Urteil vom Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (14. Senat) - L 14 AS 560/17

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Streitig ist die Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II für die Erstausstattung anlässlich der Geburt des Sohnes der Klägerin L..

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Die im Mai 1984 geborene Klägerin steht seit 2005 im Leistungsbezug beim Rechtsvorgänger des Beklagten, dem Jobcenter Uecker-Randow (nachfolgend stets: Beklagter). Sie ist die Mutter von A. (geboren am 02. Juli) und von L. (geboren am 25. November), dessen Vater der F., geboren 1979 ist.

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Am 14. Juli 2011 beantragte sie beim Beklagten Leistungen für eine Babyerstausstattung. Mit Bescheid vom gleichen Tage bewilligte der Beklagte der Klägerin einmalige Leistungen in Höhe von 120,00 € für Babybekleidung und in Höhe von 140,00 € für die Erstausstattung (gebrauchtes Kinderbett komplett, gebrauchter Kinderwagen, gebrauchte Wickelkommode) entsprechend einer Richtlinie des Landkreises Uecker-Randow.

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Hiergegen erhob die spätere Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 05. August 2011 Widerspruch, der nachfolgend nicht begründet worden ist.

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Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2012 als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, die Leistungen für Sonderbedarfe könnten als Sach- oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden. Nach der noch fortdauernden Richtlinie des ehemaligen Landkreises Uecker-Randow in der Fassung vom 23. August 2006 sei ein Betrag von insgesamt 260,00 € (120 € für Bekleidung/Wäsche, 45 € für ein gebrauchtes Kinderbett komplett, 65 € für ein gebrauchten Kinderwagen, 30 € für eine gebrauchte Wickelkommode) für das erste Kind vorgesehen. Zwar handele es sich hier um die zweite Geburt. Da das ältere Kind jedoch vor mehr als 3 Jahren geboren worden sei, sei der volle Pauschbetrag zu gewähren. Eine Verweisung auf gebrauchte Sachen, was bei der Ermittlung des Pauschbetrages entsprechend berücksichtigt worden sei, sei dabei nicht zu beanstanden. Hierin sei keine Ausgrenzung der betreffenden Person zu sehen, sondern ein sparsames Verhalten und verantwortungsvoller Umgang mit den aus Steuermitteln zu erbringenden Leistungen. Der im Internet belegbare umfangreiche Handel mit gebrauchten Babysachen dokumentiere, dass es ohne Weiteres möglich sei, die notwendige Erstausstattung auf der Grundlage der bewilligten Geldbeträge sicherzustellen. Auch Nichtleistungsempfänger mit geringem Einkommen griffen oft auf gebrauchte Produkte zurück. Anhaltspunkte für eine atypische Situation, die es im Rahmen einer Einzelfallentscheidung rechtfertigen könnten, von dem genannten Pauschalwert abzuweichen, seien nicht ersichtlich. Dass die Klägerin die notwendige Erstausstattung bei Geburt mit dem ihr zur Verfügung gestellten Geldbetrag nicht finanzieren könne, sei auch nicht vorgetragen worden.

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Mit der dagegen beim Sozialgericht (SG) Neubrandenburg am 04. März 2012 erhobenen Klage hat die Klägerin höhere Leistungen für die Erstausstattung anlässlich der Geburt ihres Sohnes geltend gemacht. Die vom Beklagten gewährte Pauschale entspreche nicht dem tatsächlichen Bedarf. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge seien nachvollziehbare Erfahrungswerte zu den erforderlichen Aufwendungen zu berücksichtigen. Hierzu mangele es an geeigneten Feststellungen, sodass die Höhe der Pauschale auch nicht auf Erfahrungswerten beruhe. In der früheren Fassung der Richtlinie des vormaligen Landkreises Uecker-Randow sei eine Pauschale allein für die Babybekleidung in Höhe von 150 € vorgesehen gewesen, nach der geänderten Fassung vom 23. August 2006 nur noch 120 €, obwohl die Preise am Markt nicht sänken, sondern tendenziell stiegen. Von anderen Leistungsträgern bzw. von Sozialgerichten würden höhere Beträge anerkannt. In Berlin liege die Pauschale bei 525,74 €. Vom SG Dresden (Beschluss vom 29. Mai 2006, S 23 AS 802/06 ER) sei eine Pauschale in Höhe von 552 € anerkannt worden. Im Landkreis Kamenz liege die Pauschale bei 445 €, ebenso im Landkreis Rügen. Im Bereich des SG Oldenburg (Urteil vom 4. März 2008, S 44 AS 1419/07) liege die Pauschale bei 468,57 €. Nach alledem sei der Klägerin eine auf tatsächlichen Erfahrungswerten beruhende Pauschale zu gewähren, die über den von dem Beklagten bislang ausgezahlten Beträgen liegen müsse.

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Von der Klägerin wurden folgende Belege über Aufwendungen anlässlich der Geburt vorgelegt:

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- Lieferschein der Firma N. über eine Badewanne bleu perlmutt vom 31. Oktober 2011
- eine an Herrn F. gerichtete Rechnung eines Rest- und Sonderpostenmarktes über einen Kinderwagen zum Preis von 225 € mit Bestätigung über eine Anzahlung in Höhe von 60 € vom 21. September 2011 und eine Restzahlung am 22. September 2011 in Höhe von 165 €.

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Von Klägerseite wurde hierzu ausgeführt, der Kinderwagen sei seinerzeit von Herrn F. abgeholt worden, weil die Klägerin bereits hochschwanger gewesen sei und sich darum nicht habe kümmern können. Bei der Quittung vom 22. September 2011 habe es sich um den Erwerb des Kinderbettes gehandelt. Für das Kinderbett sei ein Betrag in Höhe von 100,00 € und für den Kinderwagen ein Betrag in Höhe von 120,00 € angemessen, da sich der Hilfebedürftigen nach dem SGB II auf gebrauchte Gegenstände verweisen lassen müsse. Der Beklagte habe hingegen lediglich Aufwendungen in Höhe von 45,00 € und 65,00 € für diese Gegenstände anerkannt. Der Differenzbetrag sei der Mehrleistungsanspruch. Unabhängig davon, ob durch die Klägerseite höhere Kosten als die bereits gewährten nachgewiesen seien, sei davon auszugehen, dass für den jeweiligen Gegenstand der Erstausstattung höhere Pauschbeträge zu bewilligen seien. Auf die Gesamtsumme komme es nicht an, wenn der vom Beklagten vorgesehene Pauschbetrag für den jeweiligen Gegenstand zu gering sei. Eine Verrechnung zwischen den einzelnen Positionen sei nicht zulässig. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 10. Juni 2014 hat die Klägerin hinsichtlich der Badewanne erklärt, dass diese 30 € gekostet habe.

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Die Klägerin hat beantragt,

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den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 14. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2012 zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin auf Leistungen der Erstausstattung bei der Geburt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,

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hilfsweise,

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den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 14. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2012 zu verpflichten, der Klägerin Leistungen für die Erstausstattung bei der Geburt in der gesetzlichen Höhe zu bewilligen.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte habe sich vorliegend dafür entschieden, die Leistungen in Form von Pauschalbeträgen zu erbringen. Sofern klägerseitig vorgetragen werde, dass diese nicht auf nachvollziehbaren Erfahrungswerten beruhten, sei dieser Umstand nicht relevant, da die Klägerin jedenfalls nicht glaubhaft gemacht habe, dass sie im Rahmen der Erstausstattung bei Geburt (angemessene) höhere Kosten gehabt habe, die über den gewährten Pauschalbetrag hinausgingen. Wer sich darauf berufe, dass pauschalierte Leistungen nicht ausreichend seien, dem obliege es, darzulegen, welche höheren Aufwendungen er gehabt habe. Auf die Pauschalen anderer Landkreise komme es nicht an.

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Das SG hat die Klage mit Urteil vom 10. Juni 2014 abgewiesen. Zur Begründung - auf die im einzelnen Bezug genommen wird - hat das SG unter anderem ausgeführt, die zulässige Klage sei im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Anspruchsgrundlage sei § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 5, 6 SGB II. Der Klägerseite sei zuzugeben, dass es sich um eine Ermessensleistung handele, mit der Folge, dass bei einer nicht dem § 24 Abs. 3 Satz 6 SGB II entsprechenden Pauschalierung der Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet werden könnte. Jedoch genüge es bei einer Verpflichtungsklage nicht, lediglich einen Ermessensfehler festzustellen, wenn der Anspruch auf Neubescheidung zwischenzeitlich entfallen sei. So liege der Fall hier. Bei dieser Verpflichtungs- oder Bescheidungsklage sei maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Daraus folge, dass sich bei einer Erledigung des Bedarfs, etwa weil das Kind nun älter geworden sei und/oder der Leistungsempfänger den Bedarf selbst gedeckt habe, eine Neubescheidung nicht mehr in Betracht komme. Ein noch bestehender, mit der Pauschale nicht abgegoltener Bedarf sei nicht plausibel. Das Kind L. sei am 25. November 2011, vor über zwei Jahren, geboren. Der widersprüchliche Vortrag zu konkreten Kosten zeige, dass die Klägerseite den Bedarf vermutlich anderweitig und nicht zwingend aus der Regelleistung gedeckt habe. Käufer des Kinderwagens sei gemäß der Rechnung vom 21. September 2011 Herr F., der nach dem Vortrag der Klägerin nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören solle. Demnach könnten seine Ausgaben keinen Bedarf der Klägerin begründen. Die Klägerin habe auch nicht plausibel darlegen können, Ausgaben für ein Kinderbett und eine Wickelkommode gehabt zu haben oder sich diese noch anschaffen zu müssen. Die vorgelegten Belege bezögen sich auf den Kinderwagen, eindeutig nicht auf ein Bett oder eine Wickelkommode. Den gewährten Betrag in Höhe von 260 € halte die Kammer vor diesem Hintergrund im Ergebnis für ausreichend. Im Übrigen komme nur ein Erstattungsanspruch für angeschaffte Erstausstattung in Betracht. Insoweit erkläre sich die Zulässigkeit des Hilfsantrags. Allerdings fehle es insoweit am Nachweis höhere Ausgaben der Klägerin. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Aufhebung des Bewilligungsbescheides oder des Widerspruchsbescheides bestehe nicht. Es könne offenbleiben, ob die Richtlinie belastbar sei. Unerheblich sei somit ebenfalls der im Grundsatz zutreffende Ansatz der Klägerseite, die Richtlinie (auch) anhand der einzelnen Pauschalbeträge zu beurteilen.

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Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin vom 18. Juli 2014 hat der 8. Senat des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern die Berufung gegen das am 18. Juni 2014 zugestellte Urteil mit Beschluss vom 22. November 2017 zugelassen. Die Berufung ist nachfolgend nicht weiter begründet worden. Im Rahmen des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde hatte die Klägerin in der Sache vorgetragen, sie habe Nachweise vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass ein Kinderbett für 100 € und ein Kinderwagen für 120 € erworben worden seien. Sie hat ferner die Auffassung vertreten, es sei zu ermitteln, ob die Pauschalen auf Erfahrungswerten basierten und angemessen hoch seien.

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Die Klägerin beantragt:

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Das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 10. Juni 2014 wird aufgehoben. Der Beklagte wird unter Abänderung seines Bescheides vom 14. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2012 verurteilt, der Klägerin weitere 185,00 € für die Erstausstattung anlässlich der Geburt ihres Sohnes Leon-Joel zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt:

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Die Berufung wird zurückgewiesen.

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Die Anforderungen an die Bemessung von Pauschalbeträge nach § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB II a.F. bzw. § 24 Abs. 3 Satz 5 SGB II n.F. seien bereits mehrfach höchstrichterlich entschieden worden. Maßgebend sei danach zwar, ob die Pauschalen jeweils auf nachvollziehbaren Erfahrungswerten beruhten, jedoch habe das BSG bereits entschieden, dass der Anspruch nach § 23 Abs. 3 SGB II, wie alle Leistungen des SGB II, bedarfsbezogen zu verstehen sei (Hinweis auf Urteil vom 19. September 2008, B 14 AS 64/07 R - Rn. 19). Die Pauschalierung einmaliger Leistungen ändere nichts am Bedarfsdeckungsprinzip. Insbesondere führe die Gewährung von Pauschbeträgen nicht zu einer Verkürzung des Leistungsanspruchs gegenüber der Gewährung durch individuell bestimmten Geldleistungen oder Sachleistungen. Entscheidend sei, ob ein Bedarf für die Ausstattung bestehe, der nicht bereits durch Einrichtungsgegenstände gedeckt sei. Gelinge es einem Leistungsberechtigten nicht, seinen Bedarf mit der Pauschale zu decken, stehe es ihm frei, den ungedeckten Bedarf mit einer Leistungsklage geltend zu machen. Die Klägerin habe jedoch nicht darlegen können, welche Einrichtungs- und Bekleidungsstücke sie zu welchen Kosten angeschafft habe und somit auch keinen ungedeckten Bedarf belegen können.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist unbegründet.

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Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dabei ist es zutreffend von einem eigenständigen, von den übrigen Leistungen des SGB II abtrennbaren Streitgegenstand ausgegangen (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 2011, B 4 AS 202/10 R). Die Klägerin begehrt einen höheren Bedarf für die Erstausstattung anlässlich der Geburt ihres Sohnes. Die Höhe der der Klägerin und ihren Kindern als Bedarfsgemeinschaft bewilligten laufenden Leistungen nach dem SGB II sind daher nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

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Zutreffend macht die Klägerin ihr Begehren ferner in der Berufung in Form einer Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG und nicht mehr in Form eines Bescheidungsbegehrens nach § 54 Abs.1 Satz 1 SGG geltend.

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Gemäß § 24 Abs. 3 Satz 5 SGB II können die Leistungen für Bedarfe nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB II (Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt) als Sachleistungen oder Geldleistungen, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden. Die der Entscheidung des Beklagten zugrunde liegende verwaltungsinterne Richtlinie selbst und die dieser Richtlinie wiederum zugrundeliegenden Erwägungen, die zu den konkreten Pauschalen geführt haben, sind selbst nicht Gegenstand der gerichtlichen Prüfung. Der dem Beklagten bei der Ermittlung von Pauschalbeträgen für die Erstausstattung zukommende Beurteilungsspielraum führt nicht etwa dazu, dass die konkrete Höhe der der Klägerin gewährten Leistung gerichtlich nur eingeschränkt (auf Ermessensfehler hin) überprüfbar wäre. Insoweit kommt dem Beklagten ein Ermessensspielraum nicht zu. Insoweit dem Beklagten bei der Auswahl der Leistungsart (Sachleistung, Geldleistung für konkrete Anschaffungen oder pauschalierte Geldleistung) ein Ermessen zusteht, ergibt sich vorliegend schon deshalb nicht das Bedürfnis für ein Bescheidungsurteil, weil die Entscheidung des Beklagten, eine Geldpauschale zu gewähren, klägerseits gerade nicht angegriffen wird.

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Die Abweisung der Klage durch das SG erweist sich aber im Ergebnis als zutreffend.

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Der Bedarf für eine Erstausstattung bei Geburt nach § 24 Abs. 3 Nr. 2 SGB II ist bedarfsbezogen zu ermitteln. Eine Rechtswidrigkeit der Höhe der gewährten Pauschale kann sich mithin nur daraus ergeben, dass mit dieser Pauschale der konkrete Bedarf der Klägerin für die Erstausstattung ihres Neugeborenen nicht gedeckt werden konnte. Es ist somit zunächst zu prüfen, ob ein ungedeckter Bedarf vorgelegen hat. Hierzu bedarf es zunächst der Feststellung, welche Erstausstattungsgegenstände schon vorhanden waren bzw. mit der vom Beklagten bewilligten Leistung angeschafft wurden, ferner ob und welche Gegenstände ggf. dauerhaft bzw. zumindest für den Zeitraum des Bedarfs unentgeltlich von Dritten zugewendet wurden, womit der Bedarf anderweitig gedeckt worden wäre (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 2011, B 4 AS 202/10 R, Rn. 19, 23). Wird behauptet, dass Geld zur Anschaffung der Gegenstände darlehensweise von Dritten zugewendet wurde, muss zudem die Ernsthaftigkeit einer Rückzahlungsverpflichtung feststehen (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2010, B 14 AS 10/09 R, Rn. 27).

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Die Klägerin hat vorliegend trotz wiederholter Aufforderung weder dargelegt noch konnte von Amts wegen ermittelt werden, ob und welcher tatsächlicher Bedarf anlässlich der Geburt ihres Sohnes trotz der vom Beklagten bewilligten Leistungen nicht gedeckt werden konnte. Bei den von der Klägerin bei Antragstellung benannten Kleidungsstücken und Gegenständen handelt es sich lediglich um einen pauschalen „Wunschzettel", dem sich nicht entnehmen lässt, dass diese nicht mit der nachfolgend vom Beklagten bewilligten Leistung auch beschafft worden sind bzw. beschafft werden konnten. Die Klägerin trägt für das Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale für die begehrten weiteren Leistungen und den Hilfebedarf jedoch die objektive Beweislast; die Nichterweislichkeit geht zu Ihren Lasten (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 2009, B 14 AS 6/08 R, Rn. 19).

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Die Klägerin hat vom Beklagten zur Anschaffung einer Erstausstattung bei Geburt Leistungen in Höhe von insgesamt 260,00 € erhalten. Von Klägerseite wurde hierzu lediglich der Kauf eines Kinderwagens für 225 € durch den Kindesvater Herrn F. nachgewiesen, der ausweislich der vorgelegten Rechnung am 21. September 2011 eine Anzahlung in Höhe von 60 € und am 22. September 2011 eine Restzahlung von 165 € erbracht hat. Diese Zahlungen wurden auch durch entsprechende Kassenbons nachgewiesen. Von Klägerseite wird diesbezüglich lediglich ausgeführt, der Kinderwagen sei seinerzeit von Herrn F. abgeholt worden, weil die Klägerin bereits hochschwanger gewesen sei und sich darum nicht habe kümmern können. Somit wird von der Klägerin nicht einmal ein vom Kindesvater gewährtes Darlehen nebst entsprechender Rückzahlungsverpflichtung für die Anschaffung des Kinderwagens vorgetragen. Zutreffend hat bereits die erste Instanz diesbezüglich ausgeführt, dass die Ausgaben hinsichtlich des Kindesvaters keinen Bedarf der Klägerin begründen können. Im Gegenteil ist durch die vorgelegte Rechnung belegt, dass der Ausstattungsgegenstand Kinderwagen unabhängig von der Leistung des Beklagten zur Verfügung stand.

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Ebenso zutreffend wird in der erstinstanzlichen Entscheidung dargestellt, dass die Klägerin nicht hat plausibel darlegen können, Ausgaben für ein Kinderbett oder eine Wickelkommode gehabt zu haben. Die Belege in Form der Kassenbons beziehen sich eindeutig auf die Rechnung für den Kinderwagen und nicht auf ein Bett oder eine Wickelkommode. Hinsichtlich der Badewanne wird lediglich ein Lieferschein übergeben, der aber keine Zahlung durch die Klägerin nachweist. Die Klägerin ist bereits im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Zweifel am Nachweis höherer Kosten bestehen. Dennoch hat die Klägerin auch im Berufungsverfahren weder vorgetragen noch belegt, weitere Ausgaben für die Anschaffung von Erstausstattungsgegenständen getätigt zu haben. Ein von der Klägerin in der Berufung nunmehr zwar bezifferter, über die bereits gewährte Pauschale in Höhe von 260 € hinausgehender Bedarf in Höhe von 185 € ist somit weder dargelegt noch nachgewiesen; er erfolgt allein „ins Blaue“ hinein in Orientierung an andernorts gewährten Pauschbeträgen, kann jedoch nicht als konkreter Bedarf der Klägerin festgestellt werden.

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Der Senat hatte nicht der abstrakten Frage nachzugehen, ob die in der Richtlinie des Beklagten festgelegte Pauschale in Höhe von insgesamt 260 € im Allgemeinen ausreichend und angemessen ist. Es ist den Gerichten verwehrt, abstrakt und losgelöst von den geltend gemachten Aufwendungen im Einzelfall eine höhere Pauschale für die Säuglingserstausstattung festzulegen, vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10. Februar 2014 – L 7 AS 210/13 NZB –, Rn. 10, juris. Da die Klägerin weder ihren konkreten Bedarf dargelegt noch die Verwendung der bewilligten Leistungen belegt hat, kann nicht festgestellt werden, ob und für welche weitere Ausstattung ein Bedarf im oben genannten Sinne bestanden haben könnte (so auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. März 2013, L 5 AS 63/12).

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Soweit die Klägerin meint, sie hätte Anspruch auf eine ermessensfehlerfrei ermittelte Pauschale, verkennt sie die Struktur der gesetzlichen Regelung. Wie oben bereits ausgeführt hat der Grundsicherungsträger einen Ermessensspielraum nach § 24 Abs. 3 Satz 5 SGB II nur dahingehend, ob die Leistung für die Erstausstattung bei Geburt als Sachleistung oder als Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht wird. Über dieses Auswahlermessen hinaus hat der Beklagte aber kein Ermessen in Bezug auf die Leistungshöhe; vielmehr ist der dem Grundsicherungsträger zustehende Beurteilungsspielraum im Rahmen der Prüfung der Höhe der Pauschale im Einzelfall in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar (BSG, 13. April 2011, B 14 AS 53/10 R). Es ist hingegen nicht Aufgabe der Gerichte, anstelle der Behörde als Exekutive eine neue Pauschale zu ermitteln und für alle zukünftigen Fälle unabhängig von der konkreten Bedarfssituation im Einzelfall festzusetzen. Die pauschalierte Leistungsart hat für beide Seiten des Sozialrechtsverhältnisses einen unbestreitbaren Reiz. Der Grundsicherungsträger braucht nicht den Bedarf individuell in allen Einzelheiten zu prüfen und kann verwaltungsökonomisch in den meisten Fällen diese Leistungsangelegenheit durch die Gewährung einer Pauschale abschließen, die den Anforderungen nach § 24 Abs. 3 Satz 5 SGB II entspricht. Für die Leistungsempfänger bedeutet die Pauschale im wirtschaftlichen Ergebnis eine punktuelle Erhöhung der Regelleistung, die sie nach eigenen Dispositionen ohne Nachweisobliegenheiten gegebenenfalls sogar bedarfsfremd verwenden können, etwa wenn Gegenstände aus einer früheren Geburt noch vorhanden sind oder sonst, etwa im Bekanntenkreis günstiger beschafft werden können. Die Pauschalierung einmaliger Leistungen ändert jedoch nichts am Bedarfsdeckungsprinzip. Insbesondere führt die Gewährung von Pauschalbeträgen nicht zu einer Verkürzung des Leistungsanspruchs gegenüber der Gewährung durch individuell bestimmte Geldleistungen oder Sachleistungen. Gelingt es dem Leistungsempfänger mit der erhaltenen Pauschale nicht, den Bedarf auf Erstausstattung bei Geburt in vollem Umfang zu befriedigen, steht es ihm frei, den insoweit ungedeckten Bedarf mit einer Leistungsklage geltend zu machen. Dadurch, dass die Behörde eine pauschalierte Leistung ohne jeglichen Nachweis gewährt hat, wird der Leistungsempfänger jedoch nicht davon entbunden, für den darüber hinausgehenden Bedarf darlegungs- und beweispflichtig zu sein (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen Bremen, a. a. O.). Eine hinsichtlich dieser Fragestellung anhängig gewesene Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BSG mit Beschluss vom 23. Dezember 2013 als unzulässig verworfen (B 14 AS 171/13 B).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 Abs. 2 SGG.

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