Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 2 Ws 645/18
Tenor
Der sofortige Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Der Verurteilte trägt die Kosten des Rechtsmittels.
1
G r ü n d e :
3I.
4Das Landgericht Kleve hat den Beschwerdeführer am 23. Juli 2015 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe und der Maßregel ist für die Dauer von vier Jahren zur Bewährung ausgesetzt worden.
5Der Verurteilte ist in der Bewährungszeit erneut straffällig geworden. Er ist deshalb durch das Amtsgericht Dinslaken am 19. Juli 2018 wegen Wohnungseinbruchdiebstahls, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, und Diebstahls in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden. Die entwendeten Gegenstände wollte der Verurteilte gewinnbringend veräußern, um dadurch insbesondere seinen Betäubungsmittelkonsum zu finanzieren.
6Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Duisburg hat daraufhin die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil vom 23. Juli 2015 widerrufen. Ein Widerruf der Aussetzung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist in dem Widerrufsbeschluss nicht erörtert worden.
7Der therapiewillige Verurteilte möchte mit seiner sofortigen Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss erreichen, dass auch die Aussetzung der Maßregel widerrufen wird.
8II.
9Das Rechtsmittel ist mangels Beschwer des Verurteilten unzulässig.
101.
11Der selbst verfassten Beschwerdebegründung ist eindeutig zu entnehmen, dass sich der Verurteilte nicht gegen den Widerruf der Strafaussetzung wendet, sondern allein erstrebt, dass auch die Aussetzung der Maßregel widerrufen wird. So hat er erklärt:
12„Grundsätzlich erkenne ich den Widerruf der zur Bewährung ausgesetzten Strafe an, allerdings fehlt im Beschluss die Bezugnahme zu § 64 StGB.“
13Nach Darlegung seiner Therapiebemühungen während der laufenden Bewährung hat der Verurteilte sein Anfechtungsziel wie folgt umschrieben:
14„Aufgrund meiner Bemühungen bereits während meiner Bewährungszeit bitte ich deshalb darum, dass in dem Beschluss die Bezugnahme zu § 64 StGB nachgetragen wird.“
15Es geht dem Verurteilten bei seinem Rechtsmittel mithin allein darum, dass neben der Strafaussetzung auch die Aussetzung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt widerrufen wird.
162.
17Ein Betroffener kann eine Entscheidung nur dann in zulässiger Weise anfechten, wenn er durch sie beschwert ist (vgl. statt aller: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., vor § 296 Rdn. 8 ff.). Eine solche Beschwer ist hier nicht gegeben.
18a) Für das Erkenntnisverfahren ist anerkannt, dass ein allein auf die Nichtanordnung der Maßregel des § 64 StGB gestütztes Rechtsmittel mangels Beschwer unzulässig ist (vgl. grundlegend: BGHSt 28, 327, 330 f. = BGH NJW 1979, 1941; ferner: BGH NStZ 2007, 213; NStZ-RR 2011, 308; NStZ-RR 2014, 43; BeckRS 2016, 8540).
19Eine Beschwer kann zwar auch darin liegen, dass eine rechtlich mögliche oder gebotene Entscheidung unterlassen wird, durch die eine für den Betroffenen günstigere Rechtslage geschaffen würde. Für die Beurteilung, ob diese Voraussetzung vorliegt, kommt es indes nicht auf dessen subjektive Einschätzung, sondern allein darauf an, ob nach objektiven Kriterien, wie sie sich zur Zeit der Entscheidung darstellen, durch die begehrte Entscheidung eine Besserstellung des Betroffenen herbeigeführt würde.
20Bei objektiver Betrachtung stellt die Anordnung der Maßregel des § 64 StGB ein zusätzliches Übel neben der Freiheitsstrafe dar. Denn dadurch kann sich die Dauer des Freiheitsentzuges gegenüber einer bloßen Freiheitsstrafe nach Maßgabe des § 67d Abs. 1 StGB um bis zu zwei Jahre verlängern.
21Zwar kann sich im Einzelfall ergeben, dass der Verurteilte im Ergebnis günstiger gestellt wird, wenn die Maßregel des § 64 StGB vor der Freiheitsstrafe vollstreckt wird, weil dann eine bedingte Entlassung bei positiver Sozialprognose ohne das Erfordernis besonderer Umstände schon zum Halbstrafenzeitpunkt möglich ist (§ 67 Abs. 5 Satz 1 StGB). Ob eine solche für den Verurteilten günstige Möglichkeit eintritt, ist jedoch im Zeitpunkt der nach § 64 StGB zu treffenden Entscheidung nicht abzusehen.
22Auch darf bei der Beurteilung, ob die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eine Beschwer enthält, nicht außer Betracht bleiben, dass diese Maßregel nicht nur den Zweck hat, den drogen- oder alkoholsüchtigen Täter in seinem persönlichen Interesse zu therapieren, sondern vornehmlich dem Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Tätern dient.
23b) Die vorgenannten Erwägungen gelten gleichermaßen für die Beurteilung der Beschwer, wenn - wie hier - neben dem erfolgten Widerruf der Strafaussetzung ein Widerruf der Aussetzung der Maßregel des § 64 StGB unterblieben ist und der Verurteilte sich mit seinem Rechtsmittel allein gegen den Nichtwiderruf wendet.
24Da der Verlauf der von dem Verurteilten angestrebten Unterbringung nicht absehbar und ein gegenüber der Dauer der Freiheitsstrafe deutlich längerer Freiheitsentzug möglich ist, wirkt der Nichtwiderruf der Aussetzung der Maßregel objektiv nicht zu seinem Nachteil, so dass es an der erforderlichen Beschwer fehlt.
253.
26Die Strafvollstreckungskammer wird allerdings die Prüfung nachzuholen haben, ob auch die Voraussetzungen für den Widerruf der Aussetzung der Maßregel vorliegen (§ 67g Abs. 1 StGB). Der Widerrufsbeschluss vom 7. November 2018 verhält sich dazu nicht, so dass der Eindruck vermittelt wird, als sei dieser Gesichtspunkt gänzlich übersehen worden. In der Regel ist es sachgerecht, über den Widerruf der Straf- und Maßregelaussetzung eine gemeinsame Entscheidung zu treffen (vgl. KG NStZ-RR 2009, 61). Ein Grund für eine Abweichung von diesem Grundsatz („normativer Entscheidungsverbund“) ist hier nicht ersichtlich.
27III.
28Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
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