Beschluss vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (5. Senat) - L 5 AS 343/12 B ER
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
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Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Bewilligung von höheren Kosten der Unterkunft und Heizung als Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit von Oktober 2011 bis Juni 2012.
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Der am ... 1948 geborene Antragsteller war selbstständiger Versicherungsmakler. Er war Eigentümer eines Mehrfamilienhauses in der Großen P. in S., in dem er seit seinem Einzug am 29. Juni 2010 ein früheres Pensionszimmer und bei Bedarf auch Räume im Dachgeschoss bewohnte. In dem Haus befinden sich die Geschäftsräume von Frau S., die dort seit dem 1. Juli 1990 die Vermittlung von Versicherungen und Immobilien betreibt. Der Antragsteller selbst betrieb in diesen Räumen ebenfalls seit dem 1. Juli 1990 ein Einzelunternehmen als Versicherungsvertreter und Immobilienmakler. Frau S. und der Antragsteller bildeten nach Aussage von Frau S. bis 1995 eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Frau S. bewohnt im selben Haus eine separate Wohnung. Für diese zahlte sie keine Miete an den Antragsteller. Vielmehr hatte sie sich entsprechend eines am 27. August 1993 abgeschlossenen Mietvertrages verpflichtet, Kleinreparaturen bis 250,00 DM auf eigene Rechnung durchzuführen. Infolge eines zeitgleich abgeschlossenen Reinigungs- und Wartungsvertrages für die Büroräume verzichtete der Antragsteller auf Mietzahlungen. Mündlich wurde vereinbart, dass Frau S. an den Antragsteller für die Büroräume 300,00 EUR monatlich zu zahlen. Nach ihrem Schreiben vom 4. September 2009 hatte sie sämtliche Gebäudekosten zu tragen.
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Am 19. Februar 2009 wurde über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet. Aufgrund des Zuschlagsbeschlusses vom 13. Juli 2011 und Ersuchen des Amtsgerichts Salzwedel vom 24. August 2011 erwarb Herr D. P. das Eigentum an dem Grundstück des Antragstellers in der Großen P. in S ...
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Aufgrund des Bescheides der Agentur für Arbeit Salzwedel vom 27. Juli 2011 erhielt der Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in der Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2011 in Höhe von 687,82 EUR (Regelleistung sowie Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung) und aufgrund des Bescheides vom 12. Dezember 2011 für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2012 monatlich 374 EUR und mit Änderungsbescheid vom 2. Mai 2012 für Juni 2012 958,67 EUR (Regelleistung, Kosten der Unterkunft und Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung).
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Der Antragsteller stellte am 9. Juni 2011 bei dem Antragsgegner einen Weiterbewilligungsantrag. Er reichte ein Schreiben vom 26. September 2011 zur Akte, das unter dem Namen der Frau S. erstellt und an ihn adressiert war. Diesem Schreiben beigefügt war ein unter dem Namen des P. erstelltes Schreiben an Frau S. vom 21. September 2011, in dem dieser Frau S. als Verwalterin eingesetzt und ihr einen Kündigungsschutz von zwölf Monaten eingeräumt hat. Frau S. hat in ihrem Schreiben an den Antragsteller vom 26. September 2011 ausgeführt, dass sie von dem neuen Eigentümer des Grundstücks als Verwalterin eingesetzt worden sei. Dementsprechend möge der Antragsteller dieses Schreiben zugleich als seinen neuen Mietvertrag betrachten. Der Mietvertrag beginne am 1. Oktober 2011 und laufe auf unbegrenzte Zeit. Aufgrund des desolaten Zustandes des Gebäudes räume sie ihm eine Kaltmiete von 4,50 EUR pro m² ein. Das seien dann monatlich 207,00 EUR. Da er die Räumlichkeiten zu 33 % privat nutze, seien die Nebenkosten dementsprechend aufgegliedert. Die gesamten Nebenkosten würden 191,09 EUR betragen, die auf den privaten Anteil entfallenden Nebenkosten 180,61 EUR. Die Gesamtmiete betrage 387,61 EUR zuzüglich 43,78 EUR Stromkosten, also 431,39 EUR. Weil er - der Antragsteller - schon gesagt habe, dass eine Überweisung nicht möglich sei, gestatte sie ihm ausnahmsweise die Form der Barzahlung. In dem Schreiben des Herrn P. an Frau S. vom 21. September 2011, das dem unter dem Namen der Frau S. erstellten Schreiben beigefügt war, heißt es: "Einnahmen Ihrerseits aus eventueller Vermietung oder Verpachtung, verwenden Sie bitte zur Werterhaltung und anfallenden Reparaturen. Bei Anmeldung des Eigenbedarfs räume ich Ihnen einen Kündigungsschutz meinerseits von 12 Monaten ein. Dies betrifft auch Weitervermietungen oder Verpachtungen Ihrerseits. Dieses Schreiben ist auch ohne Unterschrift gültig. Bitte bestätigen Sie mir formlos Ihre Kenntnisnahme."
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Am 10. November 2011 führte der Antragsgegner einen Hausbesuch beim Antragsteller durch. Hinsichtlich der festgestellten Einzelheiten wird auf Bl. 318-319 der Verwaltungsakte Bezug genommen.
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Daraufhin bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 21. November 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form von Kosten der Unterkunft und Heizung für die Monate Oktober bis Dezember 2011 in Höhe von monatlich 250,94 EUR. Dabei legte er eine Nettokaltmiete von 4,50 EUR für 25 m² (112,50 EUR), Nebenkosten von 98,44 EUR sowie Heizkosten laut Heizspiegel von 40,00 EUR zugrunde (insgesamt 250,94 EUR). Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein.
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Mit Bescheid vom 15. Dezember 2011 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form von Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 250,94 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2012.
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Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 Widerspruch ein und verwies auf seine vorigen Ausführungen. Die von ihm genutzten 46 m² seien angemessen. Ein Wohnungswechsel sei unzumutbar, da eventuelle Mieteinsparungen in keinem Verhältnis zu dessen Kosten stünden. Zudem verfüge er über keine eigenen Möbel, sondern nutze das Mobiliar der damaligen Pension. Außerdem sei er wegen seiner Erkrankungen auf eine Erdgeschosswohnung angewiesen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2012 wies der Antragsgegner die Widersprüche zurück. Durch den Eigentümerwechsel seien keine wesentlichen Änderungen im Verhältnis zwischen dem Antragsteller und Frau S. eingetreten. Ein formeller Mietvertrag zwischen dem Eigentümer des Hauses und dem Antragsteller bestehe nicht. Auch das Schreiben der Frau S. vom 26. September 2011 sei nicht als Mietvertrag zu verstehen. Eine wirksame Einigung zwischen Vermieter und Mieter sei damit nicht ersichtlich. Nach dem äußeren Anschein habe Frau S. vielmehr wahllos und ohne erkennbare Absprache mit dem Eigentümer Mietbedingungen diktiert. Es werde bezweifelt, dass zwischen dem Antragsteller und Frau S. eine schuldrechtliche Verpflichtung bestehe. Frau S. habe in der Vergangenheit keine Miete an den Antragsteller gezahlt und sei auch derzeit keinen Mietzahlungsverpflichtungen gegenüber dem neuen Eigentümer ausgesetzt. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, weshalb Frau S. wegen der Nutzung vormals leerstehender Räume zusätzlich zu den Nebenkosten noch eine Nettokaltmiete verlangen könne.
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Am 30. April 2012 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Magdeburg (SG) Klage erhoben und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Zur Begründung hat er vorgetragen, ihm blieben lediglich 80,00 EUR zum Leben. Das SG hat mit Beschluss vom 31. Mai 2012 diesen Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Für die Zeit vor Antragstellung am 30. April 2012 fehle es an einer aktuellen existenziellen Notlage, weil der Antragsteller mit seinem Antrag insoweit Leistungen für die Vergangenheit (Oktober 2011 bis einschließlich 29. April 2012) begehre. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung komme nur für Zeiträume ab Antragstellung in Betracht, weil das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht der Beschleunigung des Hauptsacheverfahrens, sondern nur einer vorläufigen Regelung diene. Die Nichtgewährung von Leistungen in der Vergangenheit wirke nicht fort, so dass auch insoweit keine aktuelle existentielle Notlage glaubhaft sei. Für die Zeit vom 30. April bis zum 30. Juni 2012 ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller Wohnungslosigkeit drohe. Er habe weder vorgetragen noch sei ersichtlich, dass sein Vermieter oder seine Vermieterin beabsichtigen würden, eine Kündigung des von ihm behaupteten Mietvertrags auszusprechen. Auch seien Vollstreckungsmaßnahmen weder vorgetragen noch ersichtlich. Es drohe auch deshalb kein Verlust der Unterkunft, da der Antragsteller und Frau S. seit Jahren sowohl wirtschaftlich als auch privat miteinander verbunden seien.
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Der Antragsteller hat gegen den ihm am 6. Juni 2012 zugestellten Beschluss am 13. Juni 2012 Beschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Er stoße bei Frau S. mit seinen Forderungen nach Renovierungen und Reparaturen auf "taube Ohren", da er mit seinen Zahlungen an sie ständig im Rückstand sei. Es sei unzutreffend, dass das SG keine Notlage annehme. Eine existenzielle Notlage sei ersichtlich, wenn eine Vorortbegehung durchgeführt würde. Denn die Wohnung sei in einem katastrophalen Zustand. Sein tägliches Leben spiele sich am Tage in einem ca. 25 m² großen Raum ab (Kochen, Braten, Fernsehen, Rauchen, Mikrowelle, Bügeln, Waschen usw.). Schlafen müsse er in einem Raum im 3. Obergeschoss. Ein Fenster könne nur angekippt werden, von der Decke riesele der Putz und bei Regen sei alles muffig und stockig. Ihn interessiere es nicht, was Frau S. als Verwalterin mit dem Eigentümer Herrn P. ausgehandelt habe. Denn er habe mit dem allen nichts zu tun. Herr P. und Frau S. seien dem Antragsgegner auch keine Rechenschaft schuldig. Ihm stünden monatlich nur 80,00 EUR für Essen, Trinken und Rauchen zur Verfügung, da er nachweislich 387,61 EUR / Monat weitergeleitet habe.
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Im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller ein an ihn andressiertes und unter dem Namen des D. P. erstelltes Schreiben vom 4. Juli 2012 vorgelegt. Hierin wird ausgeführt, dass aus einem Gespräch mit Frau S. hervorgegangen sei, dass der Antragsteller ab dem 1. Juli 2012 seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber dieser nicht mehr nachkommen könne. Er habe sie als Verwalterin eingesetzt und sie habe "einen formellen Mietvertrag datiert auf den 26. September 2011" zwischen Frau S. und dem Antragsteller vorgelegt. Es interessiere ihn nicht im Geringsten, wie viel Quadratmeter der Antragsteller bewohne, wie die Nebenkosten an Frau S. gezahlt würden und wie die Zahlungsmodalitäten zwischen Frau S. und dem Antragsteller bestünden. Ihm sei nur wichtig, dass Frau S. ihren Verpflichtungen wie Werterhaltung und Instandsetzung des Gebäudes, einschließlich Reparaturen, nachkommen könne. Nach der Aussage des Antragstellers sei er gegenüber Frau S. mit der Miete für den Monat Juni und wahrscheinlich auch für Juli 2012 schon im Rückstand. Sollte der Antragsteller "das Beitragskonto" zwischen ihm und Frau S. nicht bis zum 13. August 2012 ausgleichen, werde er die Vollmacht für Frau S. aufheben und er, der Antragsteller, müsse mit einer fristlosen Kündigung rechnen.
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Der Antragsteller hat telefonisch am 30. Juli 2012 dem Senat mitgeteilt, man habe ihm in der Verbraucherzentrale mitgeteilt, dass eine Kündigung nicht so schnell gehe. Mit Schreiben vom 3. August 2012 hat er erklärt, dass er für den Monat Juni rückwirkend 207,00 EUR Miete bezahlt habe, aber die Monate Juli und August schon wieder offen seien.
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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
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den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Mai 2012 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm ab dem 1. Oktober 2011 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich insgesamt 387,61 EUR zu gewähren.
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Der Antragsgegner verteidigt den Beschluss des SG und beantragt,
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die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Mai 2012 zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.
II.
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Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Dem Antragsteller geht es um die Differenz zwischen den derzeit gewährten 250,94 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung und den von ihm begehrten 387,61 EUR, also um einen monatlichen Betrag von 136,67 EUR. Da er Leistungen ab Oktober 2011 begehrt, liegt der Beschwerdewert über dem Berufungswert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750,00 EUR.
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Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Denn der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet. Das SG hat ihn daher zu Recht abgelehnt.
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Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) den Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die Dringlichkeit der Entscheidung des Gerichts (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.
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Hier fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrunds. Der Senat verweist hinsichtlich des drohenden Wohnungsverlustes auf die Ausführungen des SG in dem Beschluss vom 31. Mai 2012 und macht sie sich zu Eigen, § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG.
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Das im Beschwerdeverfahren vorgelegte und unter dem Namen des P. erstellte Schreiben vom 4. Juli 2012 ist ebenfalls nicht hinreichend zur Glaubhaftmachung der Eilbedürftigkeit. Zwar ist in diesem Schreiben ausgeführt worden, dass Herr P. die Vollmacht für Frau S. aufheben wolle und der Antragsteller mit einer fristlosen Kündigung rechnen müsse. Gleichzeitig ist jedoch mitgeteilt worden, dass der Antragsteller seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber Frau S. bis zum 30. Juni 2012 nachgekommen sei. Eine konkrete Kündigung des Mietvertrags, der zwischen Frau S. und dem Antragsteller abgeschlossen worden sein soll, ist weiterhin nicht ersichtlich. Auch aus dem Telefongespräch am 30. Juli 2012 des Antragstellers mit dem Berichterstatter hat sich ergeben, dass eine Kündigung der Wohnung nicht bevorsteht. Der Antragsteller hat den Senat darüber informiert, man habe ihm in der Verbraucherzentrale mitgeteilt, dass eine Kündigung nicht so schnell gehe. Dies folgt auch aus den Unterlagen, die zur Glaubhaftmachung einer etwaigen mietvertraglichen Zahlungsverpflichtung des Antragstellers vorgelegt worden sind. Danach hat der Eigentümer des Grundstücks bei Eigenbedarf der von ihm bestellten Verwalterin eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten eingeräumt. Eine Kündigung ist gegenüber Frau S. bisher nicht ausgesprochen worden, sodass auch zugunsten des Antragstellers angenommen werden muss, dass - wie er in dem Telefongespräch auch selbst ausgeführt hat - eine solche Kündigung nicht bevorsteht. Insbesondere hat Herr P. bisher auch keinen Eigenbedarf angemeldet, der ihn zur Kündigung berechtigen könnte. Eine Eilbedürftigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nunmehr auf den "katastrophalen Zustand" seiner Mietwohnung hinweist. Er hat im Jahr 2010 freiwillig die Räume der ehemaligen Pension bezogen und bei Bedarf das Dachgeschoss genutzt. Eine existenzielle Notlage kann nicht angenommen werden, wenn der Antragsteller diese Notlage selbst dadurch herbeiführt, dass er eine Wohnung anmietet und hiernach behauptet, diese sei unzumutbar.
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Das SG hat seine Entscheidung nur auf die fehlende Glaubhaftigkeit des Anordnungsgrundes gestützt. Der Senat geht zudem auch nicht davon aus, dass die behauptete mietvertraglichen Verpflichtungen des Antragstellers auf Zahlung eines Mietzinses in der behaupteten Höhe und damit der Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht sind. Denn nach den Angaben des Antragstellers gibt es keinen Mietvertrag zwischen ihm und dem neuen Eigentümer des Grundstücks. Soweit er mietvertragliche Verpflichtungen aus dem unter dem Namen der K. S. erstellten Schreiben vom 26. September 2011 ableiten will, ist sehr zweifelhaft, ob insoweit eine wirksame Verpflichtung zur Zahlung eines Mietzinses angenommen werden kann. Das genannte Schreiben ist von Frau S. nicht unterzeichnet worden, sondern nur mit einem Kürzel versehen, das die Kenntnisnahme des Antragstellers belegen soll. Die verschiedenen Schreiben der Frau S., des Herrn P. und des Antragstellers selbst, die dieser im vorliegenden Verfahren bei der Behörde und bei Gericht eingereicht hat, erscheinen zudem nicht von den in den Schreiben genannten Absendern zu stammen. Sie dürften - nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch hinreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage - von derselben Person und auf demselben PC/ Schreibmaschine erstellt worden sein. Dies ergibt sich durch Vergleich des Schriftbildes, des Schreibstils und der Orthographie, insbesondere auch der Fehler in der Rechtschreibung. So wird in dem unter dem Namen der K. S. erstellten Schreiben vom 16. Oktober 2011 ausgeführt, "wir bitten um schriftliche Kenntnisnahme", wobei Kenntnisnahme mit "ss" geschrieben wird. Auch in dem unter dem Namen des D. P. erstellten Schreiben vom 21. September 2011 wird ähnlich und mit demselben Rechtschreibfehler ausgeführt: "Bestätigen Sie mir formlos Ihre Kenntnisnahme". Hier ist eine sehr ähnliche Formulierung mit demselben Rechtschreibfehler in beiden Schreiben festzustellen, was sehr unwahrscheinlich ist, wenn zwei verschiedene Personen diese Schreiben verfasst haben sollen. Dies wird umso unwahrscheinlicher, als die jeweiligen Daten der Schreiben ("Salzwedel, d." bzw. "Burg, d.") vom Schriftbild her ebenso identisch sind wie die übrige Formatierung. Auch das Schreiben des Antragstellers vom 27. September 2011 trägt eine Datumsangabe, die derjenigen in den unter den Namen P. und S. erstellten Schreiben auffällig gleicht. Auch hier fällt auf, dass das Schriftbild identisch ist mit dem unter dem Namen von Frau S. erstellten Schreiben vom 18. Oktober 2011 und dem unter dem Namen des D. P. erstellten Schreiben vom 21. September 2011. Der Senat bezweifelt vor dem Hintergrund dieser Auffälligkeiten, dass mietvertragliche Verpflichtungen zwischen zwei verschiedenen Personen eingegangen worden sind, und hält die behaupteten Kosten der Unterkunft und Heizung nicht für hinreichend glaubhaft gemacht.
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Gegen eine wirksame Verpflichtung spricht zudem, dass Frau S. in dem Schreiben vom 26. September 2011, das der Antragsteller zur Glaubhaftmachung seiner mietvertraglichen Verpflichtung vorgelegt hat, die private Nutzung im Hinblick auf die Nebenkosten herausgerechnet hat. Offenbar ist dieses Schreiben, das der Antragsteller als Mietvertrag gewertet wissen will, zur Vorlage bei dem Antragsgegner und zur Geltendmachung von Kosten der Unterkunft und Heizung angefertigt worden. Anderenfalls ist nicht nachvollziehbar, warum Frau S. in diesem Schreiben die mietvertragliche Verpflichtung nur auf die privat genutzten Räume erstrecken will. Zudem ist nicht erklärbar, dass entsprechend dem unter dem Namen der Frau S. erstellten Schreiben vom 26. September 2011 95 % (180,61 EUR von 191,09 EUR) der Nebenkosten auf die private Nutzung entfallen, diese private Nutzung aber nur 33 % ausmachen soll. Der Antragsteller hat auch in der Vergangenheit Verträge nur "pro forma" abgeschlossen. So hat er im Erörterungstermin des SG in dem Verfahren mit dem Az. S 5 AS 1281/09 ER zweimal erklärt, er habe sich im Jahr 1986 polizeilich bei Frau S. gemeldet; dies sei jedoch nur "pro forma geschehen, um höhere Reisekosten und Auslösen zu erhalten". Insoweit wird auf Blatt 5 und 7 des Protokolls verwiesen. Das Verhalten spricht im Zusammenhang mit den übrigen Indizien dafür, dass auch die vorliegend erstellten Schreiben nur zur Vorlage bei dem Antragsgegner dienten. Gegen eine ernsthafte mietvertragliche Abrede zwischen Frau S. und dem Antragsteller spricht schließlich, dass trotz des zwischen Frau S. und dem Antragsteller einvernehmlich angenommenen "katastrophalen" und "desolaten Zustands" der Räumlichkeiten ein für S. hoher Mietpreis von 4,50 EUR pro m² vereinbart worden ist. Nach Überzeugung des Senats erscheint auch aus diesem Grund eine tatsächliche Einigung zwischen Vermieter und Mieter sehr zweifelhaft. Vielmehr drängt sich das Vorliegen eines kollusiven Zusammenwirkens zu Lasten Dritter auf, um Sanierungsmaßnahmen in dem Haus zu finanzieren.
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Selbst bei Vorliegen eines mietvertraglichen Bindungswillens ergäbe sich kein Anspruch auf weitere Kosten der Unterkunft. Denn der Senat ist nicht von einer angeblich angemieteten Wohnfläche von 46 qm überzeugt. Über die bewohnte Fläche hatte der Antragsteller in der Vergangenheit verschiedenste Angaben gemacht (60 qm im Leistungsantrag vom 10. März 2011, 90 qm laut Schriftsatz vom 17. Februar 2011). Ausweislich des Protokolls des Hausbesuchs vom 10. November 2011 nutzt er nur noch das Pensionszimmer und als Ausweichquartier - bei Auftreten fliegender Ameisen - zeitweise einen Raum im Dachgeschoss. Nach seiner Bekundung im Erörterungstermin vom 25. Januar 2010 umfasst das Pensionszimmer, das komplett mit Betten, Bad und Kochgelegenheit ausgestattet ist, 25 qm. Falls von den angeblich angemieteten 46 qm laut Schreiben der Frau S. vom 26. September 2011 (Kaltmiete 207 EUR, je qm 4,50 EUR) zusammen nur 33 % privat genutzt werden, dürfte die tatsächlich zum Wohnen genutzte Fläche sogar noch kleiner sein. Die anteiligen Büroflächen dienen nicht dem Wohnen und sind daher nicht als Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen.
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Daher kommt auch den vorgelegten Quittungen für die Monate Januar bis Mai 2012 über die gezahlte Kaltmiete von 207 EUR und Nebenkosten von 180,61 EUR monatlich kein Beweiswert zu. Diese dokumentieren nämlich die Gesamtmiete für Büro- und Wohnfläche. Es bedarf keiner Erörterung, ob das Geld tatsächlich geflossen ist. Denn die bereits bewilligten 250,95 EUR/ Monat für die Kosten der Unterkunft übersteigen 33 % der angeblichen Gesamtmiete von 387,61 EUR bei weitem.
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Die Sachlage ist gegebenenfalls (zum Beispiel unter Anforderung der Originale und vergleichender Begutachtung und/oder Zeugenvernehmung) im Hauptsacheverfahren weiter aufzuklären, soweit dieses vom Antragsteller fortgeführt wird. Insoweit weist der Senat jedoch vorsorglich bereits jetzt auf eine etwaige strafrechtliche Verantwortlichkeit hin.
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