Beschluss vom Landessozialgericht NRW - L 8 BA 72/20 ER
Tenor
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der beim Sozialgericht Münster anhängigen Klage S 14 BA 60/18 gegen den Bescheid vom 14.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.7.2018 wird als unzulässig verworfen. Die Kosten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens trägt die Antragstellerin. Der Streitwert wird für das einstweilige Rechtsschutzverfahren auf 9.457,47 Euro festgesetzt.
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Gründe:
2I.
3Streitig ist die Vollziehung der mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.7.2018 geltend gemachten Beitragsforderung in Höhe von 37.829,88 Euro.
4Die (zunächst) von der Antragstellerin begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 14.12.2017 lehnte der Senat im Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 10.7.2018 - L 8 BA 55/18 B ER - unter Aufhebung des stattgebenden Beschlusses des Sozialgerichts (SG) Münster vom 20.3.2018 - S 14 BA 9/18 ER - ab. Das SG Münster lehnte sodann mit Beschluss vom 15.11.2018 - S 4 BA 59/18 ER - die von der Antragstellerin begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage S 14 BA 60/18 ab. Dieser Beschluss wurde der Antragstellerin am 20.11.2018 zugestellt und von ihr nicht mit der Beschwerde angefochten.
5Im Klageverfahren S 14 BA 60/18 hat das SG Münster die Klage mit Urteil vom 14.2.2020 abgewiesen. Gegen das ihr am 10.3.2020 zugestellte Urteil hat die Antragstellerin am 14.4.2020 Berufung eingelegt (L 8 BA 52/20 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen [LSG NRW]). In der Begründung wendet sie sich gegen die Rechtsanwendung und Beweiswürdigung des SG.
6Die Antragsgegnerin ist dem Berufungsvorbringen entgegengetreten und verteidigt das Urteil.
7Mit zum Berufungsverfahren eingereichtem Schriftsatz vom 12.5.2020 begehrt die Antragstellerin erneut einstweiligen Rechtsschutz. Sie trägt vor, dass ihr Vollstreckungsmaßnahmen drohten. Im Falle der Vollstreckung werde sie in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Gegenüber dem Beschluss des Senats vom 10.7.2018 - L 8 BA 55/18 B ER - sei nach bzw. mit dem angefochtenen Urteil des SG Münster vom 14.2.2020 eine andere Rechtslage eingetreten. Der Geschäftsführer der Antragstellerin habe nach § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig beigeladen werden müssen. Es liege ein Verfahrensfehler vor, der eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG bzw. § 160 Nr. 3 SGG begründen könne und der von Amts wegen zu beachten sei. Nach der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - sei für die Beurteilung der Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH in erster Linie maßgeblich, ob dieser nach der ihm zukommenden Rechtsmacht ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen könne, die sein Anstellungsverhältnis beträfen. Das BSG habe diese Kriterien nicht kumulativ, sondern alternativ erwähnt. Nach § 9 des Gesellschaftsvertrages könne der Geschäftsführer der Antragstellerin sämtliche Beschlüsse, die sein Anstellungsverhältnis beträfen, nicht nur beeinflussen, sondern sogar verhindern.
8Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
9die aufschiebende Wirkung der beim Sozialgericht Münster erhobenen Klage S 14 BA 60/18 gegen den Bescheid vom 14.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.7.2018 anzuordnen.
10Die Antragsgegnerin beantragt,
11den Antrag zurückzuweisen.
12Sie trägt vor, eine Änderung der Sach- und Rechtslage sei gegenüber dem Beschluss des erkennenden Senats vom 10.7.2018 - L 8 BA 55/18 B ER - nicht eingetreten. Der Senat habe die Möglichkeit, die Verfahrensrüge im Hauptsacheverfahren zu heilen und den Geschäftsführer der Antragstellerin, Herrn Q P, beizuladen. Auch ein Anordnungsgrund sei von der Antragstellerin weiterhin nicht dargetan.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten, der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin und der beigezogenen Streitakten S 14 BA 9/18 ER und S 4 BA 59/18 ER des SG Münster Bezug genommen.
14II.
15Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der beim SG Münster unter dem Az. S 14 BA 60/18 erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 14.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.7.2018 ist unzulässig. Die materielle Rechtskraft sowohl des ablehnenden Senatsbeschlusses vom 10.7.2018 - L 8 BA 55/18 B ER als auch des entsprechenden Beschlusses des SG Münster vom 15.12.2018, steht einem erneuten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes entgegen. Auch Beschlüsse in einstweiligen Rechtsschutzverfahren, mit denen ein Antrag abgelehnt wurde, erwachsen in materieller Rechtskraft, sofern - wie vorliegend - kein Rechtsmittel mehr gegeben ist (vgl. Senatsbeschl. v. 4.5.2020 - L 8 BA 54/19 ER m.w.N.; LSG NRW Beschl. v. 23.7.2007 - L 19 B 86/07 AS - juris Rn. 8; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 19a, § 141 Rn. 5; juris-PK-Burkiczak, § 86b SGG Rn. 222). Die Wirkung der gerichtlich getroffenen Eilentscheidungen gilt solange fort, bis der zugrunde liegende Verwaltungsakt bestandskräftig wird (vgl. Senatsbeschl. v. 2.7.2012 - L 8 R 1133/11 B ER - juris Rn. 16 m.w.N.; Keller, a.a.O., § 86b Rn. 19 m.w.N.). Die von der Antragstellerin angefochtenen Bescheide sind noch nicht bestandskräftig, da sie ihr Anfechtungsbegehren im Berufungsverfahren weiterverfolgt.
16Nur wenn nach Eintritt der Rechtskraft neue Tatsachen entstanden sind oder eine veränderte Rechtslage vorliegt, welche eine andere Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes rechtfertigen, kann ein wiederholter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig sein (vgl. LSG NRW Beschl. v. 23.7.2007 - L 19 B 86/07 AS - juris Rn. 10 m.w.N.).
17Eine Änderung der Sachlage ist nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch weder schlüssig vorgetragen noch entsprechend § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung glaubhaft gemacht worden. Dies gilt selbst unter Heranziehung der Berufungsbegründung, mit der die Antragstellerin im Wesentlichen die Rechtsanwendung in verfahrens- und materiell-rechtlicher Hinsicht und die Beweiswürdigung des SG angreift, aber keine neue Sachlage darstellt.
18Auch eine Änderung der Rechtslage, die die Durchbrechung der Rechtskraft erlaubt, ist nicht eingetreten. Eine solche liegt dann vor, wenn sich die entscheidungserhebliche Normlage nachträglich verändert (vgl. LSG NRW Beschl. v. 23.7.2007 - L 19 B 86/07 AS - juris Rn. 12 m.w.N.). Dies ist offenkundig nicht der Fall, weil die Rechtsgrundlagen, auf denen die vorgenannten rechtskräftigen Eilentscheidungen getroffen worden sind, in den hier relevanten Fragen unverändert geblieben sind.
19Eine erneute Sachentscheidung des Senats ist daher nicht veranlasst.
20Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
21Der Streitwert ist für das gesamte einstweilige Rechtsschutzverfahren auf 9.457,47 Euro festzusetzen. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 52, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache (37.829,88 Euro) als Streitwert anzusetzen ist (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 18.5.2020 - L 8 BA 241/19 B ER - juris Rn. 26 m.w.N.).
22Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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Referenzen
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- SGG § 197a 1x
- 8 BA 54/19 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 86b 2x
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- 14 BA 9/18 2x (nicht zugeordnet)
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