Beschluss vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (3. Senat) - L 3 R 497/13 B ER
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 24.475,75 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
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Die Beteiligten streiten über eine Beitragsnachforderung in Höhe von 147.144,78 EUR einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 49.241,00 EUR.
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Die Antragstellerin (im Weiteren: Ast.) ist im mitteldeutschen Raum mit Sitz der Hauptverwaltung in H. wirtschaftlich tätig. Sie führt überwiegend Wach- und Sicherheitsdienstleistungen in Form von Objekt- und Werkschutz, Empfangs- und Rezeptionsservice, Betreuung von Einkaufszentren, Veranstaltungsdienst, Baustellensicherung, Schließdienst, mobiler Streifendienst mit und ohne Wachbegleitung und Alarmservice durch. Sie verfügt über Niederlassungen in H. und L., über Filialen in D., D., H. und S. sowie über sogenannte Stützpunkte in W., O., K., B., H. und E.
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Nach Anhörung stellte die Antragsgegnerin (Ag.) der Ast. gegenüber mit Bescheid vom 19. August 2013 für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2011 eine Beitragsnachforderung in Höhe von 147.144,78 EUR einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 49.241,00 EUR fest. Zur Begründung führte sie u.a. aus, bei den bei der Ast. beschäftigten und in Sachsen bzw. Thüringen eingesetzten Arbeitnehmern sei der in den für allgemeinverbindlich erklärten Entgelttarifverträgen (ETV) für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in den Freistaaten Sachsen und Thüringen festgelegte Mindest- bzw. Grundlohn - für die Arbeitnehmer der Ast. im Freistaat Sachsen für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. März 2010 und im Freistaat Thüringen für die Zeit vom 1. Juni 2007 bis zum 31. Januar 2010 (jeweils bis dem Ende der Allgemeinverbindlicherklärung) - nicht immer eingehalten worden. Diese Arbeitnehmer unterlägen dem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich der o.g. ETV. Der persönliche Geltungsbereich umfasse alle Arbeitnehmer, die im räumlichen Geltungsbereich dieser ETV eingesetzt würden. Dieses so genannte Erfüllungsortsprinzip sei durch § 10 des Manteltarifvertrages (MTV) für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Freistaat Sachsen vom 28. Dezember 2005, gültig ab dem 6. September 2006, und im Freistaat Thüringen vom 21. Mai 2007, gültig ab dem 1. Juli 2007, nochmals dahingehend manifestiert worden, dass sich die Ansprüche aus dem MTV und dem jeweiligen ETV nach dem Ort der Erbringung der Arbeitsleistung richteten. Gemäß § 1 Nr. 2 ETV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Freistaat Thüringen gelte dieser für alle in Thüringen tätigen Betriebe des Wach- und Sicherheitsgewerbes sowie für alle in Thüringen befindlichen Objekte. Die bei der Ast. beschäftigten Arbeitnehmer, die in Sachsen bzw. Thüringen tätig gewesen seien, hätten Anspruch auf den in den oben genannten Entgelttarifverträgen festgelegten Lohnsatz. Auf die Differenz zwischen gezahltem Arbeitsentgelt und geschuldetem Entgelt seien Sozialversicherungsbeiträge nachzuberechnen.
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Hiergegen erhob die Ast. am 30. August 2013 Widerspruch.
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Sie hat am 16. September 2013 im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Halle die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Ag. vom 19. August 2013 beantragt. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Sie unterliege nicht dem Geltungsbereich der ETV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Freistaat Sachsen bzw. im Freistaat Thüringen, soweit durch sie Wach- und Sicherheitsdienstleistungen in diesen Bundesländern angeboten würden. Denn sie unterhalte dort keine selbstständigen Betriebe oder Betriebsteile. Eine entsprechende (einschränkende) Auslegung des räumlichen Geltungsbereichs der genannten Tarifverträge folge dabei bereits aus der satzungsmäßigen Zuständigkeit der die Tarifverträge auf Arbeitgeberseite schließenden Parteien (Landesgruppe Sachsen bzw. Thüringen des Bundesverbandes des Wach- und Sicherheitsgewerbes (BDWS)). Diese sei auf die Bundesländer Sachsen bzw. Thüringen beschränkt. Deshalb könnten auf Arbeitgeberseite auch nur solche Arbeitgeber von dem Tarifvertrag erfasst werden, die in den entsprechenden Bundesländern eine selbstständige Betriebsabteilung vorhielten, die wiederum Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in der entsprechenden Landesgruppe sei. Eine Erstreckung des Anwendungsbereiches der für die Freistaaten Sachsen und Thüringen geltenden Tarifverträge auf sie - die Ast. - mit Sitz in Sachsen-Anhalt würde die durch Artikel 9 Grundgesetz geschützte negative Koalitionsfreiheit verletzen. Ihr sei die Möglichkeit versagt geblieben, auf die sächsischen oder thüringischen Tarifverträge Einfluss zu nehmen. In Bezug auf das teilweise tarifvertraglich normierte Erfüllungsortprinzip komme den Tarifvertragsparteien keine Regelungskompetenz für Unternehmen zu, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrages ihren Sitz hätten. Zudem werde durch den ausdrücklichen Hinweis der Sächsischen Staatsregierung im Zusammenhang mit der Bekanntmachung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Entgelttarifvertrages 2011 vom 27. April 2012 bestätigt, dass vom Geltungsbereich des Tarifvertrages nur solche Betriebe oder selbstständige Betriebsabteilungen erfasst würden, die im Freistaat Sachsen ihren Sitz hätten. Ausweislich des Schreibens des Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Arbeit des Freistaates Thüringen vom 29. August 2007 erfasse der Tarifvertrag nur solche Arbeitgeber, die in Thüringen eigenständige Betriebsabteilungen unterhielten. Im Übrigen bedürfe es keines Arbeitnehmerentsendegesetzes, wenn unproblematisch durch die Tarifvertragsparteien das Erfüllungsortprinzip festgeschrieben werden könnte und dies durch eine anschließende Allgemeinverbindlichkeitserklärung für sämtliche im Geltungsbereich des Tarifvertrages tätige Unternehmen Geltung erlangen würde. Eine Erstreckung der Geltung eines räumlich begrenzten Tarifvertrages auf Arbeitgeber, die in der entsprechenden Region weder ihren Sitz hätten noch einen selbstständigen Betrieb unterhielten, wäre nur über den Weg der Aufnahme des entsprechenden Tarifvertrages in das Arbeitnehmerentsendegesetzes rechtlich zulässig. Eine solche Aufnahme der Branche des Wach- und Sicherheitsgewerbes in das Arbeitnehmerentsendegesetz sei erstmalig zum 1. Juni 2011 bezüglich des bundesweit geltenden Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne für Sicherheitsdienstleistungen vom 11. Februar 2011 erfolgt, wobei die sich daraus ergebenden Mindestlohnansprüchen nicht streitgegenständlich seien. Die Existenz des Arbeitnehmerentsendegesetzes stehe im Übrigen der Rechtsauffassung der Ag. entgegen, aufgrund des im Entgelttarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Freistaat Sachsen geregelte "Erfüllungsortprinzip" unterfiele sie - die Ast. - diesem Tarifvertrag. Ihre sämtlichen Untergliederungen - Niederlassungen, Filialen und Stützpunkte - seien unter Zugrundelegung des kollektivrechtlichen Betriebsbegriffs nicht als selbstständige Betriebe oder Betriebsteile zu qualifizieren. Sämtliche personellen und kaufmännischen Angelegenheiten würden vom Unternehmenssitz in H. aus erledigt. Die personelle Einsatzplanung und -leitung sowie die Buchhaltung einschließlich der Lohnabrechnungsunterlagenerstellung erfolgten ausschließlich in H. Dort befänden sich zudem sämtliche Personalunterlagen sowie die für die Erledigung der Lohnbuchhaltung technischen Voraussetzungen. Die einzelnen Stützpunkte und Filialen hätten keine eigenen Bankkonten und verfügten über keinerlei personalrechtliche Befugnisse in den typischen betrieblichen mitbestimmungspflichtigen Entscheidungen. Insoweit werde auf die eidesstattlichen Versicherungen der am Sitz in H. tätigen Personalsachbearbeiterin S. und des Leiters der Niederlassung L. H., jeweils vom 3. September 2013, verwiesen. Des Weiteren stelle die sofortige Vollziehung bereits aufgrund der Höhe der Beitragsforderung und insbesondere der geltend gemachten Säumniszuschläge in Höhe von 49.241,00 EUR, die eine große wirtschaftliche Belastung für sie - die Ast. - bedeute, eine unbillige Härte dar.
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Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 7. November 2013 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt. Da allenfalls Zweifel, nicht aber erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Ag. vom 19. August 2013 bestünden, könne kein überwiegendes Interesse der Ast. an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung festgestellt werden. Die Anwendbarkeit der ETV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Freistaat Sachsen sowie im Freistaat Thüringen ergebe sich aus deren Allgemeinverbindlicherklärung. Die Ast. unterfalle auch dem Geltungsbereich der ETV. Es sei jedoch nicht erkennbar und könne daher nicht abschließend zu beurteilen, ob es sich bei den Niederlassungen, Filialen und Stützpunkten in Thüringen bzw. Sachsen um Betriebe handele. Die Entscheidung, ob lediglich eine unselbstständige Produktionsstätte vorliege oder ob es sich um einen selbstständigen Betrieb handele, erfordere die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Eine abschließende Prüfung hierzu bleibe dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
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Gegen den ihr am 14. November 2013 zugestellten Beschluss hat die Ast. am 10. Dezember 2013 Beschwerde beim Sozialgericht Halle eingelegt, welches diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Ihre Rechtsauffassung, dass für den räumlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages grundsätzlich der Sitz eines Unternehmens maßgeblich sei, werde bestätigt durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 26. Oktober 1983 (4 AZR 248/81). Nach dieser Entscheidung komme es nicht auf den Ort des Einsatzes des Arbeitnehmers, sondern auf den Ort des Betriebes an, von dem aus die Entsendung bzw. der Einsatz des Arbeitnehmers erfolge.
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Die Ast. beantragt sinngemäß,
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den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 7. November 2013 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Ag. vom 19. August 2013 anzuordnen.
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Die Ag. beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Ag. Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.
II.
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Die zulässige Beschwerde der Ast ist unbegründet.
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Der Antrag auf Anordnung einer aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist zulässig. Insbesondere besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz, obwohl die Ast. zuvor keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Ag. gestellt hat. Die Ast. muss sich zunächst nicht mit dem Begehren einer Entscheidung nach § 86a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an die Verwaltung gewandt haben (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Oktober 2007 - B KA 4/07 R - SozR 4-1935 § 17 Nr.1 und Urteil vom 14. Februar 2013 - B 14 AS 62/12 R - SozR 4-1300 § 63 Nr. 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 11. Aufl., 2014, § 86b Rdnr. 7a).
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Das Sozialgericht hat die Voraussetzungen einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Ast. gegen den Bescheid der Ag. vom 8. Mai 2012 zu Recht verneint.
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Nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei einer Entscheidung über die Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. In den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 4 SGG durch Beschluss die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
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Nach § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG soll die Aussetzung in den Fällen des Absatz 2 Nr. 1 erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg oder nach anderer Auffassung der Erfolg mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg ist. Dabei ist als Erwägung auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in § 86b Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Abgabebescheiden bewusst auf den Adressaten verlagert hat, um die notwendigen Einnahmen der öffentlichen Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben sicherzustellen. Diese gesetzliche Risikoverteilung würde unterlaufen, wenn bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens die Vollziehung ausgesetzt würde (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86a Rdnr. 27). Das Gesetz bringt also zum Ausdruck, dass in den Fällen des § 86a Abs. 2 SGG das Vollziehungsinteresse in der Regel vorrangig ist.
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Im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist für den Senat nicht erkennbar, dass die Beitragsforderung der Ag. offensichtlich rechtswidrig ist. Die allgemeinverbindlichen ETV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in den Freistaaten Sachsen und Thüringen könnten auf die Arbeitsverhältnisse der in Sachsen bzw. Thüringen eingesetzten Arbeitnehmer Anwendung finden, so dass der darin festgesetzte Mindest- bzw. Grundlohn der Beitragspflicht unterliegen kann.
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Nach § 4 Abs. 1 TVG hängt die Wirkung der Rechtsnormen des Tarifvertrages im Arbeitsverhältnis der beiderseits Tarifgebundenen u.a. davon ab, ob der Geltungsbereich des Tarifvertrages eröffnet ist. Die Tarifvertragsparteien haben jeweils in § 1 ETV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe sowohl im Freistaat Sachsen und als auch im Freistaat Thüringen den Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrages in räumlicher, fachlicher und persönlicher Hinsicht geregelt. Die so bestimmten Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein.
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Maßgeblich für den räumlichen Geltungsbereich von Entgelttarifverträgen ist grundsätzlich der Sitz des Unternehmens (vgl. BAG, Urteil vom 26. Oktober 1983 - 4 AZR 248/81 - juris).
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In § 13 des Manteltarifvertrages (MRTV) für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 1. Dezember 2006 ist im Übrigen das sogenannte Erfüllungsortprinzip geregelt, das besagt, dass für die länderspezifischen Mantel-, Entgelt-, Lohn- und Gehaltstarifverträge der Anspruch aus den tariflichen Bestimmungen gemäß dem Ort der Erbringung der Arbeitsleistung gilt. Diese tarifliche Regelung zum "Erfüllungsortprinzip" ist jedoch keine eigenständige Anspruchsgrundlage für die Entlohnung des Arbeitnehmers. Es handelt sich dabei vielmehr um eine tarifvertraglich festgelegte Kollisionsregel, die dazu dient, eine eventuell bestehende Tarifkonkurrenz aufzulösen. Die Regelung schafft keinen eigenständigen Anspruch unabhängig von der Geltung von (ggf. konkurrierenden) Ländertarifverträgen und dem Vorliegen von deren Voraussetzungen (vgl. BAG, Urteil vom 26. September 2012 - 4 AZR 782/10 - juris). Solche konkurrierende Ländertarifverträge liegen dem Senat nicht vor. Eine Kollision mit dem Entgelttarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbes Sachsen-Anhalt ist für den Senat gegenwärtig nicht feststellbar. Insoweit wäre eine Geltung für alle Arbeitnehmer nur bei einer Allgemeinverbindlichkeit anzunehmen.
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Hier ist dem ETV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Freistaat Thüringen (§ 1) bei summarischer Prüfung damit eine eigenständige Tarifregelung mit Allgemeinverbindlichkeit zu entnehmen, die den von der Ag. ihrer Beitragsberechnung zugrunde gelegten Entgelten eine hinreichende Grundlage bietet. Nach dieser Regelung umfasst der persönliche Geltungsbereich die Betriebe des Wach- und Sicherheitsgewerbes. Der räumliche Geltungsbereich umfasst das Gebiet Thüringen, der fachliche Geltungsbereich ist auf alle in Thüringen tätigen Betriebe des Wach- und Sicherheitsgewerbes sowie alle in Thüringen befindlichen Objekte bezogen. Damit verweist diese Vorschrift hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereichs auf den räumlichen und fachlichen Geltungsbereich und enthält mithin eine Regelung, die den Anwendungsbereich auch in räumlicher Hinsicht nicht auf eigenständige Betriebe mit Sitz in Thüringen begrenzt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Einsatz von Personal in Objekten, die sich in Thüringen befinden, für die Anwendung des ETV Wach- und Sicherheitsgewerbes Thüringen ausreichend ist.
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Demgegenüber enthält § 1 ETV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Freistaat Sachsen eine Sonderregelung, die besagt, dass der persönliche Geltungsbereich alle Arbeitnehmer umfasst, die im räumlichen Geltungsbereich dieses Entgelttarifvertrages eingesetzt werden. Der räumliche Geltungsbereich erstreckt sich auf das Gebiet Sachsen, der fachliche Geltungsbereich betrifft alle Betriebe und Betriebsteile des Wach- und Sicherheitsgewerbes sowie alle Betriebe und Betriebsteile, die Kontroll- und Ordnungsdienste und/oder Geld- und Wertdienste betreiben, alle Bewachungsobjekte und Dienststellen. Der ETV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Freistaat Sachsen gilt damit bei summarischer Prüfung für die in Betrieben und Betriebsteilen im Freistaat Sachsen beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer.
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Das Sozialgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass nach dem derzeitigen Sachstand indes in Bezug auf die in Sachsen eingesetzten Mitarbeiter der Ast. nicht abschließend beurteilt werden kann, ob es sich bei der Niederlassung Leipzig um einen "Betrieb" handelt. Es ist nicht abschließend geklärt, wo der Schwerpunkt der Arbeitsverhältnisse der im Zuständigkeitsbereich der Niederlassung L. beschäftigten Arbeitnehmer lag. Feststellungen dazu, wo die Leistungen aus dem Arbeitsvertrag und insbesondere die Arbeitsleistung dieser Arbeitnehmer faktisch zu erbringen sind, (vgl. BAG, Urteil vom 3. Dezember 1985 - 4 AZR 325/84 - juris) und zu den Verhältnissen in der Niederlassung Leipzig sind nicht erfolgt. Im Übrigen ist bisher nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden, dass das Direktionsrecht für die vor genannten Arbeitnehmer am Unternehmenssitz der Ast. in H. ausgeübt wird. Das Direktionsrecht des Arbeitsgebers beinhaltet die Bestimmung von Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung. Der eidesstattlichen Versicherung des Leiters der Niederlassung Leipzig T. H. vom 3. September 2013 ist zwar zu entnehmen, dass sämtliche wesentlichen Personalentscheidungen, wie Einstellungen, Entlassungen oder arbeitsrechtliche Sanktionen, durch die Geschäftsführung am Unternehmenssitz in H. getroffen wurden. Insoweit bleibt jedoch offen, ob darüber hinausgehende personenbezogene Entscheidungen, wie z.B. Urlaubsgewährungen, in der Niederlassung L. erfolgten. Es bestehen auch Anhaltspunkte dafür, dass die Urlaubsanträge an die Niederlassung zu richten waren [z.B. Bl. 114 der Verwaltungsakte]. Im Übrigen liegen Lohnabrechnungen aus dem streitigen Zeitraum [z.B. Bl. 11, 13, 32, 34 der Verwaltungsakte] vor, die unter Angabe der Niederlassung erstellt worden sind.
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Die von der Ast. vorgebrachten Einwendungen sind nur nach Ermittlungen im Hauptsacheverfahren zu verifizieren und begründen derzeit keinesfalls ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides der Ag.
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Schließlich sind keine Gründe ersichtlich, dass die Vollziehung des Bescheides gemäß § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für die Ast. darstellt. Diese hat bislang nicht dargelegt, dass die Forderung von 147.144,78 EUR einschließlich der Säumniszuschläge sie in eine wirtschaftliche Notlage bringt, die nur durch die Aussetzung der Vollziehung verhindert werden könnte. Die nur in einem Satz erwähnte wirtschaftliche Verlustsituation und die ständig drohende Insolvenz der Antragstellerin sind allein durch diesen Vortrag weder belegt noch glaubhaft gemacht. Diese hat auch nicht dargelegt, worin der abzuwendenden Nachteil bestehe, der es ihr nicht erlaube, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Als Grundlage der Festsetzung hat der Senat, abweichend von der Streitwertfestsetzung des Sozialgerichts, ein Viertel der streitigen Beitragsforderung angesetzt (vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 17. Mai 2010 - L 3 R 408/09 B ER - juris, m.w.N.).
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Referenzen
- § 1 ETV 2x (nicht zugeordnet)
- SGG § 86a 5x
- § 1 Nr. 2 ETV 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 197a 2x
- § 4 Abs. 1 TVG 1x (nicht zugeordnet)
- 4 AZR 325/84 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 86b 2x
- 14 AS 62/12 1x (nicht zugeordnet)
- 4 AZR 248/81 2x (nicht zugeordnet)
- 3 R 408/09 1x (nicht zugeordnet)
- 4 AZR 782/10 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 177 1x