Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht (5. Senat) - L 5 SF 180/19 E

Tenor

Auf die Erinnerung der Erinnerungsführerin werden Übergangsanzeige und Zahlungsaufforderung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 25. Juni 2019 aufgehoben.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

1

Die Erinnerungsführerin wendet sich – der Höhe nach – gegen die Geltendmachung des Forderungsübergangs zugunsten des Landes (Erinnerungsgegner) durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim Landessozialgericht.

2

Die Erinnerungsführerin, ein Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, war als Beklagte in einem Erwerbsminderungsrentenverfahren mit Urteil des Landessozialgerichts vom 23. Mai 2019 verpflichtet worden, der Klägerin 2/3 ihrer notwendigen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Rechtsanwältin der Klägerin, die dieser im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden war, beantragte mit Schreiben vom 19. Juni 2019 an das Landessozialgericht Festsetzung ihrer Vergütung für das Berufungsverfahren in Höhe insgesamt von 1.086,95 EUR und Berücksichtigung insbesondere einer Verfahrensgebühr in Höhe von 544,00 EUR (= um 20 Prozent ermäßigte Höchstgebühr des Rahmens nach Nr. 3204 VV RVG in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung).

3

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim Landessozialgericht hat am 25. Juni 2019 die Vergütung antragsgemäß festgesetzt, den Anspruchsübergang in Höhe von 724,63 EUR festgestellt und die Erinnerungsführerin zur Zahlung aufgefordert.

4

Gegen diese Feststellung nebst Zahlungsaufforderung hat die Erinnerungsführerin am 22. Juli 2019 Erinnerung eingelegt. Sie beanstandet die Höhe der festgesetzten Verfahrensgebühr und hält eine Verfahrensgebühr lediglich in Höhe der Mittelgebühr (370,00 EUR) für gerechtfertigt, woraus sich ein Vergütungsanspruch der Rechtsanwältin in Höhe von 879,89 EUR und ein Zahlungsanspruch des Erinnerungsgegners gegen sie – die Erinnerungsführerin – in Höhe von 586,59 EUR errechne.

5

Der Erinnerungsgegner hat sich der Rechtsauffassung der Erinnerungsführerin angeschlossen und gegen die Vergütungsfestsetzungsentscheidung zugunsten der Rechtsanwältin seinerseits Erinnerung eingelegt.

II.

6

Über die Erinnerung der Erinnerungsführerin entscheidet gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) i.V.m. § 189 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Senat (zur Anwendbarkeit des § 189 SGG als der hier maßgeblichen Vorschrift über die Kosten des gerichtlichen Verfahrens, vgl. BSG, Beschluss vom 29. September 2017 – B 13 SF 8/17 S, juris) durch Beschluss und damit ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter (§§ 33 Abs. 1 Satz 1 und
2, 12 Abs. 1 Satz 2 SGG).

7

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene (vgl. § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG) Erinnerung ist im Sinne der Aufhebung der mit der Erinnerung angefochtenen Verfügung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht begründet.

8

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim Landessozialgericht ist für die Geltendmachung des Forderungsübergangs instanziell unzuständig. Nach § 59 Abs. 2 Satz 2 RVG werden Ansprüche der Staatskasse – wegen der Geltendmachung des Anspruchs aus übergegangenem Recht nach § 59 Abs. 1 RVG (vgl. § 59 Abs. 2 Satz 1 RVG) – bei dem Gericht des ersten Rechtszugs angesetzt. Zuständig für die Anzeige des Anspruchsübergangs und die korrespondierende Zahlungsaufforderung ist damit in jedem Fall der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim Sozialgericht (vgl. § 189 Abs. 2 Satz 1 SGG). Dies gilt auch dann, wenn die Vergütung des Rechtsanwalts ausnahmsweise nicht durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Sozialgericht (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 1 RVG), sondern – wie hier – durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim Landessozialgericht (§ 55 Abs. 2 RVG) festgesetzt worden ist. Dies entspricht nicht nur dem unmissverständlichen Wortlaut des § 59 Abs. 2 Satz 2 RVG, sondern ist generell auch im Sinne der Verfahrenskonzentration sachgerecht. Da die Geltendmachung des Forderungsübergangs Aufschub duldet, kann hier – anders als bei der Festsetzung der Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts im Instanzenzug – regelmäßig die endgültige Verfahrensbeendigung abgewartet werden, um den Anspruchsübergang dann einheitlich abzuwickeln. Diese Aufgabe kommt nach der Systematik des RVG allerdings prinzipiell dem Urkundsbeamten des Gerichts des ersten Rechtszuges zu. Dass der Anspruchsübergang im vorliegenden Einzelfall allein Ersatzansprüche wegen der Vergütung der beigeordneten Rechtsanwältin für das zweitinstanzliche Verfahren betrifft, ändert daran nichts.

9

Der Senat sieht sich außerstande, über die Aufhebung der angefochtenen Verfügung hinaus den seitens der Erinnerungsführerin aufgrund des Anspruchsübergangs zu zahlenden Betrag abschließend festzusetzen, auch wenn im vorliegenden Fall zwischen den Beteiligten inzwischen Einigkeit besteht, dass die Erinnerungsführerin an den Erinnerungsgegner einen Betrag von 586,59 EUR (= 2/3 von 879,89 EUR) zu zahlen hat und der Senat mit Beschluss vom 10. Februar 2021 im korrespondierenden Erinnerungsverfahren zum Az. L 5 SF 314/19 E die Vergütung der Rechtsanwältin rechtskräftig auf 879,89 EUR festgesetzt hat.

10

Denn auch der Senat ist für diese Entscheidung funktional und instanziell unzuständig. Die durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Sozialgericht zu treffenden Entscheidungen betreffend den Forderungsübergang sind nach § 59 Abs. 2 Satz 1 und 2 RVG i.V.m. § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG (dazu BSG, a.a.O.) nur durch das Sozialgericht zu überprüfen, das abschließend entscheidet. Eine Entscheidung des Senats über die Höhe des Anspruchsübergangs kann damit in keinem Fall herbeigeführt werden. Über diese Kompetenzzuordnung würde sich der Senat hinwegsetzen, wenn er die Feststellung des Forderungsübergangs in Konstellationen wie der vorliegenden letztverbindlich treffen würde, auch wenn dessen Höhe unstreitig ist.

11

Über den Anspruchsübergang wird daher der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim Sozialgericht Itzehoe zu entscheiden haben.

12

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

13

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 189 Abs. 2 Satz 2 SGG).


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