Urteil vom Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (5. Senat) - L 5 U 27/16

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 8. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

2

Der 1956 geborene Kläger war am 13. März 2012 als Monteur bei Reparaturarbeiten an eine Asphaltmischanlage tätig. Als er eine ca. 50 kg schwere Metallplatte mit seinen Händen und seinem Kopf abstützte, vernahm er ein plötzliches Knacken und verspürte einen starken Schmerz in der Brustwirbelsäule (BWS). Er wurde notfallmäßig am gleichen Tage in das eingeliefert, wo er in der Zeit vom 13. bis 23. März 2012 stationär behandelt wurde. Die MRT- Untersuchung der BWS ergab eine Kompressionsfraktur des 4. Brustwirbelkörpers (BWK) sowie Wirbelkörperhöhenminderung im BWK 3, 4, 7 und 8. Der Kläger wurde am 16. März 2012 operiert, wobei die Abschnitte von TH 2/3 bis TH 5/6 mittels Fixateur interne stabilisiert wurden. Der Kläger wurde am 23. März 2012 in die Häuslichkeit entlassen. In der Zeit vom 4. April bis 2. Mai 2012 fand eine Anschlussheilbehandlung in der Rehabilitationsklinik „Moorbad“ B-Stadt statt. In der Zeit vom 11. Juni 2012 bis 6. Juli 2012 erfolgte eine Belastungserprobung nach dem sog. Hamburger Modell. Im Schreiben vom 9. Juli 2012 teilte der Durchgangsarzt Dr. V. mit, dass der Kläger ab dem 9. Juli 2012 arbeitsfähig sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage nach vorläufiger Schätzung über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus 20 v. H.. Für die Zeit seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit erhielt der Kläger Verletztengeld von der Beklagten.

3

Die Beklagte zog medizinische Unterlagen über den Kläger bei, so u. a. die Epikrise des Universitätsklinikums C-Stadt vom 23. März 2012, den Operationsbericht vom 16. März 2012 sowie den Bericht der Rehabilitationsklinik vom 5. Juni 2012.

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Sodann veranlasste sie eine Untersuchung des Klägers durch die Chirurgen M.- C. und Z.. Aufgrund einer ambulanten und röntgenologischen Untersuchung des Klägers vom 13. November 2012 führten diese Ärzte in ihrem Gutachten vom 22. November 2012 zusammengefasst aus, als Folgen des Unfalls des Klägers vom 13. März 2012 bestünden Bewegungseinschränkungen der BWS bei knöchern in mäßiger Keilform verheiltem Bruch des 4. BWK, eine Muskelreizerscheinung der paravertebralen Muskulatur der oberen BWS und noch einliegendes Osteosynthesematerial (Fixateur interne).

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Unfallunabhängig bestehe eine erhebliche Brustkyphose bei keilförmiger Verformung der 2. bis 8. BWK mit hieraus resultierender Brustkyphose sowie Verschleißumformungen mit Verknöcherungen zwischen den Wirbelkörpern der oberen BWS.

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Die unfallbedingte MdE werde mit dem Wert von 10 v. H. bewertet.

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In ihrem Gutachten führten diese Ärzte u. a. aus, die Röntgenaufnahmen (vom 21. März 2012 und 13. November 2012) demonstrierten eine keilförmige Veränderung vom 2. bis 8. BWK, wovon nach den vorliegenden Unterlagen nur der 4. frisch gebrochen sei. Zudem seien spannenartige knöcherne Veränderungen an der BWS ersichtlich. Die erhebliche Buckelbildung, die sich klinisch und röntgenologisch nicht nur auf den 4. BWK begrenze, sondern durch eine keilförmige Veränderung der umliegenden Wirbelkörper im gesamten bedingt sei und die Verknöcherungen an der BWS bewirkten zusammen das klinische Bild. Es sei davon auszugehen, dass eine erhebliche Brustkyphose mit Verknöcherung bereits vor dem Unfall bestanden habe. Um eine abschließende Beurteilung vornehmen zu können, werde um Übersendung aller bildgebenden Befunde gebeten.

8

Der beratende Arzt der Beklagten Dr. K. schloss sich der Beurteilung der Chirurgen M.-C. und Z. in deren Gutachten vom 22. November 2012 an.

9

Nachdem den Chirurgen M.-C. und Z. die Röntgenaufnahme der BWS vom 13. März 2012, die CT der BWS vom 13. März 2012 und die MRT-Untersuchung der Hals- und Brustwirbelsäule vom 14. März 2012 zur Verfügung gestellt worden waren, führten sie in ihrer Stellungnahme vom 28. Februar 2013 ergänzend aus, der Versicherte habe sich am 13. März 2012 einen Bruch des 4. BWK zugezogen. Anhand der vorliegenden MRT-Bilder lasse sich einwandfrei feststellen, dass ein Knochenödem, ein sog. Bone bruise, im 4. BWK einen Tag nach dem Unfallereignis vorhanden gewesen sei. Die CT-Aufnahmen, die am Unfalltag angefertigt worden seien, zeigten eine vorbestehende keilförmige Veränderung mit knöchern fest verheilten Deckplatteneinbrüchen. Es sei bereits vorbestehend eine deutliche Brustkyphose vorhanden gewesen. Der Bruch des 4. BWK mit geringer keilförmiger Veränderung habe nur noch einen geringen Anteil an der jetzt vorliegenden Brustkyphose. Eine isolierte Brustwirbelkörperfraktur mit geringer keilförmiger Veränderung führe nach den Erfahrungswerten in der Literatur zu einer MdE nach operativer Stabilisierung von 10 %. Die vorliegende unfallunabhängige vermehrte Brustkyphose sei bereits in ihrer vorläufigen Einschätzung nicht mit einberechnet worden. Es verbleibe bei der Einschätzung einer unfallbedingten MdE wie bereits im Gutachten vorgenommen.

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Mit Bescheid vom 9. April 2013 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 13. März 2012 als Arbeitsunfall an. Unfallfolge sei eine anteilmäßige Bewegungseinschränkung der BWS nach in mäßiger Keilform verheiltem Bruch des 4. BWK (bei liegendem Fremdmaterial) sowie Muskelreizerscheinung der zur oberen BWS gehörenden Muskulatur. Unfallunabhängig bestehe eine erhebliche Verschleißerscheinung mit keilförmiger Verformung des 2. bis 8. BWK mit hieraus resultierender Brustkyphose (sog. Buckelbildung) sowie Verschleißumformung mit Verknöcherungen zwischen den Wirbelkörpern der oberen BWS. Ihre Entscheidung beruhe auf dem Gutachten der Chirurgen Z. und M.-C.. Danach führe ein isolierter Brustwirbelkörperbruch mit geringer Keilbildung nach den in der Literatur bestehenden Erfahrungswerten zu einer MdE in Höhe von 10. Die erhebliche, unfallunabhängige Brustkyphose mit ihren anteilmäßigen Beeinträchtigungen sei dabei nicht zu berücksichtigen. Da die unfallbedingte MdE mit einem Wert von 10 nicht den rentenberechtigenden Wert von mindestens 20 erreiche, bestehe kein Anspruch auf Verletztenrente.

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Hiergegen legte der Kläger am 18. April 2013 Widerspruch ein. Zur Begründung bezog sich der Kläger auf die Auffassung des Dr. V., wonach die MdE 20 betrage.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der Mitteilung des Dr. V. handele es sich um eine vorläufige Schätzung der MdE, wobei nicht erkennbar sei, dass hierbei alle relevanten Befunde und Erkrankungen mitberücksichtigt worden seien. Das Gutachten des Chirurgen M.- C. berücksichtige auch die beim Kläger bestehenden unfallunabhängigen Erkrankungen im Bereich der BWS. Wegen der unfallunabhängigen Verschleißumformungen seien die Beschwerden des Klägers nur teilweise auf die Unfallfolgen zurückzuführen. Unter Hinweis auf die einschlägige Literatur komme der Chirurg M.-C. zu dem Ergebnis, dass die Unfallfolgen keine MdE von mindestens 20 bedingten. Dieser Auffassung schließe sich die Beklagte weiterhin an.

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Der Kläger hat am 2. September 2013 Klage beim Sozialgericht (SG) Rostock erhoben. Seiner Auffassung nach sei der Empfehlung des Dr. V. zu folgen, wonach die unfallbedingte MdE beim Kläger 20 v. H. betrage. Liege bei ihm eine solche MdE vor, sei auch ein Anspruch auf Verletztenrente gegeben.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2013 zu verurteilen, ihm aufgrund des Arbeitsunfalls vom 13. März 2012 eine Rente nach einer MdE von mindestens 20 % zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Bei der Angabe des Dr. V. handele es sich um eine vorläufige Schätzung des Behandlers zur MdE zum Zeitpunkt der Beendigung der Behandlung/Arbeitsunfähigkeit. Solche Hinweise seien als Vorschlag/Hinweis für den Unfallversicherungsträger zu verstehen, dass hier das Vorliegen einer möglicherweise rentenberechtigenden MdE geprüft werden sollte. Dementsprechend habe die Beklagte das unfallchirurgische Gutachten des Herrn M.-C. in Auftrag gegeben. Der Gutachter sei zu dem Ergebnis gelangt, dass als Unfallfolge eine isolierte Brustwirbelkörperfraktur mit geringer keilförmiger Veränderung vorliege, die nach der Literatur mit einer MdE von 10 zu bewerten sei.

19

Das SG hat den Befundbericht des Dr. V. vom 5. März 2014 eingeholt. Diese hat über Behandlungen des Klägers in der Zeit vom 4. April 2012 bis 11. März 2013 berichtet. Durch das Unfallereignis habe sich der Kläger eine sehr schwerwiegende Verletzung der Wirbelsäule zugezogen. Anhand der Unterlagen sei davon auszugehen, dass bei dem Unfall auch die angrenzenden Wirbelkörper zumindest angebrochen gewesen seien, sonst sei die Versteifung von drei Wirbelsäulensegmenten nicht erklärlich. Leider gehe dies aus der Epikrise des Klinikums C-Stadt nicht hervor. Die Versteifung mehrerer Segmente der Wirbelsäule habe zu einem erhöhten Schmerzempfinden bei dem Kläger geführt, des Weiteren seien mehrere Segmente versteift worden, was zu zusätzlichen Bewegungseinschränkungen und Problemen an den angrenzenden Wirbeln führe. Die von ihm erhobenen Befunde stimmten mit den im Gutachten vom 22. November 2012 niedergelegten Befunden überein. Seinerzeit habe er die MdE mit 15 eingeschätzt, was aufgrund der Beschwerden und der Fixierung von drei Wirbelsegmenten seiner Meinung nach gerechtfertigt sei. Die unfallbedingte MdE betrage auch weiterhin 15 v. H..

20

Das SG hat sich von der Beklagten die ihr vorliegenden Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen übersenden lassen und ein Vorerkrankungsverzeichnis über den Kläger von der A. (vom 14. Mai 2014) beigezogen.

21

Sodann hat es Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens des Dr. V.. In seinem auf einer ambulanten und röntgenologischen Untersuchung des Klägers vom 10. Juli 2014 beruhenden Gutachten vom 4. August 2014 hat dieser Sachverständige zusammengefasst ausgeführt, der Arbeitsunfall des Klägers vom 13. März 2012 habe bei diesem zu einem Deckplatteneinbruch des 4. Brustwirbels geführt. Dieser sei im Hinblick auf die Röntgenuntersuchung vom 10. Juli 2014 knöchern stabil unter Keilwirbelbildung ausgeheilt mit etwa hälftiger Höhenminderung der Wirbelkörpervorderkante. Die Verletzung sei operativ stabilisiert worden durch einen Fixateur interne vom 2. bis zum 6. BWK mit Pedikelschrauben im 2. und 3. sowie 5. und 6. Brustwirbel. Das Unfallereignis vom 13. März 2012 stelle die Ursache für die Schädigung des 4. Brustwirbels dar und sei auch der Anlass für die temporäre Versteifung vom 2. bis zum 6. Brustwirbel durch einen internen Fixateur.

22

Aufgrund der Verletzung des 4. Brustwirbels und der temporären Stabilisierung von vier Bandscheibensegmenten der oberen BWS bestehe eine segmentale Entfaltungsstörung der BWS, eine verstärkte Rundrückenbildung (Kyphosierung) sowie eine Bewegungseinschränkung im oberen Brustwirbelsäulenanteil. Zusätzlich seien paravertebrale Muskelverspannungen gegeben, eine Klopfschmerzhaftigkeit und Gefühlsstörung der Haut rechtsseitig und linksseitig der Operationsnarbe.

23

Entsprechend der aktuellen Literatur (u. a. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl.) würden Wirbelbrüche grundsätzlich bewertet nach dem Verletzungsartenprinzip nach Erdmann und Mehrtens. Vorliegend handele es sich um einen Wirbelbruch mit Brandschadenbeteiligung aufgrund der Deckplattenimpression und der Höhenminderung des Zwischenraumes zwischen 3. und 4. Brustwirbel. Dieser sei einzuordnen in die Fallgruppe I eines stabil ausgeheilten Wirbelbruches im vorliegenden Fall bei Zustand nach operativer Stabilisierung. Ein statisch wirksamen Achsenknick sei nachweisbar. Es sei durch die hälftige zentrale Höhenminderung des Wirbelkörpers insgesamt ein Kyphosewinkel von 25° gemessen worden. Hiervon sei die physiologische Kyphosierung der oberen BWS korrigierend abzuziehen, sodass insgesamt eine unfallbedingte Verstärkung der Kyphose von unter 20° verbleibe. Derartig stabil verheilte Wirbelkörperbrüche mit Bandscheibenbeteiligung und statisch wirksamem Achsenknick würden mit einer MdE von 10 bis 20 bewertet. Bei einem Achsenknick von unter 20° werde eine Bewertung mit einer MdE von 10 empfohlen, bei einem Achsenknick von mehr als 20° eine MdE von 20.

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Das Verletzungsartenprinzip könne korreliert werden mit dem Segmentprinzip. Hierdurch könnten Verletzungen an der Wirbelsäule weiter differenziert werden. Entsprechend seiner funktionellen Bewertung habe jedes Bandscheibensegment der gesamten Wirbelsäule einen Segmentwert. Für das geschädigte Segment zwischen 3. und 4. Brustwirbel sei ein Segmentwert von 2,2 % entsprechend einem Bewegungsausmaß von 14° angegeben. Bei segmentaler Ankylose oder Hypomobilität sei dieser Wert zu verdreifachen. Dementsprechend ergebe sich für das Segment zwischen 3. und 4. Brustwirbel ein verdreifachter Segmentwert von 6,6 %. Aufgrund der temporären Ruhigstellung des darunterliegenden Bandscheibensegmentes zwischen 2. und 3. Brustwirbel sowie der zwei darüber liegenden Bandscheibensegmente zwischen 4. und 5. sowie 5. und 6. Brustwirbel seien hier zusätzlich die einfachen Segmentwerte bis zur Entfernung der Instrumentation zusätzlich zu berücksichtigen, da auch hier die Bewegungsfähigkeit in den Segmenten durch den internen Fixateur zeitweilig aufgehoben sei. Dementsprechend seien die Segmentwerte für TH 2/3 (2,2 %), TH 4/5 (2,2 %) und TH 5/6 (2,2 %) zusätzlich zu addieren. Insgesamt ergebe sich nach dem Segmentprinzip eine rechnerisch zu ermittelnde MdE von 13,2 %. In der Zusammenschau des Verletzungsartenprinzips in Korrelation mit dem Segmentprinzip sei eine MdE von 10 begründet.

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Hinsichtlich des Gutachtens des Chirurgen M.-C. vom 22. November 2012 werde der Beurteilung der Unfallfolgen und auch der vorgenommenen MdE-Einschätzung mit 10 zugestimmt.

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Wie bereits ausgeführt müsse korrekterweise von der gegenwärtig messtechnisch zu ermittelnden Brustkyphosierung von 25° die physiologische Kyphose der oberen BWS und zusätzlich die individuell vorbestehende Kyphosierung der BWS durch bestehende ventrale Höhenminderung von mehreren Wirbelkörpern im Bereich der oberen und mittleren BWS abgezogen werden, sodass insgesamt nur eine Kyphosierung von unter 20° als Unfallfolge angerechnet werden könne. Somit entspreche die MdE-Einschätzung, die der Chirurg M.-C. getroffen habe, auch der jetzigen MdE-Einschätzung nach dem Verletzungsartenprinzip und dem Segmentprinzip, auch unter Berücksichtigung der operativ herbeigeführten Stilllegung des darüber liegenden Bewegungssegmentes und der zwei darunter liegenden Bewegungssegmente der BWS. In der ergänzenden Stellungnahme vom 28. Februar 2013 weise der Chirurg M.-C. nochmals auf eine erhebliche vorbestehende Brustkyphose mit Verknöcherung zwischen den einzelnen Wirbelkörpern bereits vor dem Unfall hin. Die von ihm ergänzend bewerteten Aufnahmen zeigten die vorbestehenden Veränderungen im Bereich der BWS. Die Wirbelkörper 3, 4, 7 bis 9 zeigten keilförmige Veränderungen. Dementsprechend werde nach Vorlage der Röntgenbilder die MdE mit 10 bestätigt. Die unfallunabhängig vermehrte Brustkyphose sei bereits bei der vorläufigen Einschätzung mit einberechnet worden.

27

In seinem Befundbericht (vom 5. März 2014) gebe Dr. V. an, dass die von Herrn M.-C. im Gutachten erhobenen Befunde mit den von ihm erhobenen Befunden übereinstimmten. Dr. V. halte eine MdE von 15 für angemessen. Dem sei entgegenzuhalten, dass auch nach Berechnung nach dem Segmentprinzip nur ein Wert von unter 15 % für die MdE-Berechnung ermittelt werden könne. Korreliere man dieses mit dem Verletzungsartenprinzip, bleibe es bei der Bewertung von 10 %.

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Der Kläger hält die vorgenommene Bewertung der MdE durch den Sachverständigen Dr. V. für widersprüchlich. Zunächst bewerte er die MdE mit 13,2 % und beziffere sie dann ohne nachvollziehbare Begründung lediglich mit 10 %. Auch die Ausführungen des Sachverständigen zur Bildung der MdE erschienen problematisch, sodass beantragt werde, Dr. V. zu dem vom Gericht anzuberaumenden Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden.

29

Durch Urteil vom 8. Januar 2016 hat das SG Rostock die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es ausgeführt, die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und beschwerten den Kläger nicht. Dieser habe keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen seines Unfalles vom 13. März 2012, da seine Erwerbsfähigkeit infolge dieses Arbeitsunfalls nicht gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII über die 26. Woche hinaus um mindestens 20 v. H. gemindert sei. Das Gericht stützte sich hierbei auf das Gutachten des Dr. V., das auf der Grundlage des aktuellen traumatologisch/orthopädischen Erkenntnisstandes und den MdE-Erfahrungswerten plausibel begründet sei und überzeuge. Danach sei die Fraktur des 4. BWK knöchern stabil ausgeheilt. Eine Höhenminderung des Zwischenraumes zwischen dem 3. und dem 4. Brustwirbelkörper um die Hälfte sei verblieben und es liege eine Keilwirbelbildung mit einem Kyphosewinkel von 25° vor. Daneben bestehe auch nach Mitteilung von Dr. V. eine unfallvorbestehende erhebliche Brustkyphose durch keilförmige Veränderungen der Wirbelkörper 3, 4 und 7 bis 9. Den unfallbedingten Anteil der Brustkyphosierung bewerte der Sachverständige abzüglich der vorbestehenden Kyphosierung mit unter 20°. Hierfür sähen die MdE-Erfahrungswerte eine MdE von 10 % bzw. 10 % bis 20 % vor (Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 442). Für seine Bewertung von 10 % im Fall des Klägers habe der Sachverständige zusätzlich die MdE-Berechnung nach dem Segmentprinzip vorgenommen und nachvollziehbar erläutert. In dem Standardwerk zu Arbeitsunfällen von Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO, Seite 443 sei die Berechnungsweise ebenfalls verständlich dargestellt. Der Sachverständige habe danach die MdE rechnerisch mit 13,2 % bestimmt. Dies begründe einen Rentenanspruch ebenfalls nicht. Gründe, von der Bewertung des Sachverständigen abzuweichen, lägen zur Überzeugung des Gerichts nicht vor. Insofern fehle in der vorläufigen Einschätzung von Dr. V. vom 9. Juli 2012 die erforderliche Differenzierung zwischen den Unfallfolgen und der vorbestehenden Brustkyphose. Seiner Einschätzung, dass bei dem Unfall vermutlich auch die angrenzenden Wirbelkörper angebrochen gewesen seien, folge das Gericht nicht. Zum einen reichten Vermutungen für die Feststellung von Unfallfolgen nicht aus, vielmehr müssten sie mit Vollbeweis nachgewiesen werden. Zum anderen werde seine Vermutung weder durch das Beweisergebnis noch durch das im Verwaltungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten bestätigt. Schließlich hätten zur Überzeugung des Gerichts andernfalls die Ärzte des Universitätsklinikums C-Stadt diese Unfallfolgen mitgeteilt, wenn sie bestanden hätten. Unabhängig davon schätze Dr. V. in der für das Gericht erstellten Stellungnahme die unfallbedingte MdE ebenfalls nur mit 15 % ein, mithin in nicht rentenberechtigender Höhe. Eine Entscheidung des Gerichts darüber, ob die unfallbedingte MdE richtig mit 10 %, 13,2 % oder 15 % zu bewerten sei, sei nicht erforderlich, da die MdE-Bewertungen unterhalb von 20 % zugunsten der Versicherten nicht durch Bescheid oder Urteil festzustellen seien. Der Beweisanregung des Klägers im Schriftsatz vom 9. September 2014 zur Ladung von Dr. V. zum Termin zur mündlichen Verhandlung habe nicht gefolgt werden müssen, da der Sachverständige seine MdE- Bewertung plausibel und nachvollziehbar schriftlich erläutert habe und der Kläger ausreichend Gelegenheit für eine Stellungnahme gehabt habe.

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Gegen das am 8. März 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. April 2016 Berufung eingelegt. Der Sachverständige Dr. V. sei in seinem Gutachten vom 4. August 2014 aus Sicht des klägerischen Prozessbevollmächtigten zu teilweise nicht nachvollziehbaren Einschätzungen gelangt. Hierzu sei im Schriftsatz vom 9. September 2014 entsprechend vorgetragen worden, gleichzeitig sei beantragt worden, den Sachverständigen zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden. Da die mündliche Verhandlung am 28. Oktober 2015 (richtig: 8. Januar 2016) durchgeführt worden sei, ohne dass der Sachverständige geladen worden sei, sei schon deshalb das Urteil des SG Rostock fehlerhaft. Insoweit werde auf den Beschluss des BGH vom 30. Oktober 2013 zum Aktenzeichen IV ZR 307/12 verwiesen.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 8. Januar 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 9. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2013 zu verurteilen, ihm wegen der gesundheitlichen Folgen seines anerkannten Arbeitsunfalls vom 13. März 2012 eine Verletztenteilrente nach einer MdE von mindestens 20 ab dem 9. Juli 2012 zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

35

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Eine vom Kläger gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs sei für sie nicht erkennbar. Da die Bewertung der MdE durch den Gerichtssachverständigen sowohl nach dem Verletzungsartenprinzip als auch nach dem Segmentprinzip unter der relevanten Entschädigungsgrenze einer MdE von 20 liege, komme es nicht darauf an, ob die MdE nur mit 10 % oder mit 13,2 % zu bewerten sei.

36

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das orthopädische Gutachten des Dr. C. vom 9. März 2017 eingeholt. Auf der Grundlage einer ambulanten und röntgenologischen Untersuchung des Klägers vom 9. März 2017 hat Dr. C. zusammengefasst ausgeführt, unfallbedingt bestehe beim Kläger ein Zustand nach traumatischer Wirbelfraktur des 4. BWK (Kyphosewinkel TH 4 über 20°) mit interner Fixation und damit persistierender Überbrückung (entsprechend einer Ankylosierung) der Segmente TH 2 bis TH 6 und muskulären Folgestörungen kompensatorischer Genese. Unfallunabhängig bestünden ältere Wirbeldeformierungen bei TH 3, 7 und 8. Weiter lägen degenerative Veränderungen der BWS-Segmente TH 7 bis TH 11 vor.

37

Bei Verletzungen der BWS und der Lendenwirbelsäule, die operativ versorgt werden müssten, verbleibe bei anatomischer Ausheilung und komplikationslosem Verlauf eine MdE von 10 bis 20. Die Gutachtenliteratur verzeichne nach Wirbelbrüchen die Schweregradeinteilung nach Krämer und anderen: Der Schweregrad I umfasse Dorn- und Querfortsatzbrüche sowie Kompressionsfrakturen ohne Achsabweichung und ohne funktionsbeeinträchtigende Folgen.

38

Zum Schweregrad II gehörten Wirbelfrakturen mit Achsabweichungen bis zu 15° in der Frontal- bzw. Sagittalebene mit Muskelinsuffizienzerscheinungen und statischen Störungen. Operativ versorgte Wirbelsäulenfrakturen hätten auch Operationsfolgen. Wenn der Wirbelbruch eine deutliche Achsabweichung (über 15°) hinterlassen habe, seien auch entsprechend mehrfunktionelle Störungen zu erwarten. Dementsprechend sei ein Schweregrad III (MdE bis 30 %) einzuschätzen.

39

Dem Schweregrad IV entsprächen Wirbelbrüche, die eine posttraumatische Instabilität hinterließen.

40

Die Schweregrade V und VI gingen mit neurologischen Ausfallserscheinungen einher.

41

Eine Einschätzung der Folgen einer Wirbelfraktur nach dem Segmentprinzip gäben Wimmer und andere. Dieses Prinzip ordnet jedem Segment der Wirbelsäule ein Bewegungsausmaß in Grad und damit einen prozentualen Anteil an der Gesamtfunktion der Wirbelsäule zu. Der prozentuale Anteil sei bei stabil verheilten Frakturen einfach, bei leichten Instabilitäten mit Wirbelverschiebung vierfach, bei schweren Segmentinstabilitäten sechsfach, bei Hypomobilitäten und Ankylosen dreifach zu bewerten.

42

Bei gutachterlicher Einschätzung müssten indirekte Verletzungsfolgen in den Nachbarsegmenten mit berücksichtigt werden.

43

Vorbestehende Funktionseinschränkungen oder degenerative Veränderungen müssten in ihrem Einfluss auf die Gesamtfunktion mindernd berücksichtigt werden.

44

Die Verletzungsfolgen des Klägers seien nach den oben angegebenen Beurteilungskriterien in den Schweregrad III nach Krämer einzuordnen.

45

Nach dem Segmentprinzip bestehe für die mit Fixateur interne von TH 2 bis TH 6 eine Unbeweglichkeit (entsprechend einer Ankylose) über vier Segmente. Diesen Segmenten sei jeweils ein prozentualer Anteil der Wirbelsäulenfunktion von 2,2 % zuzuordnen, der bei Ankylose dreifach anzurechnen sei. Damit ergebe sich rechnerisch ein Funktionsverlust der Wirbelsäule des Klägers von 26,4 % (4 x 6,6 %).

46

Die beim Kläger nachzuweisenden vorbestehenden degenerativen Veränderungen der BWS beträfen die Segmente TH 7 bis TH 11. Sie kämen daher für den Schädigungsbereich TH 2 bis TH 6 nicht als mitwirkende Leiden bei der Bewertung der Unfallfolgen in Betracht.

47

Ab dem Eintritt der Arbeitsfähigkeit am 9. Juli 2012 betrage die unfallbedingte MdE des Klägers 25 v. H..

48

Die Vorgutachter M.-C. und Z. erhöben klinische Befunde, die auch heute noch bestünden. Messungen der Kyphose oder des verformten 4. Brustwirbels würden nicht vorgenommen. Sie schätzten nur die ventrale Höhenminderung des 4. Brustwirbels. In der Interpretation der radiologischen Befunde bezögen sie jedoch die Gesamtkyphose der BWS auf die degenerativen und Vorveränderungen und die klinischen Funktionseinschränkungen auf die nicht unfallverletzten Brustwirbel. Ohne Zweifel habe auch vor dem Unfallereignis bei dem Kläger bereits eine verstärkte Brustkyphose mit Bewegungseinschränkungen vorgelegen. Diese werde jedoch messbar für den Wirbel TH 4 (über 20°) durch die Fraktur verstärkt. Auch die vorbestehende Bewegungseinschränkung müsse durch eine Versteifung von vier Brustwirbelsäulensegmenten verstärkt worden sein. Die Vorgutachter ordneten die Verletzung des Klägers nicht einem Schweregrad zu und sie nähmen keine Funktionseinschätzung nach dem Segmentprinzip vor. Sie schätzten eine unfallbedingte MdE ein, wie es nach der Literatur bereits für eine folgenlos ausgeheilte Wirbelfraktur zu erwarten sei. Diese Einschätzung sei nicht nachvollziehbar, ihr könne nicht gefolgt werden.

49

Dr. V. bewerte die unfallbedingte MdE des Klägers mit 15, ohne diese zu begründen. Dieser Einschätzung könne aus aktueller Sicht nicht gefolgt werden.

50

Die durch Dr. V. klinisch erhobenen Befunde stimmten insbesondere für die BWS bezüglich der inspektorisch zu beschreibenden Form, dem messbaren Bewegungsausmaß und dem muskulären Situs mit den aktuellen Befunden überein. Aufgrund der von Dr. V. veranlassten Röntgenaufnahmen werde von ihm die keilförmige Deformierung des strukturierten 4. Wirbels mit einem Kyphosewinkel von 25° gemessen. Diese Formveränderung des 4. Brustwirbels gehe jedoch in seine als unfallbedingt gestellte Diagnose nicht ein. Dr. V. gehe von einer „temporären“ Versteifung vom 2. bis zum 6. Brustwirbel aus. Er begründe nachvollziehbar eine verstärkte Brustwirbelsäulenkyphose und Bewegungseinschränkungen im oberen Brustwirbelsäulenbereich. In der Bewertung der unfallbedingten MdE berufe sich Dr. V. auf die von ihm angegebene Literatur (Verletzungsartenprinzip nach Erdmann und Mehrtens). Die Schweregradeinteilung nach Krämer und anderen verwende er nicht. Auch wenn er hinsichtlich des 4. BWK einen Kyphosewinkel von 25° gemessen habe, ziehe er von diesem eine „physiologische Kyphosierung der oberen BWS“ ab und komme damit auf einen Kyphosewinkel unter 20°. Dieser Rechnungsvorgang sei nicht nachvollziehbar. Ein einzelner Wirbelkörper habe keine Kyphose, Deckplatte und Grundplatte eines Wirbelkörpers verliefen in der BWS nahezu parallel. Die Kyphose der Gesamtbrustwirbelsäule entstehe durch die statische Einstellung der Wirbelsegmente. Bei einer ventralen Höhenminderung könne demzufolge keine physiologische Kyphosierung abgezogen werden. Damit läge die Berechnung des Dr. V. über 20° und würde nach seiner Darstellung eine MdE von 20 % rechtfertigen.

51

Auch wenn Dr. V. das Segmentprinzip nach Weber und anderen zur Anwendung bringe, sehe Dr. V. beim Kläger allerdings nur ein Segment ankylotisch versteift, da er den Fixateur als temporäres Instrument betrachte und davon ausgehe, dass dieser wieder entfernt werde. Für diesen Fall möge seine Berechnung nach dem Segmentprinzip korrekt sein. Beim Kläger sei jedoch weiterhin der Fixateur interne an seiner BWS angebracht. Damit hätte auch Dr. V. von vier unbeweglichen Segmenten ausgehen und zu einem anderen Berechnungsergebnis kommen müssen. Der MdE-Einschätzung durch Dr. V. könne daher nicht gefolgt werden.

52

Dem Gutachten des Dr. C. ist die Beklagte mit dem Bemerken entgegengetreten, dass Zweifel bestünden, inwieweit die aktuelle relevante medizinische Fachliteratur für die gutachterliche Beurteilung herangezogen worden sei. Sie verweise auf die beratungsärztliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. K. vom 19. Juni 2017, die sie zu den Gerichtsakten reiche. In dieser beratungsärztlichen Stellungnahme heißt es, dass das von Dr. C. in seinem Gutachten beschriebene Segmentprinzip ausschließlich auf radiologischen und biomechanischen Kriterien aufbaue. Wegen der Nichtberücksichtigung klinischer Auswirkungen und Untersuchungsverfahren, mit denen die theoretischen Einschränkungen reproduziert und objektiviert werden könnten, und auch weil das Segmentprinzip „kaum wirklich handhabbar“ sei, werde es kritisiert. Zudem ergäben sich in der praktischen Anwendung häufig MdE-Werte, die einer realistischen Überprüfung nicht standhielten (Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., Seite 467 bis 469).

53

Soweit sich Dr. C. auf die nach Krämer vorgenommene Einteilung beziehe, wonach für einen Wirbelbruch mit einer Achsabweichung von mehr als 15° eine MdE von 20 bis 30 % vorgeschlagen werde, sei festzustellen, dass dazu in der relevanten Gutachtenliteratur kein Konsens bestehe. In Schönberger u. a., 8. Aufl., werde noch ein Achsenknick von 15 bis 20° für eine MdE von 20 für erforderlich gehalten. In der aktuellen 9. Aufl. dieses Werkes würden bereits 25° Achsenknick ausgewiesen. T., S., G. sähen in der aktuellen Auflage ihres Werkes zur Begutachtung einen Achsenknick von mehr als 20° für erforderlich, um eine entsprechende statische Wirksamkeit zu entfalten.

54

Er (Dr. K.) habe die ihm vorliegenden geeigneten computertomografischen Aufnahmen bezüglich des Kyphosewinkels nach Unfall und nach operativer Versorgung exakt beurteilt, vermessen und dokumentiert. Der unfallbedingt geschädigte 4. BWK habe nach dem Unfall einen Kyphosewinkel von 9,2° im CT (exakt so viel wie der nicht durch das Ereignis geschädigte darunterliegende 3. BWK). Nach operativer Versorgung und Reposition messe man einen Kyphosewinkel von nur noch 3,9°. Die weniger exakte Bestimmung des Kyphosewinkels in den aktuellen nativ radiologischen Aufnahmen der BWS vom 9. März 2017 betrage entsprechend beigefügter Dokumentation 6,2°. Zusammenfassend sei damit eine unfallbedingte Verstärkung der vorbestehenden Kyphose bzw. eine verbliebene unfallbedingte Formveränderung nicht wahrscheinlich. Eine erneute Diskussion der fälschlicherweise erhobenen Daten der Vorgutachter sei somit hinfällig. Die MdE sei durch die bisher nicht entfernte operative Versteifung der Bewegungssegmente BWK 2 bis 6 und der in den Gutachten weitestgehend homogen beschriebenen klinischen Symptomatik mit 10 v. H. korrekt und schlüssig eingeschätzt. Der beratungsärztlichen Stellungnahme ist eine vergleichende Kyphosemessung der BWK 2 bis BWK 6 präoperativ (CT vom 13. März 2012) und postoperativ (CT vom 20. März 2012) beigefügt gewesen.

55

Zu dem Gutachten des Dr. C. vom 9. März 2017 und der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. K. vom 19. Juni 2017 hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme des erstinstanzlichen Sachverständigen Dr. V. eingeholt. In seiner Stellungnahme vom 5. Juli 2017 hat Dr. V. u. a. ausgeführt, die Feststellung des Dr. C. in seinem Gutachten vom 9. März 2017 mit einem von ihm gemessenen Kyphosewinkel von mehr als 20° sei nicht begründbar anhand der vorliegenden Röntgenaufnahmen, welche durch ihn (Dr. V.) im Rahmen der Begutachtung angefertigt worden seien. Es würden diese Werte zweifelsfrei zusätzlich widerlegt durch die CT-Messung des Dr. K. (Stellungnahme vom 19. Juni 2017). Er habe bei seiner Einschätzung das Verletzungsartenprinzip nach Erdmann und Mehrtens dem Segmentprinzip nach Weber und Wimmer gegenübergestellt. Auch in der aktuellen 9. Aufl. von Schönberger u. a. werde als maßgebliches Kriterium für die Einschätzung der MdE nach Wirbelsäulenverletzung das Einteilungsprinzip nach Erdmann aufgeführt, da dem Segmentprinzip entgegen zu halten sei, dass die klinischen Auswirkungen nach Wirbelkörperverletzungen nicht hinreichend Berücksichtigung fänden. Nach dem Einteilungsprinzip nach Erdmann werde ein stabil verheilter Wirbelbruch mit keiner oder nur geringer Fehlstatik (Keilwirbel geringer als 10°), ggf. Höhenminderung der angrenzenden Bandscheibe ohne wesentliche segmentbezogene Funktionsstörung mit einer MdE von unter 10 bewertet. Der stabil verheilte Wirbelbruch mit leichtem Achsenknickkeilwirbel von 10°, ggf. Höhenminderung der angrenzenden Bandscheibe mit mäßiger segmentbezogener Funktionsstörung werde mit einer MdE von 10 bewertet. Eine MdE-Bewertung mit 20 sei erst beim stabil verheiltem Wirbelbruch mit statisch wirksamem Achsenknick (Keilwirbel größer 25°) möglich mit zusätzlicher Höhenminderung angrenzender Bandscheiben, deutlich segmentbezogener Funktionsstörung oder bei verheiltem Wirbelbruch mit verbliebener segmentaler Instabilität. Eine MdE-Bewertung von 20 % sei bei Versteifung von zwei Segmenten nur dann möglich, wenn die Lendenwirbelsäule (LWS) einschließlich BWK 12/LWK 1 oder die Halswirbelsäule (HWS) davon betroffen sei. Die Versteifung von Brustwirbelsäulensegmenten wirkten sich nach Schönberger u. a. geringer aus. Dementsprechend treffe die Bewertung mit einer MdE von 20 hierfür nicht zu. MdE-Bewertungen von über 20 % seien erst bei verheiltem Wirbelbruch mit statisch-wirksamen Achsenknick, Keilwirbel über 25° und verbliebener segmentaler Instabilität möglich. Zweifelsfrei unstrittig sei, dass es sich vorliegend um einen stabil verheilten Wirbelbruch des 4. Brustwirbels beim Kläger handele, dass der statisch wirksame Achsenknick, welche alleinig aus der Keilwirbelbildung des 4. Brustwirbels resultiere, deutlich unter 20° anzusetzen sei und Zeichen einer Instabilität im Segment und den angrenzenden Segmenten nicht nachweisbar seien. Somit komme nur eine MdE-Bewertung von unter 20 % infrage. Auch die Versteifung durch die Spondylodese von mehreren Segmenten wirke sich in der BWS nach Schönberger u. a. nicht erhöhend aus. Für den Zustand nach operativer Versorgung wiesen Schönberger u. a. in der aktuellen 9. Aufl. noch darauf hin, dass die typische operative Versorgung bei einer kompletten Berstungsfraktur in einer bisegmentalen Spondylodese dorsalseitig und einer monosegmentalen ventralen transthorakalen oder retroperitonalen Spanspondylodese bestehe, die bedarfsweise noch mit winkelstabilen Platten abgestützt werde. Im vorliegenden Fall sei lediglich die Implantation eines dorsalen Fixateurs von TH 2 bis TH 6 erfolgt. Aufgrund des isolierten Deckplatteneinbruchs des 4. Brustwirbels sei keine Stabilisierung von ventral erfolgt. Dementsprechend entfalle auch der Hinweis von Schönberger u. a. im Hinblick auf die operative Versorgung, dass solange das Osteosynthesematerial einliege, übermäßige Wirbelsäulenbelastungen aus präventiven Gründen vermieden werden sollten, um das Risiko von Ermüdungsbrüchen des Materials nicht zu erhöhen und dass innerhalb dieses Zeitraums eine MdE von 20 begründet sei. Im vorliegenden Fall zeige sich ein knöchern stabil ausgeheilter Wirbelbruch des 4. Brustwirbels mit Deckplattenimpression und verbliebener Keilwirbelbildung. Eine ventrale Spondylodese sei hierbei nicht erfolgt. Auch wenn der Fixateur noch einliege, sei aber eine besondere Schonung aufgrund des Ausheilungsergebnisses des Deckplatteneinbruchs und aufgrund der Lokalisation des 4. Brustwirbels nicht erforderlich und somit die erhöhte Bewertung der MdE nicht begründet. Aus seiner Sicht seien die Ausführungen des Dr. C. nicht geeignet, eine MdE von 25 % zu begründen. Er schließe sich vielmehr den Ausführungen des Dr. K. an, dass die unfallbedingte MdE beim Kläger vorliegend mit 10 % zu bewerten sei.

56

Nach Hinweis des Senats auf das Werk von Schönberger/Mehrten/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., Seite 467 hat sich Dr. V. in seiner weiteren Stellungnahme vom 4. Januar 2019 ergänzend u. a. wie folgt geäußert: Kriterien für das Einschätzen der MdE nach Wirbelsäulenverletzungen seien folgende Aspekte: Stabile oder instabile Ausheilung, Ankylose oder Instabilität des Bewegungssegments: Je tiefer das betroffene Segment, desto stärker wirkten sie sich aus, da weniger Bewegungssegmente dieses kompensierten; Achsabweichung: erheblich sei ein Knickwinkel von 25 bis 30°; ungenügende Wiederertüchtigung der Wirbelsäulenhaltemuskulatur und die Beurteilung nach Frakturtyp, funktionelle Ausheilung, Veränderung der Statik sowie unterschiedlichen Graden der Bandscheibenbeteiligung gemäß der Empfehlungen nach Erdmann unter Berücksichtigung der Ergebnisse operativer Behandlung von Wirbelsäulenverletzungen. Bezüglich des Ausheilungsergebnisses handele es sich im vorliegenden Fall um einen stabil verheilten Wirbelkörperbruch mit leichtem Achsenknick und geringer ventraler Höhenminderung. Dementsprechend wäre nach der Beurteilung entsprechend des Ausheilungsergebnisses eine MdE von 10 % angemessen. Im vorliegenden Fall sei aufgrund einer isolierten Wirbelkörperverletzung eine Stabilisierung vom 2. bis zum 6. Brustwirbel gewählt worden. Der geschädigte Wirbelkörper sei der 4. Brustwirbel mit dem angrenzenden Bandscheibenrahmen zwischen 3. und 4. sowie 4. und 5. Brustwirbel. Wende man den Hinweis auf Schönberger u. a., 9. Aufl., Seite 467, 1. Absatz „Werden aus Gründen der Stabilität bei einer einzigen Fraktur mehr als zwei Segmente in die Fusions-/Stabilisierungsstrecke mit einbezogen, sollte in diesem Fall ebenfalls pro Segment ein Zuschlag von 5 % vorgesehen werden. Ansonsten begründen reizlos einliegende Implantate als solche keine höhere Einschätzung“ streng an, sei es korrekt, dass 2 × 5 % Erhöhung gerechtfertigt seien. Allerdings träfen Schönberger u. a. keine Aussage, ob die Erhöhung um 5 % in allen Bereichen der Wirbelsäule, ungeachtet der hier gegebenen Funktionsamplituden in gleicher Weise zu berücksichtigen sei. So zeigten sich im betroffenen Bereich vom 2. bis zum 6. Brustwirbel die geringsten Bewegungsausmaße von nur 14° in den einzelnen Segmenten, während die Bewegungsamplituden im Bereich der HWS, im thorakolumbalen Übergang und im Bereich der LWS deutlich höher seien. Dementsprechend habe er in seinem Gutachten vom 4. August 2014 auch die Berechnung nach dem Segmentprinzip vorgesehen, welches eine rechnerisch so ermittelte MdE von 13,2 % ergeben habe.

57

In der Zusammenschau mit der Einschätzung nach dem Verletzungsartenprinzip halte er nach wie vor eine MdE von 10 für begründet. Dementsprechend sei rein nominell eine Bewertung des stabil verheilten Wirbelbruches im Bereich der oberen BWS mit einer MdE von 10 begründet und eine zusätzliche Erhöhung der MdE um zweimal 5 % möglich aufgrund des Hinweises von Schönberger u. a., welche aber nicht differenziere, welche funktionelle Bedeutung die einzelnen Bewegungssegmente der Wirbelsäule hätten. Dem entgegen stehe, dass auch Schönberger u. a. mehrmals darauf hinwiesen, dass die rein rechnerisch ermittelten Werte immer mit der funktionellen Beeinträchtigung korreliert werden müssten. Hier werde insbesondere auf die Statik der Wirbelsäule sowie mögliche Instabilitäten hingewiesen und außerdem eine differenzierte Bewertung der einzelnen Bewegungssegmente der Wirbelsäule gefordert entsprechend ihres Anteils an der Gesamtbeweglichkeit des Achsenskeletts. Aus diesem Grunde gelange man bei Anwendung der unterschiedlichen Bewertungsverfahren auch zu abweichenden Ergebnissen. Berücksichtige man, dass der obere Anteil der BWS sowohl von der Wirbelverletzung betroffen sei, als auch von der Stabilisierung durch den noch einliegenden Fixateur interne sei der funktionelle Einfluss auf die Gesamtbeweglichkeit der Wirbelsäule in diesem Abschnitt deutlich geringer als in den darüber liegenden Abschnitten der HWS sowie dem darunterliegenden Abschnitt des thorakolumbalen Überganges und der LWS. Aus diesem Grunde halte er unter Berücksichtigung des klinisch-funktionellen Aspektes weiterhin eine MdE von 10 für angemessen.

58

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten (S 3 U 64/13 – L 5 U 27/16) sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

59

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

60

Zu Recht hat das SG Rostock in seinem angefochtenen Urteil vom 8. Januar 2016 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 9. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht ab dem 9. Juli 2012 kein Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente zu, da die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) aus seinem anerkannten Arbeitsunfall vom 13. März 2012 den rentenberechtigenden Grad von 20 nicht erreicht.

61

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, § 7 Abs. 1 SGB VII) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist. Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet. Sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).

62

Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Steht die unfallbedingte Leistungseinbuße fest, so ist zu bewerten, wie sie sich im allgemeinen Erwerbsleben auswirkt (vgl. Urteil des BSG vom 2. Mai 2001 – B 2 U 24/00 R). Dabei sind die medizinischen und sonstigen Erfahrungssätze ebenso zu beachten wie die Gesamtumstände des Einzelfalles (vgl. BSG SozR 3 – 2200 § 581 Nr. 8).

63

Wie weit die Unfallfolgen die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Versicherten beeinträchtigen, beurteilt sich in erster Linie auf ärztlich – wissenschaftlichem Gebiet. Um die MdE einzuschätzen sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischem Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelnen bindend, bilden aber als in sich stimmiges Beurteilungsgefüge die Grundlage für eine gleichförmige Bewertung der MdE, ohne dass eine exakte rechtsdogmatische Einordnung der MdE- Tabellen erforderlich wäre. MdE–Tabellen bezeichnen typisierend das Ausmaß der durch eine körperliche, geistige oder seelische Funktionsbeeinträchtigung hervorgerufene Leistungseinschränkung in Bezug auf das gesamte Erwerbsleben und ordnen körperliche oder geistige Funktionseinschränkungen einem Tabellenwert zu. Die in den Tabellen und Empfehlungen enthaltenen Richtwerte geben damit auch allgemeine Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher Beeinträchtigungen auf die Erwerbsfähigkeit aufgrund des Umfangs der dem Verletzten versperrten Arbeitsmöglichkeiten wieder und gewährleisten, dass die Verletzten bei der medizinischen Begutachtung nach einheitlichen Kriterien beurteilt werden (vgl. Urteil des BSG vom 20. Dezember 2016 – B 2 U 11/15 R, juris Rn. 19). Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE (vgl. Urteil des BSG vom 19. Dezember 2000 – B 2 U 49/99 R).

64

Nach dem Standardwerk von Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., Seite 465 ff. sind Kriterien für das Einschätzen der MdE nach Wirbelsäulenverletzung, ob eine stabile oder instabile Ausheilung vorliegt, ob eine Ankylose oder Instabilität des Bewegungssegments gegeben ist (je tiefer das betroffene Segment, desto stärker wirken sie sich aus, da weniger Bewegungssegmente dies kompensieren) ob eine Achsenabweichung vorliegt (erheblich ist ein Knickwinkel von 25 – 30°) und ob eine ungenügende Wiederertüchtigung der Wirbelsäulen-Haltemuskulatur besteht. Nach dem sogenannten Verletzungsartenprinzip nach Erdmann wird ein stabil verheilter Wirbelbruch, der keine oder nur geringe Fehlstatik (Keilwirbel <10 Grad) und gegebenenfalls Höhenminderung der angrenzenden Bandscheibe ohne wesentliche segmentbezogene Funktionsstörung aufweist, mit einer MdE von unter 10 bewertet. Ein stabil verheilter Wirbelbruch bei leichtem Achsenknick (Keilwirbel bis 10°) und ggf. Höhenminderung der angrenzenden Bandscheibe mit mäßiger segmentbezogener Funktionsstörung wird mit einer MdE von 10 bewertet. Ein stabil verheilter Wirbelbruch mit einem statisch wirksamen Achsenknick (Keilwirbel >25°) ggf. Höhenminderung der angrenzenden Bandscheibe mit deutlicher segmentbezogener Funktionsstörung oder ein verheilter Wirbelbruch mit verbliebener segmentaler Instabilität (muskulär teilkompensiert) oder eine Versteifung von zwei Segmenten der LWS (einschließlich BWK 12/LWK 1) oder der HWS (unterhalb HWK 2), wobei sich Versteifungen von BWS-Segmenten geringer, Versteifungen des kraniozervikalen Übergangs stärker auswirken, wird mit einer MdE von 20 bewertet. Ein verheilter Wirbelbruch mit statisch wirksamen Achsenknick (Keilwirbel >25 Grad) und verbliebener segmentaler Instabilität (muskulär teilkompensiert) wird mit einer MdE von 20 bis 30 bewertet. MdE-Werte über 30 können sich bei groben, muskulär nicht kompensierbaren Instabilitäten und/oder schwerwiegenden neurologischen/urologischen Unfallfolgen ergeben.

65

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze sind die beim Kläger verbliebenen Unfallfolgen seines Arbeitsunfalls vom 13. März 2012 nicht mit einer MdE von 20 zu bewerten. Der Senat folgt insoweit der Einschätzung der MdE im Gutachten der Chirurgen Z. und M.-C. in deren Gutachten vom 22. November 2012 sowie ihrer weiteren Stellungnahme vom 28. Februar 2013 und insbesondere der Beurteilung im Gutachten des Dr. V. vom 4. August 2014 und seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 5. Juli 2017 sowie vom 4. Januar 2019, weil der Senat insbesondere die vorgenommene Einschätzung der unfallbedingten MdE durch Dr. V. für schlüssig und überzeugend erachtet. Soweit Dr. C. in seinem Gutachten vom 9. März 2017 die unfallbedingte MdE mit 25 v.H. bewertet, folgt der Senat der Beurteilung dieses Sachverständigen nicht.

66

Unter Zugrundelegung der Befunde, die Dr. V. und Dr. C. aufgrund der Untersuchung des Klägers erhoben haben und deren Beurteilung der bildgebenden Befunde besteht beim Kläger ein knöchern stabil ausgeheilter Wirbelbruch des 4. Brustwirbels mit Deckplattenimpression und verbliebener Keilwirbelbildung bei gegebener Bandscheibenbeteiligung. Ein statisch wirksamer Achsenknick mit Keilwirbelbildung von (mehr) als 25 Grad liegt hingegen nicht vor. Auch wenn Dr. C. in seinem Gutachten aufgrund der Bewertung der vorliegenden Röntgenbilder der BWS des Klägers wiederholt zu der Beurteilung gelangt ist, dass hinsichtlich des 4. BWK ein Kyphosewinkel von mehr als 20° bestehe, hält der Senat diese Einschätzung des Dr. K. im Hinblick auf die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. K. vom 19. Juni 2017 für widerlegt. Den Kyphosewinkel aufgrund der vorliegenden nativ radiologischen Aufnahmen der BWS vom 9. März 2017 hat Dr. K. mit 6,2 ° beim 4. BWK berechnet, hierbei aber darauf hingewiesen, dass diese Berechnung weniger exakt sei als die Berechnung des Kyphosewinkels in Auswertung der CT-Aufnahmen der BWS des Klägers vom 13. März 2012 (präoperativ) und vom 20. März 2012 (postoperativ). So betrug der ausgemessene Kyphosewinkel unter Zugrundelegung des CT vom 13. März 2012 9,2°, postoperativ ergab sich in Auswertung des CT vom 20. März 2012 nur noch ein Kyphosewinkel von 3,9° hinsichtlich des 4. BWK. Auch Dr. V. hat in Kenntnis der Stellungnahme des Dr. K. eingeräumt, dass der Kyphosewinkel am unfallbedingt geschädigten 4. BWK keinesfalls mehr als 20° beträgt. Da es sich nach der Beurteilung des Dr. V. beim Kläger um einen stabil verheilten Wirbelbruch des 4. Brustwirbels handelt, dass der statisch wirksame Achsenknick, welcher alleinig aus der Keilwirbelbildung des 4. Brustwirbels resultiert, deutlich unter 20° anzusetzen ist und nach der Beurteilung des Dr. V. Zeichen einer Instabilität im Segment und den angrenzenden Segmenten nicht nachweisbar sind, ist zur Überzeugung des Senats die Einschätzung der unfallbedingten MdE nur mit dem Wert von unter 20 und damit nicht rentenberechtigend möglich.

67

Nach Auffassung des Senats steht die Einschätzung des Dr. V. hinsichtlich der Beurteilung der unfallbedingten MdE mit einem Wert von unter 20 nicht im Widerspruch zu den Ausführungen im Standardwerk und Schönberger u. a., a.a.O., Seite 466, 467. So heißt es dort (Seite 466), eine typische operative Versorgung, welche zum Beispiel bei einer kompletten Belastungsfraktur zum Einsatz komme, bestehe in einer bisegmentalen Spondylodese dorsalseitig und einer monosegmentalen ventralen, transthorakalen bzw. retroperitonealen Spanspondylodese, die bedarfsweise noch mit einer winkelstabilen Platte abgestützt werde. Solange das Osteosynthesematerial einliege, sollten bei diesen Versorgungen übermäßige Wirbelsäulenbelastungen auch nach knöcherner Heilung aus präventiven Gründen vermieden werden, um das Risiko von Ermüdungsbrüchen des Materials nicht zu erhöhen. Innerhalb dieses Zeitraumes sei eine MdE von 20 % begründet. Hierzu Dr. V. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5. Juli 2017 ausgeführt, dass anlässlich der Operation des Klägers am 16. März 2012 lediglich die Implantation eines dorsalen Fixateurs vom TH 2 bis TH 6 erfolgt sei. Aufgrund des isolierten Deckplatteneinbruchs des 4. Brustwirbels ist keine Stabilisierung von ventral erfolgt. Im Fall des Klägers zeigte sich bildgebend ein knöchern stabil ausgeheilter Wirbelbruch des 4. Brustwirbels mit Deckplattenimpression und verbliebener Keilwirbelbildung. Eine ventrale Spondylodese erfolgte hierbei nicht. Auch wenn der Fixateur noch einliegt, ist aber eine besondere Schonung aufgrund des Ausheilungsergebnisses des Deckplatteneinbruchs und aufgrund der Lokalisation des 4. Brustwirbels nach Einschätzung des Dr. V. nicht erforderlich. Die präventiven Gründe, die im Werk von Schönberger u. a., a.a.O., Seite 466, aufgeführt werden, sind daher vorliegend nicht einschlägig, sodass aus diesen Gründen der Senat eine Einschätzung der unfallbedingten MdE mit dem (rentenberechtigenden) Wert von 20 nicht für gegeben erachtet.

68

Eine Bewertung der unfallbedingten MdE mit 20 hält der Senat auch nicht mit den Ausführungen im Werk von Schönberger u.a., aaO., Seite 467 für gerechtfertigt. Dort heißt es: „Werden aus Gründen der Stabilität bei einer einzigen Fraktur mehr als zwei Segmente in die Fusions–/Stabilisationsstrecke mit einbezogen, sollte in diesem Fall ebenfalls pro Segment ein Zuschlag von 5 Prozent vorgesehen werden. Ansonsten begründen reizlos einliegende Implantate als solche keine höhere Einschätzung“. Überträgt man das vorgenannte Literaturzitat pauschal auf den vorliegenden Fall, räumt auch Dr. V. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 4. Januar 2019 ein, dass die Operateure aufgrund der isolierten Wirbelkörperverletzung des 4. BWK eine Stabilisierung vom 2. bis zum 6. Brustwirbel gewählt hätten, wobei im Hinblick auf den geschädigten 4. Wirbelkörper der angrenzende Bandscheibenrahmen sich auf den 3. und 4. sowie 4. und 5. Brustwirbel erstreckt. Wende man den Hinweis in Schönberger u.a. – so auch nach den Ausführungen des Dr. V. – streng an, sei es korrekt, dass eine Erhöhung von 2 × 5 % gerechtfertigt sei. Allerdings merkt Dr. V. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 4. Januar 2019 kritisch an, dass Schönberger u.a. keine Aussage träfen, ob die Erhöhung um 5 % in allen Bereichen der Wirbelsäule, ungeachtet der hier gegebenen Funktionsamplituden, in gleicher Weise zu berücksichtigen seien. So zeigten sich im betroffenen Bereich vom 2. bis zum 6. Brustwirbel die geringsten Bewegungsausmaße von nur 14° in den einzelnen Segmenten, während die Bewegungsamplituden im Bereich der HWS, im thorakolumbalen Übergang und im Bereich der LWS deutlich höher seien. Insofern sei hinsichtlich der pauschale Aussage im Werk von Schönberger bei der Gesamtbewertung mit zu berücksichtigen, welche funktionelle Bedeutung die einzelnen Bewegungssegmente der Wirbelsäule hätten. Wenn auch Schönberger u.a darauf hinwiesen, dass die rein rechnerisch ermittelten Werte immer mit der funktionellen Beeinträchtigung korreliert werden müssten, halte er, Dr. V., unter Berücksichtigung des klinisch – funktionellen Aspekts weiterhin eine MdE von 10 für angemessen.

69

Dieser Sichtweise des Dr. V. schließt sich der Senat im vorliegenden Einzelfall an und bewertet die anerkannten Unfallfolgen beim Kläger weiterhin nicht mit einem Wert von 20. Im Hinblick darauf, dass nach den Ausführungen von Schönberger u.a., Seite 465, bei der Beurteilung der Wirbelsäulenfunktion die segmentale Gesamtbeweglichkeit sowie die Störung eines oder auch mehrerer Bewegungssegmente allein im Mittelpunkt der MdE-Einschätzung steht und dass Rentenbegutachtung (zur Ermittlung der unfallbedingten MdE) im Kern Funktionsbegutachtung ist, erscheint dem Senat die referierte Zitatstelle von Schönberger ua auf Seite 467 zu undifferenziert, um vorliegend zu der Beurteilung einer unfallbedingten MdE von 20 zu gelangen. Insofern haben Schönberger ua, Seite 466, selbst ausgeführt, dass sich Versteifungen von BWS-Segmenten geringer, Versteifungen des kraniozervikalen Übergangs sich stärker auswirken. Im beim Kläger betroffenen Bereich vom 2. bis zum 6. Brustwirbel zeigen sich die geringsten Bewegungsausmaße von nur 14° in den einzelnen Segmenten, während die Bewegungsamplituden im Bereich der HWS, im thorakolumbalen Übergang und im Bereich der LWS deutlich höher sind. Funktionell gesehen sind daher die Bewegungsbeeinträchtigungen beim Kläger im durch den Fixateur interne betroffenen Bereiche der BWS geringer, als wenn der Fixateur interne im oberen Bereich der BWS (zur HWS) oder im unteren Bereich der BWS (zur LWS) eingebracht worden wäre. Wäre durch die Einbringung des Fixateur interne unter Einschluss von Segmenten der HWS oder der LWS eine Kompressionsfraktur eines höher – bzw. tiefer gelegenen Brustwirbels des Klägers stabilisiert worden, wäre es nach Auffassung des Senats eher gerechtfertigt, in Anwendung der Zitatstelle im Werk von Schönberger auf Seite 467 die MdE in rentenberechtigendem Grade anzunehmen. Im Hinblick auf die klinisch-funktionellen Auswirkungen der anerkannten Unfallfolgen des Klägers sind die funktionellen Auswirkungen des vom Bruch des 4. BWK betroffenen Anteils der BWS des Klägers (bei noch einliegendem Fixateur interne) im Hinblick auf die Gesamtbeweglichkeit der Wirbelsäule deutlich geringer als in den darüber liegenden Abschnitten der HWS sowie dem darunter liegenden Abschnitt des thorakolumbalen Überganges und der LWS, sodass es wegen der insoweit geringeren Funktionsbeeinträchtigung nach Ansicht des Senats gerechtfertigt ist, die unfallbedingte MdE mit einem Wert von unter 20 einzuschätzen.

70

Soweit Dr. C. in seinem Gutachten die unfallbedingte MdE mit dem Wert von 25 eingeschätzt hat und dies maßgeblich mit dem sogenannten Segmentprinzip (nach Weber und Wimmer) begründet hat, folgt der Senat der Beurteilung dieses Sachverständigen nicht, da diese Einschätzung nach Auffassung des Senats den funktionellen Auswirkungen der Unfallfolgen des Klägers nicht gerecht wird. Nach dem Segmentprinzip wird jedem Segment der Wirbelsäule ein Wert zugeordnet, für die hier im Falle des Klägers betroffenen Segmente TH 2 bis TH 6 der BWS ist jeweils ein Wert von 2,2 % (Bewegungsmaß 14 ° jeweils) vorgesehen. Bei stabil ausgeheilten Frakturen ohne Deformierung kommen die einfachen Segmentwerte als Prozentsätze zur Anwendung, bei zwei betroffenen Bewegungssegmenten sind die entsprechenden Segmentwerte zu addieren. Bei segmentaler Ankylose oder Hypomobilität ist der Segmentwert zu verdreifachen. Bei segmentaler Instabilität je nach Schweregrad ist mit dem Faktor vier bis sechs zu multiplizieren. Jedes Segment darf nur einmal, dann aber mit dem jeweils höchsten Segmentwert, bei der Addition gewertet werden.

71

Durch die Einbringung des Fixateur interne von TH 2 bis TH 6 nimmt Dr. C. eine Unbeweglichkeit (entsprechend einer Ankylose) über vier Segmente an, sodass der jeweilige Wert von 2,2 % zu verdreifachen ist (6,6 %). Bei vier betroffenen Segmenten errechnet Dr. C. hieraus den Wert von 26,4 Prozentpunkten. Diesen errechneten Endwert rundet er auf die nächste 5-Prozentstufe ab. Somit gelangt er zu einer MdE von 25.

72

Da das Segmentprinzip ausschließlich auf radiologischen und biomechanischen Kriterien aufbaut und wegen der Nichtberücksichtigung klinischer Auswirkungen und Untersuchungsverfahren, mit denen die theoretischen Einschränkungen reproduziert und objektiviert werden können, auch weil das Segmentprinzip „kaum wirklich handhabbar“ sei, wird es in der unfallmedizinischen Literatur kritisiert. Hierauf hat bereits Dr. K. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 19. Juni 2017 hingewiesen. Zudem ergaben sich in der praktischen Anwendung häufig MdE-Werte, die einer realistischen Überprüfung nicht standhalten (vgl. Schönberger ua, aaO, Seite 468 f). Die am Segmentprinzip geäußerte Kritik hält der Senat im vorliegenden Fall für gerechtfertigt, weil das Segmentprinzip die klinischen Auswirkungen durch den stattgehabten Bruch des 4. BWK auf die Gesamtbeweglichkeit der Wirbelsäule im Fall des Klägers nicht zutreffend abbildet.

73

Soweit Dr. V. in seinem Befundbericht die unfallbedingte MdE beim Kläger mit 15 bewertet, ohne sich hierbei allerdings an den medizinischen Erfahrungswerten zu orientieren und ohne dies entsprechend zu begründen, würde auch mit einer MdE von 15 der rentenberechtigende Grad einer MdE von 20 nicht erreicht.

74

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

75

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil Gründe hierfür nicht ersichtlich sind (§ 160 Abs. 2 SGG).

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