Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 2 Ws 259/99
Tenor
1
Gründe:
2Die Beschwerdeführerin wurde zu der auf den 7. Mai 1998 vor der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bochum anberaumten Berufungshauptverhandlung für 9.00 Uhr geladen. Die Ladungsschrift wurde ihr am 21. April 1998 durch persönliche Übergabe förmlich zugestellt.
3Mit Schreiben vom 29. April 1998, welches am folgenden Tage beim Landgericht Bochum einging, teilte die Beschwerdeführerin mit, sie habe leider feststellen müssen, dass sie an diesem Tag schon einen anderen Gerichtstermin beim Amtsgericht in Witten um 9.30 Uhr wahrnehmen müsse. Beigefügt war diesem Schreiben die an die Rechtsanwälte O und Partner in X gerichtete Ladung des Amtsgerichts Witten in der Zivilrechtssache 2 C 524/97. Wie das Schreiben der Beschwerdeführerin nebst Anlage sowie die beigezogenen Zivilprozessakten 2 C 524/97 AG Witten ersichtlich machen, lag der Entschuldigung folgender Sachverhalt zugrunde:
4In dem Rechtsstsreit C ./. Firma N GmbH & Co. KG
5- 2 C 524/97 AG Witten - war die Arbeitgeberin der Beschwer-
6deführerin auf Zahlung von Schadensersatz aus Anlass eines Verkehrsunfalles wegen angeblicher mangelhafter Sicherung einer von der Beklagten unterhaltenen Baustelle, für die die Beschwerdeführerin als Bauleiterin verantwortlich zeichnete, verklagt worden. Das Amtsgericht Witten lud mit Verfügung vom 26. Januar 1998 die Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten zu dem auf den 7. Mai 1998 um 9.30 Uhr anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung. Diese teilten dem Amtsgericht Witten mit Schreiben vom 27. April 1998 mit, die Beschwerdeführerin werde zum Termin am 7. Mai 1998 als Zeugin gestellt werden.
7Eine Reaktion des Landgerichts Bochum auf das Schreiben vom
829. April 1999 erfolgte nicht.
9Da die Beschwerdeführerin zur Hauptverhandlung vor dem Landgericht Bochum nicht erschien, verhängte die bezeichnete kleine Strafkammer gegen sie durch den im Hauptverhandlungsprotokoll vom 7. Mai 1998 festgehaltenen Beschluss ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 DM, ersatzweise sechs Tage Ordnungshaft. Ferner wurden ihr und einer weiteren ebenfalls nicht erschienenen Zeugin die durch ihr Nichterscheinen entstandenen Mehrkosten auferlegt.
10Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsätzen ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 17. August 1998 und 18. Februar 1999, die als "Dienstaufsichtsbeschwerde" bzw. "Erinnerung" bezeichnet worden sind, sinngemäß nach § 51 Abs. 2 StPO die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses beantragt. Das Landgericht Bochum hat den Antrag durch den angefochtenen Beschluss als unbegründet zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Ladung in dem Zivilprozess vor dem Amtsgericht Witten sei an die Rechtsanwälte O und Partner gerichtet gewesen, wobei nicht ersichtlich sei, dass das persönliche Erscheinen der Beschwerdeführerin vor dem Amtsgericht Witten angeordnet worden sei.
11Gegen diesen Beschluss richtet sich die durch die Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin eingelegte Beschwerde vom 28. April 1999, deren Argumentation allerdings großenteils das Postulat der Sachlichkeit außer Acht lässt. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
12Die gemäß § 304 StPO statthafte (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 51 Rn. 28) Beschwerde ist im Ergebnis begründet.
13Die Beschwerdeführerin hatte ihr Ausbleiben nämlich rechtzeitig genügend entschuldigt.
14Wie ihrem Schreiben vom 29. April 1998 zu entnehmen ist, war sie davon ausgegangen, zuvor eine Ladung in dem Zivilprozess durch das Amtsgericht Witten erhalten zu haben. Auch wenn dies objektiv nicht zutreffend war und sie lediglich unter Aushändigung der an die Prozessbevollmächtigten der im Zivilprozess Beklagten ergangenen Ladung durch diese als Zeugin gestellt werden sollte, war es der juristisch nicht ausgebildeten Beschwerdeführerin offensichtlich nicht möglich, zwischen der im Strafverfahren erfolgten hoheitlichen Ladung und der im Zivilverfahren beabsichtigten Stellung als Zeugin durch die Partei zu unterscheiden. Insoweit hatte die Beschwerdeführerin auch hinreichende Unterlagen eingereicht, die als rechtzeitig eingegangenes Entschuldigungsschreiben anzusehen waren und eine Reaktion der Strafkammer hierauf erfordert hätte, falls sie gleichwohl das Erscheinen zur Berufungshauptverhandlung für erforderlich hielt (vgl. Löwe-Rosenberg-Dahs, StPO, 25. Aufl., Rn. 12 zu § 51). Bei der gegebenen Sachlage kann davon ausgegangen werden, dass sich die Beschwerdeführerin in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden hat. Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die in der Zeugenladung beigefügte Belehrung, dass ein Zeuge von der Pflicht, zum Termin zu kommen, nur dann befreit ist, wenn ihm dies vom Gericht ausdrücklich mitgeteilt wird. Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt nämlich darin, dass sich die Zeugin mit einer von ihr ebenfalls als amtlich angesehenen Ladung vor ein anderes Gericht entschuldigt hat. Insofern kann der Beschwerdeführerin nicht angelastet werden, dass sie sich trotz Ausbleibens einer Reaktion des Landgerichts nicht noch einmal über ihre Erscheinungspflicht bzw. die Anerkennung des von ihr vorgebrachten Entschuldigungsgrundes vergewissert hat.
15Damit waren der angefochtene Beschluss sowie der Ordnungsgeldbeschluss vom 7. Mai 1998 aufzuheben.
16An dieser Entscheidung ist der Senat auch nicht dadurch gehindert, dass die Beschwerdeführerin zwischenzeitlich im März 1999 auf Aufforderung der Staatsanwaltschaft das Ordnungsgeld vollständig gezahlt hat, wie sich aus dem vom Senat beigezogenen Vollstreckungsheft des Ordnungsgeldes (50 VRs 59/99 StA Bochum) ergibt. Die unter dem 28. April 1999 erhobene Beschwerde macht jedenfalls deutlich, dass die Beschwerdeführerin weiterhin den Grund der Anordnung des Ordnungsgeldes beseitigt wissen will. Durch die Zahlung des Ordnungsgeldes hat sie ihr Rechtschutzinteresse und Beschwerderecht nicht verloren, da sie auch weiterhin beschwert ist.
17Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung der §§ 467 und 473 StPO.
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Referenzen
- 50 VRs 59/99 1x (nicht zugeordnet)
- StPO § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung 1x
- StPO § 51 Folgen des Ausbleibens eines Zeugen 1x
- StPO § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung 1x
- StPO § 304 Zulässigkeit 1x
- 2 C 524/97 3x (nicht zugeordnet)