Beschluss vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (6. Senat) - L 6 U 53/10 B
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
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I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht seiner Klage.
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Mit der am 9. März 2000 vor dem Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat der Beschwerdeführer die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 19. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2000, die Anerkennung des Tinnitus, depressiver Zustände und einer neurologischen Erkrankung im Sinne von Kopfschmerzen als Folgen des Unfalls vom 27. September 1988 sowie die Gewährung von Leistungen in gesetzlichem Umfang begehrt.
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Das Sozialgericht hat den Befundbericht der Fachärztin für Neurologie und Psychotherapie Dr. F. vom 30. April 2001 eingeholt. Es hat den Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in H. Dr. L. mit der Erstattung eines psychiatrischen Zusatzgutachtens beauftragt und diesen mit Beschluss vom 27. August 2002 für befangen erklärt. Es hat ferner die Fachärztin für Neurologie Dr. K. mit der Erstattung des neurologischen Zusatzgutachtens vom 13. September 2001, die Fachärztin für HNO-Heilkunde Oberärztin Dr. R. der M-L-U H.-W mit der Erstattung des HNO-ärztlichen Zusatzgutachtens vom 25. Januar 2002 und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. vom Institut für Medizinische Begutachtung Kassel mit der Erstattung des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens vom 31. Januar 2003 beauftragt.
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Auf die Ablehnung von Dr. S. wegen der Besorgnis der Befangenheit hat der Senat mit Beschluss vom 21. Juni 2005 die Beschwerde des Klägers gegen den die Befangenheit ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 11. Februar 2004 zurückgewiesen.
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Am 18. Juli 2005 hat das Sozialgericht Halle Termin zur mündlichen Verhandlung am 30. September 2005 anberaumt und auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers den Termin am 6. September 2005 auf den 27. Oktober 2005 verlegt.
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Am 26. Oktober 2005 ist bei dem Sozialgericht ein Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. E. ohne Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse per Telefax eingegangen.
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Im Termin am 27. Oktober 2005 war der Beschwerdeführer anwesend. Der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers hat zu Protokoll erklärt, er stelle für den Kläger einen Antrag auf Prozesskostenhilfe datiert vom 26. Oktober 2005 und werde die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachreichen.
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Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage hat der Vorsitzende die mündliche Verhandlung geschlossen. Das Gericht hat nach geheimer Beratung am 27. Oktober 2005 ein klagabweisendes Urteil verkündet. Die Sitzung war um 10.15 Uhr beendet.
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Am 4. November 2005 ist bei dem Sozialgericht Halle die Erklärung des Beschwerdeführers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Beleg zu seinen Angaben eingegangen.
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Mit Beschluss vom 25. November 2005 hat das Sozialgericht Halle die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Im Zeitpunkt der Antragstellung, nach Schluss der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung, biete die Sache keine hinreichende Aussicht auf Erfolg mehr.
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Gegen den am 7. Dezember 2005 zugegangenen Beschluss hat der Beschwerdeführer am 18. Dezember 2005 bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschwerde eingelegt. Das Gericht habe sein Klagevorbringen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unzutreffend gewürdigt.
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Er beantragt seinem Vorbringen nach, den Beschluss vom 25. November 2005 aufzuheben und ihm Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. E. zu gewähren.
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Der Beschwerdegegner und die Beklagte haben sich zu der Beschwerde nicht geäußert.
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Der Entscheidungsfindung hat die Hauptsacheakte L 6 U 160/05 zu Grunde gelegen.
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II. Die gemäß § 172 Abs. 1, 3 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Das Landessozialgericht hat über die Beschwerde zu entscheiden, ohne dass dem Sozialgericht zuvor die Möglichkeit der Abhilfe nach § 174 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung eingeräumt wird. § 174 SGG ist ab dem 1. April 2008 ohne Übergangsvorschrift ersatzlos weggefallen. Im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde findet diese Vorschrift keine Anwendung mehr.
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Der Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 117 Abs. 2 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO).
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Prozesskostenhilfe wird nur auf Antrag gewährt. Gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 (ZPO) sind dem Antrag eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. Zweck der Prozesskostenhilfe ist es, die Prozessführung zu ermöglichen. Dementsprechend ist der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor der Beendigung des Verfahrens zu stellen. Denn nur dann ist noch eine Erfolg versprechende Rechtsverfolgung möglich. Die Instanz endet durch Endentscheidung (Geimer-Zöller, 28. Auflage, § 117 ZPO, RdNr. 2b).
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Der Kläger hat am 26. Oktober 2005 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt, ohne seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen. Am 27. Oktober 2005 hat das Sozialgericht Halle in dem Rechtsstreit ein Urteil verkündet. Damit war die Instanz beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt hat dem Gericht keine Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegen. Die am 4. November 2005 vorgelegte Erklärung des Klägers über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse heilt diesen Mangel nicht.
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Eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt nur in Betracht, wenn das Gericht trotz Beendigung der Instanz Prozesskostenhilfe bereits vor der Beendigung hätte bewilligen müssen (Geimer-Zöller, a.a.O., § 117 ZPO RdNr. 2b). Diese Voraussetzung liegt hier jedoch nicht vor. Denn für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist es unbedingt erforderlich, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zu kennen. Diese Kenntnis hatte das Sozialgericht im vorliegenden Fall nicht.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Antrag auf Prozesskostenhilfe noch zulässig gestellt ist, wenn die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht bei Beendigung der Instanz vorliegt, das Gericht aber zur Nachreichung eine Frist gesetzt hat. Denn vorliegend hat das Sozialgericht dem Kläger nicht nachgelassen, die Erklärung innerhalb einer bestimmten Frist nachzuholen.
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Referenzen
- 6 U 160/05 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 73a 1x
- SGG § 177 1x
- ZPO § 117 Antrag 2x
- SGG § 174 (weggefallen) 2x