Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 32 SA 86/14
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Bestimmungsverfahrens trägt die Antragstellerin nach einem Verfahrenswert von 77.500 €.
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I.
2Die Antragstellerin beantragt die Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 4 ZPO für eine Klage, mit der sie beabsichtigt, die Antragsgegnerin auf Löschung von Auflassungsvormerkungen in Anspruch zu nehmen. Zugunsten der Antragsgegnerin sind für insgesamt acht Grundstücke Auflassungsvormerkungen eingetragen, die im Eigentum der T GmbH stehen. Die Grundstücke liegen in verschiedenen Landgerichtsbezirken des hiesigen Oberlandesgerichtsbezirks. Drei Grundstücke liegen im Bezirk des Landgerichts Essen, zwei im Bezirk des Landgerichts Dortmund und drei in verschiedenen weiteren Landgerichtsbezirken.
3Den Vormerkungen zugrunde liegen Vereinbarungen in einem notariellen Kaufvertrag zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin vom 06. September 2012, in dem die Antragsgegnerin einen Geschäftsanteil an der T GmbH zu einem Kaufpreis von 5 Mio. € an die Antragstellerin verkauft hat. Die Übertragung des Geschäftsanteils erfolgte gem. Ziff. II. 3. 1 des Vertrages mit sofortiger Wirkung. Die Zahlung des Kaufpreises für die Gesellschaftsbeteiligung hatte gem. Ziff. II.1.3 bis II.1.5 und Ziff. II.6.1 des Vertrages bis zum 02.01.2016 zu erfolgen.
4Die Vertragsparteien vereinbarten in Ziff. II. 1.10 des Vertrages Folgendes:
5„Der Käufer verpflichtet sich (...), die sich im Eigentum der T GmbH oder deren Tochterunternehmen stehenden Immobilien unentgeltlich auf Verkäufer zu übertragen, wenn Käufer (…) vor vollständiger Kaufpreiszahlung
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rechtsgeschäftliche Verfügungen (..) über eines oder mehrere der derzeit im Eigentum der T GmbH stehenden Immobilien ohne schriftliche Zustimmung von Verkäufer vornimmt oder
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eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Käufers, der T GmbH eintreten sollte oder die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung in eines oder mehrere Immobilien angeordnet wird.
Für den Fall, dass Käufer den vorstehend eingegangenen Verpflichtungen nicht nachkommt, behält sich der Verkäufer den Anspruch auf Auflassung sämtlicher Immobilien, die derzeit im Eigentum der T GmbH stehen, vor.
11(…)
12Zur Sicherung dieses Übertragungsanspruchs von Verkäufer (…) bewilligen und beantragen die Vertragsparteien die Eintragung einer Vormerkung an sämtlichen, derzeit im Eigentum der T GmbH stehenden Immobilien, welche allesamt in der in der Bezugsurkunde enthaltenen Liste näher beschrieben sind, zur Sicherung der Ansprüche des Verkäufers auf Auflassung in das jeweilige Grundbuch.“
13Die Antragstellerin behauptet, sie habe einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Löschung der Vormerkungen. Sie ist der Auffassung, für die Klagen auf Löschung sei jeweils der ausschließliche dingliche Gerichtsstand des § 24 ZPO gegeben, so dass entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ein gemeinsamer Gerichtsstand zu bestimmen sei.
14Die Antragsgegnerin ist dem Antrag nicht entgegengetreten und hat – in Übereinstimmung mit der Antragstellerin – angeregt, das Landgericht Essen als zuständiges Gericht zu bestimmen.
15II.
16Die Voraussetzungen für eine gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit liegen nicht vor.
17Nach der – allein in Betracht kommenden – Regelung des § 36 Abs. 1 Nr. 4 ZPO kann das zuständige Gericht bestellt werden, wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken mehrerer Gerichte belegen ist.
18Der dingliche Gerichtsstand ist für die beabsichtigte Klage auf Löschung der Vormerkungen jedoch nicht begründet.
191.
20Zu Recht legt die Antragstellerin allerdings zugrunde, dass die Schlüssigkeit der Klagebegründung für die Frage der Zuständigkeitsbestimmung unerheblich ist und die Behauptung der Zuständigkeitstatsachen für die Bestimmung des Gerichtsstands genügt (Vollkommer/Zöller, ZPO-Kommentar, 30. Auflage 2014, § 36 ZPO, Rn. 9 und 18 und § 24 ZPO Rn. 7).
212.
22§ 24 Abs. 1 ZPO bestimmt die ausschließliche Zuständigkeit für Klagen, durch die das Eigentum, eine dingliche Belastung oder die Freiheit von einer solchen geltend gemacht wird, für Grenzscheidungs-, Teilungs- und Besitzklagen, sofern es sich um unbewegliche Sachen handelt.
23Vorliegend in Frage kommt allein eine Klage auf Freiheit von einer dinglichen Belastung.
24a)
25Die Antragstellerin beabsichtigt, auf Freiheit von einer dinglichen Belastung zu klagen. Bei der Klage auf Freiheit von einer dinglichen Belastung im Sinne von § 24 Abs. 1 ZPO kann es sich auch um eine Klage auf Befreiung von einer dinglichen Belastung (BGH, V ZR 168/67, BGHZ 54, 201ff., zit. nach juris, dort Rn. 9) und auch – wie hier - auf Löschung einer Vormerkung handeln (Patzina/Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 24 ZPO Rn. 11; Heinrich/Musielak, ZPO-Kommentar, 11. Auflage 2014, § 24 ZPO Rn. 11; Vollkommer/Zöller, aaO., § 24 ZPO Rn. 13).
26b)
27Die Antragstellerin steht jedoch nicht in rechtlichen Beziehungen zu dem Grundstück, die allein die Anwendbarkeit des dinglichen Gerichtsstands gem. § 24 Abs. 1 3. Alt. ZPO rechtfertigen könnten. Sie ist insbesondere unstreitig weder Eigentümerin eines Grundstücks noch anderweitig dinglich an diesem berechtigt. Ohne rechtliche Beziehung des Klägers zu dem Grundstück, dessen Befreiung von einer Belastung verlangt wird, ist § 24 Abs. 1 3. Alt. ZPO jedoch nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht anwendbar.
28aa)
29Der dingliche Gerichtstand des § 24 ZPO soll die Klage im ausschließlichen Gerichtsstand am Ort des Grundstücks für Klagen begründen, die eine rechtliche Beziehung zu dem im Streit stehenden Grundstück aufweisen. Zugrunde liegt der Gedanke, dass der ortsnahe Richter vor Ort zu einer sicheren Feststellung und Würdigung der (sachenrechtlichen) Rechtsverhältnisse in der Lage ist (vgl. RG, V 411/94, RGZ 35, 365, 367; Patzina/Münchener Kommentar zur ZPO, aaO., § 24 ZPO Rn. 1).
30Dieser Zweck steht mit einer Anwendung der Vorschrift auf die Klagen eines Nichteigentümers und auch nicht anderweitig zu dem Grundstück selbst in rechtlichen Beziehungen Stehenden auf Befreiung eines Grundstücks von Belastungen nicht in Einklang (RG, V 411/94, RGZ 35, 365, 366f). Im Streit steht in dieser Konstellation nicht die dingliche Situation und Berechtigung an dem Grundstück, sondern (allein) die schuldrechtliche Beziehung der Parteien. Die Gründe, die der Einrichtung des ausschließlichen dinglichen Gerichtsstands zugrundeliegen, sind in ihr nicht gegeben.
31Das Erfordernis einer rechtlichen Beziehung des Klägers zu dem in Frage stehenden Grundstück entspricht auch dem Einklang mit dem Zusammenhang der verschiedenen Regelungsalternativen des § 24 Abs. 1 ZPO. Nicht unter § 24 Abs. 1 ZPO fallen Klagen eines Eigentümers gegen nicht dinglich berechtigte Dritte auf Erfüllung einer persönlichen Verpflichtung zur Löschung eines dinglichen Rechts (RG, V 242/89, RGZ 25, 384, 385; Toussaint/BeckOK ZPO, ZPO, Stand: 01.01.2015, § 24 ZPO Rn. 11; Patzina/Münchener Kommentar zur ZPO, aaO., § 24 ZPO Rn. 12; vgl. Vollkommer/Zöller, aaO., § 24 ZPO Rn. 14). Dem entspricht spiegelbildlich die vorliegend zu beurteilende Konstellation, in der die Antragstellerin als Dritte, nicht dingliche Berechtigte an dem Grundstück, auf Löschung der zugunsten der Antragsgegnerin eingetragenen Vormerkungen zu klagen beabsichtigt.
32bb)
33Der eingeschränkten Anwendbarkeit des § 24 Abs. 1 3. Alt. ZPO steht auch nicht entgegen, dass der dingliche Gerichtsstand gem. § 24 Abs. 1 3. Alt. ZPO grundsätzlich auch dann begründet sein kann, wenn der geltend gemachte Anspruch auf Befreiung von einer Verbindlichkeit nicht dinglicher, sondern schuldrechtlicher Natur ist (vgl. RG, V 242/89, RGZ 25, 384ff.; Patzina/Münchener Kommentar zur ZPO, aaO., § 24 ZPO Rn. 11; Roth/Stein-Jonas, Kommentar zur ZPO, 23. Aufl. 2014, § 24 ZPO Rn. 24; Vollkommer/Zöller, aaO., § 24 ZPO Rn. 13). Erfasst sind - dem dargestellten Sinn und Zweck entsprechend - auch insoweit nur Klagen des Eigentümers bzw. in dinglicher Beziehung zu dem Grundstück stehender Dritter wie etwa nachrangiger Hypothekengläubiger.
34cc)
35Dabei ist auch unerheblich, ob der behauptete Anspruch auf Löschung – wie in der vom Reichsgericht in RGZ 35, 365ff. veröffentlichten Entscheidung, die eine Klage eines die Klage eines früheren Eigentümers gegen den Vormerkungsberechtigten auf Löschung einer Vormerkung zum Gegenstand hatte – auf einen der Eintragung der Vormerkung nachfolgenden Vertrag gestützt wird oder – wie vorliegend - unter Berufung darauf verlangt wird, dass die Voraussetzungen der Löschung nach der ursprünglichen Vereinbarung (nunmehr) eingetreten seien. Denn unabhängig von dem Zeitpunkt der getroffenen Vereinbarung betrifft der Streit der Parteien im Kern allein den vertraglichen Anspruch der Antragstellerin, die selbst zu den Grundstücken rechtlich nicht in Beziehungen steht und im Übrigen auch bei Abschluss des Vertrags nicht stand.
36III.
37Die Kostenentscheidung war zu treffen, weil ein Hauptsacheverfahren (noch) nicht anhängig ist und auch nicht feststeht, dass es zu einem solchen kommen wird. Sie folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO in entsprechender Anwendung.
38Den Wert des Bestimmungsverfahrens schätzt der Senat entsprechend den §§ 3, 6 ZPO auf 1/10 des wirtschaftlichen Interesses der Antragstellerin an der Hauptsache, das diese mit 775.000 € dargelegt hat.
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Referenzen
- 6 ZPO auf 1/10 1x (nicht zugeordnet)
- V ZR 168/67 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 24 Ausschließlicher dinglicher Gerichtsstand 9x