Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Landesverfassungsgericht - LVerfG 5/15
Tenor
§ 7 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 und § 9 Absatz 1 des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein vom 10. Dezember 2014 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 473) sind mit Artikel 57 Absatz 1 der Landesverfassung unvereinbar.
Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die verfassungswidrige Rechtslage spätestens bis zum 31. Dezember 2020 durch eine Neuregelung zu beseitigen. Bis dahin bleiben die vorgenannten Bestimmungen weiter anwendbar.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
Gründe
A.
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Die Beschwerdeführer wenden sich gegen verschiedene Vorschriften des als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom 10. Dezember 2014 (GVOBl S. 473) verkündeten Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein (Finanzausgleichsgesetz – FAG –; im Folgenden: FAG 2014). Nach Maßgabe dieses Gesetzes stellt das Land den Gemeinden, Kreisen und Ämtern im übergemeindlichen Finanzausgleich Finanzmittel zur Ergänzung ihrer eigenen Einnahmekraft zur Verfügung.
I.
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1. In Schleswig-Holstein fallen den Gemeinden, Kreisen und Ämtern, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist, die durch die Erfüllung ihrer Aufgaben entstehenden Ausgaben oder Aufwendungen und Auszahlungen zur Last (§ 1 Abs. 2 FAG 2014). Da deren hieraus resultierender Finanzbedarf nicht allein durch ihre Einbeziehung in das System der vertikalen Steuerertragsaufteilung nach Art. 106 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 bis 8 des Grundgesetzes (GG) gleichmäßig gedeckt werden kann, muss ihre Finanzkraft durch finanzielle Zuweisungen ergänzt werden. Die Gemeinden, Kreise und Ämter erhalten vor diesem Hintergrund vom Land Finanzzuweisungen zur Ergänzung ihrer eigenen Einnahmen oder Erträge und Einzahlungen im Wege des kommunalen Finanzausgleichs. Insoweit regelt die Landesverfassung (LV):
Artikel 57
Kommunaler Finanzausgleich
(1) Um die Leistungsfähigkeit der steuerschwachen Gemeinden und Gemeindeverbände zu sichern und eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben auszugleichen, stellt das Land im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Wege des Finanzausgleichs Mittel zur Verfügung, durch die eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen gewährleistet wird.
(2) Werden die Gemeinden oder Gemeindeverbände durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verordnung zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet, so sind dabei Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. Führen diese Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden oder Gemeindeverbände, so ist dafür ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen.
Artikel 54
Kommunale Selbstverwaltung
(1) Die Gemeinden sind berechtigt und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, in ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen, soweit die Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen.
(2) Die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit die gleichen Rechte und Pflichten.
(3) Das Land sichert durch seine Aufsicht die Durchführung der Gesetze. Das Nähere regelt ein Gesetz.
(4) Durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verordnung können die Gemeinden und Gemeindeverbände zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet werden.
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2. Das zum Gegenstand der kommunalen Verfassungsbeschwerde gemachte Gesetz zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom 10. Dezember 2014 stellt eine Neukonzeption des kommunalen Finanzausgleichs dar. Im August 2012 begann insoweit ein umfangreicher Prozess zur grundlegenden Reform des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, der maßgeblich im Beirat für den kommunalen Finanzausgleich (vgl. § 36 FAG in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung vom 7. März 2011, GVOBl S. 76; jetzt § 29 FAG 2014) sowie in einer unterhalb des Beirats gegründeten Arbeitsgruppe „Kommunaler Finanzausgleich“ stattfand und an dem Vertreterinnen und Vertreter des Innenministeriums, des Finanzministeriums, der kommunalen Landesverbände und – mit Gaststatus – des Landesrechnungshofs teilnahmen. Allein zwischen Ende August 2012 und Ende November 2013 fanden insgesamt 24 Sitzungen der Arbeitsgruppe und sieben Sitzungen des Beirats statt. Im Zuge der Vorbereitung des Reformprozesses holte das Innenministerium zudem ein Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung (NIW) zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein ein. Gegenstand des Gutachtens war die sachgerechte prozentuale Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf die verschiedenen kommunalen Aufgabenträger
(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 1).
Dieses Gutachten wurde im November 2013 hinsichtlich mehrerer im Beratungsprozess entstandener Fragestellungen erweitert
(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Ergänzende gutachterliche Stellungnahme zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, November 2013).
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Im Gesetzentwurf der Landesregierung zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom 4. März 2014 heißt es dazu unter anderem:
A. Problem
Der kommunale Finanzausgleich bedarf einer gründlichen Überprüfung und Neuordnung. (…) Der kommunale Finanzausgleich ist (…) ein historisch gewachsenes System. Eingeführt 1955, wurde er 1970 grundlegend verändert und das Gesetz neu gefasst. Seitdem hat es unzählige weitere Änderungen gegeben. Typischerweise wird das Finanzausgleichsgesetz, das FAG 2014, jedes Jahr geändert. Viele der Anpassungen der letzten Jahre und Jahrzehnte hatten kleinere Auswirkungen, manche auch sehr große. Immer aber wurden lediglich eine oder mehrere einzelne Stellschrauben des komplexen Regelwerks betrachtet und verändert. Offen blieb daher zuletzt, ob die Finanzausstattung der einzelnen Kommunen noch in geeigneter Weise der kommunalen Wirklichkeit folgte. Eine vertiefte Betrachtung war geboten, ob der kommunale Finanzausgleich insgesamt noch schlüssig und zeitgemäß ist. Dringend erforderlich war deshalb eine umfassende Gesamtschau. Zum Beispiel war zu untersuchen, ob das Verhältnis der Gemeindeaufgaben zu den Aufgaben der Kreise und kreisfreien Städte noch angemessen berücksichtigt wird. Auch die Maßstäbe für die Mittelverteilung innerhalb dieser großen Blöcke gehörten auf den Prüfstand. (…)
B. Lösung
Der kommunale Finanzausgleich wird gründlich, umfassend, sachgerecht und nach intensivem und langem Dialog mit der kommunalen Familie neu geordnet. Er wird transparent, effizient und besser erklär- und nachvollziehbar. Das bietet die Chance, bei vielen Kommunen eine höhere Akzeptanz zu finden. Die großen Städte wie auch der ländliche Raum mit seinen vielen kleineren Gemeinden werden gestärkt. (…) (Landtags-Drucksache 18/1659, S. 2 ff.).
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Der Gesetzentwurf wurde nach erster Lesung federführend dem Innen- und Rechtsausschuss sowie mitberatend dem Finanzausschuss überwiesen. Im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren gingen zahlreiche Stellungnahmen ein, es wurden schriftliche und mündliche Anhörungen durchgeführt, eine Vielzahl von Änderungsantr28;gen bearbeitet sowie ein Ergänzungsgutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung hinsichtlich der Teilschlüsselmassenbildung
(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Aktualisierung der Teilschlüsselmassen im Rahmen der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, Oktober 2014)
eingeholt. Durch nicht datierten Vermerk des Innenministeriums wurde zudem der Soziallastenfaktor nach § 9 Abs. 4 FAG 2014-Entwurf neu ermittelt
(https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/K/kommunales/nzen/Downloads/FAG/.?__blob=&v=1),
was letztlich ebenfalls Eingang in den Gesetzestext fand.
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Die beiden Ausschüsse schlossen die Beratung in gemeinsamer Sitzung am 5. November 2014 ab und empfahlen dem Landtag mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU, FDP und PIRATEN, den Gesetzentwurf der Landesregierung in der aus der Drucksache 18/2399 ersichtlichen Fassung anzunehmen. Der Landtag nahm den Gesetzentwurf in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung in seiner Sitzung vom 13. November 2014 mit 35 zu 33 Stimmen an. Das Gesetz wurde am 10. Dezember 2014 ausgefertigt, im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 30. Dezember 2014 veröffentlicht und trat am 1. Januar 2015 in Kraft. Zur Umsetzung des Gesetzes folgte für das Haushaltsjahr 2015 unter dem 22. Januar 2015 und für das Haushaltsjahr 2016 unter dem 18. Januar 2016 ein entsprechender Erlass des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten.
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Im Rahmen des vorliegenden verfassungsgerichtlichen Verfahrens hat die Landesregierung zuletzt ein Gutachten des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln (FiFo) zur Verteilungssymmetrie im vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleich Schleswig-Holsteins vom 23. Mai 2016 eingeholt
(Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Verteilungssymmetrie im vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleich Schleswig-Holsteins, 23. Mai 2016).
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3. Die für das Verfahren bedeutsamen Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes 2014 lauten in der Fassung vom 10. Dezember 2014 im Zusammenhang:
§ 3
Finanzausgleichsmasse
(1) Das Land stellt für die in § 4 bezeichneten Zuweisungen jährlich eine Finanzausgleichsmasse in Höhe von 17,83 % (Verbundsatz) der Verbundgrundlagen nach Absatz 2 zur Verfügung. Der Verbundsatz wird angepasst, wenn sich das Belastungsverhältnis zwischen dem Land einerseits und den Gemeinden, Kreisen und Ämtern andererseits wesentlich verändert. In den Jahren 2015 bis 2018 wird die Finanzausgleichsmasse für die Konsolidierungshilfen nach § 11 jährlich um 15 Millionen Euro erhöht. Zudem wird die Finanzausgleichsmasse um 11,5 Millionen Euro für die Zuweisungen für Infrastrukturlasten nach § 15 Absatz 4 erhöht.
(2) Die Verbundgrundlagen umfassen
1. das dem Land zustehende Aufkommen aus der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer (Artikel 106 Absatz 3 und Artikel 107 Absatz 1 des Grundgesetzes) unter Berücksichtigung der Zuweisungen des Landes nach § 25 Absatz 1 und § 26 Absatz 1,
2. das Aufkommen aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Grunderwerbsteuer, der Biersteuer und der Rennwett- und Lotteriesteuern mit Ausnahme der Totalisatorsteuer (Landessteuern nach Artikel 106 Absatz 2 des Grundgesetzes),
3. den dem Land zustehenden Kompensationsbetrag für die Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund (Artikel 106b des Grundgesetzes),
4. die Einnahmen des Landes aus den Ergänzungszuweisungen des Bundes (Artikel 107 Absatz 2 Satz 3 des Grundgesetzes),
5. die Einnahmen des Landes aus den Zuweisungen im Länderfinanzausgleich (Artikel 107 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes).
Hat das Land im Länderfinanzausgleich Zahlungen zu leisten, ermäßigen sich die Verbundgrundlagen um diesen Betrag.
(3) Die Finanzausgleichsmasse wird für jedes Haushaltsjahr nach den Ansätzen im Landeshaushaltsplan festgesetzt. Eine Änderung der Ansätze durch Nachtragshaushaltspläne wird für den Finanzausgleich des laufenden Haushaltsjahres nicht berücksichtigt.
(4) Ein Unterschied zwischen den Ansätzen im ursprünglichen Landeshaushaltsplan und den Ist-Einnahmen wird spätestens bei der Finanzausgleichsmasse des nächsten Haushaltsjahres berücksichtigt, das dem Zeitpunkt der Feststellung der Ist-Einnahmen folgt. Bei einem Doppelhaushalt erfolgt die Berücksichtigung des Unterschiedes spätestens bei der Finanzausgleichsmasse des übernächsten Haushaltsjahres.
§ 4
Verwendung der Finanzausgleichsmasse
(1) Die Finanzausgleichsmasse wird, soweit sie nicht für Zuweisungen nach Absatz 2 benötigt wird, verwendet für
1. Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft nach den §§ 5 bis 7 sowie eine Finanzzuweisung an die Gemeinde Helgoland nach § 8 mit einem Anteil von 35,11 %,
2. Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten nach § 9 mit einem Anteil von 49,33 %,
3. Schlüsselzuweisungen an die Zentralen Orte zum Ausgleich übergemeindlicher Aufgaben nach § 10 mit einem Anteil von 15,56 %.
Die erste Regelüberprüfung der Aufteilung findet vor dem Finanzausgleichsjahr 2016 statt. Sie wird auf dem Referenzzeitraum der Jahre 2010 bis 2013 basieren. Die weiteren Regelüberprüfungen sollen spätestens alle vier Jahre stattfinden. Dabei wird der entsprechende Referenzzeitraum zugrunde gelegt.
(2) Aus der Finanzausgleichsmasse werden jährlich bereitgestellt für
1. die Konsolidierungshilfen nach § 11
60,0 Millionen Euro in den Jahren 2015 bis 2018,
2. die Fehlbetragszuweisungen nach § 12
30,0 Millionen Euro in den Jahren 2015 bis 2018 sowie
50,0 Millionen Euro ab dem Jahr 2019,
3. die Sonderbedarfszuweisungen nach § 13
5,0 Millionen Euro,
4. die Zuweisungen für Theater und Orchester nach § 14
37,809 Millionen Euro im Jahr 2015,
38,376 Millionen Euro im Jahr 2016,
38,952 Millionen Euro im Jahr 2017 sowie
39,536 Millionen Euro im Jahr 2018,
5. a) die Zuweisungen für Straßenbau nach § 15 Absätze 1 bis 3
24,0 Millionen Euro,
b) die Zuweisungen für Infrastrukturlasten nach § 15 Absatz 4
11,5 Millionen Euro,
6. die Zuweisungen zur Förderung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen nach § 16
5,353 Millionen Euro,
7. die Zuweisungen zur Förderung des Büchereiwesens nach § 17
7,423 Millionen Euro im Jahr 2015,
7,534 Millionen Euro im Jahr 2016,
7,647 Millionen Euro im Jahr 2017 sowie
7,762 Millionen Euro im Jahr 2018,
8. die Zuweisungen zur Förderung von Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen nach § 18
70,0 Millionen Euro
(Vorwegabzüge). Werden für Vorwegabzüge bereitgestellte Mittel nicht benötigt, sind sie im Folgejahr den Mitteln nach Absatz 1 zuzuführen, sofern im Einzelfall nichts Abweichendes bestimmt wird.
§ 5
Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden
zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft
(1) Jede Gemeinde erhält eine Schlüsselzuweisung zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft (Gemeindeschlüsselzuweisung), wenn ihre Steuerkraftmesszahl (§ 7) hinter ihrer Ausgangsmesszahl (§ 6) zurückbleibt.
(2) Die Gemeindeschlüsselzuweisung beträgt 70 % der Differenz zwischen Ausgangsmesszahl und Steuerkraftmesszahl (Schlüsselzahl).
(3) Erreicht die Summe aus .Gemeindeschlüsselzuweisung und Steuerkraftmesszahl einer Gemeinde nicht 80 % der Ausgangsmesszahl, wird die Gemeindeschlüsselzuweisung um den Differenzbetrag erhöht (Mindestgarantie). Erreicht die Summe aus Gemeindeschlüsselzuweisung, Erhöhung auf die Mindestgarantie und Steuerkraftmesszahl einer Gemeinde nicht 85 % der Ausgangsmesszahl, wird die Gemeindeschlüsselzuweisung um 70 % des Differenzbetrages erhöht.
(4) Eine Gemeinde,
1. in die eine oder mehrere Gemeinden eingegliedert werden (Eingemeindung),
2. die durch Zusammenschluss mehrerer Gemeinden entsteht (Vereinigung) oder
3. in die Teile einer aufgeteilten Gemeinde eingehen (Auflösung),
erhält in den drei Finanzausgleichsjahren nach der Gebietsänderung abweichend von Absatz 1 und 2 eine Gemeindeschlüsselzuweisung in Höhe der Summe der Gemeindeschlüsselzuweisungen, die die beteiligten Gemeinden bei getrennter Betrachtung auf Basis der Steuerkraftmesszahlen und der Einwohnerzahlen (§ 30) im Jahr der Gebietsänderung erhalten hätten, sofern dies für die neugebildete Gemeinde im jeweiligen Finanzausgleichsjahr günstiger ist. Im Falle einer Auflösung wird die Steuerkraftmesszahl der aufgeteilten Gemeinde anteilig nach der übergegangenen Einwohnerzahl zum Zeitpunkt der Gebietsänderung berücksichtigt. Erfolgt die Gebietsänderung zum 1. Januar eines Jahres, gilt die Regelung nach Satz 1 für das Finanzausgleichsjahr der Änderung und die beiden folgenden Finanzausgleichsjahre.
§ 7
Ermittlung der Steuerkraftmesszahl
(1) Die Steuerkraftmesszahl einer Gemeinde wird ermittelt, indem die Steuerkraftzahlen der Grundsteuern, der Gewerbesteuer, des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer, des Gemeindeanteils an der Umsatzsteuer und der Zuweisung des Landes an die Gemeinden nach § 25 zusammengezählt werden.
(2) Als Steuerkraftzahlen werden angesetzt
1. bei der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben sowie bei der Grundsteuer von den Grundstücken die Messbeträge, multipliziert mit 92 % des gewogenen Durchschnitts des Hebesatzes für die Grundsteuer von den Grundstücken, der für den kreisangehörigen Bereich im vergangenen Jahr ermittelt wurde, mindestens jedoch 260 %,
2. bei der Gewerbesteuer die Messbeträge, multipliziert mit 92 % des gewogenen Durchschnitts des Hebesatzes für die Gewerbesteuer, der für den kreisangehörigen Bereich im vergangenen Jahr ermittelt wurde, mindestens jedoch 310 %, vermindert um den für die Ermittlung der Gewerbesteuerumlage maßgeblichen Prozentsatz, der im vorvergangenen Jahr Anwendung gefunden hat,
3. bei dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer das Ist-Aufkommen im Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres,
4. bei dem Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer das Ist-Aufkommen im Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres,
5. bei der Zuweisung des Landes an die Gemeinden nach § 25 der Zuweisungsbetrag für den Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres.
Der Faktor, der sich aus der anteiligen Berücksichtigung des gewogenen Durchschnitts des Hebesatzes nach Satz 1 Nummer 1 und 2 ergibt, wird auf einen vollen Prozentsatz abgerundet.
(3) Als Messbeträge werden die Messbeträge der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, die Messbeträge der Grundsteuer von den Grundstücken und die Messbeträge der Gewerbesteuer angesetzt, die sich ergeben, wenn das Ist-Aufkommen dieser Steuern im Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres durch den Hebesatz des vergangenen Jahres für diese Steuern geteilt wird.
(4) Lassen sich Messbeträge nach Absatz 3 für eine Steuer nicht feststellen, weil eine Gemeinde sie nicht erhoben hat, kann das für Inneres zuständige Ministerium die Steuerkraftzahl festsetzen. Sie ist für jede Steuer nach dem Landesdurchschnitt je Einwohnerin oder Einwohner der kreisangehörigen Gemeinden im vergangenen Finanzausgleichsjahr zu bemessen.
(5) Werden in einer Verbandssatzung oder in einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung nach den §§ 5 und 18 des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Februar 2003 (GVOBl. Schl.-H. S. 122), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 22. Februar 2013 (GVOBl. Schl.-H. S. 72), Bestimmungen über die Aufteilung des Grundsteueraufkommens oder des Gewerbesteueraufkommens getroffen, können diese bei der Ermittlung der Steuerkraftmesszahl berücksichtigt werden, wenn sie mindestens für die Dauer von fünf Jahren gelten.
§ 9
Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte
zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten
(1) Jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt erhält eine Schlüsselzuweisung zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten, wenn die Umlagekraftmesszahl nach Absatz 3 vermindert um die Soziallastenmesszahl nach Absatz 4 (integrierte Messzahl) hinter der Ausgangsmesszahl nach Absatz 2 zurückbleibt. Die Schlüsselzuweisung zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten beträgt 85 % der Differenz zwischen der Ausgangsmesszahl und der integrierten Messzahl (Schlüsselzahl).
(2) Die Ausgangsmesszahl wird ermittelt, indem die Einwohnerzahl der Gemeinden des Kreises oder der kreisfreien Stadt (§ 30) mit einem einheitlichen Grundbetrag vervielfältigt wird. Dieser für die Kreise und kreisfreien Städte einheitliche Grundbetrag ist durch das für Inneres zuständige Ministerium jährlich so festzusetzen, dass der Betrag nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 für Schlüsselzuweisungen verwendet wird.
(3) Die Umlagekraftmesszahl des Kreises oder der kreisfreien Stadt wird ermittelt, indem die Umlagegrundlagen mit dem gewogenen Durchschnitt der Umlagesätze für die Kreisumlage (§ 31 Absatz 3) des vorvergangenen Jahres vervielfältigt werden. Die Umlagegrundlagen des Kreises ergeben sich aus der Summe der für die kreisangehörigen Gemeinden ermittelten Steuerkraftmesszahlen (§ 7) zuzüglich ihrer Gemeindeschlüsselzuweisungen (§ 5) und abzüglich ihrer Zahlungen in die Finanzausgleichsumlage (§ 21). Die Umlagegrundlagen der kreisfreien Stadt ergeben sich aus ihrer Steuerkraftmesszahl zuzüglich ihrer Gemeindeschlüsselzuweisung und abzüglich ihrer Zahlungen in die Finanzausgleichsumlage.
(4) Die Soziallastenmesszahl des Kreises oder der kreisfreien Stadt wird ermittelt, indem die Anzahl der Personen, die im Durchschnitt des vorvergangenen Jahres im Gebiet des Kreises oder der kreisfreien Stadt in Bedarfsgemeinschaften nach dem zweiten Buch des Sozialgesetzbuches lebten (§ 31 Absatz 4), mit 3.411 Euro vervielfältigt wird.
§ 10
Schlüsselzuweisungen an die Zentralen Orte
zum Ausgleich übergemeindlicher Aufgaben
(1) Zentrale Orte erhalten Schlüsselzuweisungen für die Wahrnehmung von Aufgaben für die Einwohnerinnen und Einwohner ihres Verflechtungsbereichs. Übergemeindliche Aufgaben sind in den Zentralen Orten zu erfüllen.
(2) Zentrale Orte im Sinne dieses Gesetzes sind die Gemeinden, die durch die Verordnung nach § 24 Absatz 3 des Landesplanungsgesetzes vom 27. Januar 2014 (GVOBl. Schl.-H. S. 8) als Zentrale Orte und Stadtrandkerne, soweit letztere nicht Ortsteil eines Zentralen Ortes sind, festgelegt sind. Maßgebend für die Zahlung der Zuweisungen an die Zentralen Orte sind die Verhältnisse am 1. Januar des Finanzausgleichsjahres.
(3) Von den nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bereitgestellten Mitteln werden verwendet für Zuweisungen an
1. die Oberzentren 56,3 %
2. die anderen Zentralen Orte 43,7 %.
(4) Die Mittel nach Absatz 3 Nummer 1 werden auf die Oberzentren im Verhältnis ihrer Einwohnerzahlen (§ 30 Absatz 1) aufgeteilt.
(5) Die Mittel nach Absatz 3 Nummer 2 werden so auf die anderen Zentralen Orte verteilt, dass die Zuweisung für
1. ein Mittelzentrum im Verdichtungsraum und ein Unterzentrum mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums 60,0 %,
2. ein Unterzentrum und einen Stadtrandkern I. Ordnung mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums 30,0 %,
3. einen ländlichen Zentralort und einen Stadtrandkern I. Ordnung 15,0 %,
4. einen Stadtrandkern II. Ordnung 7,5 %
der Zuweisung für ein Mittelzentrum beträgt, das nicht im Verdichtungsraum liegt.
(6) Sind Gemeinden nach der Verordnung nach § 24 Absatz 3 des Landesplanungsgesetzes vom 27. Januar 2014 (GVOBl. Schl.-H. S. 8) gemeinsam als Zentraler Ort oder Stadtrandkern eingestuft, wird die Zuweisung auf die Gemeinden aufgeteilt. Gehören die Gemeinden einem Kreis an und unterliegen der Kommunalaufsicht der Landrätin oder des Landrats, entscheidet diese oder dieser über die Aufteilung der Zuweisung. In allen anderen Fällen entscheidet das für Inneres zuständige Ministerium.
(7) Gemeinsame Zentrale Orte oder Stadtrandkerne nach Absatz 6 erhalten nach erfolgter gemeinsamer Einstufung in den drei folgenden Finanzausgleichsjahren eine Zuweisung mindestens in Höhe des Betrages, die den beteiligten Gemeinden ohne gemeinsame Einstufung zugestanden hätte. Absatz 6 gilt entsprechend.
(8) Zentrale Orte und Stadtrandkerne nach Absatz 2 oder 6 erhalten nach erfolgter Abstufung in den drei folgenden Finanzausgleichsjahren eine Zuweisung mindestens in H246;he des Betrages, die der Gemeinde oder den beteiligten Gemeinden ohne Abstufung zugestanden hätte. Dies gilt entsprechend
1. für den Wegfall von Einstufungen,
2. bei einer Eingliederung einer Gemeinde in eine andere Gemeinde (Eingemeindung),
argin-left:36pt">3. bei einem Zusammenschluss einer oder mehrerer Gemeinden zu einer neuen Gemeinde (Vereinigung).
In den Fällen von Nummer 2 und 3 erh28;lt der jeweilige Rechtsnachfolger die Zuweisung.
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4. Bereits vor Eingang der verfahrensgegenständlichen kommunalen Verfassungsbeschwerde am 2. Dezember 2015 wurde durch das Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2015 vom 17. Juni 2015 (GVOBl S. 163) § 3 Abs. 2 Nr. 1 FAG für das Jahr 2015 dahingehend modifiziert, dass bei den Verbundgrundlagen auch die vom Bund zur Entlastung von Ländern und Kommunen im Zusammenhang mit der Aufnahme, Unterbringung, Versorgung und Gesundheitsversorgung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern bereit gestellten Mittel zu berücksichtigen sind.
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- 10
- <p>Eine weitere Änderung erfuhr das Gesetz durch das Haushaltsbegleitgesetz 2016 vom 16. Dezember 2015 (GVOBl S. 500), mit dem die Finanzausgleichsmasse um Einzelbeträge für die Förderung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen erhöht (§ 3 Abs. 1 Satz 5 FAG 2014), die zunächst nur für 2015 erfolgte Modifizierung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 FAG 2014 endgültig in das Finanzausgleichsgesetz übernommen sowie § 4 FAG 2014 in mehrfacher Hinsicht abgeändert wurden. Alle vorgenannten Änderungen wurden von den Beschwerdeführern nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
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5. Das Finanzausgleichsystem des FAG 2014 besteht im Grundsatz aus drei zentralen Elementen: die Bestimmung des insgesamt aus dem Landeshaushalt zur Verfügung gestellten Betrages, das heißt der sogenannten Finanzausgleichsmasse, in § 3 FAG 2014 (sogenannte vertikale Dimension des Finanzausgleichs), die nicht zweckgebundene Verteilung eines Großteils der Finanzausgleichsmasse auf die verschiedenen kommunalen Körperschaften über § 4 Abs. 1, §§ 5 bis 10 FAG 2014 (sogenannte horizontale Dimension) sowie die zweckgebundene Verteilung eines geringeren Betrages nach § 4 Abs. 2, §;§ 11 ff. FAG 2014 (sogenannte paternalistische Dimension).
- 12
a) § 3 FAG 2014 steuert den vertikalen Finanzausgleich über die Bildung der Finanzausgleichsmasse. Die Effektivität des kommunalen Finanzkraftausgleichs wird vor allem durch die Höhe der als Verteilungsmasse insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzausgleichsmasse bestimmt, da ein hohes Finanzausgleichsvolumen insgesamt gesehen zu einer Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung führt. Die Höhe der Finanzausgleichsmasse ist dabei determiniert durch die in § 3 Abs. 2 FAG 2014 vorgegebenen Verbundgrundlagen und den in § 3 Abs. 1 FAG 2014 vorgegebenen Verbundsatz von 17,83 %. Nach § 3 Abs. 3 FAG 2014 wird die Finanzausgleichsmasse für jedes Haushaltsjahr im Landeshaushaltsplan festgesetzt. Mit Haushaltsgesetz 2015 vom 11. Dezember 2014 (GVOBl S. 440) hat der Landtag die Finanzausgleichsmasse im Rahmen des Haushalts des Landes für das Haushaltsjahr 2015 auf 1.526.587.900 Euro festgesetzt sowie mit Haushaltsgesetz 2016 vom 16. Dezember 2015 (GVOBl S. 474) für das Jahr 2016 auf 1.505.620.800 Euro.
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b) § 4 FAG 2014 definiert in seinem Absatz 2 die für die paternalistische Dimension des Finanzausgleichs zur Verfügung stehenden Teilbeträge und steuert in seinem Absatz 1 zentral die Binnenaufteilung der Finanzausgleichsmasse im horizontalen Finanzausgleich.
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Dabei wird in § 4 Abs. 2 FAG 2014 festgelegt, welche absoluten Beträge jährlich zweckgebunden für Konsolidierungshilfen, Fehlbetragszuweisungen, Theater und Orchester, Straßenbau und Infrastrukturlasten, Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen, für die Förderung des Büchereiwesens sowie für Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen zu verwenden sind. Die individuelle Verteilung der Vorwegabzugsbeträge nach § 4 Abs. 2 FAG 2014 erfolgt nach 67;7; 11 ff. FAG 2014. Diese Vorwegabzüge – die im Jahr 2015 ungefähr 10 % der Finanzausgleichsmasse ausmachten – werden von der Finanzausgleichsmasse subtrahiert. Nur die verbleibende Differenz wird sodann zweckungebunden auf die kommunalen Körperschaften verteilt.
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Für die Verteilung der nicht nach Absatz 2 verteilten Mittel werden gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 drei sogenannte Teilschlüsselmassen gebildet. Nach der hier verfahrensgegenständlichen Fassung des Finanzausgleichsgesetzes wurden 35,11 % als „Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft“ (Nr. 1), 49,33 % als „Schlüsselzuweisung an die Kreise und kreisfreie Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten“ (Nr. 2) und 15,56 % als Schlüsselzuweisung „an die zentralen Orte zum Ausgleich übergemeindlicher Aufgaben“ (Nr. 3) verteilt. Das Gesetz folgt dabei dem sogenannten „Zwei-Ebenen-Modell“, nach dem keine spezifischen Teilschlüsselmassen für Körperschaften, sondern für Aufgabenträger gebildet werden. In der Konsequenz erhalten insbesondere kreisfreie Städte Zuweisungen aus allen drei genannten Teilschlüsselmassen, da sie sowohl Gemeindeaufgaben als auch Kreisaufgaben sowie zentralörtliche Aufgaben wahrnehmen.
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Nach Abzug der Zweckzuweisungen gemäß 167; 4 Abs. 2 FAG 2014 verblieben im Jahr 2015 für zweckungebundene Schlüsselzuweisungen 1.275.502,90 Euro, welche entsprechend den Schlüsselzuweisungssätzen des § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 für Gemeinden in Höhe von 447.829.100 Euro, für Kreise und kreisfreie Städte in Höhe von 629.205.600 Euro und für übergemeindliche Aufgaben in Höhe von 198.468.200 Euro eingeplant wurden.
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c) Ob und in welcher Höhe individuelle Gemeinden, Kreise oder kreisfreie St28;dte Schlüsselzuweisungen aus den derart festgestellten Teilschlüsselmassen erhalten, ergibt sich für Gebietskörperschaften mit Gemeindeaufgaben aus §§ 5 bis 8 FAG 2014, für Gebietskörperschaften mit Kreisaufgaben aus § 9 i.V.m. § 7 FAG 2014 und für Gebietskörperschaften mit zentralörtlichen Funktionen aus § 10 FAG 2014. Die individuelle Verteilung der Vorwegabzugsbeträge nach § 4 Abs. 2 FAG 2014 richtet sich nach §§ 11 ff. FAG 2014.
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aa) Die Zuteilung von Schlüsselzuweisungen aus der Teilmasse für Kreisaufgaben wird nach § 9 FAG 2014 anhand von mehreren Messzahlen ermittelt: der Umlagekraftmesszahl, der aus den Parametern Personen in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II und Vervielfältigungsfaktor 3.411 Euro zusammengesetzten Soziallastenmesszahl, der aus den Parametern Einwohnerzahl und Grundbetrag zusammengesetzten Ausgangsmesszahl sowie ergänzend dem Erstattungsschlüssel in Höhe von 85 %. In einer rechnerischen Formel lässt sich der dem Gesetz zu entnehmende Mechanismus wie folgt darstellen:
Schlüsselzuweisung =
[(Einwohnerzahl x Grundbetrag) = Ausgangsmesszahl –
(Umlagekraftmesszahl – <Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften nach SGB II x 3.411 Euro> = Soziallastenmesszahl)] x 0,85
- 19
Der Umlagekraftmesszahl kommt dabei die Aufgabe zu, die Ertragskraft der jeweils betroffenen Körperschaften abzubilden. Sie ergibt sich für die kreisfreien Städte maßgeblich aus deren jeweiligen Steuerkraftmesszahlen (§ 9 Abs. 3 Satz 3 FAG 2014), für die Kreise aus dem Produkt von Umlagegrundlagen und durchschnittlichen Umlagesätzen (§ 9 Abs. 3 Satz 1 FAG 2014). Die Umlagegrundlagen ergeben sich wiederum ma3;geblich aus den Steuerkraftmesszahlen der kreisangehörigen Gemeinden (§ 9 Abs. 3 Satz 2 FAG 2014). Um insoweit zu verhindern, dass Gemeinden bewusst einen niedrigen und damit in der regionalen Konkurrenz niederlassungsfördernden Grund- beziehungsweise Gewerbesteuerhebesatz festlegen und die Steuereinbußen über den Kommunalfinanzausgleich kompensieren, wird bei der Festlegung der Steuerkraftzahlen jedoch nicht auf die jeweils tatsächlichen Steuereinnahmen abgestellt, sondern auf den in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 im Einzelnen definierten durchschnittlichen Hebesatz. Grundlage für die Bemessung der Schlüsselzuweisung ist damit nicht das tatsächliche Steueraufkommen, sondern ein fiktives Steuerausschöpfungspotential („Hebesatzanspannungs-potential“). Datengrundlage bei der Ermittlung dieses Durchschnitts sind die für den kreisangehörigen Bereich landesweit ermittelten Hebesätze des Vorjahres.
- 20
Der Soziallastenmesszahl kommt die Aufgabe zu, die Belastung der jeweiligen Körperschaft mit soziallastenbedingten Kosten abzubilden. § 9 Abs. 4 FAG 2014 definiert die Soziallastenmesszahl insoweit als Multiplikation der Zahl der in Bedarfsgemeinschaften von Grundsicherung für Arbeitsuchende lebenden Personen im Kreis-/ Stadtgebiet mit einem festgeschriebenen Betrag von 3.411 Euro (im Folgenden: Vervielfältigungsfaktor). Der Vervielfältigungsfaktor wurde aus dem Quotienten der durchschnittlichen Zuschussbedarfe für Soziallasten in den Jahren 2009 bis 2012 in den kommunalen Haushalten (778.051.902 Euro) und der durchschnittlichen Zahl an Personen in Bedarfsgemeinschaften im selben Betrachtungszeitraum (228.121,23) errechnet (vgl. ministerieller Vermerk, oben 2., Rn. 6).
- 21
Die Ausgangsmesszahl ergibt sich aus der Multiplikation der jeweiligen Einwohnerzahl mit einem Grundbetrag. Dieser wird jährlich neu festgesetzt, und zwar so, dass die Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben insgesamt stets vollständig ausgeschöpft und an die Zuweisungsempfänger verteilt wird. Die Höhe des Grundbetrages ist damit keine selbständige Größe, sondern wie in einem System kommunizierender Röhren abhängig von den übrigen Parametern. Ist beispielsweise die Teilschlüsselmasse schlecht dotiert, reduziert sich entsprechend der Grundbetrag. Ist die Teilschlüsselmasse hingegen gut dotiert, erhöht sich der Grundbetrag.
- 22
bb) Die Verteilung der Teilschlüsselmasse für Gemeindeaufgaben erfolgt nach einem ähnlichen Mechanismus, welcher sich aus §§ 5 ff. FAG 2014 ergibt. Auch hier wird die bereits genannte Steuerkraftmesszahl nach § 7 FAG 2014 einer Ausgangsmesszahl (§ 6 FAG 2014) gegenübergestellt. Die Höhe der jeweiligen Zuweisung beträgt dann im Grundsatz 70 % des Differenzbetrages (§ 5 Abs. 2 FAG 2014). Im Unterschied zum Regelungsansatz für Kreisaufgaben existieren hier neben der Steuerkraftmesszahl und der in die Ausgangsmesszahl integrierten Einwohnerzahl keine weiteren Parameter, insbesondere kein Ansatz für Soziallasten.
II.
- 23
Mit ihrer am 2. Dezember 2015 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Rechts auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 54 Abs. 1 und 2 LV, des interkommunalen Gleichbehandlungsgebots (Art. 54 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 3 LV, Art. 3 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 GG) sowie des Anspruchs auf angemessene Finanzausstattung aus Art. 57 LV beziehungsweise auf die Gewährleistung einer Mindestfinanzausstattung aus Art. 57 i.V.m. Art. 54 Abs. 1 und 2 LV. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen Folgendes aus:
- 24
1. Die erhobene kommunale Verfassungsbeschwerde sei nach Art. 51 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 47 Landesverfassungsgerichtsgesetz (LVerfGG) zulässig. Insbesondere seien sie beschwerdebefugt. Soweit sie eine Verletzung ihres Anspruchs auf Mindestausstattung rügten, müssten sie hierfür keine Einzelheiten zu ihrer Haushaltslage oder zu Beschränkungen bei der Aufgabenerfüllung darlegen, zumal sie substantiell grundsätzliche Ausstattungs- und Verteilungsmängel geltend machten. Lediglich hilfsweise wiesen sie darauf hin, dass sich durch die angegriffenen Regelungen ihre strukturelle Haushaltslage erheblich verschlechtere. Auf Basis der im Regierungsentwurf verwerteten Daten des Finanzausgleichs 2014 ergäben sich für sie im Vergleich zu der Rechtslage vor der angegriffenen Reform Gesamtverluste an Schlüsselzuweisungen in Höhe von rund 7,2 Millionen Euro (Nordfriesland), rund 5,2 Millionen Euro (Ostholstein) und rund 5,3 Millionen Euro (Schleswig-Flensburg). Hinzu kämen weitere Verluste an Schlüsselzuweisungen in teilweise zweistelliger Millionenhöhe durch verschiedene Fehler im angegriffenen Gesetz. Auch tatsächlich habe sich das strukturelle Ergebnis bei ihnen für das Haushaltsjahr 2015 im Vergleich zum Haushaltsjahr 2014 erheblich verschlechtert. Die Kreise Ostholstein und Schleswig-Flensburg seien zudem Konsolidierungskreise. Weitere Einsparmöglichkeiten bestünden nicht. Für Nordfriesland habe das Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten im Haushaltserlass vom 12. Mai 2015 festgehalten, dass dessen dauernde Leistungsfähigkeit nicht gegeben sei. Nordfriesland habe sich ein eigenes Konsolidierungsprogramm gegeben.
- 25
In Folge der angegriffenen Reform des kommunalen Finanzausgleichs seien die Beschwerdeführer nicht mehr aufgabenangemessen ausgestattet. Vergliche man die reformbedingten Verluste an Schlüsselzuweisungen mit den Salden der Beschwerdeführer aus laufender Verwaltungstätigkeit in den Jahren 2010 bis 2014 (Nordfriesland: zwischen rund -5,6 Millionen Euro und rund 1,2 Millionen Euro; Ostholstein: zwischen rund -5,3 Millionen Euro und rund 8,4 Millionen Euro; Schleswig-Flensburg: zwischen rund -1,3 Millionen Euro und rund 12,1 Millionen Euro) zeige sich unmittelbar, dass durch die verringerten Schlüsselzuweisungen die Spielräume zur Wahrnehmung von freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben beseitigt beziehungsweise stark reduziert würden. Dabei sei der Anteil der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben am Haushaltsvolumen insgesamt bereits vor der Reform in den Jahren 2010 bis 2014 gering gewesen (Nordfriesland: zwischen 2,11 und 2,39 %, Ostholstein: zwischen 0,5 und 1,0 %; Schleswig-Flensburg: zwischen 0,54 und 1,16 %). Die aufgrund der Reform eintretenden finanziellen Verluste seien deutlich höher als die Beträge, die sie insgesamt für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben aufgebracht hätten. Ohnehin könne aber bei einer Quote von unter 1 % freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben am gesamten Aufgabenportfolio materiell nicht mehr von der Wahrnehmung kommunaler Selbstverwaltung gesprochen werden. In der Literatur würden 5 bis 10 % als notwendiges Selbstverwaltungsvolumen diskutiert.
- 26
Hinsichtlich des behaupteten Verstoßes gegen das interkommunale Gleichbehandlungsgebot meinen die Beschwerdeführer, durch die nachfolgenden Ausführungen sei hinreichend dargestellt, dass sie durch § 9 Abs. 1 FAG 2014 sowie durch die § 9 i.V.m. § 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 im Vergleich zu den kreisfreien Städten gleichheitswidrig behandelt würden und dass die Ungleichbehandlung willkürlich erfolge. Darüberhinausgehende Darlegungen seien nicht erforderlich.
- 27
2. Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet.
- 28
a) Aus Art. 54 Abs.1 und 2 LV in Verbindung mit Art. 57 Abs. 1 LV folge ein gegen das Land gerichteter Anspruch der Kommunen auf eine aufgabenangemessene Finanzausstattung, deren Kern in einer unantastbaren und nicht unter dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit des Landes stehenden Mindestfinanzausstattung bestehe. Mit der Mindestfinanzausstattung sei gemeint, dass die Kommunen einen finanziellen Spielraum haben müssten, um neben den pflichtigen „Fremd- und Selbstverwaltungsaufgaben“ noch freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen zu können. Ob eine Verletzung des Mindestausstattungsanspruches vorliege, sei im Wege wertender Betrachtung im Einzelfall zu ermitteln.
- 29
Daneben müssten dem Land und den Kommunen die jeweils verfügbaren Finanzmittel gleichermaßen aufgabengerecht zukommen. Nur dieses sogenannte Gebot der vertikalen Verteilungssymmetrie stehe unter dem Leistungsfähigkeitsvorbehalt des Landes. Zudem müsse der Gesetzgeber bei der (horizontalen) Verteilung der Finanzmittel das interkommunale Gleichbehandlungsgebot berücksichtigen, welches im Selbstverwaltungsrecht der Kommunen nach Art. 54 Abs. 1 und 2 LV in Verbindung mit dem rechtsstaatlich determinierten Gleichheitssatz (Art. 3 LV i.V.m. Art. 3 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) sowie in Art. 57 LV wurzele.
- 30
Außerdem bestünden Mindestanforderungen an das Gesetzgebungsverfahren. Der Gesetzgeber müsse den Bedarf realitätsgerecht und nachvollziehbar erheben, und zwar sowohl bezogen auf den vertikalen wie bezogen auf den horizontalen Finanzausgleich. Diese Erhebung müsse sich auf die beiden Parameter Aufgabenbelastung und Finanzkraft beziehen. Mit der Bedarfsermittlungspflicht verbunden sei zudem die Pflicht des Gesetzgebers, die wesentlichen Ergebnisse seiner Ermittlungen und seine hierauf fußenden Erwägungen durch eine Aufnahme in die Gesetzgebungsmaterialien transparent zu machen (Transparenzgebot). Durch ein Nachschieben von Gründen erst im verfassungsgerichtlichen Verfahren könne er hingegen seinen Darlegungspflichten nicht gen52;gen. Zuletzt bestehe eine Beobachtungs- und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht.
- 31
b) Gemessen an den so definierten Anforderungen verstoße das angegriffene Gesetz in mehrfacher Hinsicht gegen die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein.
- 32
aa) So sei bereits die der Gesetzeskonzeption zugrunde liegende Sachverhaltsermittlung ungenügend. Eine aufgabenbezogene Bedarfserhebung habe nicht stattgefunden. Insbesondere das eingeholte Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung gehe unzul228;ssigerweise ausschließlich von dem tatsächlichen kommunalen Ausgabenverhalten und nicht von den objektiven Erfordernissen der zur Erfüllung gegebenen Aufgaben aus. Zudem seien die gutachterlich herangezogenen statistischen Rechenwerke wegen der laufenden Umstellung von der Kameralistik auf die Doppik ungeeignet. Fehlerhaft seien auch die durch den Übergang auf das reine Zwei-Ebenen-Modell erforderlich gewordene Abgrenzung der Gemeinde- von den Kreisaufgaben sowie die Bestimmung der überörtlichen Aufgaben. Nicht nachvollziehbar seien des Weiteren die verwandten Zahlenwerke. Zuletzt sei es unzulässig, im Rahmen der Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs aufgelaufene Verschuldung und Kassenkredite einzubeziehen. Da diese im kreisfreien Raum größer seien als im ländlichen Bereich, der in der Vergangenheit weniger Kredite aufgenommen habe, würde letzterer benachteiligt.
- 33
bb) Bereits die in § 3 FAG 2014 definierte Finanzausgleichssumme sei daher fehlerhaft bestimmt und im Ergebnis zu niedrig bemessen. Die Wertung des Gesetzgebers, die kommunale Finanzsituation sei auskömmlich, sei unzutreffend. Die in der Gesetzesbegründung zum Beleg hierfür genannten Indizien seien in mehrfacher Hinsicht unzureichend. So sei etwa der zugrunde gelegte Referenzzeitraum für die Kostenschätzungen deutlich zu kurz bemessen. Zudem seien die Steuerkraft der Gemeinden nach § 7 FAG 2014 ebenso wie die Umlagekraft der Kreise nach § 9 FAG 2014 willkürlich abgebildet worden.
- 34
cc) § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FAG 2014 verletze die Beschwerdeführer in ihrem Anspruch auf Mindestausstattung. Die Finanzausgleichsmasse zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten sei unangemessen niedrig bemessen. Dies ergebe sich zum einen aus dem Umstand, dass die Finanzausgleichsmasse insgesamt zu niedrig dotiert sei. Unabhängig davon sei die Höhe dieser Teilschlüsselmasse fehlerhaft lediglich nach den Ausgaben und nicht bedarfsgerecht erhoben worden. Zudem liege ein Systembruch bei der Bedarfsermittlung dieser Teilschlüsselmasse vor, weil die seinerzeitige durchschnittliche Belastung aus der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung von 115 Millionen Euro vor dem Hintergrund der vollständigen Übernahme dieser Kosten ab 2014 vom Bund herausgerechnet worden sei, während andere, ebenfalls absehbare Änderungen nicht berücksichtigt worden seien.
- 35
Des Weiteren sei der Anteil zentralörtlicher Aufgaben in § 4 Abs. 1 FAG 2014 zulasten der Teilmasse für Kreisaufgaben zu hoch angesetzt. Während das Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung einen Zuschussbedarf für übergemeindliche Aufgaben in Höhe von 146,15 Millionen Euro ansetze, würden in 2015 über § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FAG 202,7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Eine weitere Verzerrung ergebe sich aus der Berücksichtigung der Zinslasten bei der Bedarfserhebung der verschiedenen Aufgabenträger. Dies bevorzuge einseitig die kreisfreien Städte mit ihrem hohen Schuldenstand.
- 36
dd) § 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 verletzte das interkommunale Gleichheitsgebot. Die dort enthaltenen fiktiven Hebesätze seien der Höhe nach willkürlich festgelegt worden. Der Gesetzgeber dürfe Gruppen von Gemeinden, zwischen denen in Bezug auf ihr Steuerausschöpfungspotential wesentliche Unterschiede bestünden, nicht gleich behandeln. Zumindest aber müsse sichergestellt werden, dass die fiktiven Hebesätze tatsächlich auf der Basis des Durchschnitts erhoben würden. Hieran gemessen stelle sich die angegriffene Regelung schon deshalb als willkürlich dar, weil keine gestuften, sondern einheitliche Hebesätze definiert worden seien. Durch die Verwendung einheitlicher Hebesätze würden die Realsteuerkraftzahlen der kreisangehörigen Gemeinden unrealistisch hoch dargestellt, während die Realsteuerkraftzahlen der kreisfreien Gemeinden unrealistisch niedrig eingeschätzt würden. Willkürlich sei weiter, dass die Hebesätze des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 allein auf der Grundlage der tatsächlichen Hebesätze des kreisangehörigen Bereichs zu errechnen seien, während die tatsächlichen Hebesätze des kreisfreien Raumes unberücksichtigt blieben. Dasselbe gelte für die Multiplikation des gewogenen Durchschnitts der Hebesätze mit dem Faktor 92 %. Hierdurch ergäben sich weitere erhebliche Verschiebungen zwischen den betroffenen Kommunalgruppen zugunsten der kreisfreien Städte in Höhe von rund 16 Millionen Euro.
- 37
Die willkürliche Festsetzung der Hebesätze des § 7 FAG 2014 betreffe sie, die Beschwerdeführer, konkret, da die Hebesätze nach § 7 Abs. 2 Satz 1 FAG 2014 über § 9 Abs. 3 FAG 2014 die für die Verteilung der ihnen zustehenden Kreisschlüsselzuweisungen maßgebliche Umlagekraftmesszahl mitbestimmten. Auf der Grundlage gruppenspezifischer Durchschnittswerte gebildeter Hebesätze stünden sie um rund 3,4 Millionen Euro (Ostholstein), rund 1,6 Millionen Euro (Nordfriesland) beziehungsweise rund 3,5 Millionen Euro (Schleswig-Flensburg) besser. Die Finanzausgleichsleistungen der Kreise seien gegenüber denen der kreisfreien Städte um ca. 34 % zu niedrig.
- 38
ee) In § 9 Abs. 1 FAG 2014 werde die Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben durch die Minderung der die Finanzkraft abbildenden Umlagekraftmesszahl über die Soziallastenmesszahl zum Nachteil der Kreise willkürlich verteilt. Indikatoren für die Finanzkraft würden so sachwidrig mit Indikatoren für den aufgabenbezogenen finanziellen Bedarf (Ausgangsmesszahl) vermischt. Dies bewirke, dass der Bedarf für Soziallasten doppelt und damit im Vergleich zu den anderen Bedarfen überproportional und asymmetrisch berücksichtigt werde. Im wirtschaftlichen Ergebnis fielen die Schlüsselzuweisungen an die kommunale Gruppe mit höheren Soziallasten – faktisch die kreisfreien Städte – damit unangemessen hoch aus, während die Schlüsselzuweisungen an die andere Gruppe – faktisch die Kreise – unangemessen niedrig ausfielen, und zwar für die Beschwerdeführer in Höhe von 13,7 Millionen Euro (Nordfriesland), 3,6 Millionen Euro (Ostholstein) und eine Million Euro (Schleswig-Flensburg).
- 39
Schließlich hätte der Gesetzgeber neben den Bedarfsfaktoren Einwohner und Soziallasten weitere Bedarfsfaktoren, wie etwa die Fläche, zumindest in Erwägung ziehen müssen.
- 40
Die Beschwerdeführer beantragen wörtlich,
festzustellen, dass die Regelungen des § 9 Abs. 1, §§ 9 i.V.m. 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2, §§ 9 i.V.m. 3, 4 Abs. 1 Nr. 2 sowie § 9 i.V.m. §§ 10, 4 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein (Finanzausgleichsgesetz – FAG) vom 10. Dezember 2014, in Kraft getreten am 1. Januar 2015, die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Selbstverwaltung aus Art. 54 Abs. 1 und 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein in Verbindung mit Art. 57 Abs. 1 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein und dem rechtsstaatlich determinierten Gleichheitssatz (Art. 3 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein i.V.m. Art. 3 Abs. 1, 28 Abs. 1 des Grundgesetzes) verletzen und nichtig sind.
III.
- 41
1. Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat von einer Stellungnahme abgesehen.
- 42
2. Nach Auffassung der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung sind die von den Beschwerdeführern angegriffenen Regelungen verfassungskonform.
- 43
a) Art. 57 Abs. 1 LV sei als Gebot der Verteilungsgerechtigkeit und Verteilungssymmetrie zu verstehen, so dass es auf das ausgewogene Verhältnis der möglichst weitgehend aufgabenangemessenen Finanzausstattung des Landes und der Kommunen ankomme. Die Grunddaten der finanziellen Entwicklung beider Ebenen müssten – soweit vergleichbar – in etwa parallel verlaufen. Dies schließe ein, dass in Situationen finanzieller Restriktionen auch das Land Spar- und Konsolidierungsanstrengungen unternehmen müsse. Von der Leistungsfähigkeit des Landes losgelöste, „absolute“ Rechtspositionen der Kommunen seien hiermit unvereinbar.
- 44
Bei der Ausgestaltung des Finanzausgleichs seien zudem das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung sowie das Gebot der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit zu beachten. Grundsätzlich stehe es dem Gesetzgeber frei, von einem selbst gesetzten System mit hinreichenden Gründen abzuweichen. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle sei insoweit auf eine Evidenzkontrolle begrenzt.
- 45
Verfahrensbezogene Pflichten träfen den Gesetzgeber im Übrigen bei der Ausgestaltung des Finanzausgleichs nicht. Insbesondere sei er weder verpflichtet, „wissenschaftlich“ vorzugehen, noch müsse er begründen, warum er ein Gesetz mit einem bestimmten Inhalt erlassen habe.
b) Gemessen an diesen Maßstäben sei das angegriffene Gesetz in keiner Hinsicht zu beanstanden.
- 46
aa) Der Gesetzgeber habe die teilweise neue Technik der Verteilung der Finanzausgleichsmasse ausführlich beschrieben. Grundlage hierfür sei eine detaillierte und genaue Ermittlung der kommunalen Aufgaben und Ausgaben über einen für prognostische Betrachtungen ausreichend langen Zeitraum gewesen. Eine stärker aufgabenbezogene Betrachtung könne schon aufgrund des Wortlauts des Art. 57 Abs. 1 LV nicht verlangt werden. In die Bestimmung der erforderlichen Ausgaben flössen zudem derart viele Gestaltungs-, Ermessens- und Einschätzungsfaktoren ein, dass lediglich plausible, rational nachvollziehbare Erwägungen gefordert seien. Da es verschiedene Methoden der Bedarfserhebung gebe, stehe dem Gesetzgeber insoweit ein Spielraum zu.
- 47
bb) Entsprechend stehe die in § 3 FAG 2014 zum Ausdruck kommende vertikale Finanzverteilung im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
- 48
Sowohl die Einnahmenentwicklung als auch die Auskömmlichkeit der kommunalen Finanzausstattung seien ermittelt und begründet worden. Ergänzend sei darauf zu verweisen, dass der bis 2014 negative Finanzierungssaldo des Landes im Jahr 2015 +256 Millionen Euro betragen habe, während sich der Finanzierungssaldo der Gemeinden und Gemeindeverbände seit 2011 stetig von -40 Euro/ Einwohner auf -8 Euro/ Einwohner verbessert habe. Der Befund der vertikal auskömmlichen Dotierung des Finanzausgleichs werde außerdem durch das im Verfassungsgerichtsverfahren eingeholte Gutachten des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln vom 23. Mai 2016 (zur „Verteilungssymmetrie im vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleich Schleswig-Holsteins“) belegt.
- 49
Es liege im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, den vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleichs nach dem Verbundquotenmodell zu organisieren. Im Übrigen werde diese Methode in den Folgejahren – verglichen mit der vorherigen Rechtslage – zu erhöhten Einnahmen der Kommunen führen.
- 50
cc) Bei der Ermittlung der in § 4 FAG 2014 enthaltenen Verteilungsquoten habe sich der Gesetzgeber gestützt auf das umfangreiche Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung ein umfassendes Bild über die Einnahmen- und aufgabenbezogene Ausgabensituation der Kommunen verschafft. Das Gutachten habe sich mit der Abgrenzung und Bewertung der in § 4 FAG 2014 vorgesehenen zentralörtlichen Aufgaben ausführlich befasst; die von ihm herangezogenen Kriterien für die Zentralörtlichkeit einer Aufgabe entsprächen anerkannten finanzwissenschaftlichen Grundsätzen. Die Bewertung des Bedarfs für zentralörtliche Aufgaben sei ebenfalls gutachterlich fundiert und plausibel begründet.
- 51
In der Herausnahme der Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung aus den Daten zur Ermittlung der durchschnittlichen Finanzbedarfe liege kein Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit, da bei diesen – anders als bei den anderen von den Beschwerdeführern angeführten künftigen Änderungen – festgestanden habe, dass der Bund ab 2014 diese Kosten übernehmen werde.
- 52
dd) Fiktive Hebesätze wie in § 7 Abs. 2 Satz 1 FAG 2014 würden in allen Finanzausgleichssystemen verwendet. Eine Verpflichtung, differenziert gewogene Hebesätze in Anlehnung an die Größe der Gemeinden oder an andere Kriterien – etwa an den Standort oder die Lage – zu bestimmen, bestehe nicht. Denn es gebe derzeit kein kohärentes Theoriedesign zur Abbildung nachweisbarer Hebesatzpotentiale. Die kreisfreien Städte würden weder durch die Datengrundlagen noch durch den angesetzten Faktor gegenüber den Kreisen „relativ arm“ gerechnet, da die Ermittlung der Schlüsselzuweisungen nicht an kommunale Gruppen, sondern an Aufgaben anknüpfe. Im 220;brigen hätten die kreisfreien Städte höhere Soziallasten zu tragen.
- 53
ee) Die Einführung des Soziallastenindikators in § 9 FAG 2014 sei sowohl dem Grundsatz nach als auch in der konkreten Ausgestaltung verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Ermittlung der aus Finanzkraft und Soziallastenmesszahl bestehenden integrierten Messzahl stelle eine besondere Technik zur Ermittlung der Belastung aus den sozialen Aufgaben der Kreise und kreisfreien Städte dar und liege in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Es sei im Finanzausgleichssystem nicht unüblich, bereits auf der Finanzkraftseite Faktoren für Finanzbedarfe zu berücksichtigen. Zudem würden dabei alle Kommunen gleich behandelt und es sei sowohl eine Nivellierung als auch eine Vertauschung der Finanzkraftreihenfolge ausgeschlossen.
- 54
Das Fehlen eines Flächenansatzes korrespondiere schlüssig mit dem Verzicht auf eine sogenannte Einwohnerwertung. Der Gesetzgeber habe sich dafür entschieden, – behauptete – Kosten der Agglomeration nicht zu berücksichtigen, so dass er auch – behauptete – Kosten der Deglomeration unberücksichtigt lassen könne. Der Gesamtmechanismus sei so weniger streitanfällig und kompliziert, ohne an Genauigkeit einzubüßen. Aufgrund welcher konkreten Umstände bei der Erfüllung der jeweiligen Aufgabe aus dem Verhältnis von Einwohnerzahl und Fläche überproportional hohe Kosten entstehen könnten, erschließe sich im Übrigen nicht.
- 55
c) Abschließend weist die Landesregierung darauf hin, dass die Beschwerdeschrift, insbesondere in den Anlagen 3, 5 bis 7 und 9, nicht nachvollziehbare Zahlen und Rechenschritte enthalte. Die von den beschwerdeführenden Kreisen genannten Zahlen zu ihrer eigenen Finanzlage entsprächen zudem nicht dem neuesten Stand. Für den Kreis Nordfriesland läge mittlerweile der Jahresabschluss 2015 vor. Das Haushaltsjahr 2015 habe mit einem Überschuss von rund 3 Millionen Euro geschlossen. Ursprünglich sei mit einem Defizit von rund 5 Millionen Euro gerechnet worden. Der Kreis Ostholstein habe das Haushaltsjahr 2014 mit einem Überschuss von rund 11 Millionen Euro abgeschlossen. Das Jahr 2015 werde er nach eigenen Angaben mit einem Überschuss von rund 7 Millionen Euro abschließen. 2015 seien sämtliche Defizite der Vergangenheit abgebaut worden. Der Kreis Schleswig-Flensburg sei mit der Vorlage seiner Jahresabschlüsse in Rückstand.
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3. Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag, der Städteverband Schleswig-Holstein und der Schleswig-Holsteinische Landkreistag haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
- 57
a) Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag rügt, wie die Beschwerdeführer, dass der Finanzausgleich insgesamt nicht auskömmlich dotiert sei, obwohl bereits während des Gesetzgebungsverfahrens eindeutige Indizien für die mangelhafte Finanzausstattung der Kommunen vorgelegen hätten und er ausdrücklich um Prüfung gebeten habe.
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Leidtragende der Reform seien im Ergebnis in besonderem Maße die Gemeinden mit einer besonders geringen Steuerkraft von weniger als 500 Euro pro Einwohner. Die Erhöhung der Nivellierungssätze in § 7 Abs. 2 Satz Nr. 1 und 2 FAG 2014 habe zu einer weiteren Benachteiligung der kreisangehörigen Gemeinden zugunsten der Kreise geführt.
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Soweit es um die Verteilung der Schlüsselzuweisungen für Gemeindeaufgaben gehe, sei bei der horizontalen Verteilung eine vertiefte Befassung mit gemeindlichen Aufgaben verfassungsrechtlich nicht geschuldet. Die Verteilung anhand der Parameter Steuerkraft und Einwohnerzahl habe sich bewährt. Es sei zulässig, bei der Aufteilung der Teilschlüsselmassen Zuschussbedarfe durch eine typisierende Betrachtung der Ausgaben zu ermitteln, da die Kommunen über das Ob (bei freiwilligen Aufgaben) und das Wie der Aufgabenerfüllung selbst entscheiden dürften.
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Problematisch sei hingegen der gewählte Verteilungsmechanismus f252;r die Teilmasse für zentralörtliche Aufgaben. Hier sei es bei der Ausgestaltung des § 10 FAG 2014 zu einer Beeinflussung des Ergebnisses durch das Ausgabenverhalten einzelner Kommunen gekommen. Zudem würden die Theater der kreisfreien Städte über eine Kombination von Vorwegabzug und Zuweisungen für zentralörtliche Aufgaben doppelt finanziert. Die Zuschussbedarfe für Berufsschulen seien unvertretbar gewichtet. Ferner seien die einheitlichen Hebesätze des § 7 Abs. 2 Satz 1 FAG 2014 zu kritisieren. Demgegenüber sei die Nichtberücksichtigung der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung geboten gewesen, um nicht bereits bei Inkrafttreten des Gesetzes offensichtlich unzutreffende Daten zugrunde gelegt zu haben. Eine derart sicher absehbare Kostenentlastung habe es bei keinem anderen Aufgabenbereich von vergleichbarem Gewicht gegeben.
- 61
b) Der Städteverband Schleswig-Holstein hebt in seiner Stellungnahme hervor, dass die Kommunen in Schleswig-Holstein seit Jahren strukturell unterfinanziert seien. Die Finanzprobleme konzentrierten sich bei den kreisfreien Städten, auf die allein knapp 2/3 aller aufgelaufenen Defizite entfielen, obwohl sie nur rund 22 % der Gesamtbevölkerung stellten. Den kreisfreien Städten fehle weitgehend die Möglichkeit zur Eigenfinanzierung. Daneben zeige sich, dass aber auch viele weitere Städte im kreisangehörigen Raum strukturell unterfinanziert seien. Besondere Disparitäten ergäben sich in Bezug auf die Möglichkeit zur Eigenfinanzierung Zentraler Orte im ländlichen Raum. Im Gegensatz hierzu zeige sich bei den Kreisen eine weitgehend stabile Haushaltsentwicklung. Der Finanzausgleich könne nicht einmal eine Mindestfinanzausstattung sicherstellen, die alle Städte und Gemeinden in die Lage versetze, ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen, ohne weitere Defizite aufzubauen.
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Der Verfassung sei ein solcher Anspruch auf Mindestausstattung zu entnehmen, bei dem die Finanzkraft des Landes unerheblich sei. Erst jenseits dieses Kernbereichs spiele die Leistungsfähigkeit des Landes eine Rolle. Das Beispiel der Krankenhausfinanzierung zeige, dass ein bereits auf den Mindestausstattungsanspruch durchschlagender Leistungsfähigkeitsvorbehalt mit den Aufgaben- und Ausgabenverpflichtungen unvereinbar sei. Im Übrigen habe das Land im Jahr 2015 einen Überschuss von 187 Millionen Euro erwirtschaftet, während die Kommunen per Saldo mit einem Defizit von 22,3 Millionen Euro abgeschlossen hätten. Bereits dies indiziere einen Verstoß gegen die kommunale Mindestfinanzierungsgarantie.
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Bezogen auf den horizontalen Finanzausgleich sei jedoch kein Verstoß gegen das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung oder der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit festzustellen. Aufgrund des sehr heterogenen Aufgabenbestandes der verschiedenen Kommunen bedürfe es eines politischen Einschätzungsspielraumes. Vor diesem Hintergrund sei gerade bei der Regelung über den Soziallastenausgleich und beim Gewicht der paternalistischen Dimension des Finanzausgleichs ein Verfassungsverstoß nicht zu erkennen. Im Übrigen sei das Verfahren „vorbildhaft geführt“ worden. Insbesondere sei die Neubemessung der Teilschlüsselmassen in § 4 FAG 2014 ebenso wie die Nichteinbeziehung der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung positiv zu bewerten. Dass Zuschussbedarfe für Theater und Orchester doppelt angerechnet worden seien, sei nicht zu erkennen. Nur teilweise überzeuge hingegen der gewählte Zentrale-Orte-Ansatz in § 10 FAG 2014, insoweit wäre es vorteilhafter gewesen, den Status Quo vor der Reform beizubehalten.
- 64
c) Der Schleswig-Holsteinische Landkreistag erklärt, sich den Vortrag der drei Beschwerdeführer zu Eigen zu machen. Er beanstandet, dass das der Neukonzeption des Finanzausgleichs zugrunde liegende Gutachten ausschließlich von Ausgaben und nicht von Aufgaben ausgehe. Auf diesem Wege seien verhaltensgeprägte Werte und nicht objektivierte, notwendige Aufwendungen für Aufgaben Ausgangspunkt aller Überlegungen. Es hätte einer Bestandsaufnahme der tatsächlichen Kosten und ihrer Objektivierung durch ein anerkanntes Statistikverfahren bedurft. Derartige Verfahren seien verfügbar, etwa das Standardkostenmodell, ein Benchmarking, die Regressionsanalyse oder die Korridorbereinigung.
- 65
Unzulässig sei die Ausgestaltung der Schlüsselzuweisungen an Kreise und kreisfreie Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten nach § 9 FAG 2014. Im Prinzip werde so der typisierte Aufwand in Form der Ausgangsmesszahl mit der typisierten Finanzkraft in Form der Umlagekraftmesszahl beziehungsweise der Steuerkraftmesszahl verglichen. Durch den Abzug des typisierten Sozialaufwandes von der Ertragsseite – und nicht von der Aufwandsseite – werde dieses System durchbrochen. In der Folge werde dem vollen Aufwand in Form der Ausgangsmesszahl ein künstlich und damit systemwidrig und willkürlich verringerter Ertrag gegenübergestellt. Dadurch erhielten die Soziallasten ein doppeltes Gewicht.
- 66
Zu weiteren Verzerrungen führe der Umstand, dass die Ausgangsmesszahl und die Steuerkraftmesszahl nicht nach gleichen Kriterien bestimmt würden. Denn über die fiktiven Hebesätze nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 würden die Einnahmemöglichkeiten der kreisfreien Städte nur zu 73,32 %, die der Kreise aber zu 100 % angerechnet. Der einheitliche Nivellierungssatz sowohl für kreisfreie Städte als auch kreisangehörige Gemeinden trotz sehr unterschiedlicher tatsächlicher Steuerkraft führe im Ergebnis zu einer unterschiedlichen Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmekraft. Damit verstoße der Gesetzgeber gegen das Gleichbehandlungsgebot.
- 67
Zuletzt zeigten die Zahlen der Vierteljahresstatistik 2015, dass der ländliche Raum benachteiligt werde, indem er von der an sich positiven Entwicklung weniger profitiert habe als der städtische Raum. Die kreisfreien Städte hätten sich bei gleichzeitiger Rückführung der Kassenkredite um 10,6 % nur mit 3 % am Kreditmarkt neu verschulden müssen. Der ländliche Raum habe hingegen 10,8 % an neuen Kreditmarktmitteln bei gleichzeitiger Rückführung der Kassenkredite um 12,4 % benötigt.
B.
- 68
Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist nur bezogen auf § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 9 Abs. 1 und Abs. 4 FAG 2014 zulässig, im Übrigen unzulässig (I.). Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie, mit Ausnahme des § 9 Abs. 4 FAG 2014, begründet (II.).
I.
- 69
Die innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 LVerfGG erhobene Verfassungsbeschwerde ist nur zu § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und zu § 9 Abs. 1 und Abs. 4 FAG 2014 und insoweit nur unter dem Gesichtspunkt der gerügten Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgebots zulässig, im Übrigen unzulässig.
- 70
1. Die Beschwerdeführer sind nur in dem soeben aufgezeigten Umfang beschwerdebefugt. Das Erfordernis der Beschwerdebefugnis folgt aus § 47 LVerfGG. Erforderlich ist hiernach, dass die Beschwerdeführer einen Sachverhalt darlegen (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG), aufgrund dessen eine Verletzung ihrer verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie zumindest möglich erscheint
(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 -, LVerfGE 23, 361 ff., Rn. 28 = SchlHA 2012, 431 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 30; Beschluss vom 17. Juni 2016 - LVerfG 3/15 u.a. -, NordÖR 2016, 294 ff. = ZNER 2016, 354 ff. = NVwZ-RR 2016, 801 ff., Juris Rn. 22 m.w.N.; vgl.: BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985
- 2 BvR 1808/82 u.a. -, BVerfGE 71, 25 ff., Juris Rn. 31 ff.).
- 71
Die Gemeinden und Gemeindeverbände müssen hierfür substantiiert darlegen, durch die angegriffene Regelung in ihren verfassungsmäßig geschützten Rechten (a) unmittelbar (b), selbst (c) und gegenwärtig betroffen zu sein
(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 - Rn. 28, a.a.O., Juris Rn. 30; Beschluss vom 17. Juni 2016 - LVerfG 3/15 u.a. -, a.a.O., Juris Rn. 22 m.w.N.).
- 72
a) Das Landesverfassungsgericht entscheidet nach Art. 51 Abs. 2 Nr. 4 LV, § 3 Nr. 4 LVerfGG in Verbindung mit § 47 LVerfGG über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen der Verletzung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung nach Art. 54 Abs. 1 und 2 LV durch ein Landesgesetz. Eine kommunale Verfassungsbeschwerde kann im Grundsatz aber auch auf eine Verletzung von Art. 57 Abs. 1 LV gestützt werden.
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- 73
Der Wortlaut der insoweit maßgeblichen Art. 51 Abs. 2 Nr. 4 LV, § 3 Nr. 4 LVerfGG spricht zwar zunächst gegen letzteres. Beide Bestimmungen ermöglichen Verfassungsbeschwerden wegen der Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 54 Abs. 1 und 2 LV. Art. 57 LV hingegen ist als beschwerdefähige Rechtsposition nicht aufgeführt.
- 74
Jedoch können auch Rechtspositionen aus anderen Verfassungsbestimmungen als Art. 54 Abs. 1 und 2 LV Prüfungsmaßstab im Verfahren über die kommunale Verfassungsbeschwerde sein, soweit sie nach ihrem Inhalt geeignet sind, das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen
(Groth, in: Caspar/ Ewer/ Nolte/ Waack, Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, Kommentar, 2006, Art. 49, Rn. 20; vgl. zu Art. 28 Abs. 2 GG: BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04 -, BVerfGE 119, 331 ff., Juris Rn. 125 ff.; sowie jeweils für ihren Verfassungsraum: VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 95 f.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 18. März 2010 - VerfGH 52/08 -, ThürVGRspr 2011, 153 ff., Juris Rn. 27).
- 75
Dies ist bei den sich aus Art. 57 Abs. 1 LV ergebenden Rechtspositionen der Fall. Sie finden sich systematisch im selben Abschnitt wie Art. 54 LV und dienen nach Inhalt und Begründung ausschließlich dazu, den kommunalen Selbstverwaltungsanspruch zu sichern, zu konkretisieren und mit Leben zu erfüllen. Entgegenstehende Anhaltspunkte ergeben sich des Weiteren nicht aus der Genese der entsprechenden Verfassungsbestimmungen. Insbesondere ist aus den Materialien zur Verfassungsreform vom 2. Dezember 2014 (GVOBl 344) kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass die kommunalen Rechtspositionen des Art. 57 Abs. 1 LV nicht beschwerdefähig sein könnten.
- 76
b) Das Kriterium der Unmittelbarkeit steht der Beschwerdebefugnis vorliegend nicht entgegen. Im Kontext von Kommunalverfassungsbeschwerden gegen Gesetze kommt dieser Voraussetzung nur dann Bedeutung zu, wenn es zur Umsetzung des angegriffenen Gesetzes einer Verordnung bedarf. Bedarf das Gesetz hingegen – wie hier – der Umsetzung durch Verwaltungsakt, hindert dies die Beschwerdebefugnis nicht
(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 -, a.a.O., Juris Rn. 29; vgl. weiter: BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985
- 2 BvR 1808/82 -, BVerfGE 71, 25 ff., Juris Rn. 31; LVerfG Mecklenburg - Vorpommern, Urteil vom 18. Dezember 2003 - LVerfG 13/02 -, NordÖR 2004, 237 ff., Juris Rn. 39; VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, a.a.O., Juris Rn. 110; VerfGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, GVBl Hessen 2013, 535 ff., Juris Rn. 62).- 77
Eine hiervon abweichende Rechtsprechung ist nur in den Bundesländern festzustellen, in denen die kommunale Verfassungsbeschwerde – anders als in Schleswig-Holstein – nicht nur auf Rechtsnormen beschränkt, sondern gegen jegliche Rechtsakte eröffnet ist
(vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. Oktober 1995 - VGH N 4/93 -, AS RP-SL 25, 194 ff., Juris Rn 46 ff.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 6. Juni 2002 - VerfGH 14/98 -, NVwZ-RR 2003, 249 ff., Juris Rn. 143 ff.).
- 78
c) Die Beschwerdeführer haben jedoch zu der weiteren Voraussetzung der Selbstbetroffenheit nicht durchgehend hinreichend substantiiert (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG) vorgetragen. Insoweit ist im Ausgangspunkt zu verlangen, dass es aufgrund des Vortrages der beschwerdeführenden Kommune zumindest möglich erscheint, dass diese durch die jeweils angegriffene Norm selbst in beschwerdefähigen eigenen Rechten beeinträchtigt ist
(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 - Rn. 28, a.a.O., Juris Rn. 30; Beschluss vom 17. Juni 2016 - LVerfG 3/15 u.a. -, a.a.O., Juris Rn. 22 f.).
- 79
Dieses Erfordernis grenzt die Kommunalverfassungsbeschwerde insbesondere zur abstrakten Normenkontrolle ab
(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, a.a.O., Juris Rn 101).
- 80
Die Beschwerdeführer müssen dabei für jede einzelne angegriffene einfachgesetzliche Norm darlegen, wie diese sie konkret und individuell in welchem geltend gemachten Recht betrifft. Es bedarf mithin bezogen auf jede angegriffene Norm einer substantiiert darzulegenden Verbindung zwischen dem abstrakten Norminhalt und der konkreten Beeinträchtigung des eigenen Rechtsstatus
(Beschluss vom 17. Juni 2016 - LVerfG 3/15 u.a. -, a.a.O., Juris Rn. 23 m.w.N.; vgl. weiter: BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01 -, BVerfGK 10, 365 ff., Juris Rn. 16; LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Januar 2015 - LVG 77/10 - Juris Rn. 46).
- 81
Der Inhalt der geforderten Darlegung individueller Betroffenheit durch die jeweils angegriffenen gesetzlichen Regelungen hängt dabei sehr wesentlich davon ab, auf welche verfassungsrechtlich verbürgten Rechte sich die Beschwerdeführer beziehen. Die Darlegung muss eine Verletzung gerade des geltend gemachten Rechts mit seinem jeweils spezifischen Gewährleistungsgehalt konkret möglich erscheinen lassen. Es macht für die gebotene Darstellung eigener Betroffenheit damit einen Unterschied, ob geltend gemacht wird, dass eine konkrete Bestimmung des angegriffenen Gesetzes gegen den Anspruch auf angemessene beziehungsweise Mindestfinanzausstattung verstößt oder aber gegen das interkommunale Gleichbehandlungsgebot
(vgl. LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011
- LVerfG 10/10 -, NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 43; David, DVBl 2012, 1498).- 82
aa) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe haben die Beschwerdeführer hier nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass eine Verletzung ihrer Rechte durch § 3 FAG 2014 jedenfalls möglich erscheint, und zwar weder in Bezug auf Art. 57 Abs. 1 LV noch in Bezug auf Art. 54 Abs. 1 und 2 LV.
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(1) Art. 57 Abs. 1 LV (<a>) und Art. 54 Abs. 1 und 2 LV (<b>) enthalten dabei eigenständig nebeneinander bestehende Gewährleistungsgehalte.
- 84
(a) Art. 57 Abs. 1 LV normiert umfassende Vorgaben für die Ausgestaltung des schleswig-holsteinischen kommunalen Finanzausgleichs. Dabei ist zwischen dessen Aussagegehalt zum vertikalen und zum horizontalen Finanzausgleich zu trennen. Art. 57 Abs. 1 LV normiert in vertikaler Hinsicht einen dynamischen, an die Höhe der allgemeinen Finanzausstattung des Landes gekoppelten kommunalen Anspruch auf angemessene Partizipation der kommunalen Ebene an der naturgemäß schwankenden Finanzausstattung des Landes (<aa>). Komplettiert wird dieser Anspruch auf angemessene Finanzausstattung im Hinblick auf die horizontale Verteilung der Finanzausgleichsmasse durch finanzausgleichsspezifische Ausformungen insbesondere des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 57 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 LV, Art. 3
Abs. 1 GG (<bb>). Hinzu kommen allgemeine Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten (<cc>).- 85
(aa) Nach Art. 57 Abs. 1 LV stellt das Land im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Wege des Finanzausgleichs Mittel zur Verfügung, durch die eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen gewährleistet wird. Ziel soll dabei sein, die Leistungsfähigkeit der steuerschwachen Gemeinden und Gemeindeverbände zu sichern und eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben auszugleichen. Hieraus folgt, dass die Kommunen in angemessenem Umfang an den Einnahmen des Landes zu beteiligen sind. Art. 57 Abs. 1 LV nimmt damit das Verhältnis der Finanzausstattung des Landes zur Finanzausstattung der kommunalen Ebene in den Blick und normiert das Gebot der Verteilungssymmetrie zwischen beiden Ebenen. Er konkretisiert damit – als finanzverfassungsrechtliche Kehrseite der staatsorganisatorischen Zugehörigkeit der Kommunen zu den Ländern –
(BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 -, BVerfGE 86, 148 ff., Juris Rn. 272 f.)
die (Letzt-)Verantwortung des Landes für die Finanzausstattung der Kommunen.
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Für ein derartiges, auf das Gebot der Verteilungssymmetrie fokussiertes, Verständnis spricht schon der Wortlaut mit seiner Gegenüberstellung von Leistungsfähigkeit der kommunalen Ebene einerseits und Leistungsfähigkeit des Landes andererseits. Bereits danach bestehen die Hauptfunktionen des kommunalen Finanzausgleichs darin, die Finanzmittel der Kommunen (vertikal) aufzustocken, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können (fiskalische Funktion), sowie die Finanzkraftunterschiede zwischen den Kommunen (horizontal) auszugleichen (redistributive Funktion). Ausdrücklich bestätigt wird dies durch die Entstehungsgeschichte der aktuellen Fassung des Art. 57 Abs. 1 LV. Den derzeitigen Wortlaut nahm der Schleswig-Holsteinische Landtag in 2. Lesung am 19. Mai 2010 an. Vorangegangen war ein entsprechender Änderungsantrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/ DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW. In diesem wurde zugleich die Begründung neu gefasst. Sie stellt nun ausdrücklich klar,
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dass für den kommunalen Finanzausgleich auch der Grundsatz der Verteilungssymmetrie im Sinne einer Verteilungsgerechtigkeit zwischen dem Land sowie den Gemeinden und Gemeindeverbänden gilt (Landtags-Drucksache 17/546, S. 3 f.).
- 87
Das Gebot der Verteilungssymmetrie fordert eine gerechte und gleichmäßige Verteilung der im Land insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel auf die kommunale Ebene einerseits und die Landesebene andererseits. Dabei ist die Finanzausstattung beider Ebenen gleichermaßen in den Blick zu nehmen, so etwa der Umstand, dass das Land Schleswig-Holstein derzeit unverändert (neben Berlin, Bremen, dem Saarland, Sachsen-Anhalt) jährliche Finanzzuweisungen nach dem Konsolidierungshilfengesetz vom 10. August 2009 (BGBl I S. 2702, 2705) erhält und zu entsprechenden Konsolidierungsleistungen verpflichtet ist (§ 2 Konsolidierungshilfengesetz). Reichen die verfügbaren Mittel nicht aus, ist eine ausgewogene Aufteilung der Mangellage auf Land und Kommunen durch eine beiderseitige Reduzierung der zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben zur Verfügung stehenden Mittel geboten
(vgl. für die Parallelbestimmungen anderer Flächenländer: StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 2/05 -, NdsMBl. 2008, 488 ff., Juris Rn 68; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 49 ff.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, LVerfGE 22, 547 ff., Juris Rn. 82 ff.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, DVBl 2012, 432 ff., Juris Rn. 25; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, GVBl Hessen 2013, 535 ff., Juris Rn. 92 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 53).
- 88
(bb) Für die horizontale Ebene des kommunalen Finanzausgleichs weist das in Art. 57 Abs. 1 LV enthaltene Gebot, „eine unterschiedliche Belastung“ der Kommunen „mit Ausgaben auszugleichen“, dem Gesetzgeber die Aufgabe der angemessenen Mittelverteilung innerhalb der kommunalen Ebene zu.
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- 89
Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der hier verfahrensgegenständlichen Bestimmungen des horizontalen Finanzausgleichs – ebenfalls – ein weiter Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zukommt. Das Verfassungsgericht hat insbesondere nicht zu prüfen, ob der Normgesetzgeber die „bestmögliche“ oder „gerechteste“ Lösung gewählt hat. In Respektierung der politischen Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers ist auch nicht zu prüfen, ob die Regelung notwendig oder gar unabweisbar ist. Der Gesetzgeber darf innerhalb gewisser Grenzen im Rahmen der Gemeindefinanzierung ihm zweckmäßig Erscheinendes verfolgen
(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, NdsVBl 2010, 236 ff., Juris Rn. 63; VerfGH Sachsen, Urteil vom 26. August 2010 - Vf. 129-VIII-09 -, Juris Rn. 110; VerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 - , NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 50 ff.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. Mai 2016 - VGH N 22/15 -, KommJur 2016, 309 ff., Juris Rn. 54; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016
- VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff. Juris Rn. 54).
- 90
Grenzen des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraumes ergeben sich allerdings aus dem Gebot interkommunaler Gleichbehandlung sowie – eng damit verknüpft – dem Gebot der Systemgerechtigkeit und dem Nivellierungs- beziehungsweise Übernivellierungsverbot. Ob – und gegebenenfalls welche – weiteren Gestaltungsgrenzen sich aus dem Gedanken der Aufgabengerechtigkeit
(Urteil vom 27. Januar 2017 - LVerfG 4/15 -, Rn. 122).
ergeben, kann hingegen wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit für das vorliegende Verfahren dahinstehen.
- 91
Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot und das Gebot der Systemgerechtigkeit stellen sich auch als direkte Ausprägung des im Rechtsstaatsprinzip verankerten objektiven Willkürverbots in Verbindung mit dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht dar
(vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 -, BVerfGE 83, 363 ff., Juris Rn. 99; BVerwG, Urteil vom 25. März 1998 - 8 C 11.97 -, BVerwGE 106, 280 ff., Juris Rn. 24; VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 96; VerfGH Sachsen, Urteil vom 26. August 2010 - Vf. 129-VIII-09 -, Juris Rn. 111; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 51; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 9/12 -,
NVwZ-RR 2014, 707, Juris Rn. 34; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 2015 - VerfGH 24/12 -, NWVBl 2015, 336 ff., Juris Rn. 39).
- 92
Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, ob das rechtsstaatliche Willkürverbot und seine vorgenannten Ausprägungen im Kontext der Prüfung von Normen des horizontalen Finanzausgleichs in Art. 57 Abs. 1 LV aufgehen oder einen selbständigen verfassungsrechtlichen Maßstab bilden. Die zu diesen allgemeinen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen entwickelten Maßgaben sind jedenfalls als integrierte Bestandteile des Art. 57 Abs. 1 LV bei der Überprüfung der angegriffenen Regelungen heranzuziehen
(so ausführlich für den dortigen Verfassungsraum: StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, a.a.O., Juris Rn. 83 ff.).
- 93
Das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung verbietet es dem Gesetzgeber, bei der Finanzmittelverteilung bestimmte Gebietskörperschaften oder Gebietskörperschaftsgruppen sachwidrig zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot steht willkürlichen Ausgestaltungen des Verteilungssystems entgegen. Es ist verletzt, wenn für die getroffene Regelung jeder sachliche Grund fehlt. Nicht verletzt ist es hingegen, wenn sich der Gesetzgeber auf eine nachvollziehbare und vertretbare Einschätzung stützen kann
(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, a.a.O., Juris Rn. 83 ff.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, a.a.O., Juris Rn. 51 m.w.N.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, AS RP-SL 41, 29 ff., Juris Rn. 68; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, a.a.O.).
- 94
Das Gebot der Systemgerechtigkeit erfordert, dass die vom Gesetzgeber gewählten Maßstäbe, nach denen der Finanzausgleich erfolgen soll, nicht in Widerspruch zueinander stehen und nicht ohne einleuchtenden Grund verlassen werden. Zwar obliegt es der Entscheidung des Gesetzgebers, nach welchem System er eine bestimmte Materie ordnen will. Weicht er vom selbst bestimmten System ab, kann das jedoch einen Gleichheitsverstoß indizieren
(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, a.a.O., Juris Rn. 87 f.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, a.a.O.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. Mai 2016 - VGH N 22/15 -, KommJur 2016, 309 ff., Juris Rn. 56; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016
- VerfGH 19/13 -, a.a.O., Rn. 56; vgl. zum Gebot der Systemgerechtigkeit außerhalb von Verfahren zum kommunalen Finanzausgleich: BVerfG, Urteil vom 23. Januar 1990 - 1 BvL 44/86 -, BVerfGE 81, 156 ff., Juris Rn. 170; Beschlüsse vom 19. Oktober 1982 - 1 BvL 39/80 -, BVerfGE 61, 138 ff., Juris Rn. 37 und vom 6. November 1984 - 2 BvL 16/83 -, BVerfGE 68, 237 ff., Juris Rn. 41).
- 95
Das Nivellierungs- beziehungsweise Übernivellierungsverbot besagt, dass der Finanzausgleich vorhandene Finanzkraftunterschiede der Kommunen durch die Gewährung von Landesmitteln mildern, sie aber nicht völlig abbauen soll. Erst recht darf die tatsächliche Finanzkraftreihenfolge der Kommunen durch den Ausgleich nicht umgekehrt werden
(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 - Rn. 61 m.w.N., SchlHA 2012, 431 ff. = LVerfGE 23, 361 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 66).
- 96
(cc) Zuletzt unterliegt der Gesetzgeber einer Beobachtungs- und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht bei seiner Finanzausgleichsgesetzgebung. Erforderlich ist eine Überprüfung der Stimmigkeit des kommunalen Finanzierungssystems in angemessenen Abständen, unter besonderer Berücksichtigung eventueller Veränderungen der Aufgabenzuschnitte, der Aufgabenverteilung zwischen kommunaler Ebene und Landesebene sowie der für die Aufgabenerfüllung anfallenden Kosten. Der Gesetzgeber darf sich vor diesem Hintergrund nicht darauf beschränken, einmal festgesetzte Werte, Größenordnungen und Prozentzahlen in den folgenden Finanzausgleichsgesetzen fortzuschreiben, ohne sich erneut ihrer sachlichen Eignung zu vergewissern
(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999
- VfBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff., Juris Rn. 93, StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, GVBl Hessen 2013, 535 ff., Juris Rn. 116 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016
- VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 57).
- 97
(b) Der Regelungsgehalt des Art. 54 Abs. 1 LV beschränkt sich im Kontext des kommunalen Finanzausgleichs auf eine Betrachtung allein der kommunalen Finanzausstattung und dort auf das Verhältnis der für Pflichtaufgaben und für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben zur Verfügung stehenden Mittel
(für ihren jeweiligen Verfassungsraum mit vergleichbarer Abgrenzung zwischen Anspruch auf angemessene Finanzausstattung im Land-Kommunen-Vergleich einerseits und Mindestanspruch andererseits: VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 116 ff.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 82; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 98 ff.; wohl auch: StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 84 ff., 95; VerfGH Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 -, SächsVBl 2001, 61 ff., Juris Rn. 58, 83; zustimmend: Schmitt, DÖV 2013, 452 <455>; Henneke, DÖV 2013, 825, <834>; Duve/ Neumeister, DÖV 2016, 848 <849>).
- 98
Durch Art. 54 Abs. 1 LV wird die kommunale Mindestausstattung gewährleistet, mit der die Lebensfähigkeit jedenfalls der kommunalen Ebene als solcher garantiert ist. Den Kommunen müssen gemäß Art. 54 Abs. 1 LV Mittel in einem Umfang zur Verfügung stehen, die es ihnen ermöglichen, neben den Pflichtaufgaben noch ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben zu erledigen
(von Mutius, in: von Mutius/ Wuttke/ Hübner, Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 46 Rn. 11; vgl. zu Art. 28 Abs. 2 GG: BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 -, BVerwGE 145, 378 ff., Juris Rn. 18 ff.; sowie zu den entsprechenden Bestimmungen anderer Bundesländer: StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 86; VerfGH Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 -, SächsVBl 2001, 61 ff., Juris Rn. 82 ff.; VerfGH Saarland, Urteil vom 13. März 2006 - LV 2/05 -, AS RP-SL 34, 1 ff., Juris Rn. 93; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris Rn. 203; StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 02/05 -, NdsVBl 2008, 152 ff., Juris Rn. 54 und 62; VerfGH Thüringen, Urteil vom 18. März 2010 - VerfGH 52/08 -, ThürVGRspr 2011, 153 ff., Juris Rn. 33 f.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. Januar 2012 - LVerfG 33/10 -, Juris Rn. 101).
- 99
Hintergrund ist, dass das in Art. 54 Abs. 1 und 2 LV verbürgte Selbstverwaltungsrecht die sogenannte Finanzhoheit als ein Kernelement der kommunalen Selbstverwaltung umfasst. Diese garantiert die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens
(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 - Rn. 34, SchlHA 2012, 431 ff. = LVerfGE 23, 361 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 36; aus der Literatur statt aller: Tettinger/ Schwarz, in: von Mangoldt/ Klein/ Starck, Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 244 m.w.N.).
- 100
Die so verstandene, verfassungsmäßig verbürgte kommunale Finanzhoheit bedingt die Gewährleistung einer kommunalen Mindestausstattung. Denn ohne hinreichende finanzielle Ausstattung zur Erledigung nicht nur der pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben verbliebe den Kommunen keine substantielle Hoheit in Bezug auf die Finanzen. Wie das Selbstverwaltungsrecht wäre die Finanzhoheit nicht hinreichend davor geschützt, zu einer letztlich leeren Hülle ohne tatsächlich nennenswerte materielle Befugnisse absinken zu können.
- 101
(2) Bezogen auf eine Verletzung der Rechte der Beschwerdeführer aus Art. 57 Abs. 1 LV durch § 3 FAG 2014 ist eine Beschwerdebefugnis nicht dargelegt.
- 102
Im Ausgangspunkt ist bezüglich einer möglichen Verletzung in Rechten aus Art. 57 Abs. 1 LV erforderlich, dass Beschwerdeführer nachvollziehbar darlegen, inwieweit die angegriffene Norm dazu führt, dass der vertikale Finanzausgleich hinter den verfassungsrechtlichen Vorgaben einer „angemessenen Finanzausstattung“ zurückbleibt, mithin also das Symmetriegebot verletzt. Aus dem Vortrag muss sich nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG zumindest die Möglichkeit einer Verletzung des Symmetriegebots ergeben
(so für den dortigen Verfassungsraum: VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 38).
- 103
Ob darüber hinaus konkreter Vortrag zu den Auswirkungen dieser Verletzung des Symmetriegebots auf den eigenen Haushalt beziehungsweise die eigene Aufgabenerfüllung zu erwarten ist,
(vgl. VerfGH Thüringen, Urteil vom 18. März 2010 - VerfGH 52/08 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - VfGBbg 68/11 -, LKV 2013, 554 ff., Juris Rn. 43 ff.; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. Januar 2015 - LVG 77/10 - Juris Rn. 44 ff.),
oder nicht
(vgl. VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007
- Vf. 15-VII-05 -, a.a.O., Juris Rn. 168; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 38),
kann jedenfalls an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Denn vorliegend ist bereits die erste der oben genannten Voraussetzungen nicht gewahrt.
- 104
Durch die Beschwerdeschrift wird schon nicht hinreichend nachvollziehbar eine Verletzung des Symmetriegebots auf der generellen, abstrakten Ebene (Höhe der Finanzausgleichsmittel insgesamt) aufgezeigt. Zwar beziehen sich die Beschwerdeführer auch auf das Symmetriegebot des Art. 57 Abs. 1 LV. In der Sache tragen sie jedoch durchgängig nur zu der Behauptung vor, sie seien in ihrem Anspruch auf Mindestausstattung verletzt, könnten also das ihnen zustehende Minimum an Selbstverwaltungsaufgaben nicht mehr erfüllen. Es finden sich ausschließlich Ausführungen zur angeblich fehlenden Möglichkeit, noch freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen zu können. Irgendwie geartete Symmetriebetrachtungen werden nicht angestellt. Die Beschwerdeführer leisten weder eine vergleichende Betrachtung der Finanzkräfte von Land und Kommunen noch der jeweiligen Aufgabenbelastung oder des entstehenden Finanzierungssaldos. Die erforderlichen symmetriebezogenen Aussagen werden auch nicht dadurch obsolet, dass der Gesetzesbegründung selbst keine umfassende Symmetriebetrachtung zu entnehmen ist, an die der Vortrag der Beschwerdeführer anknüpfen könnte. Den Beschwerdeführern steht eine Reihe von öffentlich zugänglichen Dokumenten zur Verfügung, anhand derer eigene symmetriebezogene Aussagen getätigt werden könnten. Wie umfassend und ins Detail gehend der Vortrag hierzu im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit sein muss, kann aus den Gründen vollständig fehlender Darlegungen dahinstehen. Nichts anderes folgt im Übrigen aus dem Umstand, dass bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts zu Art. 57 Abs. 1 LV ergangen ist. Die Beschwerdeführer haben selbst ausdrücklich das Symmetriegebot als im Rahmen des Art. 57 Abs. 1 LV relevant identifiziert, so dass auch in einem ersten Verfahren zu Art. 57 Abs. 1 LV zumindest grundlegender Vortrag hierzu erwartet werden kann.
- 105
(3) Auch eine Verletzung des Art. 54 Abs. 1 und 2 LV und der darin gewährleisteten Mindestausstattung durch § 3 FAG 2014 haben die Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert geltend gemacht.
- 106
(a) Im Hinblick auf die Anforderungen an die Substantiierungspflicht gelten dabei die zu Art. 57 Abs. 1 LV entwickelten Ansätze nicht unmittelbar entsprechend, da sich die Norminhalte von Art. 54 Abs. 1 und 2 LV und Art. 57 Abs. 1 LV grundlegend unterscheiden (siehe oben (1), Rn. 83).
- 107>
Für die Darlegung der Beschwerdebefugnis von Kommunen bezüglich einer Verletzung des Anspruchs auf finanzielle Mindestausstattung aus Art. 54 Abs. 1 und 2 LV gilt ein strenger Maßstab. Notwendig ist die Darlegung jeder beschwerdeführenden Kommune, dass sie selbst infolge verfassungswidriger Ausgestaltung des Finanzausgleichs über keine hinreichende Mindestfinanzausstattung (mehr) verfügt, mithin in ihrer Fähigkeit zur Erledigung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsangelegenheiten beeinträchtigt ist. Hierfür muss sie ihre konkrete Haushaltslage aufzeigen und einschlägige Einschränkungen des Selbstverwaltungsrechts erläutern. Die beschwerdeführende Kommune muss konkret darlegen, dass sie infolge der Minderung ihrer eigenen Einnahmen oder Kürzung der Zuweisungen die ihr obliegenden Aufgaben nicht im erforderlichen Mindestmaß erfüllen kann. Insofern genügt nicht die Darlegung verminderter Mittelzuflüsse. Es muss ein faktischer Kompetenzentzug im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben nach dem Sachvortrag zumindest möglich erscheinen
(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01 -, BVerfGK 10, 365 ff., Juris Rn. 21 zu einer den schleswig-holsteinischen Kommunalfinanzausgleich betreffenden Kommunalverfassungsbeschwerde; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985 - 2 BvR 1808/82 -, BVerfGE 71, 25 ff., Juris Rn. 36; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - VfGBbg 68/11 -, LKV 2013, 554 ff., Juris Rn. 44; VerfGH Thüringen, Beschluss vom 18. Juni 2014 - VerfGH 22/13 -, Juris Rn. 71; LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Januar 2015 - LVG 77/10 -, Juris Rn. 45; Leisner-Egensperger, DÖV 2010, 705 <707>).
- 108
Erforderlich ist entsprechend eine Darlegung des Gesamtumfangs von Einnahmen und Ausgaben (etwa durch Vorlage des Haushaltsplanes oder – sollte dies wegen der Jahresfrist in § 47 Abs. 2 LVerfGG nicht möglich sein – jedenfalls der Vorberichte)
(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01 -, a.a.O., Juris Rn. 23; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013, - VfBbg 68/11 -, a.a.O., Juris Rn. 44 f.; VerfGH Thüringen, Beschluss vom 18. Juni 2014, - VerfGH 22/13 -, a.a.O., Juris Rn. 70 ff.; LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Januar 2015 - LVG 77/10 -, a.a.O., Juris Rn. 48).
- 109
In einem weiteren Schritt wird es regelmäßig der Darlegung der Auswirkungen der angegriffenen Norm auf die Fähigkeit zur Erledigung von freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben im Einzelnen bedürfen
(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01-, a.a.O., Juris Rn. 25; VerfGH Thüringen, Beschluss vom 18. Juni 2014, - VerfGH 22/13 -, a.a.O., Juris Rn. 70 ff.).
- 110
Dies setzt regelmäßig nachvollziehbaren Vortrag voraus, inwieweit die Erfüllung der pflichtigen Aufgaben noch gesichert ist und in welchem Umfang Finanzmittel für freiwillige Aufgaben erforderlich sind sowie in welcher Weise sich die Kommune insoweit durch die jeweilige Finanzausstattung beengt sieht
(vgl. VerfGH Thüringen, 18. Januar 2014 - VerfGH 22/13 -, a.a.O., Juris Rn. 70 ff.; LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Januar 2015, - LVG 77/10 -, a.a.O., Juris Rn. 46 ff.).
- 111
Welche weiteren Anforderungen zu stellen sind, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Erforderlich kann etwa eine Darlegung zur Prüfung der Erschließung neuer Einnahmemöglichkeiten (etwa im Gebührenhaushalt) beziehungsweise von Einsparpotentialen oder zu eventuellen Mehreinnahmen aufgrund des angegriffenen Gesetzes sein
(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01-, a.a.O., Juris Rn. 23 ff.; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013, - VfBbg 68/11 -, a.a.O., Juris Rn. 44 f.).
- 112
Dabei ist zwischen Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und – wie hier – von Kreisen zu differenzieren. Insbesondere Kreise können sich nicht auf die Darstellung der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben beschränken, sondern müssen umfassend zu den pflichtigen Aufgaben vortragen. Denn anders als bei den Gemeinden sind Kreise nur dahingehend geschützt, dass überhaupt ein Mindestbestand an kreiskommunalen Aufgaben des eigenen Wirkungskreises verbleibt; sie sind anders als die Gemeinden nicht allzuständig im örtlichen Wirkungskreis
(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007- 2 BvR 2215/01 -, a.a.O., Juris Rn. 25 ff.).
- 113
Mit diesen Vorgaben setzt sich das Gericht im Übrigen nicht in Widerspruch zu den Landesverfassungsgerichten, die die Beschwerdebefugnis bereits dann für gegeben halten, wenn abstrakt Ausstattungs- und Verteilungsmängel substantiiert dargelegt werden. Denn hierbei handelt es sich um die Landesverfassungsgerichte, die ihren jeweiligen Landesverfassungen keine im Verhältnis zum Symmetriegebot eigenständige Gewährleistung der Mindestausstattung entnehmen
(vgl. insbesondere VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 40).
- 114
Es erschiene in der Tat widersprüchlich, unter dieser Prämisse im Rahmen der Zulässigkeit von Beschwerdeführern zu verlangen, eine konkrete Unterschreitung einer Mindestausstattung darzustellen. Eine vergleichbare Sachlage liegt für den schleswig-holsteinischen Verfassungsraum jedoch nicht vor.
- 115
Gegen die obigen Ausführungen spricht zuletzt nicht die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 LVerfGG. Dabei kann dahinstehen, ob die vorgenannte Frist im Zusammenspiel mit den Anforderungen an die Darlegungslast dazu führen kann, dass gegen Änderungen des Finanzausgleichsgesetzes, welche in Zeiten einer gut dotierten Finanzausgleichsmasse vorgenommen werden, faktisch kein Rechtsschutz nach §§ 47 f. LVerfGG bestehen könnte. Denn in keinem Fall stünde es dem Landesverfassungsgericht zu, allein wegen der Existenz der gesetzlich normierten Jahresfrist des § 47 Abs. 2 LVerfGG die ebenfalls gesetzlich normierten Anforderungen zur Beschwerdebefugnis und deren Darlegung wertungsmäßig zu korrigieren und hierdurch im praktischen Ergebnis die Unterscheidung zwischen abstrakter Normenkontrolle und kommunaler Verfassungsbeschwerde zu nivellieren. Zudem unterfällt das Finanzausgleichsgesetz naturgemäß regelmäßigen Änderungen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 FAG 2014), so dass auch insoweit die Gefahr einer Rechtsschutzlücke gering erscheint.
- 116
(b) Gemessen daran reicht der vorliegende Vortrag der Beschwerdeführer zur Begründung der Beschwerdebefugnis bezogen auf Art. 54 Abs. 1 und 2 LV nicht aus. Es fehlen tragfähige Ausführungen zu der Frage, um welchen konkreten Betrag sich ihre Haushaltslage in Folge der angegriffenen Reform verändert hat (<aa>) und inwieweit sie hierdurch konkret in der Erfüllung welcher freiwilligen beziehungsweise pflichtigen Aufgaben beeinträchtigt werden (<bb>). Dies gilt auch im Hinblick auf den Umstand, dass es sich vorliegend um eine Erstentscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts über den schleswig-holsteinischen kommunalen Finanzausgleich handelt (<cc>).
- 117
(aa) Für keinen der Beschwerdeführer ist hinreichend dargelegt, dass sich die jeweilige Haushaltslage gerade in Folge der angegriffenen Gesetzesreform nachteilig verändert hat. Vielmehr sind die Schlüsselzuweisungen nach Inkrafttreten der Reform im Jahr 2015 in absoluten Beträgen höher ausgefallen als im Vorjahr.
- 118
Für Nordfriesland wird zwar eine sich erheblich verschlechternde Haushaltslage für 2015 vorgetragen (strukturelles Ergebnis 2014: - 1.424; strukturelles Ergebnis 2015: - 5.093). Aus den Haushaltsdaten im Einzelnen (Anlage 10 A) folgt jedoch, dass dies nicht Folge einer reformbedingt reduzierten Schlüsselzuweisung ist. Im Gegenteil ist die Schlüsselzuweisung von 22.213.000 Euro im Jahr 2014 auf 25.471.000 Euro im Jahr 2015 angestiegen. Ursache des verschlechterten strukturellen Ergebnisses sind ansteigende Ausgaben im Jahr 2015 (264.433.000 Euro im Jahr 2014; 273.925.000 Euro im Jahr 2015 = + 3,58 %). Bei dieser Sachlage steigender Einnahmen und noch stärker steigender Ausgaben wäre es in besonderem Maße angezeigt gewesen, darzustellen, ob tatsächlich alle verfügbaren Einsparpotentiale ausgeschöpft worden sind. Hierzu fehlt schlüssiger Vortrag. Soweit diesbezüglich auf steigende Kosten im Bereich Soziales und Jugend verwiesen wird, genügt dies jedenfalls in der vorliegenden Form nicht. Nach der vom Beschwerdeführer zu 1. vorgelegten Übersicht beträgt der Anstieg in diesem Bereich von 2014 auf 2015 rund 6.700.000 Euro und erklärt damit die vorliegende Ausgabensteigerung nur zum Teil. Zudem ergeben sich aus den für alle Beschwerdeführer vorgetragenen, sehr heterogenen Daten zu diesem Kostenbereich weitere Fragestellungen in Bezug auf Erforderlichkeit und Einsparpotentiale. Jedenfalls sind die Schwankungen in den Kostensteigerungen in diesem Bereich zwischen 8,4 % (Ostholstein) und 24 % (Nordfriesland) nicht selbsterklärend und werden nicht weiter erläutert.
- 119
Gleiches gilt für Ostholstein. Hier ist ein Anstieg der Schlüsselzuweisung für 2015 zu verzeichnen (36.065.000 Euro im Jahr 2014; 40.413.000 Euro im Jahr 2015). Dieser Anstieg wird allerdings durch überproportionale Steigerungen der Ausgaben überdeckt (236.388.000 Euro im Jahr 2014; 254.946.00 Euro in 2015 = + 7,85 %). Weshalb dennoch eine durch die Reform des Finanzausgleichsgesetzes bedingte konkrete eigene Gefährdung der kommunalen Aufgabenerfüllung vorliegen soll, wird ebenso wenig hinreichend dargelegt. Auch hier vermag der Verweis auf steigende Kosten im Bereich Soziales und Jugend jedenfalls nicht ohne weiteres zu genügen. Nach der vom Beschwerdeführer zu 2. vorgelegten Übersicht beträgt der Anstieg in diesem Bereich von 2014 auf 2015 rund 6.900.000 Euro und erklärt damit die vorgetragene Ausgabensteigerung nur zum Teil.
- 120
Dasselbe gilt für den Kreis Schleswig-Flensburg. Hier ergibt sich ein Anstieg der Schlüsselzuweisung für 2015 (38.647.000 Euro im Jahr 2014; 43.773.000 Euro in 2015) bei gleichzeitigem weitergehenden Anstieg der Ausgaben (305.983.000 Euro im Jahr 2014 zu 322.175.000 Euro im Jahr 2015 = + 5,29 %). Weshalb dennoch eine durch die Reform des Finanzausgleichsgesetzes bedingte konkrete Gefährdung der kommunalen Aufgabenerfüllung vorliegen soll, wird ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Hier vermag der Verweis auf steigende Kosten im Bereich Soziales und Jugend ebenfalls nicht ohne weiteres zu genügen. Nach der vom Beschwerdeführer zu 3. vorgelegten Übersicht beträgt der Anstieg in diesem Bereich von 2014 auf 2015 rund 9.000.000 Euro und erklärt damit die vorgetragene Ausgabensteigerung ebenfalls nur zum Teil.
- 121
(bb) Des Weiteren hat keiner der Beschwerdeführer hinreichend substantiiert dargelegt, inwieweit er durch die vorgetragenen Verschlechterungen in der angemessenen Erfüllung welcher konkreten pflichtigen und freiwilligen Aufgaben gefährdet sein soll. Erforderlich ist hierzu, dass der jeweilige Beschwerdeführer darlegt, reformbedingt nunmehr erstmals in der konkreten Aufgabenerfüllung
– näher benannter Aufgaben – konkret eingeschränkt zu sein. Alternativ könnte er darlegen, dass seine Fähigkeit zur Aufgabenerfüllung – im Einzelnen bezeichneter Aufgaben – bereits in der Vergangenheit gravierend eingeschränkt war und diese Einschränkung durch die Mehreinnahmen in keinem Fall behoben wurde. Zu beidem fehlt vorliegend für alle Beschwerdeführer nachvollziehbarer Vortrag. Die bloße Behauptung, die Aufwendungen für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben seien bereits seit längerem jeweils unter fünf Prozent der Ausgaben des Verwaltungshaushalts gesunken, eignet sich alleine nicht. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 – 2 BvR 2215/01 – (BVerfGK 10, 365 ff., Juris Rn. 25) überzeugend ausgeführt:
Aber auch der vom Beschwerdeführer verwendete Anteil der Aufwendungen für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben an den bereinigten Ausgaben des Verwaltungshaushalts eignet sich nicht, um einen Spielraum bei der Aufgabenerledigung oder dessen Fehlen zu kennzeichnen. Träfe es zu, dass ein gewisser Anteil - nach Auffassung des Beschwerdeführers: fünf Prozent - der Ausgaben des Verwaltungshaushalts für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben zur Verfügung stehen muss, um eine finanzielle Mindestausstattung der Kommune annehmen zu können, dann würde sie durch rigorose Ausgabenkürzungen - etwa bei den Personal- und Betriebskosten und den zu diesen Aufwendungen geleisteten Zuschüssen an Dritte - ihren garantierten Spielraum für die Erledigung freiwilliger Aufgaben einengen statt erweitern. Mit der Senkung der Ausgaben des Verwaltungshaushaltes sinkt nämlich auch der nach einem bestimmten Anteil berechnete Betrag, den der Beschwerdeführer als für die Erledigung freiwilliger Aufgaben garantiert ansehen möchte .
- 122
(cc) Zuletzt kann dahinstehen, ob die beschriebenen Anforderungen zumindest für die hier vorliegende Erstentscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts über den kommunalen Finanzausgleich zugunsten der Beschwerdeführer abgeschwächt werden können. Hierfür könnte sprechen, dass für die Beschwerdeführer in Ermangelung vorausgegangener Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts schwer einzuschätzen ist, zu welchen Gesichtspunkten substantiiert vorzutragen ist
(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999
- VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff., Juris Rn. 77).
- 123
Im Ergebnis greift dies aber jedenfalls bezogen auf Art. 54 Abs. 1 und 2 LV nicht durch. Dass die Geltendmachung einer fehlenden Mindestausstattung im Rahmen der Beschwerdebefugnis regelmäßig gewissen Mindestanforderungen an den Vortrag unterliegt, ist gängige Rechtsprechung der Mehrheit der Landesverfassungsgerichte und Gegenstand aktueller Analysen in der Rechtswissenschaft
(vgl. etwa Henneke, Die Kommunen in der Finanzverfassung des Bundes und der Länder, 2012, S. 446 ff.; Leisner-Egensperger, DÖV, 2010, 705 ff.).
- 124
Insbesondere für einen aus Schleswig-Holstein stammenden Antrag lag zudem einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor
(BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2007 - 2 BvR 2215/01 -, a.a.O., Juris Rn. 21 ff.).
- 125
Grundlegende Ausführungen zu den angesprochenen Fragen durften daher erwartet werden. Dies gilt umso mehr, als dass die Beschwerdebefugnis hier nicht an hochgradig ausdifferenzierten Maßstäben scheitert.
- 126
bb) Bezogen auf § 4 FAG 2014 ist hinsichtlich Art. 57 Abs. 1 LV zur konkreten Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten nicht hinreichend vorgetragen (<1>). Gleiches gilt für Art. 54 Abs. 1 und 2 LV (<2>).
- 127
(1) Unter dem Gesichtspunkt der Beschwerdebefugnis und der hierauf bezogenen Substantiierungspflicht (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG) ist von den Beschwerdeführern für die horizontale Dimension des Art. 57 Abs. 1 LV zu verlangen, dass in einem ersten Schritt hinreichend nachvollziehbar zumindest die Möglichkeit einer Verletzung der Grenzen des gesetzgeberischen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraumes aufgezeigt wird. Des Weiteren bedarf es konkreten Vortrages, inwieweit sich diese jeweils dargelegte Verletzung auf den eigenen Haushalt beziehungsweise auf die eigene Aufgabenerfüllung auswirkt; eine konkrete Auswirkung muss aufgrund des Vortrages zumindest möglich erscheinen. Letzteres ergibt sich erneut aus dem Grundsatz, dass die vorliegenden Verfahren der kommunalen Verfassungsbeschwerde nicht den Regeln der abstrakten Normenkontrolle unterliegen. Hieraus folgt, dass es stets der Rückkopplung möglicher abstrakter Verfassungsverst6;ß;e an eine konkrete und eigene Betroffenheit bedarf
(vgl. VerfGH Thüringen, Urteil vom 18. März 2010 - VerfGH 52/08 -, ThürVGRspr 2011, 153 ff., Juris Rn. 41 f.; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - VfGBbg 68/11 -, LKV 2013, 554 ff., Juris Rn. 44 ff.; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. Januar 2015
- LVG 77/10 -, Juris Rn. 44 ff.).
- 128
Diesen Maßstäben wird der Vortrag der Beschwerdeführer in Bezug auf § 4 FAG 2014 nicht gerecht. Dabei kann offen gelassen werden, ob durch die Beschwerdeführer mit Blick auf § 4 FAG 2014 überhaupt hinreichend deutlich Art. 57 Abs. 1 LV in seinen horizontalen Ausprägungen als verletzt gerügt wurde. Denn selbst wenn man annimmt, dass entgegen der expliziten Benennung nur des Anspruches auf „Mindestfinanzausstattung“ als Prüfungsmaßstab (wohl) auch eine Verletzung insbesondere des interkommunalen Gleichbehandlungsgebotes und des Gebotes der Systemgerechtigkeit geltend gemacht worden sein könnte, ist die Möglichkeit einer derartigen Verletzung jedenfalls nicht den Anforderungen des § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG entsprechend dargelegt.
- 129
Soweit die Beschwerdeführer rügen, bei der Bemessung der Größe der Teilschlüsselmassen sei es zu einer Benachteiligung der Kreisebene insofern gekommen, als dass der künftige Wegfall der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung einseitig zu ihren Lasten berücksichtigt worden sei, ebenfalls absehbare Kostensteigerungen (beispielsweise durch Tarifabschlüsse) hingegen ausgeklammert worden seien, wird daraus nicht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ersichtlich. Die Darlegungen der Beschwerdeführer reichen insoweit nicht aus, um einen Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit als hinreichend möglich erscheinen zu lassen. Der Vortrag allein, bereits die Nichtberücksichtigung der Kosten der Grundsicherung an sich stelle einen „willkürlichen“ Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit dar, vermag keine hinreichende Möglichkeit einer Verletzung dieses Gebotes zu begründen. Denn für die erfolgte Nichtberücksichtigung an sich gibt es im Hinblick auf den feststehenden Wegfall dieser Kostenposition einen unmittelbar nachvollziehbaren und im Gesetzgebungsverfahren dargelegten, jedenfalls vertretbaren Grund. Der Gesetzgeber ist nicht gezwungen, bei der Verteilungsentscheidung Kostenpositionen zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Gesetzes nicht mehr existieren. Möglich erschiene ein Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit vor diesem Hintergrund allenfalls, wenn der Gesetzgeber nur bei den Kosten der Grundsicherung derart vorgegangen wäre, bei anderen und vergleichbaren künftigen Entwicklungen dies hingegen zulasten der Beschwerdeführer unterlassen hätte. Hierzu fehlt es jedoch an Vortrag, der ein derartiges Vorgehen zumindest als möglich erscheinen lassen könnte. Soweit die Beschwerdeführer beispielhaft auf die Nichtberücksichtigung der Tarifabschlüsse der vergangenen Jahre verweisen, genügt dies nicht. Denn es ist weder dargelegt noch selbsterklärend, dass die Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung von Tarifabschlüssen irgendeine signifikante Auswirkung auf das prozentuale Verhältnis der Teilschlüsselmassen des § 4 FAG 2014 zueinander haben könnte. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass die Träger der Kreisaufgaben insoweit unter einer stärkeren Kostenentwicklung zu leiden hätten als die Träger der gemeindlichen Aufgaben. Nur in diesem Fall wäre aber ein Einfluss auf die Teilschlüsselmassenbildung nach § 4 FAG 2014 überhaupt denkbar. Zudem fehlt es insoweit auch an individualisierbarem Vortrag zur Relevanz dieser angeblichen Ungleichbehandlung für die Beschwerdeführer selbst. Dass gerade die Beschwerdeführer stärker als andere Aufgabenträger unter entsprechenden Kostenentwicklungen leiden und daher vom gesetzgeberischen Vorgehen individuell betroffen sind, ist nicht vorgetragen und nicht selbsterklärend.
- 130
Soweit die Beschwerdeführer rügen, der Anteil der Teilschlüsselmasse für zentrale Orte nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FAG 2014 sei zulasten der anderen Teilschlüsselmassen zu hoch angesetzt, vermag dies ebenfalls nicht die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 57 Abs. 1 LV in seiner horizontalen Dimension zu begründen. Die Beschwerdeführer vergleichen hierzu die gutachterlich ermittelten Zuschussbedarfe für zentralörtliche Aufgaben (Tabelle
4-2 des Gutachtens des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus 2013) mit der Schätzung des Gesetzgebers der für das Jahr 2015 konkret zur Verfügung stehenden Teilschlüsselmasse für zentralörtliche Aufgaben und stellen eine angebliche Überdotierung der zentralörtlichen Aufgaben in 2015 fest. Dieser Vergleich ist schon in sich nicht schlüssig, da auf der einen Seite mit den Zahlen aus Tabelle 4-2 des Gutachtens des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung Zuschussbedarfe in Euro je Einwohner (90,32 beziehungsweise 55,83 Euro/ Einwohner 8211; und nicht, wie die Beschwerdeführer irrtümlich meinen, Zuschussbedarfe in Millionen Euro) mit einer absoluten Zahl aus der Schätzung für 2015 (202,70 Millionen Euro) auf der anderen Seite verglichen werden, was methodisch unzulässig ist. Hinzu kommt, dass der Vergleich aber auch dann keine Möglichkeit einer Rechtverletzung aufzeigen könnte, wenn er sich durchgängig auf absolute und damit überhaupt vergleichbare Zahlenwerte stützte und zudem diese Zahlen zeigten, dass die Schlüsselmasse im Jahr 2015 mit mehr Mitteln dotiert war als im Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung zugrunde gelegt. Denn dass die Teilschlüsselmasse in Zeiten höheren Steueraufkommens besser dotiert ist als in den vorherigen Zeiträumen, welche dem zitierten Gutachten zugrunde liegen (2009 bis 2011), ist logische Folge der prozentualen Anbindung der Teilschlüsselmassen an die Finanzausgleichsmasse insgesamt. Plausible Rückschlüsse auf eine willkürlich oder systemfremd zu hohe Dotierung der Teilschlüsselmasse ergeben sich hieraus nicht. Mit gleicher Argumentation ließe sich eine „Überfinanzierung“ der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben begründen – denn auch diese Teilschlüsselmasse beruht in ihrem prozentualen Gewicht im vorgenannten Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung auf ermittelten durchschnittlichen Zuschussbedarfen in Höhe von 426 Millionen Euro (vgl. Tabelle 5-4), während laut der von den Beschwerdeführern genannten Schätzung für 2015 erheblich mehr, nämlich 642,50 Millionen Euro eingeplant werden können.
- 131
Zu keiner anderen Bewertung führt der Vortrag zur angeblich unzulässigen Berücksichtigung der Zinslasten zugunsten der kreisfreien Städte und zulasten der Kreisebene. Diesbezüglich fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Darlegung, inwieweit gerade die Beschwerdeführer von diesem angeblichen Erhebungsfehler individuell betroffen sind. Konkrete Ausführungen zur Zinsbelastung der Beschwerdeführer finden sich ebenso wenig wie ansatzweise Vergleiche zur Zinsbelastung der Beschwerdeführer im Vergleich etwa zum Landesschnitt oder zur Ebene der kreisfreien Städte.
- 132
Zuletzt lassen sich auch außerhalb der vorgenannten spezifischen Ausführungen der Beschwerdeführer zu § 4 FAG 2014 keine weiteren Darlegungen finden, aus denen sich den dargestellten Anforderungen entsprechend die Möglichkeit einer Verletzung des Art. 57 Abs. 1 LV in seiner horizontalen Dimension durch § 4 FAG 2014 ergeben könnte. Deshalb kann offengelassen werden, ob es überhaupt Sache des Landesverfassungsgerichts sein kann, außerhalb des eigentlichen Vortrages zu § 4 FAG 2014 möglicherweise einschlägige weitere Argumentationsstränge aus dem übrigen Vortrag der Beschwerdeführer zusammenzutragen.
- 133
Soweit die Beschwerdeführer rügen, es habe durchgehend (und damit wohl auch für § 4 FAG 2014) an einer Erhebung der tatsächlich notwendigen Ausgaben statt der bloßen Bezugnahme auf „Ist-Ausgaben“ gefehlt, sind die Anforderungen ebenfalls nicht gewahrt. Denn jedenfalls fehlt es an Ausführungen, inwieweit gerade die Beschwerdeführer konkret und individuell durch das gerügte Abstellen auf Ist-Ausgaben statt auf „notwendige“ Ausgaben sachwidrig benachteiligt werden. Irgendwelche konkreten Divergenzen zwischen notwendigen und Ist-Ausgaben aus dem eigenen Ausgabenverhalten, zumal zulasten der Beschwerdeführer, werden nicht ansatzweise dargelegt.
- 134
Kein hinreichender Vortrag liegt weiter in der Behauptung, die dem Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung zugrunde gelegten Zahlenwerke seien wegen der Umstellung von der Kameralistik auf die Doppik untauglich. Selbst wenn derartige Umstellungsprobleme bestanden haben sollten, ist hiermit alleine nicht die hinreichende Möglichkeit einer Rechtsverletzung dargelegt. Denn in jedem Fall stand der Gesetzgeber vor der Aufgabe, einen verfassungsgemäßen Kommunalfinanzausgleich unter Verwendung der verfügbaren Datengrundlagen sicherzustellen. Dass der Gesetzgeber mit den vorhandenen – wenn auch möglicherweise nicht optimalen – Zahlenwerken arbeiten musste, legt insoweit einen rechtserheblichen Verfahrensfehler nicht nahe. Ein Verstoß gegen die sich aus Art. 57 Abs. 1 LV ergebenden Grundsätze wäre vor diesem Hintergrund nur möglich, wenn der Gesetzgeber im konkreten Umgang mit diesem gegebenenfalls bestehenden Problem möglicherweise gerade die Beschwerdeführer oder die Kreisebene als solche benachteiligte. Derartiges ist aber nicht nachvollziehbar dargelegt.
- 135
Nicht durchzugreifen vermögen schließlich die abstrakten Ausführungen der Beschwerdeführer zur angeblich fehlerhaften Abgrenzung der Gemeinde- und Kreisaufgaben bei den kreisfreien Städten. Jedenfalls fehlt es – erneut in Abgrenzung zur abstrakten Normenkontrolle – an Vortrag zur Relevanz der gerügten Erhebungsfehler für die Beschwerdeführer. Insbesondere ist nicht dargelegt, ob der angebliche Verstoß eine Mittelverschiebung zulasten der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben – und damit zumindest mittelbar nachteilig für die Beschwerdeführer – bewirkt haben soll. Vielmehr ergibt sich aus den „Schlüssigkeitserwägungen“ der Beschwerdeführer selbst, dass durch die angeblichen Erhebungsfehler sogar eine Überdotierung der Teilmasse für Kreisaufgaben erfolgt sein könnte, die sich nach den dortigen Erwägungen dann zugunsten der Beschwerdeführer auswirken würde. Denn wenn – wie von den Beschwerdeführern dargelegt – die Kreisaufgaben bei den kreisfreien Städten um den Faktor 1,8 überbewertet worden sein sollten, so würde sich dies zugunsten der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben und damit zugunsten der Beschwerdeführer auswirken.
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(2) Soweit eine Verletzung des Anspruchs auf Mindestausstattung aus Art. 54 Abs. 1 und 2 LV durch § 4 FAG 2014 geltend gemacht wird, greift dies nicht durch. Es fehlt insoweit an substantiiertem Vortrag der Beschwerdeführer. Auf die obigen Ausführungen zur Selbstbetroffenheit durch die Bestimmung des § 3 FAG 2014 wird Bezug genommen (siehe oben aa) (3), Rn. 105 ff.).
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cc) Zu bejahen ist hingegen die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführer hinsichtlich § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014. Die Beschwerdeführer legen den Anforderungen entsprechend hinreichend substantiiert dar, dass für den ländlichen und den städtischen Raum trotz struktureller Unvergleichlichkeit einheitliche Hebesätze gebildet werden, und beanstanden nachvollziehbar, dass bei der Bildung dieser einheitlichen Hebesätze die Daten der kreisfreien Städte zulasten der Kreise ausgeblendet würden. Für jeden Beschwerdeführer wird dabei konkret nachvollziehbar dargelegt, welche Abweichungen sich für die Beschwerdeführer bei der von ihnen begehrten Berechnung ergäben. Auf die auf Seite 94 der Beschwerdeschrift enthaltene Tabelle sowie auf Anlage 6 C des Beschwerdeschriftsatzes wird verwiesen. Sie rügen dabei ausdrücklich eine Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgebotes.
- 138
dd) Hinsichtlich § 9 Abs. 1 und 4 FAG 2014 kann sinngemäß auf die Ausführungen zu § 7 FAG 2014 verwiesen werden. Die Beschwerdeführer beanstanden im Hinblick auf § 9 Abs. 1 FAG hinreichend nachvollziehbar das Fehlen eines Flächenparameters sowie im Hinblick auf § 9 Abs. 1 und 4 FAG 2014 die Einstellung der Soziallastenmesszahl zu ihren Lasten im Rahmen der Berechnung der Höhe der Schlüsselzuweisungen für Kreise und kreisfreie Städte. Für jeden Beschwerdeführer wird konkret nachvollziehbar dargelegt, welche Abweichungen sich für ihn bei der begehrten Berechnung ergäben. Auf die auf Seite 83 der Beschwerdeschrift enthaltene Tabelle sowie auf Anlage 5 hierzu wird verwiesen. Im Rahmen ihrer Ausführungen zu § 9 FAG 2014 beziehen sich die Beschwerdeführer insoweit ausdrücklich auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes. Vortrag, der gegen § 9 Abs. 2 und 3 FAG 2014 gerichtet wäre, liegt hingegen nicht vor.
- 139
ee) Bezogen auf § 10 FAG 2014 ist weder für Art. 57 Abs. 1 LV (<1>) noch für Art. 54 Abs. 1 und 2 LV die konkrete Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten hinreichend vorgetragen (<2>).
- 140
(1) Zwar ist eine Verletzung von Art. 57 Abs. 1 LV in seiner horizontalen Dimension durch § 10 FAG 2014 nicht von vornherein ausgeschlossen. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass dieser Einwand bezogen auf § 10 FAG 2014 überhaupt erhoben worden ist. Die Ausführungen der Beschwerdeführer beziehen sich durchgehend lediglich auf die Höhe der Teilschlüsselmasse für zentralörtliche Aufgaben insgesamt. Diese Frage ist in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FAG 2014 verortet und betrifft nur diese Bestimmung. In § 10 FAG 2014 ist hingegen die Binnenverteilung innerhalb der als zentralörtlich eingestuften Gemeinden geregelt. Vortrag, der einen Verstoß dieser Bestimmung gegen Art. 57 Abs. 1 LV zum Gegenstand hat, liegt nicht vor.
- 141
(2) Hinsichtlich Art. 54 Abs.1 und 2 LV ist auf die obigen Ausführungen zu § 3 FAG zu verweisen (siehe oben aa) (3), Rn. 105 ff.).
- 142
2. Soweit die kommunale Verfassungsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Beschwerdebefugnis zulässig ist, steht ihr nicht der, im schleswig-holsteinischen Verfassungsprozessrecht ohnehin allenfalls eingeschränkt geltende
(Urteil vom 3. September 2012 - 1/12 -, Rn. 29, LVerfGE 23, 361 ff. = SchlHA 2012, 431 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 31; Beschluss vom 17. Juni 2016 - LVerfG 3/15 u.a. -, NordÖR 2016, 294 ff. = ZNER 2016, 354 ff. = NVwZ-RR 2016, 801 ff., Juris Rn. 21 m.w.N.),
Subsidiaritätsgrundsatz entgegen. Ob insoweit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts Brandenburg zu folgen ist, wonach kommunale Verfassungsbeschwerden unzulässig sein sollen, wenn die Beschwerdeführer nicht zuvor versucht hätten, ihre angeblich unzulängliche Finanzausstattung durch Zahlungen aus dem hierfür vorgesehenen Ausgleichsfonds zu verbessern
(vgl. VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2013
- VfGBbg 68/11 -, LKV 2013, 554 ff., Juris Rn. 46),
bedarf keiner Entscheidung. Dieser Ansatz könnte allenfalls auf Art. 54 Abs. 1 und 2 LV gestützten Verfassungsbeschwerden entgegenstehen, jedenfalls aber nicht den hier allein zulässigen Rügen einer Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgebotes.
- 143
3. Bedenken hinsichtlich des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses bestehen nicht. Soweit der niedersächsische Staatsgerichtshof erwogen hat, Beschwerden dann wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses zurückzuweisen, wenn in den streitgegenständlichen Jahren jedenfalls im Ergebnis durch das Verfahren keine Verbesserung mehr eintreten kann, weil die zugrunde liegenden Zuweisungsfestsetzungsbescheide bereits bestandskr28;ftig wurden
(vgl. StGH Niedersachen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 2/05 -, NdsMBl 2008, 488 ff., Juris Rn. 49),
wird dem nicht gefolgt. Denn praktisch dürften dann Beschwerdeführer in keinem Fall – und zwar auch nicht im Falle des Obsiegens – eine Änderung der bereits ergangenen Festsetzungsbescheide erreichen können. Bisher hat – soweit ersichtlich – noch kein Landesverfassungsgericht ein Gesetz über den kommunalen Finanzausgleich ex tunc aufgehoben, sondern stets die Fortgeltung binnen einer Mehrjahresfrist, verbunden mit der Aufforderung zur Nachbesserung, ausgesprochen, und zwar gerade um die landesweite Rückabwicklung aller bereits ergangenen Festsetzungsbescheide zu vermeiden. Folgte man vor diesem Hintergrund dem Ansatz des niedersächsischen Staatsgerichtshofs, forderte man mithin von den Beschwerdeführern die Einlegung eines Rechtsbehelfes, der entgegen dem eigenen Obersatz absehbar nie sein „konkretes praktisches Ziel“, nämlich die rückwirkende Neufestsetzung der begehrten Zuweisung, erreichen kann.
- 144
Zuletzt lässt der Umstand zwischenzeitlicher (Teil-)Änderungen des streitgegenständlichen Finanzausgleichsgesetzes das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen. Die allein zulässigerweise angegriffenen § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2, und § 9 FAG 2014 sind von den genannten Gesetzesänderungen nicht betroffen.
II.
- 145
Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise begründet. Zwar bestehen keine Bedenken gegen die formelle Verfassungsmäßigkeit des verfahrensgegenständlichen Finanzausgleichsgesetzes (1.). Die zulässigerweise angegriffenen Vorschriften der § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie § 9 Abs. 1 FAG 2014 – nicht § 9 Abs. 4 FAG – verletzten die Beschwerdeführer in ihren Rechten aus Art. 57 Abs. 1 LV (2.). Ob daneben ihre Rechte aus Art. 54 Abs. 1 und 2 LV verletzt sind, kann dahinstehen (3.).
- 146
1. Bedenken hinsichtlich der formellen Verfassungsmäßigkeit des angegriffenen Gesetzes bestehen nicht. Verfahrensfehler im Gesetzgebungsprozess sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
- 147
Dies gilt auch für die Beteiligung der kommunalen Ebene im Gesetzgebungsverfahren. Andere Verfassungsgerichte haben den jeweils einschlägigen Landesverfassungen zwar formelle Beteiligungsrechte entnommen
(StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 90 ff.; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris Rn. 213; a.A.: LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11. Mai 2006 - LVerfG 1/05 -, LVerfGE 17, 297 ff., Juris Rn. 126; StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 02/05 -, NdsMBl 2008, ff., Juris Rn. 70; offen gelassen: StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn.173).
- 148
Für eine entsprechende Auslegung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein bestehen allerdings keine Anhaltspunkte. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Verfassungsreform vom 2. Dezember 2014 (GVOBl 344), in deren Rahmen keine Beteiligungsrechte aufgenommen wurden. Ferner ist zumindest fraglich, ob das Argument der vorgenannten Verfassungsgerichtshöfe, es sei unmöglich, auf anderem Wege einen Schutz der finanziellen Ausstattungsansprüche zu gewährleisten, (noch) greift. Denn in einer ganzen Reihe von Bundesländern (insb. Hessen, Niedersachsen, Thüringen) wurden mittlerweile von den jeweiligen Verfassungsgerichten praktikable Vorgaben für die gesetzgeberische Entscheidungsfindung und die Sachverhaltsermittlung eingefordert und in der Folge hierzu Modelle der Umsetzung entwickelt. Die Einführung der in § 29 FAG 2014 vorgesehenen, umfassenden kommunalen Beteiligungsrechte („Beirat für den kommunalen Finanzausgleich“) stellt sich vor diesem Hintergrund als autonome gesetzgeberische Entscheidung dar; von Verfassungs wegen erforderlich sind derartige Beteiligungsrechte nicht.
- 149
2. Die angegriffenen Vorschriften über die der Ermittlung der Steuerkraftzahlen zugrunde liegenden fiktiven Hebesätze in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 (a) sowie über die Berechnung der Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte in § 9 FAG 2014 (b) verletzen die Beschwerdeführer in ihren aus Art. 57 Abs. 1 LV fließenden Rechten.
- 150
a) Die in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 enthaltenen Regelungen zur Ermittlung der den Steuerkraftzahlen zugrunde liegenden fiktiven Hebesätze verletzen die Beschwerdeführer in ihren aus Art. 57 Abs. 1 LV herrührenden Rechten, insbesondere in dem hierin integrierten Gebot der Systemgerechtigkeit.
- 151
aa) Keine Verletzung des Gebotes der Systemgerechtigkeit oder des interkommunalen Gleichbehandlungsgebotes vermag das Gericht dabei allerdings in der Verwendung undifferenzierter fiktiver Hebesätze an sich zu erblicken. Maßgeblich ist dabei erneut nicht, ob der Normgesetzgeber die bestmögliche oder gerechteste Lösung gewählt hat. Vor dem Hintergrund des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes prüft das Gericht nur, ob der vorliegende Verzicht auf die Bildung von typisierenden Untergruppen nachvollziehbar und vertretbar ist.
- 152
Die Verwendung fiktiver Hebesätze ist dabei für sich betrachtet vertretbar. Das Land darf verhindern, dass sich eine Gemeinde durch besonders niedrige Hebesätze selbst „bedürftig macht“, um entweder Leistungen aus Landesmitteln zu erhalten oder einer Umlage zu entgehen
(Urteil vom 3. September 2012 - 1/12 - Rn. 40, LVerfGE 23, 361 ff., Rn. 28 = SchlHA 2012, 431 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 30; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 1968 - 2 BvL 2/61 -, BVerfGE 23, 353 ff., Juris Rn. 47 ff.; BVerwG, Urteil vom 25. März 1998 - 8 C 11.97 -, BVerwGE 106, 280 ff., Juris Rn. 26; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Juli 1998 - VerfGH 16/96 u.a. -, NWVBl 1998, 390 ff., Juris Rn. 109; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Juni 2006 - LVG 7/05 -, LVerfGE 17, 410 ff., Juris Rn. 134; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 118 ff.; VerfG Brandenburg, Urteil vom 6. August 2013 - VfGBbg 53/11 -, DVBl 2013, 1180 ff., Juris Rn. 86 f.; Leisner-Egensperger, DÖV 2010, 705 <711>; Droege, NWVBl 2013, 41 <42>).
- 153
Es besteht dabei auch keine verfassungsrechtlich unterlegte Pflicht des Gesetzgebers, bei der Ausbildung der fiktiven Sätze nach weiteren Kriterien (etwa Lage oder Größe der Kommunen) zu differenzieren. Ausgangspunkt der verfassungsgerichtlichen Kontrolle ist dabei erneut ein gesetzgeberischer Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung des Kommunalfinanzausgleichs. Das Gericht prüft vor diesem Hintergrund lediglich, ob der Gesetzgeber mit dem Verzicht auf ausdifferenzierte Hebesätze seinen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum verlassen hat. Dies ist nicht der Fall.
- 154
Die gesetzgeberische Entscheidung, unter Verweis auf das Fehlen einer wissenschaftlich unumstrittenen Methode von einer Staffelung abzusehen, stellt sich jedenfalls nicht als unvertretbar dar. Tatsächlich ist es der Finanzwissenschaft bis heute nicht gelungen, eine allseits akzeptierte und hinreichend handhabbare, das heißt nicht übermäßig komplexe Methode eventueller Staffelungen von anzusetzenden Hebesätzen zu entwickeln. Insbesondere die Tauglichkeit der etwa denkbaren Parameter „Gemeindegröße“ oder „Industrialisierungsgrad“ zur realitätsnäheren Abbildung der Anspannungspotenziale der Hebesätze wird uneinheitlich bewertet. Auch eine mögliche Differenzierung nach Kernstädten, Umlandbereichen und ländlichem Raum findet keine uneingeschränkte Zustimmung
(vgl. VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Juli 1998 - VerfGH 16/96 u.a. -, a.a.O., Juris Rn. 116; Droege, NWVBl 2013, 41 <43>).
- 155
Selbst die Verfechter der Vorzugswürdigkeit gestaffelter Hebesätze gehen vor diesem Hintergrund davon aus, dass – aus ihrer Sicht – Staffelungen zwar vorzugswürdiger seien, dass der Gesetzgeber insoweit aber von Verfassungs wegen dazu nicht zwingend angehalten sei
(vgl. Droege, NWVBl 2013, 41 <43>, a.A.: Henneke, in: Henneke/ Pünder/ Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 25 Rn. 39).
- 156
bb) Als jedenfalls anhand der Gesetzesbegründung nicht nachvollziehbar und damit willkürlich stellt sich hingegen die in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 festgeschriebene Ermittlung der jeweiligen durchschnittlichen Hebesätze allein auf der Grundlage der tatsächlichen Hebesätze des kreisangehörigen Bereiches dar, während die tatsächlichen Hebesätze des kreisfreien Raumes nach der Regelung vollständig unberücksichtigt bleiben sollen.
- 157
Entscheidungsmaßstab ist das Willkürverbot, hier insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit. Aus diesem folgt, dass der Verfassung zwar keine konkrete Herangehensweise zu entnehmen ist, der der Gesetzgeber zu folgen hätte, dass der Gesetzgeber aber von dem selbst gewählten System
– hier der Hebesatzberechnung als landesweitem Durchschnittswert – nicht ohne nachvollziehbaren Grund abweichen darf.
- 158
Für die konkrete Hebesatzbildung sind jedoch keine gesetzgeberischen Erwägungen erkennbar, die die Ausklammerung der Daten der kreisfreien Städte aus der ansonsten durchgehenden Hebesatzberechnung auf Basis aller Gemeinden des Landes als zumindest vertretbar erscheinen lassen könnte. Weshalb hier bei der Definition eines im Übrigen landeseinheitlichen Durchschnitts die Daten der kreisfreien Städte vollständig ausgeblendet werden, erschließt sich nicht aus dem Gesetz selbst und ist auch weder in der Gesetzesbegründung noch in den veröffentlichten Materialien oder im Verfahren näher begründet. Die Herangehensweise steht dabei auch in einem nicht nachvollziehbarem Gegensatz zu der gesetzgeberischen Grundentscheidung für das sogenannte Zwei-Säulen-Modell, welches eine Differenzierung nach Art der Körperschaft (hier: zwischen kreisangehörigen Gemeinden und kreisfreien Städten) gerade nicht vorsieht.
- 159
Auch im Vergleich mit der Rechtslage in anderen Bundesländern erscheint die gewählte Regelung begründungsbedürftig. In den Parallelregelungen der Länder mit fiktivem Hebesatz und vergleichbarer Regelungstechnik basiert die Durchschnittsberechnung auf den Daten aller Kommunen, das heißt auch der kreisfreien Städte
(vgl. etwa: § 9 Abs. 4 Brandenburgisches Finanzausgleichsgesetz vom 29. Juni 2004 <GVBl I Nr. 12, S. 262>, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. März 2016 <GVBl I Nr. 10 S. 1>; § 8 Sächsisches Finanzausgleichsgesetz vom 21. Januar 2013 <GVBl S. 95>, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2016 <GVBl S. 639>).
Zugunsten der schleswig-holsteinischen Regelung kann nicht angenommen werden, dass es sich um den Fall einer Typisierung oder Pauschalisierung handeln könnte, die für sich gesehen noch zu tolerieren sein könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass die im selbstgewählten System an sich folgerichtige Einbeziehung auch der Werte der kreisfreien Städte einen irgendwie gearteten Mehraufwand bedeutet hätte, der das Abweichen von dem ansonsten konsequent angewandten System der Hebesatzberechnung rechtfertigen könnte. Soweit daneben weitere, möglicherweise vertretbare Gründe für die getroffene Regelung vorliegen sollten, sind diese jedenfalls bis nicht transparent gemacht worden.
- 160
Vor dem Hintergrund der damit ohnehin erforderlichen Neufassung der Bestimmungen zur Ermittlung der Hebesätze des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 kann dahinstehen, ob sich die – ebenfalls von den Beschwerdeführern angegriffene – Gewichtung des gewogenen Durchschnitts der Hebesätze mit dem Faktor 92 % als willkürlich darstellt. Dahingestellt bleiben kann insoweit insbesondere, ob die in der Gesetzesbegründung hierzu dokumentierte Überlegung ausreicht. Dort ist als Grund für die Erhöhung des Faktors von vormals 90 % auf 92 % angegeben, dass derart ein Gleichlauf der in den zugrunde liegenden Gutachten in die Berechnungen eingestellten Beträge mit den letztlich nach Berücksichtigung aller Reformergebnisse einzustellenden Beträgen (Vergleichsjahr 2014) hergestellt würde. Ohne die Korrektur würde das Umlagevolumen im Vergleichsjahr 2014 um 12,6 Millionen Euro geringer ausfallen, als im Gutachtenergebnis zugrunde gelegt.
- 161
c) Eine Verletzung von Art. 57 Abs. 1 LV durch § 9 FAG 2014 vermag das Gericht nur im Hinblick auf fehlende Erwägungen zur Einführung eines Parameters zur Erfassung rauminduzierter Bedarfe zu erblicken (bb). Im Übrigen sind keine Verletzungen von Art. 57 Abs. 1 LV festzustellen (aa).
- 162
aa) Die sich aus Art. 57 Abs. 1 LV ergebenden Anforderungen werden durch die Einführung des in § 9 FAG 2014 enthaltenen Soziallastenparameters nicht verletzt.
- 163
(1) Durchgreifende Einwände gegen die Einführung eines Parameters für Soziallasten an sich bestehen nicht. Die Etablierung eines derartigen Parameters stellt sich jedenfalls als vertretbar dar. Der Gesetzgeber hat sich eingehend mit den Vor- und Nachteilen eines derartigen Parameters auseinandergesetzt. Auf die ausführlichen Ausführungen in dem Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus Juli 2013 wird Bezug genommen
(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 59 ff.).
- 164
Gründe, die dort dokumentierten Erwägungen als willkürlich oder nicht mehr vertretbar einzustufen, liegen nicht vor. Im Übrigen wird in der Rechtsprechung anderer Landesverfassungsgerichte – dort ebenfalls vor dem Hintergrund entsprechender Gutachten – eine derartige Regelung für grundsätzlich zulässig erachtet
(vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012
- VGH N 3/11 -, AS RP-SL 41, 29 ff., Juris Rn. 79 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 24/13 -, Gemeindehaushalt 2016, 163 ff., Juris Rn. 66 ff.).
- 165
(2) Keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Vorbehalte bestehen des Weiteren hinsichtlich der Gewichtung dieses zulässigerweise neu eingeführten Parameters. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht festzustellen, dass der Gesetzgeber insoweit seinen Gestaltungsspielraum überschritten hätte. Gegenstand verfassungsgerichtlicher Kontrolle ist des Weiteren die Frage, welches Gewicht diesem Parameter bei der Verteilungsentscheidung zukommt, wobei dies zumindest willkürfrei und vertretbar gelöst werden muss
(vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012
- VGH N 3/111 -, a.a.O., Juris Rn. 79 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 24/13 -, a.a.O., Juris Rn. 69 ff.).
- 166
Dies ist hier geschehen, und zwar sowohl bezogen auf die absolute Höhe des die Soziallasten maßgeblich determinierenden Vervielfältigungsfaktors als auch bezogen auf das Gewicht der sich hieraus in Verbindung mit der Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften ergebenden Soziallastenmesszahl im Gesamtsystem.
- 167
Die absolute Höhe des die Soziallasten wiedergebenden Vervielfältigungsfaktors von 3.411 Euro ist nicht willkürlich gegriffen, sondern beruht nachvollziehbar auf der Zusammenschau der im ganzen Land Schleswig-Holstein anfallenden Zuschussbedarfe für soziale Lasten im Bemessungszeitraum, welche nach dem in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Erstgutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung 56,7 % der Zuschussbedarfe insgesamt ausmachten, und der ministeriell erhobenen Anzahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften von Empfängern von Grundsicherung für Arbeitsuchende.
- 168
Auch das relative Gewicht der Soziallastenmesszahl im Gesamtsystem des § 9 FAG 2014 erweist sich jedenfalls als nicht willkürlich. Dabei ist vorab festzustellen, dass sich bereits aus der gesetzlichen Konzeption ergibt, dass der Soziallastenmesszahl keine über die Jahre statische, etwa feste prozentuale Gewichtung zukommen soll. Insbesondere wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens offenkundig die zunächst erwogene Bildung von prozentual festgeschriebenen Teilmassen für Soziallasten einerseits und sonstige Ausgaben andererseits aufgegeben. Stattdessen wurde ein Modell gewählt, in dem die Gewichtung des Soziallastenfaktors im Verhältnis zu den anderen Parametern schwankt. Zur Veranschaulichung dieser Modellbildung sei auf die im Folgenden nochmals wiedergegebene Formel verwiesen:
Schlüsselzuweisung =
[(Einwohnerzahl x Grundbetrag) = Ausgangsmesszahl –
(Umlagekraftmesszahl – <Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften nach SGB II x 3.411 Euro> = Soziallastenmesszahl)] x 0,85
- 169
Setzt man in diese bei gleichbleibender Zahl an Personen in Bedarfsgemeinschaften etwa eine hohe Teilschlüsselmasse – und damit im Ergebnis auch einen hohen Grundbetrag – ein, ergibt sich eine im Verhältnis zur (betragsmäßig festgeschriebenen) Soziallastenmesszahl hohe Ausgangsmesszahl. Setzt man hingegen eine geringe Teilschlüsselmasse – und damit einen niedrigen Grundbetrag – an, schwindet die Bedeutung der Ausgangsmesszahl im Verhältnis zur (gleichbleibenden) Soziallastenmesszahl. Entsprechend schwankt das faktische Gewicht der Soziallastenmesszahl gegenüber dem Gewicht der Ausgangsmesszahl jährlich in Abhängigkeit von der Größe der anderen Parameter. Ist zum Beispiel die Teilschlüsselmasse – etwa rezessionsbedingt – schlecht dotiert, kommt der Soziallastenmesszahl ein größeres Gewicht zu; ist die Teilschlüsselmasse gut dotiert, schwindet das Gewicht der Soziallastenmesszahl.
- 170
Diese Ausgestaltung ist vertretbar. Ihr liegt die nicht zu beanstandende Einschätzung des Gesetzgebers zugrunde, dass es sich beim Vervielfältigungsfaktor um eine empirisch verhältnismäßig statische und wenig wandlungsanfällige Größe handelt, die entsprechend absolut festgeschrieben werden kann. Diese Einschätzung wird auch vom eingeholten Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung gestützt, in dem die Gutachter nachvollziehbar darlegen, dass sich die soziallastenbedingten Kosten ganz überwiegend unmittelbar aus den gesetzlichen Vorgaben erklären und entsprechend stabil sind
(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 61, 3. und 4. Absatz).
- 171
Allerdings birgt der gebildete Mechanismus das Potential, dass in Zeiten steuereinnahmebedingt schlechter Ausstattung der Teilschlüsselmasse f252;r Kreisaufgaben die Gewichtung des Soziallastenparameters über Gebühr steigt und es dann zu einer Sicherstellung der Deckung soziallastenbedingter Kosten auf Kosten der anderen, ebenfalls pflichtigen Aufgaben, kommt. Infolge der Regelungssystematik würden dann nämlich die Soziallasten weiterhin in vollem Umfang berücksichtigt, während die übrigen kommunalen Angelegenheiten vergleichsweise unterfinanziert blieben. Im Ergebnis würden so erheblich mehr als die gutachterlich festgelegten 56,7 % der Teilschlüsselmasse über den Soziallastenfaktor verteilt. Wie ein derartiger Zustand im Hinblick auf das Konnexitätsprinzip (Art. 57 Abs. 2 LV) zu beurteilen wäre, kann jedoch für dieses Verfahren dahinstehen. Denn jedenfalls in den Finanzausgleichsjahren 2015 und 2016 wurden wegen einer Dotierung der Finanzausgleichsmasse, die im Vergleich zur der dem Gesetzentwurf zugrunde liegenden Prognose überdurchschnittlich ausgestattet war, wesentlich weniger als 56,7 % der Teilschlüsselmasse über den Soziallastenfaktor verteilt. Insoweit besteht aber eine besondere Beobachtungspflicht des Gesetzgebers.
- 172
Aus diesen Ausführungen folgt zugleich, dass der Vorwurf der Beschwerdeführer wie des Landkreistages, die Schlüsselzuweisungen an die Körperschaften mit vielen Personen in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II fielen überproportional hoch aus, während – wegen der Begrenztheit der insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel (§§ 3, 4 Abs. 1 Nr. 2 FAG 2014) – die Schlüsselzuweisungen an die andere Gruppe unangemessen niedrig ausfielen, nicht zutrifft. Wie aufgezeigt ist in Folge der gewählten Ausgestaltung derzeit sogar das Gegenteil der Fall: Wegen der gegenwärtigen Dotierung der Teilschlüsselmasse mit höheren Beträgen als im Gesetzgebungsverfahren zugrunde gelegt, werden relativ mehr Mittel über die Ausgangsmesszahl – und nicht über die Soziallastenmesszahl – verteilt, als dies einer Verteilung mit zwei Sonderansätzen mit einer festgeschriebenen Gewichtung von 56,7 beziehungsweise 43,3 % entspräche. Richtig ist allenfalls, dass nach dem gewählten System Körperschaften mit einem hohen Anteil an Personen in Bedarfsgemeinschaften verhältnismäßig höhere Schlüsselzuweisungen erhalten als Körperschaften mit einem geringeren Anteil. Solange aber – wie derzeit – die Gewichtung des diesem Mechanismus zugrunde liegenden Soziallastenparameters vertretbar ist, ist dies für sich genommen nicht zu beanstanden. Denn, wie in dem der Gesetzesfassung zugrunde liegenden Gutachten nachvollziehbar dargelegt, korrelieren mit der Zahl an Personen, die Leistungen nach dem SGB II benötigen, auch in erheblichem Maße höhere Kosten.
- 173
Unzutreffend ist weiter die Behauptung der Beschwerdeführer, dass der Bedarf für Soziallasten „doppelt, und damit im Vergleich zu anderen Bedarfen 2;berproportional und asymmetrisch“ berücksichtigt werde, da der Bedarf für Soziallasten einerseits ̶2;bereits in der Ausgangsmesszahl abgebildet“ sei, dann aber erneut durch Abzug von der Umlagekraftmesszahl herangezogen werde und derart auf der Einnahmenseite die Finanzkraft der Kommunen erneut mindere.
- 174
Dieser Argumentation liegt die intuitiv naheliegende, aber im Ergebnis unzutreffende Vorstellung zugrunde, der Mechanismus des § 9 FAG 2014 bestehe aus einer „Ausgabenseite“ und einer „Einnahmenseite“. Auf der „Ausgabenseite“ (dargestellt durch die Ausgangsmesszahl) gingen alle tatsächlichen Bedarfe in die Berechnung ein und würden sodann mit der Einnahmenseite zur Ermittlung des Defizits gespiegelt. Diese Vorstellung von der Wirkweise des § 9 FAG 2014 übersieht jedoch, dass die Ausgangsmesszahl nicht den kommunalen „Bedarf“ wiedergibt, sondern über die Determinierung durch den Grundbetrag lediglich eine bloße Recheneinheit darstellt. Die Ausgangsmesszahl ergibt sich aus der Multiplikation der jeweiligen Einwohnerzahl mit dem Grundbetrag. Die Ausgangsmesszahl hat damit nichts mit irgendwie gearteten „tatsächlichen kommunalen Bedarfen“ zu tun. Durch sie wird nur bewirkt, dass die jeweiligen Einwohnerzahlen in die Berechnungsgleichung eingehen sowie dass – über den vollständig von den anderen Parametern abhängigen Grundbetrag – sichergestellt ist, dass die sich ergebenden Schlüsselzuweisungen die hierfür verfügbare Teilschlüsselmasse voll ausschöpfen, aber nicht übersteigen. Die Ausgangsmesszahl ist damit keine echte „Bedarfsgröße“, sondern vielmehr eine reine Recheneinheit mit den Parametern Einwohnerzahl und Grundbetrag, wobei der Grundbetrag nicht durch irgendwie geartete Bedarfe für wie auch immer geartete Aufgabenbereiche unterlegt ist. Anschaulich wird dies, wenn man sich vor Augen hält, dass die Höhe des Grundbetrages und damit auch der Ausgangsmesszahl (auch) abhängig ist von der Höhe der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben. Sinkt die Teilschlüsselmasse in einem gegebenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr, sinkt damit qua Definition auch der Grundbetrag und damit die Ausgangsmesszahl. Mit den kommunalen Bedarfen hat dies aber offensichtlich nichts zu tun: Nur weil die Teilschlüsselmasse sinkt, vermindern sich nicht auch die kommunalen Bedarfe. Bereits dies verdeutlicht, dass die Ausgangsmesszahl Bedarfe nicht widerspiegelt und nicht beansprucht, dies zu tun
(zur vergleichbaren Situation in Nordrhein-Westfalen: „Der Grundbetrag (…) ist eine rechnerische Hilfsgröße und wird so festgelegt, dass die zu verteilende Schlüsselmasse vollständig ausgeschöpft wird. (…) Die Ausgangsmesszahl ist somit eine unechte Bedarfsgröße und darf daher nicht als Maß für die von einer Kommune zur Deckung der tatsächlichen Ausgaben benötigten Finanzmittel missverstanden werden“ (Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Gutachten zur Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Nordrhein-Westfalen, 2013, S. 23 ff.).
- 175
Entsprechend trägt die (ebenso im Schriftsatz des Landkreistages vertretene) Grundannahme nicht, der Bedarf für Soziallasten sei in der Ausgangsmesszahl „bereits abgebildet“ und werde daher „doppelt“ in Ansatz gebracht. Da die Ausgangsmesszahl keine Bedarfe und dementsprechend keine Sozialkostenbedarfe widerspiegelt, findet folglich auch keine doppelte Einbeziehung der Sozialkostenbedarfe statt. Diese gehen nur einmal (und das wie alle anderen Parameter mit einer Reduktion auf 85 %) in die Gesamtrechnung ein.
- 176
Vor diesem Hintergrund ist eine Verletzung des Verbots der Nivellierung beziehungsweise Übernivellierung durch § 9 FAG 2014 ebenfalls nicht erkennbar.
- 177
Nicht durchgreifend ist weiter der Vortrag der Beschwerdeführer zu angeblich unzutreffenden Zahlen im Gesetzgebungsverfahren. Gemessen an den obigen Feststellungen nicht nachvollziehbare Daten vermag das Gericht in den maßgeblichen Gesetzgebungsmaterialien nicht festzustellen. Die Darlegungen der Beschwerdeführer beruhen auf einer Formelbildung, die nicht geeignet ist, den gesetzgeberisch vorgegebenen Zuweisungsmechanismus abzubilden. Denn entgegen der Gesetzeskonzeption unterwirft die von den Beschwerdeführern gebildete Formel auch die Schlüsselzahl einer Multiplikation mit dem Faktor 0,85 und kommt daher notwendigerweise zu unzutreffenden Ergebnissen. Tatsächlich ist derartiges im Gesetz jedoch an keiner Stelle vorgesehen.
- 178
bb) Jedoch stellt sich § 9 Abs. 1 FAG im Hinblick auf die gesetzgeberische Behandlung rauminduzierter Kosten als verfassungswidrig dar. Art. 57 Abs. 1 LV ist zwar insoweit keine Aussage dahingehend zu entnehmen, dass etwaige rauminduzierte Kosten der Aufgabenerfüllung – vor allem denkbare Mehrkosten der Aufgabenerledigung auf ausgedehnter Fläche oder aber etwaige Kosten aufgrund sonstiger naturräumlicher Besonderheiten (wie etwa in Schleswig-Holstein mehrfach gegebene Insellagen) – auf jeden Fall einer gesonderten Erhebung bedürfen. Maßstab der Prüfung ist vielmehr nur, ob der hier vorliegende Verzicht auf die Erhebung etwaiger raumbedingter Kosten sachlich zumindest vertretbar war.
- 179
In der einschlägigen landesverfassungsrechtlichen Rechtsprechung sowie in der veröffentlichten wissenschaftlichen Literatur wird insoweit nachvollziehbar davon ausgegangen, dass erhebliche Gr252;nde für die Annahme sprechen, dass insbesondere Fläche ein kostenerhebliches Kriterium sein könnte, etwa hinsichtlich der Straßenbaulast, aber auch bezüglich zahlreicher anderer Kreisaufgaben (beispielsweise Naturschutz, Landwirtschaftswesen, Veterinärwesen, Abfallwirtschaft, Rettungswesen, ÖPNV)
(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 146 f.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 127 ff.; Henneke, NdsVBl 2013, 121 <126>, Wohltmann, Der Landkreis 2016, 501 <530>; weiterführend: Kirchhof/ Meyer, Kommunaler Finanzausgleich im Flächenbundesland, 1996).
Dieser Befund wird nicht zuletzt auch von dem zugrunde liegenden Gutachten selbst nahe gelegt. Das Gutachten geht davon aus, dass bestimmte Kostenarten im ländlichen Raum stärker ins Gewicht fallen als im Verdichtungsraum:
Die Zuschussbedarfe der Gemeindeebene sind vor allem in der allgemeinen Verwaltung höher als in den kreisfreien Städten. Dies liegt sehr wahrscheinlich an der stärker dezentralen Verwaltungsstruktur im kreisangehörigen Raum (Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 16)
Dass gleiches für Insellagen gilt, liegt schon im Hinblick auf die Erreichbarkeit und den deshalb für die dortige Aufgabenerledigung erhöhten Aufwand nahe.
- 180
Hieraus folgt im Rahmen der von dem Gericht allein durchzuführenden Vertretbarkeitsprüfung, dass der Gesetzgeber zumindest eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Problematik schuldet. Auf die Berücksichtigung des Parameters Raum kann er nur dann verzichten, wenn er hierfür nachvollziehbare Gründe erhoben und dokumentiert hat
(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 16. Mai 2001 - StGH 6/99 -, NdsVBl 2001, 184 ff., Juris Rn. 140; wohl auch BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 u.a. -, BVerfGE 86, 148 ff., Juris Rn. 317 ff.).
- 181
Vorliegend befassen sich allerdings weder das zugrunde liegende Gutachten noch die Gesetzesbegründung eingehend mit der Materie. Im Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung ist eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein Flächenindikator erforderlich ist, nicht enthalten. Auch die Gesetzesbegründung zeigt, dass eine substantielle Auseinandersetzung mit dem evtl. gegebenen Erfordernis der Einführung eines konkreten Flächenparameters nicht stattgefunden hat. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich vielmehr, dass man sich mit dieser Fragestellung allein deshalb nicht auseinandersetzte, um den Finanzausgleich nicht weiter zu verkomplizieren. Insoweit heißt es in der Gesetzesbegründung:
Es werden keine zusätzlichen Verteilungskriterien für Fläche bei den Kreisen oder für Bildungsaufwand bei den Gemeinden eingeführt. Solche Kriterien machten den Finanzausgleich komplizierter, ohne dass die Verteilungswirkung den kommunalen Bedarfen notwendigerweise besser gerecht würde. (…). Auch das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung empfiehlt, über den Soziallastenansatz auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte hinaus mit weiteren Nebenansätzen zurückhaltend umzugehen (Landtags-Drucksache 18/1659, S. 47).
- 182
Diese Erwägung allein vermag jedoch keine hinreichende Begründung für die Nichtberücksichtigung abzugeben. Denn ob der in sich vertretbare Gesichtspunkt, die gesetzliche Regelung möglichst nicht weiter zu verkomplizieren, trägt, lässt sich nur in Abwägung mit den damit einhergehenden Nachteilen im Hinblick auf das Gebot einer dem interkommunalen Gleichbehandlungsgebot genügenden Ausgestaltung des Finanzausgleichs beantworten. Diese Abwägung erfordert jedoch, dass sich der Gesetzgeber die für einen Flächenansatz sprechenden Gesichtspunkte und die Ausgestaltungsmöglichkeiten zumindest im Ansatz vergegenwärtigt.
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- 183
Für das Erfordernis einer substantiellen Auseinandersetzung mit der Frage der Berücksichtigung rauminduzierter Bedarfe spricht dabei im Übrigen die Argumentation der Landesregierung in dem vorliegenden Verfahren. Diese meint, dass eine Berücksichtigung von Deglomerationskosten nur dann erforderlich sei, wenn auch Agglomerationskosten berücksichtigt würden
(so wohl auch VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18 Mai 2006
- VfGBbg 39/04 -, LKV 2006, 505 ff.).
Letzteres sei in Schleswig-Holstein aber nicht der Fall.
- 184
Dem vermag das Gericht nicht zu folgen. Entgegen den Ausführungen der Landesregierung sind Agglomerationseffekte durchaus berücksichtigt. Denn in seiner praktischen Wirkung stellt die Teilschlüsselmasse für Zentrale Orte (bis hinab zum Unterzentrum, vgl. § 10 FAG 2014) einen Indikator für Agglomerationseffekte dar. Dem kann nicht durchgreifend entgegengehalten werden, dass § 10 FAG 2014 nicht formell an die Bevölkerungsdichte anknüpft, sondern an Maßstäbe des Landesplanungsrechts. Denn im Ergebnis werden auch hier – wenn auch mit anderer Regelungstechnik – Agglomerationseffekte zur Mittelverteilung herangezogen. Dies zeigt sich schon bei Betrachtung der Ergebnisse der Verteilung der Teilschlüsselmasse nach § 10 FAG 2014. Hiernach werden etwa im Finanzausgleichsjahr 2016 über 70 % der Teilschlüsselmasse für zentralörtliche Aufgaben an die vier Oberzentren (Kiel, Lübeck, Flensburg, Neumünster) sowie die vierzehn Mittelzentren (Brunsbüttel, Heide, Mölln, Husum, Eutin, Elmshorn, Eckernförde, Rendsburg, Schleswig, Bad Segeberg, Kaltenkirchen, Itzehoe, Bad Oldesloe) vergeben. Nur ca. 6 % der Teilschlüsselmasse erreichen hingegen ländliche Zentralorte beziehungsweise Stadtrandkerne I. Ordnung, nur ca. 4% Stadtrandkerne II. Ordnung
(Erlass Kommunaler Finanzausgleich 2016 des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten, 18. Januar 2016, Anlage 5 und 8).
- 185
Die Verknüpfung der Einstufung als Ober- und Mittelzentrum mit Agglomerationseffekten ist dabei nicht zu verkennen. Auch insoweit bestünde hier hinreichend Grund für eine fundierte Entscheidung, ob nicht im Flächenland Schleswig-Holstein begleitend auch die Einführung eines Flächen- oder sonstwie raumbezogenen Indikators geboten erscheint.
Entsprechend ist insoweit die Verfassungswidrigkeit von § 9 Abs. 1 FAG 2014 festzustellen, bei dessen Regelung es der vertieften gesetzgeberischen Auseinandersetzung mit der Frage nach einem ergänzenden flächenabhängigen weiteren Parameter bedurft hätte. Einer darüber hinausgehenden Feststellung der Verfassungswidrigkeit der in § 9 Abs. 4 FAG 2014 enthaltenen Einzelregelungen bedarf es hingegen aus den vorgenannten Gründen nicht.
- 187
3. Im Übrigen gibt das vorliegende Verfahren keinen Anlass, eine Überprüfung der zulässigerweise angegriffenen §§ 7 und 9 FAG 2014 auch anhand des Art. 54 Abs. 1 und 2 LV vorzunehmen. Offen gelassen werden kann damit sowohl, ob die durch Art. 54 Abs. 1 und 2 LV gewährleistete Mindestausstattung (wie der Anspruch auf angemessene Ausstattung aus Art. 57 Abs. 1 LV) unter Leistungsfähigkeitsvorbehalt steht
(für den dortigen Verfassungsraum ablehnend: VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 82; VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007
- VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 116 ff., sowie für Art. 28 GG: BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 -, BVerwGE 145, 378 ff, , Juris Rn. 20 ff.; a.A. für den dortigen Verfassungsraum: StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008
- StGH 2/05 -, NdsVBl 2008, 152 ff., Juris Rn. 54 und 62; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 41 ff.; LVerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, AS RP-SL 41, 29 ff., Juris Rn. 23; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. Februar 2012
- LVerfG 37/10 -, NordÖR 2012, 235 ff., Juris Rn. 97 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 127 ff.),
als auch, ob Art. 54 Abs. 1 und 2 LV einen individuell justiziablen Mindestausstattungsanspruch jeder einzelnen Kommune oder lediglich eine institutionelle Garantie bezogen auf die Gesamtheit der Kommunen enthält
(lediglich institutionelle Garantie: VerfGH NRW, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 38; wohl auch: VerfGH Bayern, Entscheidung vom 6. Februar 2007 - Vf. 14-VII-04 - VerfGHE BY 60, 30 ff., Juris Rn. 47; auch individueller Mindestanspruch: VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff, Juris Rn. 112, LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11. Mai 2006 - LVerfG 1/05 -, LVerfGE 17, 297, Juris Rn. 110; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 194; von Mutius, in: von Mutius/ Wuttke/ Hübner, Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 49 Rn. 13; weiterführend: Volkmann, DÖV 2001, 497 <504>).
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Im Hinblick auf die §§ 7 und 9 FAG 2014 enthält Art. 54 Abs. 1 und 2 LV jedenfalls keine Anforderungen, die zur Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen führen könnten – und zwar auch dann nicht, wenn Art. 54 Abs. 1 und 2 LV einen individuell justiziablen Mindestausstattungsanspruch enthalten sollte. Diesen Mindestausstattungsanspruch müsste der Gesetzgeber in Bezug auf Art. 54 Abs. 1 und 2 LV nicht notwendigerweise über eine ausnahmslos jedem Einzelfall gerecht werdende Ausgestaltung der Verteilungsbestimmungen der §§ 5 ff. FAG 2014 sicherstellen. Denn dann wären die in dem komplexen System des Finanzausgleichs zwingend notwendigen Generalisierungen und Pauschalisierungen zur Ermittlung der jeweils erforderlichen Finanzmittel erschwert bis unmöglich, zumal in Schleswig-Holstein mit seiner Vielzahl mit Blick auf Ausgabenbelastungen, Einnahmemöglichkeiten und spezifischen örtlichen Rahmenbedingungen höchst unterschiedlich strukturierter Kommunen. Die Gewährleistung der individuellen Mindestausstattung müsste dann allerdings über einen gesonderten Mechanismus zum Ausgleich sich gegebenenfalls aus dem Gesamtsystem der §§ 5 ff. FAG 2014 ergebender Unterfinanzierungen sichergestellt werden
(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999
- VfGBbg 28/98 -, a.a.O., Juris Rn. 112).
- 189
Ein solcher Mechanismus ist in Schleswig-Holstein über § 12 FAG gegeben, der von den Beschwerdeführern weder nach Höhe noch mit Blick auf seinen Regelungsinhalt angegriffen wird. Gemäß § 12 FAG 2014 können Gemeinden und Kreise, die ihren Haushalt nicht durch eigene Mittel und durch allgemeine Finanzzuweisungen nach dem Finanzausgleichsgesetz ausgleichen können, Fehlbetragszuweisungen erhalten. Die Bestimmung lautet auszugsweise wie folgt:
§ 12
Fehlbetragszuweisungen
(1) Gemeinden und Kreise die ihren Haushalt nicht durch eigene Mittel und durch allgemeine Finanzzuweisungen nach diesem Gesetz ausgleichen können, können Fehlbetragszuweisungen zum Ausgleich von unvermeidlichen Fehlbeträgen oder Jahresfehlbeträgen der abgelaufenen Haushaltsjahre erhalten. ln Ausnahmefällen können Fehlbetragszuweisungen zum Ausgleich eines voraussichtlichen unvermeidlichen Fehlbetrages oder Jahresfehlbetrages des laufenden Haushaltsjahres gewährt werden.
(2) Bei der Feststellung des unvermeidlichen Fehlbetrages oder Jahresfehlbetrages müssen diejenigen Beträge außer Ansatz bleiben, die durch Ausgaben oder Aufwendungen entstanden sind, die nicht als unbedingt notwendig anerkannt werden können, oder die durch eigene Einnahmen oder Erträge abgedeckt werden können, wenn alle Einnahme- oder Ertragsquellen in zumutbarem Umfang ausgeschöpft werden. Davon abweichend werden bei den Kreisen und Städten, die der Kommunalaufsicht des für Inneres zuständigen Ministeriums unterstehen, jeweils zwei Drittel der bis zum Ende des Jahres 2014 aufgelaufenen Fehlbeträge oder Jahresfehlbeträge sowie der ab 2015 entstehenden neuen Fehlbeträge oder Jahresfehlbeträge als unvermeidlich anerkannt.
(3) Gemeinden und Kreisen können Fehlbetragszuweisungen aus den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bereitgestellten Mitteln gewährt werden, wenn der in dem Haushaltsjahr entstandene oder voraussichtlich entstehende unvermeidliche Fehlbetrag oder Jahresfehlbetrag mindestens 80.000 Euro beträgt. Über die Bewilligung der Fehlbetragszuweisungen entscheidet das für Inneres zuständige Ministerium. Vor der Entscheidung sollen die Landesverbände der Gemeinden und Kreise gehört werden.
(4) Kreisangehörigen Gemeinden, die der Kommunalaufsicht der Landrätin oder des Landrats unterstehen, können aus eigenen Mitteln des Kreises Fehlbetragszuweisungen gewährt werden, wenn der in dem Haushaltsjahr entstandene oder voraussichtlich entstehende unvermeidliche Fehlbetrag oder Jahresfehlbetrag weniger als 80.000 Euro beträgt. Über die Bewilligung der Fehlbetragszuweisungen entscheidet der jeweilige Kreis. Zur Finanzierung der Fehlbetragszuweisungen nach Satz 1 stellt jeder Kreis einen Betrag in Höhe von mindestens 0,5 % seiner Einnahmen oder Erträge aus den Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten (§ 9 Absatz 1) und der Kreisumlage (§ 19 Absatz 2) bereit.
(5) - (6) […]
III.
- 190
§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie § 9 Abs. 1 FAG 2014 verstoßen danach gegen Art. 57 Abs. 1 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein. Dies führt jedoch nicht zur beantragten Nichtigkeit dieser Vorschriften, sondern zur Erklärung ihrer Unvereinbarkeit mit der Landesverfassung. Sie bleiben weiter anwendbar. Der Gesetzgeber ist bis zum 31. Dezember 2020 zu einer verfassungsmäßigen Neuregelung verpflichtet.
- 191
Die Verfassungswidrigkeit gesetzlicher Vorschriften führt im Regelfall zwar zu deren Nichtigkeit (§ 42 Satz 1, vgl. auch § 46 Satz 2 und § 48 LVerfGG). Aus-nahmsweise sind die Vorschriften jedoch nur für unvereinbar mit der Landesverfassung zu erklären
(Urteil vom 26. Februar 2010 - LVerfG 1/09 -, SchlHA 2010, 131 = NordÖR 2010, 155 ff. = VR 2011, 65 ff., Juris Rn. 106).
- 192
Eine derartige Ausnahmesituation liegt hier vor. Eine – rückwirkende –Nichtigerklärung kommt schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht in Betracht. Hierdurch würden die bereits erfolgten Festsetzungen von Gemeinde- und Kreisschlüsselzuweisungen nach §§ 5 ff., 9 FAG 2014 ihre Rechtsgrundlage verlieren.
- 193
Auch die bloße Unvereinbarkeitserklärung hätte allerdings grundsätzlich zur Folge, dass die betroffenen Normen in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang nicht mehr angewendet werden dürfen. Ausnahmsweise sind verfassungswidrige Vorschriften aber ganz oder teilweise weiter anzuwenden, wenn die Besonderheit der für verfassungswidrig erklärten Norm es aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere aus solchen der Rechtssicherheit, notwendig macht, die verfassungswidrige Vorschrift als Regelung für die Übergangszeit fortbestehen zu lassen, damit in dieser Zeit nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige
(Urteil vom 26. Februar 2010 - LVerfG 1/09 -, a.a.O., Juris Rn. 108).
- 194
So liegt es hier. Ohne weitere Anwendung der fraglichen Bestimmungen wären neue Festsetzungen über Zuweisungen an die kommunalen Aufgabenträger bis zum Abschluss des nunmehr erforderlichen Gesetzgebungsverfahrens nicht mehr möglich. Ein derartiges sofortiges Außerkrafttreten der angegriffenen Vorschriften wäre mit einer geordneten Finanz- und Haushaltswirtschaft unvereinbar. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung darf der kommunale Finanzausgleich auf der Grundlage der bestehenden Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes, auch soweit sie verfassungswidrig sind, weiterhin durchgeführt werden.
- 195
Für die Neuregelung steht dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. Dezember 2020 zur Verfügung. Zwar kommt als angemessene Frist zur Beseitigung der verfassungswidrigen Rechtslage grundsätzlich die Dauer einer Legislaturperiode in Betracht
(Urteil vom 26. Februar 2010 - LVerfG 1/09 - Rn. 106, a.a.O., Juris Rn. 113).
Vor dem Hintergrund der im Jahr 2017 neu anlaufenden Legislaturperiode sowie unter Berücksichtigung der erheblichen Bedeutung einer verfassungskonformen Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs für alle schleswig-holsteinischen Kommunen ist jedoch ein kürzerer Zeitraum angemessen. Der gewählte Zeitraum erscheint insoweit erforderlich, aber auch ausreichend, um die zur Feststellung des finanziellen Mindestbedarfs der Kommunen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und im Gesetzgebungsverfahren umzusetzen.
IV.
- 196
Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 33 Abs. 4 LVerfGG). Eine Entscheidung über die Vollstreckung entfällt (§ 34 LVerfGG).
V.
- 197
Das Urteil ist einstimmig ergangen.
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Referenzen
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