Urteil vom Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (10. Senat) - L 10 AS 584/15
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 14. Oktober 2015 dahingehend abgeändert, als dass der Beklagte verurteilt wird, der Klägerin unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 21. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2014 und des Änderungsbescheides vom 21. Januar 2016 für den Zeitraum 01. Februar 2014 bis zum 31. Juli 2014 einen monatlichen Wassererwärmungsmehrbedarf i. H. v. 17,44 € zu gewähren und die monatliche Differenz zu der bisher gewährten Pauschale auszuzahlen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Instanzen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten noch über die Frage, ob die Klägerin im Zeitraum Februar bis Juli 2014 einen über die in § 21 Abs. 7 SGB II genannten Beträge hinausgehenden Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen der in der von ihr bewohnten Mietwohnung dezentral erfolgenden Warmwasserversorgung hat.
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Die alleinstehende, am 1951 geborene Klägerin stand bereits seit Juli 2009 im Leistungsbezug beim Beklagten. Während des hier streitigen Zeitraumes erzielte die Klägerin ein monatliches Einkommen i. H. v. 100,00 € aus einer Tätigkeit als Küchenhilfe.
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Schon zum Zeitpunkt der Erstantragsstellung wie auch im hier streitigen Zeitraum bewohnte sie eine Mietwohnung im A-Straße in A-Stadt mit einer Größe von 58 qm. Die hierfür monatlich zu zahlende Gesamtmiete betrug im streitigen Zeitraum 324,96 € (222,12 € Grundmiete, 73,89 € für kalte Betriebskosten und 28,95 € Heizkosten).
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In diesen Kosten sind die Kosten der Warmwasserbereitung nicht enthalten. Diese erfolgt dezentral über einen gasbetriebenen Durchlauferhitzer. Zudem verfügt die Klägerin über einen gasbetriebenen Herd. Das zum Kochen und zur Warmwasserbereitung verwendete Gas wird über denselben Zähler abgerechnet. Eine Einzelerfassung, wieviel Gas für das Kochen und wieviel Gas für die Warmwasserbereitung verwendet wird, findet nicht statt. Über die Gasversorgung hat die Klägerin einen Vertrag mit dem Gasversorger „eon edis“ geschlossen. In sämtlichen hier streitigen Monaten hatte die Klägerin für die Gasversorgung einen Abschlag i. H. v. 21,00 € zu zahlen.
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Bereits bei Erstantragstellung belehrte der Beklagte die Klägerin darüber, dass die für die Wohnung zu entrichtenden Zahlungen aus seiner Sicht unangemessen seien, wobei die Klägerin mitteilte nicht gewillt zu sein die Kosten durch einen Umzug zu senken, woraufhin der Beklagte im Rahmen der Bewilligungsentscheidungen nur die aus seiner Sicht nach der jeweils gültigen Richtlinie des Landkreises für eine Person angemessene Bruttokaltmiete berücksichtigte.
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Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 08. Januar 2014 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 21. Januar 2014 für den Zeitraum Februar 2014 bis Juli 2014 monatliche Leistungen i. H. v. 687,14. Hierin enthalten waren ein Regelbedarf i. H. v. 391,00 € und ein Mehrbedarf für die dezentrale Warmwassererzeugung i. H. v. 8,99 €.
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Hiergegen erhob die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 13. Februar 2014 Widerspruch. Die Richtlinie des Landkreises beruhe nicht auf einem schlüssigen Konzept i. S. d. BSG-Rechtsprechung, weshalb die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu übernehmen seien. Darüber hinaus sei der ausschließlich i. H. d. Pauschale des § 21 Abs. 7 SGB II gewährte Mehrbedarf für die dezentrale Warmwasserversorgung unzureichend.
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Diesen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2014 zurück. Der angefochtene Bescheid sei nicht zu beanstanden. Nach der gültigen Richtlinie des Landkreises zu den angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung sei für eine Person eine maximale Bruttokaltmiete i. H. v. 268,20 € angemessen, weshalb übersteigende tatsächliche Kosten nicht anerkannt werden könnten. Zudem könne ein höherer als der in § 21 Abs. 7 SGB II genannte Mehrbedarf für die dezentrale Warmwassererzeugung nicht anerkannt werden, da die Klägerin hierfür keine individuellen Gründe habe nennen können. In derartigen Fällen müsse es bei der Pauschale verbleiben.
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Hiergegen hat die Klägerin fristgemäß Klage vor dem Sozialgericht Neubrandenburg erhoben. Das Sozialgericht hat am 14. Oktober 2015 mündlich zur Sache verhandelt und den Beklagten mit Urteil vom selben Tage verpflichtet, der Klägerin Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Bruttokaltmiete zu bewilligen und auszuzahlen. Soweit die Klägerin darüber hinaus die Gewährung eines über den in § 21 Abs. 7 SGB II genannten Betrag hinausgehenden Mehrbedarf für die dezentrale Warmwassererzeugung geltend gemacht hat, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin treffe die Darlegungslast für einen solchen über die Pauschale hinausgehenden Bedarf. Da keine gesonderte Zählvorrichtung vorhanden sei, sei schlicht nicht feststellbar, wieviel Gas tatsächlich für die Warmwasserbereitung aufgewendet worden wäre, weshalb die Gewährung eines über die Pauschale hinausgehenden Bedarfes ausscheide.
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Das Sozialgericht hat im Urteil die Berufung zugelassen, die von der Klägerin am 11. Dezember 2015 fristgerecht eingelegt worden ist. Die Berufung hat die Klägerin auf die Regelleistung und den Mehrbedarf beschränkt. Aus ihrer Sicht stehe ihr ein über die in § 21 Abs. 7 SGB II genannte Pauschale hinausgehender monatlicher Mehrbedarf für die dezentrale Warmwasserbereitung zu. Insbesondere müsse ihre hohe Belastung durch die Gasgrundgebühr berücksichtigt werden, die für die Bereitstellung des Gasanschlusses schon zu zahlen sei, bevor sie überhaupt eine kWh verbraucht habe. Wollte man dieses Problem nicht über § 21 Abs. 7 SGB II lösen, würde sich die Frage stellen, ob in der Zahlung von zweimal Grundgebühr neben den Heizkosten ein atypischer Mehrbedarf zu sehen sei.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 14. Oktober 2015 die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 21. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2014 zu verpflichten, ihr für den Zeitraum vom 01. Februar 2014 bis zum 31. Juli 2014 eine Regeleistung unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfes für die dezentrale Warmwasseraufbereitung in der gesetzlichen Höhe zu bewilligen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Senat hat am 28. Januar 2020 mündlich zur Sache verhandelt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist begründet.
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Nach der Beschränkung der Berufung seitens der Klägerin ist Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ausschließlich die Höhe der der Klägerin zu gewährenden Regelleistung zuzüglich etwaiger Mehrbedarfe (zur Frage des abtrennbaren Streitgegenstandes: vgl. BSG, Urteil vom 06. August 2014 – B 4 AS 55/13 R –, BSGE 116, 254-266, SozR 4-4200 § 7 Nr 38, Rn. 12).
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Die Klägerin hat mit einem Bedarf von 408,44 € für den Regelsatz zzgl. eines Mehrbedarfes für die dezentrale Warmwasserversorgung einen höheren Bedarf als der bislang durch den Beklagten gewährte monatliche Betrag für Regelleistung und Mehrbedarfe i. H. v. 399,99 €.
- 19
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs. 1 SGB II. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), ist erwerbsfähig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Leistungsausschlüsse sind nicht erkennbar. Sie ist darüber hinaus hilfebedürftig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II).
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Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes beinhalten nach § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II neben den hier nicht streitigen Kosten der Unterkunft und Heizung die Regelleistung und Mehrbedarfsleistungen.
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Der monatliche Regelbedarf gemäß § 20 Abs. 5 SGB II i. V. m. §§ 28a, 40 SGB XII in der damaligen Fassung sowie § 2 der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2014 beträgt 391,00 €.
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Zuzüglich zum Regelbedarf hat die Klägerin einen Anspruch auf einen Mehrbedarf für die dezentrale Warmwassererzeugung nach § 21 Abs. 7 Satz 2 SGB II i. H. v. 17,44 € monatlich. Durch das BSG ist geklärt worden, dass nach der gesetzgeberischen Konzeption dem tatsächlichen Verbrauch für alle Fälle der Vorrang vor den pauschalierten Bemessungssätzen zukommen soll. (BSG, Urteil vom 07. Dezember 2017 – B 14 AS 6/17 R –, BSGE 125, 22-29, SozR 4-4200 § 21 Nr 28, Rn. 27) Dies bedeutet, dass ein Rückgriff auf die Pauschalen in § 21 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 – 4 SGB II regelmäßig nicht in Betracht kommt.
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Die seitens der Klägerin zu entrichtenden Abschläge an den Gasversorger i. H. v. 21,00 € monatlich stellen die tatsächlichen Kosten der Klägerin für die Warmwassererzeugung und das Kochen dar. Der Senat ist indessen zu der Überzeugung gelangt, dass es nicht möglich ist zu ermitteln, welcher Anteil dieses Abschlages auf die Warmwassererzeugung entfällt. Soweit das BSG (BSG aaO) für Fälle, in denen die dezentrale Warmwassererzeugung über einen strombetriebenen Durchlauferhitzer erfolgt, andeutet, dass für den tatsächlichen Verbrauch auf einen durchschnittlichen Warmwasserverbrauch abgestellt werden und dann im konkreten Einzelfall ermittelt werden könnte, wie hoch die Kosten sind um diese Wassermenge zu erwärmen, können die hierzu in der Literatur angestellten Überlegungen (vgl. Straßfeld, in SGb 2018, S. 564) nicht auf den hiesigen Fall übertragen werden.
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Im vorliegenden Fall wäre zu bestimmen wie hoch der Anteil des monatlichen Gasabschlages ist, der der Erzeugung von Warmwasser zugerechnet werden kann. Für strombetriebene Durchlauferhitzer wird erwogen (vgl. Straßfeld aaO) den auf die Warmwassererzeugung entfallenden Anteil durch den Rückgriff auf Erhebungen zu ermitteln, die feststellen, wie sich der im Durchschnittshaushalt verbrauchte Strom auf einzelne Haushaltsbereiche (etwa Kochen, Gefrieren, Spülen, Trocknen, Warmwassererzeugung, etc.) verteilt. Dies leistet die im Internet frei beziehbare Studie der EnergieAgentur NRW „Erhebung – Wo im Haushalt bleibt der Strom?“ (https://www.missione.nrw/couch/uploads/file/erhebung_wo_ im_haushalt_bleibt_der_strom_20151126.pdf). Ausweislich der abrufbaren Broschüre liegt dieser Studie eine Befragung von über 522.000 Haushalten zugrunde, so dass von validen Ergebnissen gesprochen werden kann. Die dort ausgewiesenen prozentualen Anteile für die Warmwasserbereitung bei verschieden großen Haushalten mag kombiniert mit der Abrechnung des jeweils betroffenen Leistungsberechtigten die Grundlage für eine Schätzung des auf die Warmwasserversorgung entfallenden Anteils der Stromabschläge sein (so Straßfeld aaO und unter Anwendung dieses Vorschlages: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil vom 22. Mai 2019 – L 13 AS 207/18 ZVW –, Rn. 21, juris).
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Auf den vorliegenden Fall kann diese Methode indessen nicht übertragen werden, da es schlicht keinerlei überzeugende Studien gibt, die sich damit beschäftigen, wie hoch der Anteil des Kochens oder des Warmwassers ist, wenn beide Verbrauchsbereiche mit Gas betrieben werden, ohne dass andere Verbrauchsbereiche auch über diesen Gaszähler laufen würden. Nach der Überzeugung des Senats ist es auch nicht möglich das Verhältnis der Verbrauchsbereiche aus der Studie der Energieagentur zu übertragen, da sich dieses Verhältnis beim Energieträger Gas wesentlich anders darstellen wird, als beim Energieträger Strom. Denn Gasdurchlauferhitzer haben einen deutlich geringeren Wirkungsgrad als ihre strombetriebenen Pendants.
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Ebenfalls nicht praktikabel erscheint es, einen durchschnittlichen Warmwasserverbrauch anzunehmen und die für die Erwärmung benötigten Kosten zu bestimmen. Die in einer konkreten Wohnung erforderlichen Kosten beruhen schlicht auf zu vielen technischen Variablen – Wirkungsgrad der Anlage, Einstellungen der Anlage, leitungssystembedingte Wärmeverluste, etc. – die auch seitens des Leistungsempfängers nicht beeinflussbar sind, womit die Bestimmung des im Einzelfall erforderlichen Energieaufwandes für die Bereitung einer durchschnittlichen Warmwassermenge nur durch eine tatsächliche Ermittlung vor Ort aufklärbar wäre, was aber mit den Grundsätzen der Massenverwaltung und dem Bedürfnis einer schnellen Bescheidung von SGB II Anträgen, regelmäßig nur auf Grundlage der vorgelegten Gasabschlagsrechnung, nicht vereinbar wäre.
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Angesichts dessen, dass nicht ermittelbar ist, in welchem Verhältnis die im Haushalt der Klägerin verbrauchte Energie für die Erzeugung von Warmwasser und für das Kochen verwendet wird, kommen, als tatsächliche Kosten i. S. d. § 21 Abs. 7 SGB II, nur der gesamte Abschlag in Betracht. Allerdings würde diese Betrachtung dazu führen, dass der Bedarf der Klägerin für das Kochen, aufgrund der Nichtermittelbarkeit der jeweiligen Verbrauchsanteile, durch den Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II gedeckt würde, da die tatsächlich für das Kochen aufgewandte Energie aufgrund des gezahlten Gasabschlages seitens des Versorgers zur Verfügung gestellt wird. Darüber hinaus ist die Kochenergie in die Regelsatzermittlung eingeflossen, so dass der Klägerin abzuverlangen ist, den Bedarf für die Beschaffung von Kochenergie aus der Regelleistung zu decken. Insoweit muss sich die Klägerin entgegenhalten lassen, dass sie die Kosten für die Kochenergie nicht in Form einer Doppelleistung – als Anteil des Regelsatzes und über den Mehrbedarf – erhalten kann (vgl. zu diesem Rechtsgedanken: BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/11b AS 15/07 R –, BSGE 100, 94-103, SozR 4-4200 § 22 Nr 5, Rn. 22f. sowie BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 42, Rn. 35). Im Ergebnis ist es daher sachgerecht von den tatsächlichen Kosten den Anteil abzusetzen, der im Regelsatz für die Kochenergie enthalten ist.
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Der Senat ist davon überzeugt, dass in dem für den hier streitigen Zeitraum gültigen Regelsatz i. H. v. 391,00 € ein Betrag i. H. v. 3,56 € für Kochenergie enthalten ist. Nach § 5 Abs. 2 RBEG betrug die Summe der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der Einpersonenhaushalte nach Absatz 1 361,81 Euro (RBEG auf Grundlage der EVS 2008 - BtDrs.17/3404). Für die die Ausgaben für Strom enthaltende Abteilung 4 der Regelleistung ist ein Betrag i. H. v. 30,24 € eingeflossen. Aus der BtDrs.17/3404 S. 55 kann entnommen werden, dass hierin ein Betrag i. H. v. 28,12 € für Strom enthalten war. Aufgrund der Dynamisierung durch die Regelsatzverordnung sind in den Jahren 2013 und 2014 nur die Gesamtbeträge des Regelsatzes angepasst worden. Eine eventuelle Verteuerung bei einzelnen Abteilungen wurde nicht berücksichtigt, so dass bei der Ermittlung des Stromanteils derselbe prozentuale Anteil an der erhöhten Regelleistung besteht, wie er bereits bei der EVS 2008 bestand. Damit beträgt der Stromanteil an der RL auf Grundlage der EVS 2008: 7,77 % (28,12€/361,81 €) und damit für 2014: 391€ RL/100% * 7,77% = 30,38 €. Der hierin konkret für Kochenergie eingeflossene Betrag ist zwar nicht ausdrücklich genannt. Allerdings kann darauf abgestellt werden, dass die Ermittlung der Regelbedarfe auf einer statistisch ausgewerteten Verbraucherbefragung – der EVS 2008 – und damit letztlich auf Durchschnittswerten beruht. Damit kann unterstellt werden, dass in der Regelleistung ein Betrag für Kochen vorgehalten wird, der sich prozentual zur Gesamtleistung für Energie ähnlich verhält wie der prozentuale Anteil für das Kochen an der gesamten Haushaltsenergie im Durchschnittshaushalt. Für den Durchschnittshaushalt gibt die EnergieAgentur NRW aufgrund einer umfangreichen Auswertung folgende Verteilung der Haushaltsenergie an:
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Aufgrund dessen, dass vorliegend eine Regelbedarfsposition ermittelt werden soll, ist auf den Durchschnittswert abzustellen, da auch der Regelsatz sich nicht an der Haushaltsgröße orientiert. Zudem sind ausweislich der Gesetzesbegründung zum RBEG BtDrs.17/3404 S. 56 die Stromdaten von Mietern zur Ermittlung des Regelsatzes maßgeblich berücksichtigt worden, während eigentümerspezifische Ausgaben als Sonderposten zu den Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigt werden sollen. Damit ist die hier miterfasste Umwälzpumpe – in der Gesetzesbegründung ausdrücklich genannt – „herauszurechnen“ und der Kochanteil aus der Tabelle von 10,90 % entsprechend zu erhöhen. Die Umwälzpumpe hat einen Anteil von 7,01 %, so dass zu rechnen ist 100,01 % x 10,90 % / 93 % = 11,72 %. 11,72 % des in der Regelleistung enthaltenen Betrages für Haushaltsenergie von 30,24 € sind 3,56 €.
- 30
Weiterhin zu berücksichtigen ist, dass § 21 Abs. 7 Satz 2 SGB II den übernahmefähigen Mehrbedarf auf die angemessenen Kosten beschränkt. Der Senat geht dabei davon aus, dass im Einzelfall der Klägerin monatliche Kosten für die dezentrale Warmwassererzeugung i. H. v. 19,20 € noch angemessen wären. Wie dargelegt, ist es nicht möglich, die Energiekosten zu ermitteln, die die Klägerin für die Erwärmung einer dem durchschnittlichen Warmwasserverbrauch in der Bevölkerung entsprechenden Menge von Warmwasser aufwenden muss. Für strombetriebene Durchlauferhitzer wird indessen erwogen (vgl. Straßfeld aaO) die Rechtsprechung des BSG zur Angemessenheit der Heizkosten zu übertragen und den von co2online herausgegebenen Stromspiegel für Deutschland (www.stromspiegel.de) heranzuziehen. Für Heizkosten hat das BSG den ebenfalls von co2online herausgegebenen Heizkostenspiegel (www.heizspiegel.de) herangezogen und bemisst die Angemessenheit der Heizkosten daran, dass die Unangemessenheit indiziert sei, wenn der tatsächliche Verbrauch der rechten Spalte („zu Hoch“) des Heizspiegels zuzuordnen ist, wobei die rechte Spalte einen Verbrauch aufweist, der höher ist als bei 90 Prozent der in die Stichprobe eingeflossenen Abrechnungen. Insoweit geht das BSG davon aus, dass soweit die konkret geltend gemachten tatsächlichen Heizkosten den auf dieser Datengrundlage zu ermittelnden Grenzwert überschreiten, Anlass für die Annahme besteht, dass diese Kosten auch unangemessen hoch i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind. Dies lasse sich damit rechtfertigen, dass die gewählte Grenze bereits unwirtschaftliches und tendenziell unökologisches Heizverhalten berücksichtige. Darüber hinausgehende Heizkosten entstünden dann offensichtlich aus einem Verbrauch, der dem allgemeinen Heizverhalten in der Bevölkerung nicht mehr entspricht (BSG, Urteil vom 02. Juli 2009 – B 14 AS 36/08 R –, BSGE 104, 41-48, SozR 4-4200 § 22 Nr 23, Rn. 23).
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Dieses Vorgehen hält der Senat für sachgerecht, so dass für die Angemessenheit der Stromspiegel als taugliche Grundlage herangezogen werden kann. Der Stromspiegel ermittelt auf der Grundlage von über 200.000 Verbrauchsdaten die Verbräuche einzelner Haushalte. Ab 2016 werden die Werte sieben verschiedenen Spalten zugeteilt, die aufsteigend den Stromverbrauch der Referenzhaushalte darstellen, wobei jede Stufe 14,3 Prozent der Haushalte erfasst, so dass der rechten Spalte („sehr hoch“) die Haushalte zugeordnet werden, deren Verbrauch höher ist als bei rd. 85 Prozent der Referenzhaushalte (https://www.stromspiegel.de/ueber-uns-partner/methodik-des-stromspiegels/). Darüber hinaus wird im Stromspiegel je eine gesonderte Tabelle für Wohnungsbewohner, die Warmwasser mit Strom erzeugen, und solche, die es ohne Strom erzeugen ausgewiesen. Im Ergebnis kann daher der Energieverbrauch für die Warmwassererzeugung rechnerisch näherungsweise dadurch ermittelt werden, dass der Wert in der Spalte für einen sehr hohen Verbrauch bei Wohnungen ohne strombetriebene Warmwassererzeugung von dem in der Spalte für einen sehr hohen Verbrauch bei Wohnungen mit strombetriebener Warmwassererzeugung abgezogen wird. Nach der Überzeugung des Senates ist bei einer derartig bestimmten Grenze für die strombetriebene Warmwassererzeugung davon auszugehen, dass darüber liegende kWh-Verbräuche nicht mehr einem allgemein üblichen Verbrauch in der Bevölkerung entsprechen, so dass solche tatsächlichen Kosten im Regelfall als unangemessen anzusehen sein dürften. Im Ergebnis geht der Senat davon aus, dass der jeweilig zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegende aktuelle Stromspiegel zur Bildung der Angemessenheitsgrenze herangezogen werden kann. Soweit ersichtlich wurde der Stromspiegel erstmals im Jahr 2014 erstellt und danach in unregelmäßigen Abständen erneuert.
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Insoweit wäre für den vorliegenden Fall auf den Stromspiegel 2014 zurückzugreifen. Allerdings ist dieser nicht tauglich, eine Angemessenheitsgrenze zu definieren, da in diesem nur eine Spalte für einen „hohen“ Verbrauch existiert, die ausweislich der Erläuterungen 37,5 % der Referenzhaushalte erfasst. Bei einer so großen Gruppe kann indessen nicht mehr von einem in der Bevölkerung nicht mehr üblichen Verbrauch gesprochen werden, so dass ein Überschreiten der dort genannten Werte nicht die Unangemessenheit der Kosten indizieren kann. Der Senat greift daher zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze auf den Stromspiegel 2016 zurück. Mit der dargelegten Berechnungsmethode würde sich bei einem Ein-Personen-Haushalt bezogen auf den Stromverbrauch eine Angemessenheitsgrenze i. H. v. 900 kWh für die Warmwassererzeugung ergeben. Für die einen gasbetriebenen Durchlauferhitzer nutzende Klägerin ist dieser Wert aufgrund des unterschiedlichen Wirkungsgrades von gas- und strombetriebenen Durchlauferhitzern entsprechend hochzurechnen. Der Wirkungsgrad eines Gasdurchlauferhitzers liegt nach diversen im Internet freiverfügbaren Quellen bei rd. 70 bis 85 Prozent (https://www.co2online.de/energie-sparen/heizenergie-sparen/warmwasser/durchlaufer hitzer-vergleich/; https://www.waschbeckenarmaturtest.de/durchlauferhitzer-test-elektronische-vollelektronische-gasdurchlauferhitzer-vergleich/; https://www.hausjournal .net/durchlauferhitzer-verbrauch), während ein elektronischer Durchlauferhitzer einen Wirkungsgrad von nahezu 100 Prozent hat. Für die Hochrechnung der für den Energieträger Strom ermittelten Angemessenheitsgrenze ist zugunsten des Leistungsempfängers von einem Wirkungsgrad von 70 Prozent auszugehen, da das Alter und die Qualität des in einer Mietwohnung verbauten Durchlauferhitzers für den Leistungsempfänger nicht beeinflussbar ist. Im Ergebnis errechnet sich für Gas eine Angemessenheitsgrenze i. H. v. 1.285,71 kWh Gas (
).
- 33
Ausweislich der Abrechnung bezahlt die Klägerin für 1.285,71 kWh Gas einen Arbeitspreis i. H. v. 89,74 € (1.285,71 kWh x 6,98 ct/kWh) zuzüglich eines Grundpreises i. H. v. 87,72 € jeweils netto, so dass sich insgesamt 211,18 € brutto angemessene jährliche Gaskosten errechnen. Auf den Monat umgelegt, wäre damit im hiesigen Zeitraum ein monatlich angemessener Mehrbedarf i. H. v. 19,20 € (211,18 €/11) anzuerkennen. Im Rahmen der Berechnung hat der Senat den Grundpreis in voller Höhe berücksichtigt, was letztlich zwingende Folge der Tatsache ist, dass sich der Kochanteil an dem Gasverbrauch nicht bestimmen lässt, so dass auch der Grundpreis nicht teilweise gekürzt werden kann.
- 34
Im Ergebnis hat die Klägerin einen Mehrbedarf i. H. v. 17,44 € monatlich (21,00 € Abschlag abzgl. 3,56 € Anteil Kochenergie in der Regelleistung). Zwar liegt dieser Betrag unterhalb der seitens des Senates ermittelten Angemessenheitsgrenze von 19,20 €. Die darüber hinausgehende Beschränkung des Anspruches ergibt sich aber daraus, dass durch den Regelsatz 3,56 € der Gaskosten der Klägerin gedeckt sind. Die ausschließlich für die Kosten der Warmwassererzeugung anwendbare Angemessenheitsgrenze kommt daher im Ergebnis nicht zur Geltung. Damit findet im vorliegenden Fall keine Deckelung auf die Angemessenheit statt, so dass die Frage, ob auch bei einem Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II eine Kostensenkungsaufforderung erforderlich sein kann, nicht entscheidungserheblich ist. Der Senat ist indessen der Überzeugung, dass die dargelegte Berechnung der Angemessenheitsgrenze äußerst großzügig gewählt ist, so dass bei einer Überschreitung dieser Grenze eine Kostensenkungsaufforderung auch in anderen Fällen nicht erforderlich sein dürfte, da ein über der Angemessenheitsgrenze liegender Verbrauch im Normalfall nur noch durch ein verschwenderisches Verhalten erklärbar wäre.
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Der so ermittelte monatliche Bedarf der Klägerin für Regelleistung und Mehrbedarfe i. H. v. 408,44 € entspricht dem Anspruch der Klägerin, da keine Anhaltspunkte für die Bedürftigkeit mindernde Umstände i. S. d. § 9 SGB II erkennbar sind. Das Einkommen der Klägerin aus ihrer Tätigkeit als Küchenhilfe i. H. v. 100,00 € monatlich überschreitet den allgemeinen monatlichen Erwerbstätigenfreibetrag aus § 11b Abs. 2 SGB II nicht, so dass kein anrechenbares Einkommen verbleibt.
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Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. (§ 160 Abs. 2 SGG)
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