Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 15 VA 8/14
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
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G r ü n d e :
2I.
3Der Beteiligte zu 2) nimmt die Beteiligte zu 1) in einem Zivilprozess (115 O xxx/13 LG Münster) auf Versicherungsleistungen aus einem Leitungswasserschaden in Anspruch. Zeitlich vorausgehend hatte die Beteiligte zu 1) den Beteiligten zu 2) mit Schreiben vom 28.03.2012 unter Hinweis auf seine Aufklärungsobliegenheiten aufgefordert, Auskünfte u.a. zu seinen Vermögensverhältnissen zu erteilen, darunter dazu, ob er in den letzten 24 Monaten zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgefordert worden sei. Der Beteiligte zu 2) hat diese Fragen schriftlich beantwortet, darunter die letztgenannte mit „Nein“.
4Zur Überprüfung des Wahrheitsgehalts der Angaben des Beteiligten zu 2) hat die Beteiligte zu 1) bei dem Beteiligten zu 3) die Bewilligung der Gewährung von Einsicht in die Akten des Zwangsvollstreckungsverfahrens 8 M xxx/12 AG Ahlen beantragt. Der Beteiligte zu 3) hat die Parteien dieses Zwangsvollstreckungsverfahrens zu dem Antrag angehört. Die Gläubigerin dieses Verfahrens hat erklärt, dass sie einer Akteneinsicht nicht widersprechen wolle. Mit Bescheid vom 26.05.2014 hat der Beteiligte zu 3) angeordnet, dass der Beteiligten zu 1) die nachgesuchte Akteneinsicht in die vorgenannte Akte des Zwangsvollstreckungsverfahrens zu gewähren ist.
5Gegen diesen Bescheid richtet sich der Antrag des Beteiligten zu 2) auf gerichtliche Entscheidung, den er mit Schriftsatz vom 12.06.2014 bei dem Oberlandesgericht gestellt hat.
6II.
7Der Antrag des Beteiligten zu 2) auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Erteilt der Vorstand des Gerichts einem Dritten die Gewährung von Einsicht in die Akten eines Verfahrens nach der ZPO (hier ein Verfahren des Vollstreckungsgerichts), so trifft er als Justizbehörde eine Maßnahme zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet des Zivilprozesses, gegen die der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 EGGVG statthaft ist. Die Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG ist gewahrt. Der Antrag ist nicht von der vorherigen Durchführung eines Beschwerdeverfahrens nach § 24 Abs. 2 EGGVG abhängig. Da der Beteiligte zu 2) geltend macht, durch die Erteilung der Akteneinsicht in seinen Rechten verletzt zu sein, ist der Antrag auch sonst zulässig (§ 24 Abs. 1 EGGVG).
8In der Sache hat der Antrag keinen Erfolg. Denn die Beteiligte zu 1) hat ein rechtliches Interesse (§ 299 Abs. 2 ZPO) an der Akteneinsicht glaubhaft gemacht und ein berechtigtes Interesse des Beteiligten zu 2) an der Geheimhaltung von aus der Akte ersichtlichen Daten ist nicht erkennbar.
9Über das Begehren eines Dritten, der - wie hier die Beteiligte zu 13) - nicht Verfahrensbeteiligter ist, auf Gewährung von Einsicht in Akten eines zivilprozessualen Verfahrens ist gemäß § 299 Abs. 2 ZPO zu entscheiden. Danach darf die Akteneinsicht, wenn eine der Parteien nicht zustimmt, nur gewährt werden, wenn der Dritte ein rechtliches Interesse glaubhaft macht. Darunter ist ein Interesse zu verstehen, das sich unmittelbar aus der Rechtsordnung selbst ergibt und ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes, gegenwärtig bestehendes Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache voraussetzt (vgl. BGHZ, 4, 323, 325; Senat NJW-RR 1997, 1489; OLG München ARB 2011, 79; KG OLGZ 1988, 190 = NJW 1988, 1738; OLG Hamburg NJW-RR 2002, 408; OLG Brandenburg NJW-RR 2001, 1419; OLG Köln NZG 1998, 156). Diese Rechtsbeziehung muss entweder den Gegenstand des Verfahrens bilden, in dessen Akte die Einsicht begehrt wird, oder es muss jedenfalls feststehen, dass der Streitstoff dieses Verfahrens die Individualrechte des Antragstellers berührt (OLG Frankfurt vom 01.02.2007 -20 VA 13-14/06 –juris-).
10Nach diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall ein rechtliches Interesse der Beteiligten zu 1) an der Einsicht in die Akte des Zwangsvollstreckungsverfahrens zu bejahen. Die rechtliche Beziehung der Beteiligten zu 1) zu den verfahrensrechtlichen Vorgängen des Zwangsvollstreckungsverfahrens ergibt sich hier aus dem zwischen ihr und dem Beteiligten zu 2) bestehenden Versicherungsvertrag. Dieser Versicherungsvertrag ist Grundlage für das Leistungsbegehren, das der Beteiligte zu 2) in dem Zivilprozess 115 O xxx/13 LG Münster gegen die Beteiligte zu 1) wegen eines Leitungswasserschadens vom 16.03.2012 verfolgt.
11Es ist davon auszugehen, dass Gegenstand des Versicherungsvertrages Allgemeine Versicherungsbedingungen sind, die in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Vorschrift des § 31 VVG dem Versicherungsnehmer die Obliegenheit auferlegen, soweit möglich dem Versicherer jede Untersuchung über Ursache und Höhe des Schadens und über den Umfang seiner Entschädigungspflicht zu gestatten und jede hierzu dienliche Auskunft zu geben (vgl. § 20 Nr. 1 d VGB 88 bzw. jetzt VGB 2008 Abschnitt B § 8 Nr. 2 lit. a hh). Das schließt die Feststellung solcher mit dem Schadensereignis zusammenhängenden Tatsachen ein, aus denen sich eine Leistungsfreiheit gegenüber dem Versicherungsnehmer ergeben kann. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Versicherungsnehmer auf entsprechendes Verlangen auch solche Tatsachen wahrheitsgemäß und vollständig zu offenbaren hat, selbst wenn die Erfüllung der Auskunftsobliegenheit eigenen Interessen widerstreitet, weil sie dem Versicherer erst ermöglicht, sich auf Leistungsfreiheit zu berufen. Es ist grundsätzlich Sache des Versicherers, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage zu treffen. Dazu können nach anerkannter Auffassung auch Fragen nach den Vermögensverhältnissen des Versicherungsnehmers gehören, weil sich daraus für den Versicherer Anhaltspunkte ergeben können, der Eintritt des Versicherungsfalls und die damit verbundene Entschädigungsleistung entspreche der finanziellen Interessenlage des Versicherungsnehmers (BGH VersR 2006, 258, 259; OLG Celle ZfS 2007, 571; Prölls/Martin, VVG, 28. Aufl., § 31, Rdnr. 8).
12Auf dieser vertraglichen Grundlage hat die Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 28.03.2012 rechtlich unbedenklich dem Beteiligten zu 2) auf seine Schadensanzeige zum Zweck der Regulierungsentscheidung eine Reihe von Fragen auch zu seiner wirtschaftlichen Situation gestellt, darunter diejenige, ob er innerhalb der letzten 24 Monate zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgefordert worden sei. Der Beteiligte zu 2) hat diese Fragen beantwortet, diejenige nach der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung mit „Nein“. Das rechtliche Interesse der Beteiligten zu 1) im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO ergibt sich in diesem Zusammenhang unmittelbar daraus, dass für die vertragliche Rechtsbeziehung von Bedeutung ist, ob der Beteiligte zu 2) die ihm gestellte Frage wahrheitsgemäß beantwortet hat.
13Die bestehende vertragliche Bindung muss – wie der Beteiligte zu 3) zu Recht ausgeführt hat – maßgeblich auch die nach § 299 Abs. 2 ZPO vorzunehmende Interessenabwägung bestimmen. Denn wenn der Beteiligte zu 2) vertraglich verpflichtet ist, die Fragen der Beteiligten zu 1) auch zu seinen Vermögensverhältnisse wahrheitsgemäß zu beantworten, ist er zwangsläufig auch verpflichtet hinzunehmen, dass der Wahrheitsgehalt seiner Angaben einer sachlichen Überprüfung unterzogen wird. Diese Überprüfung ist nur durch Auswertung der Vorgängen des Zwangsvollstreckungsverfahrens möglich, auf das sich das Einsichtsgesuch bezieht. Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2) ist die Gewährung der Akteneinsicht in dieser Situation nicht davon abhängig zu machen, dass der Versicherer zunächst verwertbare Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass der Versicherungsnehmer täuschende Angaben gemacht hat. In diesem Zusammenhang kann dahin gestellt bleiben, ob die versicherungsvertragliche Obliegenheit des Versicherungsnehmers nicht sogar so weit geht, einem Akteneinsichtsgesuch des Versicherers gegenüber dem Gerichtsvorstand ausdrücklich zuzustimmen, um eine sachliche Überprüfung zu ermöglichen. Jedenfalls steht die versicherungsvertragliche Obliegenheit zu wahrheitsgemäßen Angaben der Anerkennung irgendeines Geheimhaltungsinteresses des Versicherungsnehmers im Verhältnis zum Versicherer entgegen.
14Eine Kostenerstattung für den Beteiligten zu 2) als Antragsteller des gerichtlichen Verfahrens nach § 30 S. 1 EGGVG kommt im Hinblick aus die Zurückweisung des Antrags nicht in Betracht. Für die Möglichkeit der Anordnung einer Kostenerstattung zugunsten der Beteiligten zu 1) fehlt in § 30 EGGVG die gesetzliche Grundlage, zumal § 81 FamFG nicht ergänzend anwendbar ist.
15Die Wertfestsetzung für das gerichtliche Verfahren beruht auf § 36 Abs. 1 und 2 GNotKG.
16Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 29 Abs. 2 EGGVG liegen nicht vor.
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Referenzen
- § 29 Abs. 2 EGGVG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 299 Akteneinsicht; Abschriften 1x