Beschluss vom Oberlandesgericht Celle (4. Zivilsenat) - 4 W 44/10

Tenor

Die Beschwerde der Eigentümer gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Buxtehude - Grundbuchamt - vom 26. Januar 2010 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Wert des Beschwerdeverfahrens 12.750,00 €.

Gründe

I.

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Die Eigentümer haben das im Grundbuch von ..., verzeichnete Grundstück für 127.500,00 € verkauft. Auf dem veräußerten Grundstück ist in Abt. II Nr. 2 am 20. Mai 1969 ein Vorkaufsrecht mit folgendem Wortlaut eingetragen:

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„Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall für den jeweiligen Eigentümer des Grundbesitzes ....“

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Der im Grundbuch ..., verzeichnete Grundbesitz gehörte seinerzeit dem Eigentümer W. W.. Dieser hat im Laufe der Jahre von dem auf Bl. 522 verzeichneten Grundbesitz verschiedene Trennstücke abverkauft, ist aber Eigentümer des Stammgrundstückes (Hof/Gaststätte) geblieben; das Grundbuch von ..., wurde im Jahre 1983 geschlossen und, soweit nicht getrennt, auf Bl. ... (Eigentümer W. W.) umgeschrieben. Die Grundbuchbezeichnungen der anderen ehemals zu Bl. ... gehörenden und abverkauften Flurstücke tragen die in der Verfügung des Grundbuchamts vom 21. Dezember 2009 verzeichneten Blattnummern und gehören zahlreichen verschiedenen Eigentümern.

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Die Eigentümer und Beschwerdeführer haben die Löschungsbewilligung des Eigentümers W. W. vorgelegt und beantragen auf dieser Grundlage

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die Löschung des in Abt. II Nr. 2 eingetragenen Vorkaufsrechts.

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Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 21. Dezember 2009 darauf hingewiesen, dass die Löschung auch die Vorlage von Löschungsbewilligungen durch die Eigentümer der näher bezeichneten abgetrennten Grundstücke erfordere. Daran hat es mit der angefochtenen Verfügung vom 26. Januar 2010 festgehalten und unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung BayObLG Rpfleger 1973, 133, die Auffassung vertreten, dass im Falle der Teilung des herrschenden Grundstücks ein subjektiv-dingliches Vorkaufsrecht an den abgetrennten Grundstücksteilen nicht erlösche. Diese Rechtsauffassung bekämpfen die Eigentümer. Sie machen geltend, bei der Bestellung des Vorkaufsrechts im Jahre 1969 sei zwischen dem damals beteiligten W. W. und O. A. ein enges persönliches Verhältnis/Arbeitsverhältnis ausschlaggebend gewesen; auch wenn das Vorkaufsrecht formal für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks ..., eingetragen worden sei, sei doch in Wahrheit beabsichtigt gewesen, dass aufgrund dieses engen Verhältnisses das Vorkaufrecht für den Betrieb (Hof und Gaststätte) bestimmt gewesen sei, der eindeutig der wirtschaftliche Mittelpunkt des im Grundbuch von ... , verzeichneten Grundbesitzes gewesen sei. Es sei gewollt gewesen, dass das Grundstück „an den Betrieb“ zurückübertragen werde. Tatsächlich sei heute auch noch W. W. Inhaber des Stammgrundstückes, sodass seine Löschungsbewilligung genügen müsse. Diese Ausführungen haben die Eigentümer mit der fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde vom 22. Februar 2010 vertieft. Sie meinen, dass die vom Grundbuchamt herangezogene Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 19. Januar 1973 angesichts ihres Alters heute nicht mehr maßgeblich sei. Ein stillschweigender oder automatischer Übergang des Vorkaufsrechts auf die abveräußerten Teilflächen würde den von der Grundbuchordnung geforderten Grundsätzen der Grundbuchwahrheit und -klarheit widersprechen und zur Verwirrung führen; die zahlreichen Erwerber der Teilflächen (heute ca. 50 neue Eigentümer) wüssten und ahnten nicht, dass sie zusammen mit den jeweiligen Teilflächen ein Vorkaufsrecht erworben haben sollen. Sie beantragen ferner für den Fall, dass die Beschwerde zurückgewiesen werde,

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die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 78 GBO,

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weil die Sache nach ihrer Meinung grundsätzliche Bedeutung habe und zu der streitigen Rechtsfrage lediglich die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts aus dem Jahre 1973 vorliege.

II.

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Die zulässige Beschwerde, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 26. Februar 2010 nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet. Das Grundbuchamt hat zutreffend die Auffassung vertreten, dass die Löschung des Vorkaufsrechts die Bewilligung nicht nur des heutigen Eigentümers des Stammgrundstücks des herrschenden Grundstücks, W. W., sondern auch die Bewilligung der heutigen Eigentümer der anderen vom herrschenden Grundstück abgetrennten Teilflächen erfordert. Dies hat das Bayerische Oberste Landesgericht in der zitierten Entscheidung (veröffentlicht in Rpfleger 1973, 133; MDR 1973, 408; DNotZ 1973, 415) ausgesprochen. Danach verbleibt das subjektiv dingliche Vorkaufsrecht nicht ohne weiteres allein bei dem sog. Stammgrundstück, sondern besteht vielmehr grundsätzlich für die abgetrennten Teile des Grundstücks fort. Dieser Rechtsauffassung schließt sich der erkennende Senat an, weil die Begründung des Bayerischen Obersten Landesgerichts zwingend und überzeugend ist. Denn im Gegensatz zu den §§ 1025, 1109 BGB, in denen für den Fall der Grunddienstbarkeit und einer subjektiv-dinglichen Reallast Regelungen für den Fall der Teilung des herrschenden Grundstücks getroffen sind, fehlt eine solche Bestimmung für das subjektiv-dingliche Vorkaufsrecht. Gerade weil das Gesetz beim Vorkaufsrecht für den Fall der Teilung des herrschenden Grundstücks eine ausdrückliche Regelung nicht enthält, folgt daraus, dass es bei dem Grundsatz der Unteilbarkeit dieses Rechts und damit beim Fortbestehen bei einer Grundstücksteilung verbleibt. Immerhin sieht § 1103 Abs. 1 BGB ausdrücklich vor, dass ein zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks bestehendes Vorkaufsrecht nicht von dem Eigentum an diesem Grundstück getrennt werden kann. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat sich auch zutreffend damit auseinandergesetzt, dass die für eine Grunddienstbarkeit und subjektiv-dingliche Reallast in den §§ 1025, 1109 BGB verankerten Regelungen nicht auf das subjektiv-dingliche Vorkaufrecht übertragen werden könnten. Diese Ausführungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat die Beschwerdebegründung ersichtlich missverstanden, wenn sie meint, ein Vergleich des dinglichen Vorkaufsrechts mit einer Grunddienstbarkeit oder einer Reallast, wie ihn das Bayerische Oberste Landesgericht vornehme, verbiete sich. Wie sich aus der zitierten Entscheidung des BayObLG ergibt, differenziert es im Gegenteil ausdrücklich zwischen einer Grunddienstbarkeit und Reallast auf der einen und einem subjektiv-dinglichen Vorkaufsrecht auf der anderen Seite.

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Ohne Erfolg bleibt die Argumentation der Eigentümer, dass bei der Bestellung des Vorkaufsrechts im Jahre 1969 in Wahrheit lediglich eine Begünstigung des Stammgrundstücks innerhalb des herrschenden Grundstücks und dessen Eigentümer W. W. beabsichtigt gewesen sei. Dem steht nun einmal entgegen, dass ein Vorkaufsrecht für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Bl. 522 bestellt worden ist. Ein subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht zugunsten von W. W. ist gerade nicht bestellt worden. Irgendeine Beschränkung des dinglichen Vorkaufsrechts auf bestimmte Teile des seinerzeit einheitlichen Grundstücks ... ist aus dem Grundbuch nicht ersichtlich (und wäre wegen des Grundsatzes der Untrennbarkeit des subjektiv-dinglichen Vorkaufsrechts vom Eigentum am herrschenden Grundstück nach § 1103 Abs. 1 BGB wohl auch nicht eintragungsfähig gewesen).

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Unabhängig davon, dass aus den zutreffenden Gründen des Bayerischen Obersten Landesgerichts die §§ 1025, 1109 BGB nicht auf das dinglich-subjektive Vorkaufsrecht übertragen werden können, ergeben die für die Grunddienstbarkeit bzw. dingliche Reallast verankerten Grundsätze auch kein Indiz für die von den Eigentümern offenbar vertretene Rechtsauffassung, dass mit der Abtrennung der Flächen vom Stammgrundstück für diese das Vorkaufsrecht erlösche. Im Gegenteil ergibt sich aus § 1025 S. 2 BGB, dass bei Teilung des herrschenden Grundstücks die Dienstbarkeit für die abgetrennten Teile nur dann erlischt, wenn sie für diese ohne jeglichen Vorteil ist. Diesen Grundsatz hat der Bundesgerichtshof noch in jüngerer Zeit sogar für den Fall vertreten, dass bei Teilung des herrschenden Grundstücks die Dienstbarkeit auch dann zugunsten der Eigentümer der getrennten Teile fortwirkt, wenn sich die Teilung nicht aus den das dienende Grundstück betreffenden Grundbucheintragungen ergibt (BGH, NJW-RR 2008, 827 = DNotZ 2008, 528 = MDR 2008, 497). Dieser vom Bundesgerichtshof vertretene Grundsatz steht der Argumentation der Beschwerdeführer entgegen, dass es auf eine Löschungsbewilligung der Eigentümer der abgetrennten Grundstücke nicht ankommen könne, weil bei den Abtrennungen die Bedeutung des Vorkaufsrechts nicht bedacht worden sei: Es ist für die Frage, ob mit der Abtrennung der betreffenden Grundstücke durch Teilung des herrschenden Grundstücks ... für diese das Vorkaufsrecht erlischt, eben ohne Bedeutung, dass die Teilung aus dem Grundbuch der Beschwerdeführer (dienendes Grundstück) nicht ersichtlich ist und diese daher (irrtümlich) davon ausgegangen sind, es wegen des Vorkaufsrechts nur mit einem begünstigten Grundstück zu tun zu haben. Insofern passt sich die vom Bayerischen Obersten Landesgericht und im Anschluss daran vom Grundbuchamt vertretene Rechtsauffassung in die auch für Grunddienstbarkeiten und dingliche Reallasten vom Bundesgerichtshof vertretene Rechtsprechung ein, wonach die Teilung eines herrschenden Grundstücks eben nicht zum Erlöschen eines dinglichen Rechts bei der Abtrennung von Grundstücksteilen führt.

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Der Senat verkennt nicht, dass es für die Beschwerdeführer mit beträchtlichem Aufwand verbunden sein kann, nunmehr die Löschungsbewilligungen der zahlreichen Eigentümer der abgetrennten Flächen einzuholen. Der Argumentation der Beschwerde, diese Eigentümer wüssten doch gar nichts von ihrem Recht und deshalb sei die vom Grundbuchamt vertretene Auffassung letztlich formalistisch, steht aber Folgendes entgegen: Wenn der Eigentümer des herrschenden Grundstücks, W. W., bei jedem Abverkauf einer Fläche den jeweiligen Erwerber auf das Vorkaufsrecht hingewiesen hätte, dann hätte der jeweilige Erwerber darüber entscheiden können, ob er für den abgetrennten Teil auf das Vorkaufsrecht verzichtet. Offenbar ist das - aus welchen Gründen auch immer - nicht geschehen. Deshalb muss jetzt lediglich das nachgeholt werden, was beim Abverkauf der getrennten Flächen versäumt worden ist. Es muss deshalb in Bezug auf die Interessen der womöglich derzeit noch in Unkenntnis des (auch) für sie bestellten Vorkaufsrechts befindlichen Eigentümer der abgetrennten Flächen genau umgekehrt argumentiert werden wie in der Beschwerdebegründung: Man muss sich fragen, was wohl die Eigentümer der abgetrennten Flächen sagen würden, wenn sie nachträglich von dem Vorkaufsrecht erfahren und zur Kenntnis nehmen müssten, dass dies hinter ihrem Rücken lediglich aufgrund einer Löschungsbewilligung von W. W. gelöscht worden ist.

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Entgegen der Auffassung der Beschwerde besteht kein Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde. Der bloße Umstand, dass die Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts aus dem Jahre 1973 stammt, besagt nicht, dass es sich um eine Frage grundsätzlicher Bedeutung handele. Die vom Bayerischen Obersten Landesgericht seinerzeit vertretene Auffassung ist auch noch heute die herrschende Auffassung, die in den neuesten Auflagen einschlägiger Literatur unter Zitat der fraglichen Entscheidung vertreten wird (Demharter, GBO, 27. Aufl., § 7, Rdnr. 14; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rdnr. 1431 mit Fn. 112). Die Beschwerdeführer benennen, abgesehen von der Auffassung ihres Verfahrensbevollmächtigten, auch keine andere ernsthafte abweichende Auffassung. Das spricht dafür, dass allgemein die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts aus dem Jahre 1973 nach wie vor für richtig und überzeugend gehalten wird.

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Die Kosten der erfolglosen Beschwerde sind den Eigentümern und Beschwerdeführern aufzuerlegen, § 84 FamFG (vgl. Demharter, a. a. O., § 77, Rdnr. 33).

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Den Wert des Beschwerdeverfahrens hat der Senat nach dem mit 10 % des Kaufpreises bemessenen Interesse der Eigentümer daran bemessen, die Löschung des Vorkaufsrechts ohne Löschungsbewilligungen der zahlreichen Eigentümer der abgetrennten Teilflächen erreichen zu können.

 


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