Urteil vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (1. Senat) - L 1 R 47/15

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 4. Dezember 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 1. März 2011 bis zum 29. Februar 2012 und die Erstattung von 3.804,32 EUR streitig.

2

Der am ... 1955 geborene Kläger ist gelernter Maurer und war bis zuletzt in diesem Beruf tätig. Er war ab 31. August 2009 arbeitsunfähig und bezog bis zum 11. Oktober 2009 Arbeitsentgelt, vom 12. bis zum 21. Oktober 2009 Übergangsgeld und anschließend bis zum 28. Februar 2011 Krankengeld.

3

Der Kläger beantragte am 7. Januar 2010 bei der Beklagten die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung.

4

Er hatte die Agentur für Arbeit D. bei der Beantragung von Arbeitslosengeld am 28. Dezember 2010 von der Rentenantragstellung in Kenntnis gesetzt. Mit Schreiben vom selben Tag hatte die Agentur für Arbeit bei der Beklagten vorsorglich einen Erstattungsanspruch für die Zeit ab 1. März 2011 angemeldet. Ferner hatte sie vorläufig mit Bescheid vom 29. Dezember 2010 Arbeitslosengeld vom 1. März 2011 bis zum 29. Februar 2012 i.H.v. 18,83 EUR/Tag nach einem täglichen Bemessungsentgelt i.H.v. 42 EUR bewilligt. Nach Eingang der Arbeitsbescheinigung am 31. Januar 2011 bewilligte sie mit Bescheid vom 3. Februar 2011 endgültig ab 1. März 2011 Arbeitslosengeld i.H.v. 21,07 EUR/Tag nach einem täglichen Bemessungsentgelt i.H.v. 48,54 EUR.

5

Mit Bescheid vom 8. Februar 2011 bewilligte die Beklagte in Ausführung des Teilabhilfebescheides vom 19. Mai 2010 dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. September 2009. Die laufende monatliche Zahlung ab 1. März 2011 betrug 314,94 EUR. Auf Seite 4 des Rentenbescheides war unter Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten angegeben: "Ihre Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wird nicht oder in verminderter Höhe gezahlt, sofern durch Einkommen die für diese Rente maßgebende Hinzuverdienstgrenze überschritten wird. Die Hinzuverdienstgrenzen finden Sie in der Anlage 19. Sie müssen unverzüglich mitteilen, wenn Ihr Einkommen über der Hinzuverdienstgrenze liegt." Ferner wurde mitgeteilt, dass Einkommen u.a. auch Arbeitslosengeld sei. Es wurde ferner darauf hingewiesen, dass für die Höhe des Hinzuverdienstes nicht die Höhe der Sozialleistung maßgebend sei. Es komme vielmehr darauf an, wie hoch das Arbeitsentgelt oder das Arbeitseinkommen sei, das der Sozialleistung zu Grunde liege. Auf Seite 2 der Anlage 1 wurde mitgeteilt, dass für September 2009 die Rente nicht gezahlt werde, da der zulässige Hinzuverdienst überschritten werde. Erst ab dem 1. Oktober 2009 ergebe sich eine monatliche Rente i.H.v. 350,51 EUR.

6

Die Beklagte setzte die Agentur für Arbeit am 10. Februar 2011 über die Rentengewährung in Kenntnis und forderte diese auf, einen ggf. bestehenden Erstattungsanspruch zu beziffern.

7

Dem Kläger wurden am 31. März 2011 sowohl die Rente i.H.v. 314,94 EUR als auch erstmalig Arbeitslosengeld i.H.v. 632,10 EUR für den Monat März 2011 überwiesen.

8

Mit Bescheid vom 28. Mai 2011 wurde die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zum 1. Juli 2011 angepasst.

9

Bei der Beklagten ging am 18. Januar 2012 die auf deren Aufforderung vom 13. Januar 2012 von der Agentur für Arbeit D. erstellte Bescheinigung über das dem Arbeitslosengeld zu Grunde liegende tägliche Bemessungsentgelt i.H.v. 48,54 EUR ein.

10

Mit Anhörungsschreiben vom 8. Mai 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es sei beabsichtigt, den Bescheid vom 28. Mai 2011 für die Zeit vom 1. März 2011 bis zum 29. Februar 2012 teilweise aufzuheben und die überzahlten Beträge i.H.v. 3.804,32 EUR zurückzufordern. Der Bescheid sei rechtswidrig geworden, weil der Kläger in dem o.g. Zeitraum Arbeitslosengeld bezogen habe, das als Hinzuverdienst bei der teilweisen Erwerbsminderungsrente zu berücksichtigen sei. Das der Sozialleistung zu Grunde liegende Arbeitsentgelt betrage 1.456,20 EUR/Monat. Dieses überschreite alle Hinzuverdienstgrenzen. Die Rente sei damit für den genannten Zeitraum nicht zu zahlen. Nach Lage der Akten sei eine Aufhebung für die Vergangenheit zulässig, weil die Voraussetzungen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) vorlägen. Der überzahlte Betrag i.H.v. 3.804,32 EUR sei zu erstatten (§ 50 Abs. 1 SGB X). Der Kläger äußerte sich nicht.

11

Mit Bescheid vom 30. Mai 2012 hob die Beklagte den Bescheid vom 28. Mai 2011 für die Zeit vom 1. März 2011 bis zum 29. Februar 2012 teilweise auf und forderte vom Kläger für diesen Zeitraum die Erstattung des überzahlten Betrages i.H.v. 3.804,32 EUR. Wegen der Anrechnung des der Sozialleistung zu Grunde liegenden Entgelts i.H.v. 1.456,20 EUR sei der Bescheid nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X für die Zukunft aufzuheben. Er sei zudem gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben. Aufgrund der im Rentenbescheid gegebenen Informationen sei dem Kläger bekannt gewesen, dass sich Einkommensänderungen auf die Höhe der zu zahlenden Rente auswirken könnten.

12

Mit seinem am 5. Juni 2012 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, das an ihn gezahlte Arbeitslosengeld i.H.v. monatlich 632,19 EUR überschreite nicht die in der Anlage 19 zum Rentenbescheid angegebenen Hinzuverdienstgrenzen.

13

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die Aufhebung des Bescheides vom 8. Februar 2011 in der Fassung des Anpassungsbescheides vom 28. Mai 2011 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X und die Rückforderung des Betrages i.H.v. 3.804,32 EUR für den Zeitraum vom 1. März 2011 bis zum 29. Februar 2012 sei nicht zu beanstanden. Als Hinzuverdienst nach § 96a Abs. 2 Satz 3 SGB VI sei das der Sozialleistung zu Grunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berücksichtigen. Die Höhe des Hinzuverdienstes des Klägers habe die Hinzuverdienstgrenzen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in voller Höhe sowie in Höhe der Hälfte überschritten. Nach Erlass des Verwaltungsaktes habe der Kläger Einkommen bezogen, das zum Wegfall des Anspruchs auf die Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit geführt habe. Maßgebend sei dabei allein der tatsächliche Bezug des Einkommens. Da kein atypischer Fall vorliege, habe kein Ermessen ausgeübt werden müssen.

14

Dagegen hat der Kläger am 21. September 2012 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben. Der Rentenbescheid sei nicht innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der für die Aufhebung erforderlichen Tatsachen aufgehoben worden. Zumindest habe es die Beklagte missbräuchlich unterlassen, sich Kenntnis über die Höhe des Hinzuverdienstes für die Zeit ab dem 1. März 2011 zu verschaffen. Diese Kenntnis hätte die Beklagte spätestens mit der Anforderung des Arbeitslosengeldbescheides vom 3. Februar 2011 erlangen können. Darüber hinaus liege ein atypischer Fall vor. Zum einen sei ihm absolut nicht klar gewesen, dass das der Sozialleistung zu Grunde liegende Entgelt zu berücksichtigen sei. Zudem liege ein mitwirkendes Fehlverhalten auf Seiten der Beklagten vor, da die Überzahlung vermeidbar gewesen wäre. Ferner würden in Folge der Aufhebung der Rentenbewilligung für die Vergangenheit sein Einkommen und das seiner Ehefrau in den meisten Monaten unter den Sozialhilfesatz sinken. Schließlich habe die Beklagte ausdrücklich nur den Anpassungsbescheid vom 28. Mai 2011 aufgehoben, so dass für die Rückforderung vom 1. März bis zum 30. Juni 2011 kein Aufhebungsbescheid existiere.

15

Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, der Kläger sei verpflichtet, jegliche Änderungen anzuzeigen. Eine Mitteilung an sie bezüglich seines Bezugs von Arbeitslosengeld sei nicht erfolgt, obwohl ihm spätestens seit Zugang des Bescheides vom 8. Februar 2011 sämtliche Informationen hinsichtlich der Auswirkungen eines rentenschädlichen Hinzuverdienstes bekannt gewesen seien.

16

Das Sozialgericht Dessau-Roßlau hat mit Urteil vom 4. Dezember 2014 den Bescheid der Beklagten vom 30. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2012 aufgehoben. Das Bestimmtheitsgebot sei gewahrt. Die Beklagte habe die Bescheide vom 8. Februar und vom 28. Mai 2011 mit Bescheid vom 30. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2012 insbesondere hinsichtlich der Rentenhöhe hinreichend bestimmt zurückgenommen. Für den Kläger sei klar erkennbar gewesen, dass die Zahlung der Rente für den Zeitraum vom 1. März 2011 bis zum 29. Februar 2012 aufgehoben worden sei und er zur Rückzahlung von 3.804,32 EUR verpflichtet sein sollte. Die Beklagte habe jedoch fehlerhaft die Aufhebung der Rentenbewilligung auf § 48 SGB X gestützt. Bereits vor Zugang des Rentenbescheides vom 8. Februar 2011 sei dem Kläger mit Bescheid vom 29. Dezember 2010 i.d.F. des Änderungsbescheides vom 3. Februar 2011 Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 1. März 2011 bis zum 29. Februar 2012 gewährt worden. Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bescheides vom 8. Februar 2011 und dessen Folgebescheid sei damit § 45 SGB X. Das Auswechseln der Rechtsgrundlage sei grundsätzlich zulässig, jedoch seien die Voraussetzungen des § 45 SGB X nicht erfüllt. Die Beklagte habe keine Ermessensentscheidung getroffen.

17

Gegen das ihr am 8. Januar 2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. Februar 2015 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie sei auch bei absehbaren Veränderungen der Verhältnisse während eines Bewilligungszeitraumes weder verpflichtet noch berechtigt, von vornherein einen zukünftigen Sachverhalt bei der Bewilligung einer Leistung zu berücksichtigen. Es müsse vor einer Bescheiderteilung immer erst der Eintritt des bereits bekannten Sachverhaltes abgewartet werden. Die tatsächliche Änderung der Verhältnisse sei erst am 1. März 2011 und damit erst nach dem Erlass des Rentenbescheids eingetreten. Somit sei der ursprüngliche Bewilligungsbescheid nicht von Anfang an rechtswidrig gewesen.

18

Die Beklagte beantragt,

19

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 4. Dezember 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

20

Der Kläger beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Agentur für Arbeit D.-R., die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

24

Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt worden gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie ist auch statthaft nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR übersteigt.

II.

25

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2012 ist hinsichtlich der Aufhebung des maßgebenden Bewilligungsbescheides vom 8. Februar 2011 für den Zeitraum vom 1. März 2011 bis zum 29. Februar 2012 und der Erstattung eines Betrages i.H.v. 3.804,32 EUR rechtlich nicht zu beanstanden. Er verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

26

Der Kläger hatte keinen Anspruch auf Zahlung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 1. März 2011 bis zum 29. Februar 2012, da das Bemessungsentgelt i.H.v. 1.456,20 EUR/Monat, welches dem ihm für diesen Zeitraum bewilligten Arbeitslosengeld zu Grunde liegt, alle zulässigen Hinzuverdienstgrenzen übersteigt.

1.

27

Es ist unschädlich, dass die Beklagte in dem Bescheid vom 30. Mai 2012 lediglich den Rentenanpassungsbescheid vom 28. Mai 2011 aufgehoben hat. Rentenanpassungsbescheide wiederholen lediglich die Regelung einer vorangegangenen bindenden Entscheidung. Wie das Sozialgericht diesbezüglich zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich im Übrigen aus dem Entscheidungssatz des Bescheides vom 30. Mai 2012 dessen rechtlicher Gehalt, nämlich die Aufhebung des Anspruchs wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 1. März 2011 bis zum 29. Februar 2012.

28

Darüber hinaus hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 28. August 2012 ausdrücklich auch den Ausgangsbescheid vom 8. Februar 2011 aufgehoben.

2.

29

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat die Beklagte zu Recht die Aufhebungsentscheidung auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gestützt. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit war nicht § 45 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Denn der Rentenbescheid vom 8. Februar 2011 ist nicht im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X von Anfang an teilweise rechtswidrig gewesen.

30

Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, im Falle seiner Rechtswidrigkeit nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit zurückgenommen werden.

31

Der Bescheid vom 8. Februar 2011, mit welchem dem Kläger laufende Geldleistungen ab dem 1. September 2009 bewilligt worden sind, ist ein begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.

32

Dieser Bescheid ist bei seinem Erlass (mit dem Eintritt seiner Wirksamkeit, d.h. gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit der Bekanntgabe) rechtmäßig gewesen. Im Zeitpunkt seines Erlasses stand dem Kläger die laufende Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe ab dem 1. März 2011 zu. Er erzielte zu diesem Zeitpunkt noch keinen Hinzuverdienst. Er bezog erstmalig am 31. März 2011 Arbeitslosengeld für März 2011. Der Kläger hatte zudem zum Zeitpunkt des Erlasses des Rentenbescheides vom 8. Februar 2011 noch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Allein der sich aus dem Bewilligungsbescheid vom 2. Februar 2011 ergebende zukünftige Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 1. März 2011 begründet keine anfängliche Rechtswidrigkeit des Rentenbescheides vom 8. Februar 2011. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 97 Abs. 1 SGB VI im Hinblick auf das Zusammentreffen von Einkommen mit Witwen-, Witwerrente oder Erziehungsrente (vgl. Urteil vom 9. September 1998, B 13 RJ 41/97 R (28), juris) bzw. zu § 1283 Abs. 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) im Hinblick auf das Zusammentreffen von Rente wegen Berufsunfähigkeit und Arbeitslosengeld (vgl. Urteil vom 9. April 1987, 5b RJ 36/86 (28), juris) kommt es für die Anrechnung von Einkommen grundsätzlich nicht auf den Zeitpunkt des Zuflusses, sondern auf das gleichzeitige Bestehen von materiellen Ansprüchen auf Rente und Einkommen an. Nach anderer Rechtsprechung des BSG zu § 96a SGB VI ist hingegen maßgeblich der tatsächliche Zufluss von Einkommen (vgl. Urteil vom 31. Januar 2008, B 13 R 23/07 R (18), juris).

33

Der Senat konnte offen lassen, auf welchen dieser beiden Zeitpunkte er abstellt. Denn weder stand dem Kläger bei Erlass des Bescheides vom 8. Februar 2011 bereits Arbeitslosengeld zu noch lag zu diesem Zeitpunkt anrechenbares Einkommen in Form des Arbeitslosengeldes vor.

34

Der Rentenbescheid vom 8. Februar 2011 ist erst nachträglich zum 1. März 2011 rechtswidrig geworden. Denn ab diesem Zeitpunkt überschritt das für März 2011 bezogene Arbeitslosengeld die Hinzuverdienstgrenze mit der Folge des Wegfalls der Rente ab dem 1. März 2011.

3.

35

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderung der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2) oder nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr. 3) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt im besonderen schweren Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 SGB X).

36

Die Voraussetzungen für die teilweise Aufhebung der bewilligten Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. März 2011 bis zum 29. Februar 2012 liegen nach § 48 Abs. 1 SGB X vor.

a.

37

Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegt hier vor, da das dem Arbeitslosengeld zugrundeliegende Bemessungsentgelt i.H.v. 1.456,20 EUR/Monat (30 x 48,54 EUR) die für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zulässigen Hinzuverdienstgrenzen überschritt.

38

Maßgeblich ist abzustellen auf das tatsächlich erzielte Einkommen. Als Einkommen gilt auch der Bezug von Arbeitslosengeld. Es handelt sich dabei um reales und nicht um fiktives Einkommen, obwohl es nicht in der konkreten Höhe, sondern nach dem zu Grunde liegenden Bemessungsentgelt berücksichtigt wird (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2008, B 13 RJ 23/07 R (18), juris).

39

Gemäß § 96a Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VI wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung die in Absatz 2 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt.

40

Die Hinzuverdienstgrenze beträgt gemäß § 96a Abs. 2 Nr. 1 SGB VI bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe das 0,23fache, in Höhe der Hälfte das 0,28fache der monatliche Bezugsgröße (§ 68 SGB VI), vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 bis 3 SGB VI) der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung, mindestens mit 1,5 Entgeltpunkten.

41

Nach § 96a Abs. 3 Satz1 Nr. 4 SGB VI stehen bei der Feststellung des Hinzuverdienstes dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen der Bezug von den weiteren Sozialleistungen in § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) gleich. In dieser Vorschrift wird u.a. Arbeitslosengeld angeführt. Nach § 96a Absatz 3 Satz 3 SGB VI ist als Hinzuverdienst das der Sozialleistung zugrunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berücksichtigen.

42

Der Versicherte soll durch die in § 96a Abs. 3 SGB VI genannten Lohnersatzleistungen nicht besser gestellt werden, als wenn er Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen weiter beziehen würde (BT-Drucksache 13/8671 S. 118). Dabei ist nicht nur die Gleichbehandlung der Lohnersatzleistung wesentlich, sondern insbesondere die in Abs. 3 Satz 3 geregelte Heranziehung in Höhe des Betrages, der der Berechnung der Sozialleistung zugrunde liegt (Gürtner in KassKomm, SGB VI § 96a Rdnr. 23). Diese Regelung ist nicht verfassungswidrig (BSG, a.a.O. (34)).

43

Vom 1. März 2011 bis zum 29. Februar 2012 betrug die monatliche Bezugsgröße nach § 18 SGB IV 2.240 EUR (Verordnungen über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung vom 3. Dezember 2010 für 2011 und vom 2. Dezember 2011 für 2012). Dieser Betrag vervielfältigt mit 0,28 (§ 96a Abs. 2 Nr. 1b SGB VI) und 1,5 Entgeltpunkten ergibt eine Hinzuverdienstgrenze von 940,80 EUR für eine hälftige teilweise Erwerbsminderungsrente. Das Bemessungsentgelt i.H.v. 1.456,20 EUR liegt weit darüber.

44

Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X liegen damit vor, da der Kläger vom 1. März 2011 bis zum 29. Februar 2012 Einkommen erzielt hat, das zum Wegfall seines Anspruchs auf Bewilligung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung geführt hat.

b.

45

Es kann daher offen bleiben, ob auch der Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X erfüllt ist. Die Beklagte hat ihren Aufhebungsbescheid nicht darauf gestützt und den Kläger insoweit auch nicht angehört.

c.

46

Die Beklagte war auch berechtigt, die in dem Zeitraum vom 1. März 2011 bis zum 29. Februar 2012 bewilligte Rente in voller Höhe zurückzufordern. Führt das Überschreiten einer Verdienstgrenze zum Wegfall einer Sozialleistung, darf die rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheids gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X nur in Höhe des Verdienstes erfolgen ("soweit"). Eine Doppelleistung liegt nur vor, soweit sich die zum Wegfall des Anspruchs führende Leistung mit dem weggefallenen Anspruch deckt. Denn nur insoweit hat der Kläger einen doppelten wirtschaftlichen Vorteil (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1995, 13 RJ 39/94 (47)).

47

Hier lag das zum Wegfall des Rentenanspruchs führende Arbeitslosengeld mit 632,10 EUR/Monat deutlich über dem weggefallenen Rentenanspruch i.H.v. 314,94 EUR/Monat. Die Beklagte durfte daher die Rentenbewilligung vollständig aufheben.

d.

48

Der streitige Aufhebungsbescheid ist auch nicht im Hinblick auf eine notwendige Ermessensentscheidung fehlerhaft.

49

Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt rückwirkend vom Zeitpunkt der Verhältnisse aufgehoben werden. "Soll" bedeutet, dass dies in aller Regel zu geschehen hat. Nur in Ausnahmefällen - in sogenannten atypischen Fällen - kann er allein für die Zukunft aufgehoben werden. Jedoch ist der Verwaltung in diesen Fällen - und auch nur in diesen Fällen - ein von ihr auszuübendes Ermessen eingeräumt, auch dann noch für die Vergangenheit aufzuheben (vgl. Schütze in von Wulffen, SGB X, 8. Auflage, 2014, § 48 Rdnr. 20; BSG, Urteil vom 6. November 1985, 10 RKg 3/84, SozR 1300 § 48 Nr. 19).

50

Nach der Rechtsprechung des BSG lassen sich keine allgemeinen Regeln aufstellen, wann ein atypischer Fall vorliegt, in dem eine Ermessensentscheidung zu treffen ist. Vielmehr ist dies stets nach dem Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X zu bestimmen und hängt maßgebend von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BSG, Urteil vom 11. Februar 1988, 7 RAr 55/86, SozR 1300 § 48 Nr. 44, Urteil vom 29. November 1989, 7 Rar76/88, SozR 4100 § 138 Nr. 27; Urteil vom 26. August 1994, 13 RJ 29/93, juris). Die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, ist nicht im Wege der Ermessensausübung zu klären, sondern vielmehr als Rechtsvoraussetzung von den Gerichten uneingeschränkt zu überprüfen (BSG, Urteil vom 6. November 1985, a.a.O.; Urteil vom 11. Februar 1988, a.a.O.).

a.a.

51

Die eingetretene Überzahlung beruhte nicht auf einem mitwirkenden Fehlverhalten auf der Seite der Beklagten (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 1986, 7 RAr 126/84, SozR 1300 § 48 Nr. 25). Insbesondere hat diese nicht "rechtsmissbräuchlich" eine eigenständige Ermittlung des Bemessungsentgelts für das Arbeitslosengeld unterlassen. Vielmehr fällt die Überzahlung ausschließlich in den Verantwortungsbereich des Klägers und beruht auf der Verletzung seiner Mitteilungspflichten.

52

Der Bezug von Arbeitslosengeld ab März 2011 und insbesondere die Höhe des dem Arbeitslosengeld zu Grunde liegende Bemessungsentgelts waren meldepflichtige Tatsachen. Dies konnte der Kläger den Hinweisen im Bescheid vom 8. Februar 2011 entnehmen.

53

Der Kläger hat im Übrigen nicht davon ausgehen können, dass die Beklagte Kenntnis von dem Bezug des Arbeitslosengeldes ab dem 1. März 2011 hatte. Er hat ihr dies zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt. Im Rentenantrag hatte er lediglich den Bezug von Krankengeld angegeben. Darüber hinaus hat der Kläger aufgrund der Angabe im Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld, bei der Beklagten Rente beantragt zu haben, nicht davon ausgehen dürfen, die Agentur für Arbeit D. werde die Beklagte von der Beantragung von Arbeitslosengeld ab dem 1. März 2011 in Kenntnis setzen. Vielmehr war der Kläger selbst verpflichtet, gegenüber über der Beklagten Mitteilung von dem - rentenschädlichen - Bezug von Arbeitslosengeld zu machen. Aufgrund der unterlassenen Unterrichtung durch den Kläger hatte die Beklagte keine Kenntnis von dem Arbeitslosengeldbezug. Sie hatte lediglich durch das Schreiben der Agentur für Arbeit vom 28. Dezember 2010 (Anmeldung eines Erstattungsanspruchs) davon Kenntnis, dass der Kläger voraussichtlich ab dem 1. März 2011 Arbeitslosengeld beziehen werde. Ob es zu einem Leistungsanspruch und wenn ja, in welcher Höhe kommen würde, war der Beklagten nicht bekannt. Die Bewilligungsbescheide der Agentur für Arbeit vom 29. Dezember 2010 und 3. Februar 2011 hat der Kläger erst im Klageverfahren vorgelegt.

54

Im Übrigen ergibt sich aus der Tatsache, dass die Beklagte die Agentur für Arbeit am 10. Februar 2011 über die Rentengewährung informierte und diese aufforderte, einen ggf. bestehenden Erstattungsanspruch zu beziffern, nicht deren Verpflichtung, beim Kläger bezüglich des Arbeitslosengeldbezuges nachzufragen. Ziel der Aufforderung war die Befriedigung gegebenenfalls bestehender Erstattungsansprüche anderer Leistungsträger aus dem sich für die Zeit von Oktober 2009 bis Februar 2011 ergebenden Rentennachzahlungsbetrag vor der Auszahlung desselben an den Kläger. Diese stand allerdings unter dem Vorbehalt einer vorherigen Prüfung nach Bezifferung des Erstattungsanspruchs durch den jeweiligen Leistungsträger.

55

Insoweit ist die Anfrage der Beklagten bei der Agentur für Arbeit D. vom 11. Januar 2012 nach dem dem Arbeitslosengeld zu Grunde liegenden Bemessungsentgelt nicht verzögert. Denn insoweit hat die Beklagte lediglich die primär dem Kläger obliegenden Mitwirkungspflichten ersetzt.

56

Nachdem die Agentur für Arbeit D. die entsprechenden Angaben am 19. Januar 2012 übermittelt hatte, reagierte die Beklagte und hörte den Kläger zu der beabsichtigten teilweisen Aufhebung unter dem 8. Mai 2012 an.

b.b.

57

Zudem stellt die mit der rückwirkenden Aufhebung verbundene Erstattungspflicht des Klägers keine besondere Härte dar. Diese würde vorliegen, wenn die Rückerstattung nach Lage des Falles den Leistungsbezieher in untypischer Weise stärker belastet als den hierdurch im Normalfall Betroffenen. Ein irreversibler Verbrauch der erhaltenen Überzahlung, aus der der Empfänger sonst die Erstattungsforderung beglichen hätte, stellt für sich genommen keinen Umstand dar, der eine besondere Härte im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X begründet.

58

Allerdings hat das BSG einen atypischen Fall auch dann angenommen, wenn der Betroffene aufgrund besonderer Umstände nicht damit zu rechnen brauchte, erstattungspflichtig zu werden. Er muss zudem im Vertrauen darauf das nachträglich erzielte Einkommen, aus dem er sonst die Erstattungsforderung beglichen hätte, ausgegeben haben (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 1994, 1 RK 45/93, SozR 3-3000 § 48 Nr. 33). Für das Vorliegen von solchen besonderen Umständen bestehen hier keine Anhaltspunkte. Die Überzahlung ist zunächst nicht aufgefallen, ohne dass die Beklagte hieran ein Mitverschulden trifft. Es bestand auch keine sich aufdrängende Veranlassung bei der Beklagten zu weiteren Nachfragen bei dem Kläger.

59

Sollte dieser zu einer Rückzahlung nicht in der Lage sein, besteht für ihn die Möglichkeit, einen Antrag auf Ratenzahlung, Stundung oder Niederschlagung bei der Beklagten zu stellen.

c.c.

60

Ob der Kläger durch den Wegfall der Rente in der Zeit vom 1. März 2011 bis zum 29. Februar 2012 sozialhilfebedürftig geworden wäre, konnte der Senat anhand der vom Kläger im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen über dessen Einkommenssituation und der seiner Ehefrau nicht abschließend klären. Ein atypischer Fall liegt vor, wenn der Betroffene infolge des Wegfalls jener Sozialleistung, deren Bewilligung rückwirkend aufgehoben wurde, im Nachhinein unter den Sozialhilfesatz sinken oder vermehrt sozialhilfebedürftig würde. Die unbillige Härte liegt in diesen Fällen darin, dass der Betroffene die Sozialhilfeansprüche, die ihm bei rechtzeitiger Erklärung zugestanden hätten, für die Vergangenheit nicht mehr geltend machen kann (BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995, 10 RKg 9/95, SozR 3-1300 § 48 Nr. 42 und Urteil vom 23. März 1995, 13 RJ 39/ 94, SozR 3-1300 § 48 Nr. 37).

61

Der Senat hat sich jedoch nicht veranlasst gesehen, die Frage einer möglichen Sozialhilfebedürftigkeit des Klägers in der Zeit vom 1. März 2011 bis zum 29. Februar 2012 durch weitere Ermittlungen zu klären. Denn auch in diesem Fall läge kein zur Rechtswidrigkeit der streitigen Bescheide führender Ermessensausfall vor. Das Ermessen muss spätestens im Widerspruchsbescheid ausgeübt werden und es können auch nur alle bis dahin bekannten Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Da der Kläger selbst weder im Rahmen des Anhörungsverfahrens noch im Widerspruchsverfahren oder sonst besondere Umstände für eine eingetretene Sozialbedürftigkeit vorgetragen hat und solche auch sonst nicht ersichtlich waren, reichte die Feststellung der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 28. August 2012 aus, mangels eines atypischen Falls kein Ermessen ausgeübt zu haben (vgl. BSG, Urteil vom 22. Februar 1995, 4 RA 44/94 (35); Urteil vom 25. Januar 1994, 4 RA 16/92 (20, 21); Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 17. Januar 2012, L 2 R 524/10 (55), jeweils juris). Der Kläger hat im Widerspruchsverfahrens in seinen Schreiben vom 4. und 18. Juni 2012 ausschließlich seine Rechtsansicht zur Frage des Hinzuverdienstes beim Bezug von Arbeitslosengeld dargetan und keine Gesichtspunkte für einen atypischen Fall vorgetragen. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, ins Blaue hinein wirtschaftliche Verhältnisse oder andere Gegebenheiten zu ermitteln, die ggf. bei ihrer Ermessensentscheidung Bedeutung gewinnen könnten. Eine entsprechende Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung kann sich allenfalls dann ergeben, wenn sich aus dem Akteninhalt für das Ermessen bedeutende Umstände ergeben. Dies war vorliegend jedoch gerade nicht der Fall.

4.a.

62

Die Beklagte hat die Jahresfrist für die Aufhebung des Verwaltungsaktes seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Aufhebung des Dauerverwaltungsaktes bei Änderung der Verhältnisse für die Vergangenheit rechtfertigt, eingehalten. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X beginnt mit Kenntnis des Aufhebungsgrundes. Hierzu gehört jedenfalls die Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich die wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen bei Erlass des früheren Verwaltungsakts ergibt. Insoweit kommt es auch auf den Umfang der Rechtswidrigkeit an, weil der Verwaltungsakt nur aufgehoben werden soll, "soweit" eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Bei der "entsprechenden" Anwendung der Jahresfristregelung auf die Aufhebungsvorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X muss das maßgebende Wissen der Behörde sämtliche Tatsachen und Umstände betreffen, die die wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse bei Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsaktes darstellen. Es genügt z.B. nicht die Kenntnis der bloßen Tatsache des Arbeitslosengeldbezugs, sondern es kommt auf die Höhe des Bemessungsentgelts an (BSG, Urteil vom 31. Januar 2008, B 13 R 23/07(25), juris). Die Höhe des dem Arbeitslosengeld zugrunde liegenden Bemessungsentgelts war der Beklagten aber erst nach der Auskunftserteilung durch die Agentur für Arbeit am 18. Januar 2012 bekannt.

b.

63

Schließlich hat die Beklagte den Kläger ordnungsgemäß nach § 24 Abs. 1 SGB X zur beabsichtigten Aufhebung der Leistungen angehört.

5.

64

Soweit die Beklagte berechtigt war, die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung rückwirkend aufzuheben, ist der Kläger nach § 50 Abs. 1 SGB X zur Rückzahlung verpflichtet.

65

Der Kläger hat der Beklagten die im Zeitraum vom 1. März 2011 bis zum 29. Februar 2012 zu Unrecht gezahlte Rente i.H.v. 3.804,32 EUR EUR zu erstatten. Gegen die Berechnung des Erstattungsbetrages bestehen keine Bedenken. Der Kläger hat hierzu auch keine Einwände vorgetragen.

III.

66

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

67

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.


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