze zwar notwendige, nicht jedoch hinreichende Voraussetzung für eine Reduzierung der Sätze ist. Wie von der Beklagten im angegriffenen Schiedsspruch und in der Klageerwiderung zutreffend und unter Wiedergabe der einschlägigen Rechtsprechung des BSG herausgearbeitet, können auf der ersten Prüfungsstufe als plausibel anerkannte Personalkosten, die vorliegend zu mehr als 2/3 der hier maßgeblichen Gesamtkosten der Einrichtung beitragen, regelmäßig nicht als unwirtschaftlich betrachtet werden, wenn ihre Höhe auf der Einhaltung einer Tarifbindung bzw. der Zahlung ortsüblicher Gehälter beruht. Das gilt letztlich auch dann, wenn die Einrichtung, die ein Erhöhungsverlangen geltend macht, bereits zur Spitzengruppe der Vergleichseinrichtungen gehört und durch die neuen Vergütungssätze die höchsten Sätze anderer Einrichtungen signifikant überschreitet, BSG, Urteil vom 16. Mai 2013 — B 3 P 2/12 R; Urteil des erkennenden Senats vom 07. März 2013 – L 6 P 16/11 KL –, Rn. 56, juris.

50

Dass das vorliegende Tarifwerk, welches für eine Vielzahl kirchlicher Einrichtungen mit tausenden von Mitarbeitern Anwendung findet, unter die vom BSG, a.a.O., Rn. 22, angeführten Ausnahmen (deutliches Übersteigen der von anderen Einrichtungsträgern gezahlten Arbeitsentgelte ohne sachliche Gründe am Markt) fiele, ist nichts ersichtlich. Vielmehr spricht einiges dafür, dass die relativ hohen Gesamtpersonalkosten, die unter Einbeziehung des im Eingliederungsbereich tätigen Mitarbeiter sogar ca. 3/4 der Gesamtkosten erreicht, wesentlich auf die weitgehende Ausschöpfung des sog. Korridors des § 20 Abs. 5 des Landesrahmenvertrages (Rahmenvertrag zur Sicherstellung einer wirksamen und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgung der Versicherten in Einrichtungen der vollstationären Pflege gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI in der seit dem 01. Juli 2009 geltenden Fassung) zurückzuführen sind. Die von Kostenträgerseite im Rahmen des zweiten Verhandlungstermins vor der Beklagten vorgetragenen und von der Beklagten im Rahmen eines Vergleichsvorschlages herangezogenen durchschnittlichen Pflege-Personalkosten anderer Einrichtungen (40.027,00 € jährlich) weichen nämlich nicht signifikant von den sich aus der Kostenaufstellung der Beigeladenen zu 1. ergebenden Durchschnittswerten ab. Dort wurden für insgesamt 51,89 VK Pflegepersonal Gesamtkosten in Höhe von 2.114.631,20 € jährlich veranschlagt, was einem Betrag in Höhe von 40.752,19 € je VK entspricht. Dieser Wert liegt jedoch nur um 1,8 % über dem klägerseits angeführten Mittelwert, der zudem seinerzeit anstehende oder bereits erfolgte Tariflohnsteigerungen noch nicht berücksichtigt haben dürfte.

51

Mit der recht weitgehenden Ausschöpfung des Korridors hat sich die Beklagte in ihrem Schiedsspruch zwar nicht eingehend auseinandergesetzt. Gleichwohl ist die Feststellung der Beklagten in der Klageerwiderung zutreffend, dass die Einrichtung der Beigeladenen zu 1. gerade Bewohner mit besonderem Interventionsbedarf betreut, dass dieser Interventionsbedarf mehrfach Gegenstand der Verhandlungen gewesen und von der Beklagten als glaubhaft gemacht und plausibel eingeschätzt worden ist. Gemäß § 20 Abs. 5 Satz 5 Landesrahmenvertrag könnte dies sogar eine Personalausstattung oberhalb der oberen Korridorgrenze rechtfertigen. Einer derartigen Ausnahmeregelung bedarf es indes vorliegend nicht, da mit den von der Beklagten zugebilligten 50,5 VK zuzüglich 1,44 VK für die Pflegedienstleitung (PDL) der Korridor keineswegs überschritten, sondern nur zu 85 % ausgeschöpft wird:

52
                                                                       

% des Korridors

Pflegestufe

I       

ll    

IIl     

VK    

PDL     

Gesamt

Korridor

beantragt

Schiedsspruch

KSV     

Plätze

8       

59    

48    

                                   

51,89 

50,5   

50,3   

Unterer
Korridor

4,7     

3,4     

2,2     

40,58 

1,44   

42,02 

                                   

Oberer
Korridor

4,1     

2,6     

1,8     

50,54 

1,44   

51,98 

9,96   

99 %   

85 %   

83 %   

53

Alles andere als eine derartige weitgehende Ausschöpfung der nach Landesrahmenvertrag möglichen Personalausstattung ist im Falle einer Schwerstpflegeeinrichtung für Mehrfachbehinderte wie der von der Beigeladenen zu 1. betriebenen weder zu erwarten noch im Sinne der Heimbewohner zu wünschen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Einschätzung der Beklagten, die Zweifel des Klägers an der Plausibilität der Personalkosten seien pauschal und unsubstantiiert mehr als vertretbar.

54

Auch die Entscheidung der Beklagten, statt bislang zwei nunmehr drei Stellen für freiwillige Dienste einzupreisen, ist nicht zu beanstanden. Die Beigeladene hatte nachvollziehbar dargelegt, dass sie Freiwilligendienste in diesem Umfang nicht nur beabsichtige, sondern auch für durchführbar halte; im Zeitpunkt der ersten Verhandlung vor der Beklagten im März 2012 waren nach ihren Angaben auch tatsächlich drei Freiwilligendienstleistende in der Einrichtung tätig. Dass vor diesem Hintergrund wegen der jeweils recht kurzen Einsatzzeiten mit vermutlich auftretenden „Lücken“ auch die Berücksichtigung von bspw. 2,5 derartiger Stellen vertretbar gewesen wäre, führt nicht etwa zu einer Überschreitung des Ermessensspielraums der Beklagten.

55

Schließlich ist auch die von der Beklagten festgelegte, den Vorschlag der Kostenträger nur geringfügig übersteigenden, Erhöhung der VK-Zahl von 50,0 auf 50,5 nicht zu beanstanden. Eine minutengenaue Personalbedarfsberechnung kann insoweit weder verlangt werden, noch erscheint sie überhaupt möglich. Die Beigeladene zu 1. hatte im Rahmen der Verhandlungen wiederholt auf einen gestiegenen Interventionsbedarf im Hinblick darauf hingewiesen, dass es infolge von Todesfällen zu einer erheblichen Veränderung in der Bewohnerstruktur gekommen sei mit der Folge einer stark erhöhten Anzahl massiv verhaltensauffälliger Bewohner mit gesteigerter Aggressionsbereitschaft. Diese von Seiten der Kostenträger nicht ernsthaft in Frage gestellte Argumentation ist von der Beklagten im Ergebnis der Verhandlung als überzeugend angesehen worden. Hiergegen gibt es im Rahmen des eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsumfangs nichts zu erinnern.

56

Unzutreffend und nicht nachzuvollziehen ist ferner der Vortrag des Klägers zum Ausmaß der mit dem Erhöhungsverlangen des Beigeladenen zu 1. verbundenen Budgetsteigerung. Diese hätte keineswegs 16,49 %, sondern ausgehend von den beantragten Sätzen etwa 13,2 % betragen. Maßgeblich ist aber ohnehin nicht das ursprüngliche Erhöhungsverlangen, sondern der angefochtene Schiedsspruch, der mit einer Steigerung um 10,5 % einhergeht, wobei die Beklagte diese gleichwohl erhebliche Steigerung jedoch überzeugend begründet.

57

Anders als bei den Personalkosten hat die Beklagte, was der Kläger ebenfalls zu verkennen scheint, bei den Sachkosten nicht unerhebliche Abstriche von den Forderungen des Beigeladenen zu 1. vorgenommen. Im Ergebnis bleibt das rechnerische Jahresbudget der Einrichtung daher um ca. 80.000 € hinter dem Erhöhungsverlangen zurück. Legt man die eingangs von der Beigeladenen prognostizierten Kosten als Vergleichsmaßstab an, so ergibt sich sogar ein um ca. 160.000 € niedrigerer Betrag. Damit wird auch den wenig substantiierten Bedenken des Klägers im Bereich der Sachkosten ausreichend Rechnung getragen. Auch hier ist die Argumentation des Klägers indes wenig überzeugend. So trifft es etwa keineswegs zu, dass für die von der Beigeladenen zu 1. anfangs (mit ca. 93.000 €) angesetzte Position „Unternehmerrisiko“ keinerlei konkretes Risiko dargetan worden sei. Diese Position war in der Verhandlung im März 2012 ausdrücklich mit erforderlichen Rückstellungen für den geplanten Ausstieg aus der Altersversorgungskasse begründet worden. Soweit dieser Erklärungsansatz aus Sicht der Kostenträger nicht ausgereicht haben sollte, wäre seinerzeit eine entsprechende Aufforderung zur näheren Darlegung geboten gewesen. Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass derartige Kosten in die Kalkulation der Beklagten tatsächlich eingeflossen sind. Jedenfalls hat es sich nicht um einen – in der Rechtsprechung nach wie vor streitigen – prozentualen Gewinnzuschlag gehandelt, vgl. etwa die derzeit anhängigen Revisionen B 3 P 1 bis 5/18 R, für dessen Berechtigung vorliegend im Hinblick auf die hohe den Berechnungen der Vertragsparteien zugrunde liegende Belegungsquote von 98 % einiges sprechen könnte.

58

Schließlich erscheint die weitgehende, wenn auch nicht vollständige Berücksichtigung von Kosten im Zusammenhang mit der Beauftragung mehr oder weniger unselbständiger Unternehmensteile der Beigeladenen zu 1. unbedenklich. Insoweit haben es die Kostenträger offenbar versäumt, (auf der ersten Stufe) konkret vorzutragen. Die Tatsache allein, dass eine Leistung von einem verbundenen Unternehmen in Rechnung gestellt oder (soweit die WfbM keine eigene Rechtspersönlichkeit hat) innerbetrieblich weiterberechnet wird, sagt noch nichts über die Angemessenheit der Kosten aus. Es gibt keinerlei konkrete Hinweise darauf, dass bestimmte Positionen als unwirtschaftlich anzusehen sein könnten, etwa weil andere Einrichtungen hier deutlich wirtschaftlicher arbeiten, oder weil die gleiche Leistung von anderen Betrieben günstiger angeboten würde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine WfbM gehalten ist, wirtschaftliche Arbeitsergebnisse anzustreben, um an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen ein ihrer Leistung angemessenes Arbeitsentgelt im Sinne des § 219 Absatz 1 Satz 2 und § 221 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch zahlen zu können (§ 12 Abs. 3 Werkstättenverordnung - WVO). Zudem darf das Arbeitsergebnis nur für Zwecke der Werkstatt verwendet werden (Abs. 5 der Norm), sodass etwaige Einsparungen der Pflegeeinrichtung zu einem entsprechend schlechteren Ergebnis der Werkstatt und entsprechend höherem Bedarf an öffentlichen Zuschüssen (wenn auch aus einem anderen Rechtsbereich) führen würde. Der offenbar von der Beigeladenen zu 1. verfolgte Ansatz, etwas günstiger als gewerbliche Mitbewerber zu kalkulieren, soweit sich entsprechende Angebote einholen ließen, erscheint vor diesem Hintergrund keineswegs abwegig.

59

Nach der schriftlichen Begründung des angefochtenen Schiedsspruchs sind zudem die diesen Leistungen zugrunde liegenden Verträge entsprechend einer Aufforderung am Schluss der Sitzung vom 13. März 2012 von der Beigeladenen zu 1. in der Verhandlung der Vertragspartner (ohne Beteiligung der Beklagten) vom 16. April 2012 vorgelegt worden. Auch wenn dies im Rahmen der Klagebegründung bestritten und ohne nähere Ausführungen auf ein „erhebliches Einsparpotential“ verwiesen wird, wird andererseits gar nicht in Frage gestellt, dass es keine günstigeren Drittanbieter der fraglichen Leistungen gibt. Der Kläger meint lediglich, die von der WfbM erbrachten hauswirtschaftlichen Dienste könnten nicht mit den Kostenkalkulationen externer Fremdanbieter verglichen werden; fiktive Kosten könnten nicht die Grundlage für die Festsetzung der Pflegesätze sein. Damit wird letztlich die Auffassung vertreten, die von der WfbM erbrachten Leistungen seien kostenlos zu erbringen, was aber den oben dargelegten Wirtschaftlichkeitsgrundsätzen der Werkstatt widerspräche. Indem die WfbM für die Pflegeeinrichtung tätig wird, begibt sie sich zugleich der Möglichkeit, Aufträge externer Kunden anzunehmen, um welche sie ebenfalls mit gewerblichen Mitbewerbern konkurrieren und sich dabei deren Preisgestaltung anpassen würde.

60

Die Argumentation des Klägers verkennt schließlich, dass die Beklagte gerade für die hier in Rede stehenden Kostenpositionen aus dem Bereich der hauswirtschaftlichen Dienstleistungen den vom Einrichtungsträger geltend gemachten Jahreskopfwert von ca. 4.000 € auf den von Kostenträgerseite angegebenen Mittelwert anderer Einrichtungen von 3.500 € reduziert und damit den konkreten, vom Kläger in der Verhandlung vom 09. Mai 2012 vorgetragenen Bedenken vollumfänglich Rechnung getragen hat.

61

Der angegriffene Schiedsspruch leidet schließlich auch nicht an formalen Mängeln, die zu seiner Aufhebung führen würden. Er war insbesondere mit der erforderlichen Begründung versehen, die eine gerichtliche Prüfung überhaupt erst ermöglicht. Der Schiedsspruch gilt auch nicht etwa im Hinblick auf den langen Zeitraum zwischen Bekanntgabe und schriftlicher Begründung als „nicht mit Gründen versehen“. Die vollständige schriftliche Fassung des Schiedsspruches vom 09. Mai 2012 ist von der Geschäftsstelle der Beklagten erstmals per E-Mail am 02. Oktober versandt worden, hat ihr also spätestens an diesem Tage vollständig abgefasst und vom Vorsitzenden unterzeichnet vorgelegen. Es kann somit dahinstehen, ob auch auf Schiedssprüche nach dem SGB XI die für gerichtliche Urteile geltende fünfmonatige Absetzungsfrist (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92) entsprechend Anwendung findet, wozu der Senat allerdings neigt. Auch die fehlerhafte Beteiligung der Landesverbände der Krankenkassen und des überörtlichen Sozialhilfeträgers im Schiedsstellenverfahren führt allein nicht zur Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs, da aus diesem formalen Fehler eine Beschwer des Klägers nicht resultiert.

62

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

63

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil Gründe hierfür nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 SGG). Die Rechtslage ist vorliegend durch die zitierte Rechtsprechung des BSG geklärt; diese Rechtsprechung war lediglich auf einen konkreten Einzelfall zu übertragen.

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