Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 1 Vollz (Ws) 124/15
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last (§ 121 Abs. 2 StVollzG).
1
Gründe
2I.
3Nach den Feststellungen im angefochtenen Beschluss befindet sich der Betroffene im Vollzug der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Er besitzt mehrere Immobilien und war vor seiner Inhaftierung zuletzt als Versicherungsmakler tätig.
4Am 05.04.2014 hatte er bei der Maßregelvollzugseinrichtung die Nutzung des Diensttelefaxgerätes auf der Therapiestation beantragt (so der vom Senat von Amts wegen als Verfahrensvoraussetzung zur Kenntnis zu nehmende Antrag auf gerichtliche Entscheidung; im angefochtenen Beschluss ist von einem Antrag auf Gestattung des Empfangs von Telefaxen die Rede). Zur Begründung führte er an, dass er während der Unterbringung weiter unternehmerisch tätig sei und Objekte vermiete und hierbei kurzfristige Entscheidungen zu treffen seien, zu deren Übermittlung er auf Telefax angewiesen sei. Weiter hatte er beantragt, dass therapeutische Gespräche wörtlich protokolliert bzw. aufgezeichnet würden oder einer Vertrauensperson die Anwesenheit gestattet würde.
5Beide Anträge lehnte die Maßregelvollzugseinrichtung am 24.03.2014 ab. Sie führte an, dass die Telefaxgeräte ausschließlich für den dienstlichen Gebrauch bestimmt seien. Es sei kein Grund ersichtlich, aus dem die Abwicklung des Schriftverkehrs nicht auf dem herkömmlichen Weg erfolgen könne. Damit verbundene Verzögerungen seien hinzunehmen. Außerdem sei dem Betroffenen ein freies Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 11 Abs. 3 MRVG NW nicht genehmigt worden. Bzgl. der Protokollierung von Therapiegesprächen führte sie aus, dass diese nicht vorgesehen sei und ein Anspruch hierauf nicht bestünde.
6Gegen diese Entscheidungen wendet sich der Betroffene mit dem am 08.04.2014 beim Landgericht eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Im Rahmen des Verfahrens vor dem Landgericht hat die Maßregelvollzugseinrichtung weiter ausgeführt, dass ein privater Faxverkehr von Patienten die Geräte so blockieren würde, dass ein geordneter dienstlicher Faxverkehr nicht mehr möglich sei. Insbesondere sei nicht bekannt, welchen Umfang die Tätigkeit des Betroffenen annehmen könne, da er dazu keine Angaben mache. Außerdem würden dienstliche Ressourcen (Papier, Toner etc.) verbraucht, ohne dass darauf ein Anspruch bestünde. Im Hinblick auf die Protokollierung von Therapiegesprächen verweist sie auf maßregelvollzugsinterne Dokumentationsvorgaben, wonach sich Aufzeichnungen auf das Wesentliche beschränken sollen.
7Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Sie führt aus, dass es sich bei der Entscheidung über die Nutzung des Telefaxgerätes um eine Ermessensentscheidung handele, welche nur auf das Vorliegen von Ermessensfehlern überprüft werden könne. Diese lägen hier nicht vor. Es sei nachvollziehbar, dass die Nutzung des Telefaxgerätes durch Patienten zu einer erheblichen Blockierung des dienstlichen Faxverkehrs führe. Die Maßregelvollzugseinrichtung habe auch darauf hingewiesen, dass der Antragsteller den Umfang seiner beruflichen Tätigkeit nicht dargelegt habe, so dass sie nicht in der Lage gewesen sei, zu überprüfen, ob ihre Bedenken gerechtfertigt sind. Außer einem pauschalen Hinweis auf eine nötige schnelle Reaktion habe der Betroffene dazu nichts ausgeführt.
8Bzgl. der Protokollierung/Aufzeichnung von Therapiegesprächen führt die Strafvollstreckungskammer aus, dass diesbezüglich keine Anspruchsgrundlage im Gesetz bestehe. Der Vertraulichkeit der Therapiegespräche würde es widersprechen, wenn ein Dritter (Vertrauensperson) zugegen wäre.
9Gegen die Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Er rügt ausdrücklich die Verletzung von Verfahrensrecht. Im Rahmen der Begründung dieser Rüge führt er aus, dass sich aus Art. 2 Abs. 1 GG und § 9 Abs. 4 S. 1 MRVG NW das Recht des Untergebrachten auf Nutzung des Telefaxgerätes ergebe. Es sei nicht ersichtlich, dass zwingende Gründe der Therapie, des geordneten Zusammenlebens und der Sicherheit der Nutzung des Telefaxgerätes entgegenstünden. Insoweit verfolgt er – ausweislich seiner Antragstellung – (jedenfalls jetzt) nur noch die Gestattung des Empfangs von Telefaxschreiben auf einem Faxgerät der Therapiestation. Die Bild- oder Tonaufzeichnung von Therapiegesprächen sei zur qualitativen Verbesserung von Gutachten erforderlich. Das Ziel, dass eine Vertrauensperson bei den Gesprächen zugegen sein soll, werde mit der Rechtsbeschwerde nicht mehr weiterverfolgt.
10Der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug hält die Rechtsbeschwerde für begründet.
11II.
12Die – auch im Übrigen zulässige – Rechtsbeschwerde war zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Weder zum Anspruch auf Nutzung von Diensttelefaxgeräten im Rahmen „beruflicher“ Tätigkeit, noch zur Frage, ob ein Anspruch auf Protokollierung/Aufzeichnung von Therapiegesprächen besteht, gibt es (betreffend die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen) obergerichtliche Rechtsprechung.
13Auch wenn der anwaltlich vertretene Betroffene ausdrücklich nur die Verletzung von Verfahrensrecht rügt, eine den Anforderungen des § 118 Abs. 2 StVollzG genügende Verfahrensrüge aber nicht erhebt, machen die weiteren Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung noch hinreichend deutlich, dass er auch sachliches Recht als verletzt ansieht.
14Der Senat legt das zu Grunde liegende Begehren des Betroffenen hinsichtlich der Nutzung des Telefaxgerätes so aus, dass es ihm um die Genehmigung der grundsätzlichen Berechtigung der Nutzung des Stationsgerätes als Empfangsgerät geht, so dass er etwa dessen Nummer im geschäftlichen Verkehr gegenüber Dritten angeben kann. Es kann nicht darum gehen, dass bereits vorab die Aushändigung jeglicher in der Zukunft für den Betroffenen eingehenden Telefaxschreiben genehmigt wird, denn die Frage der Aushändigung bzw. Nichtaushändigung erfordert nach § 8 Abs. 2 MRVG NW immer eine individuelle Prüfung.
15III.
16Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
171.
18Der Betroffene hat keinen Anspruch auf Gestattung des Empfangs von Telefaxschreiben auf dem Diensttelefaxgerät der Therapiestation der Maßregeleinrichtung, in der er sich derzeit befindet.
19Ein Anspruch hierauf ergibt sich nicht aus § 8 Abs. 1 MRVG NW. Danach haben Patienten zwar grds. das Recht, Schreiben abzusenden und zu empfangen. Das Gesetz macht aber keine Angaben darüber, auf welchem Wege dies erfolgen kann. Auch die Gesetzesmaterialien (LT-Drs. 12/3728 S. 35) verhalten sich dazu nicht.
20Nach § 9 Abs. 4 S. 2 MRVG NW „kann“ die Maßregelvollzugseinrichtung die Nutzung anderer Telekommunikationsmittel zulassen. Telekommunikation bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch Austausch von Informationen und Nachrichten mithilfe der Nachrichtentechnik, besonders der neuen elektronischen Medien (http://www.duden.de/rechtschreibung/Telekommunikation). Die Übermittlung von Telefaxschreiben gehört hierzu.
21Die nach § 9 Abs. 4 S. 2 MRVG NW zu treffende Entscheidung ist eine Ermessensentscheidung. Das ergibt sich aus der Formulierung „kann“. Auch an der abweichenden Formulierung zu § 9 Abs. 1 und Abs. 4 S. 1 MRVG NW kann man ersehen, dass der Gesetzgeber hier der Maßregelvollzugseinrichtung einen größeren Entscheidungsspielraum einräumen wollte, als bei Besuchen oder Telefonaten. Wie sich aus dem Verweis auf S. 1 und dem darin enthaltenen Weiterverweis auf § 9 Abs. 1 und 2 MRVG NW ergibt, ist die Entscheidung an folgende Voraussetzungen gebunden:
22a) Die Kommunikation erfolgt auf eigene Kosten.
23b) Zwingende Gründe der Therapie, des geordneten Zusammenlebens und der Sicherheit dürfen nicht entgegenstehen.
24c) Etwaige aufgestellte einheitliche Grundsätze für die Telekommunikationsnutzung sind einzuhalten.
25Ob schon diese Voraussetzungen nicht vorliegen, weil etwa eine Nutzung des Diensttelefaxgerätes durch den Betroffenen (auch in der nunmehr nur noch relevanten Form des Empfangs von Schreiben) dazu führt, dass die Therapiefunktion der Einrichtung leidet und damit zwingende Gründe der Therapie oder des geordneten Zusammenlebens entgegenstehen, kann offen bleiben. Jedenfalls ist die von der Maßregelvollzugseinrichtung getroffene Entscheidung nicht ermessensfehlerhaft, wie die Strafvollstreckungskammer zutreffend ausgeführt hat. Insoweit kann durch die Gerichte nur überprüft werden, ob die Ablehnung deswegen rechtswidrig ist, weil die Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen nicht oder in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde oder die Vollzugsbehörde von einem nicht hinreichend ausermittelten Sachverhalt ausgegangen ist. Derartige Ermessensfehler liegen hier nicht vor. Wesentlicher Ablehnungsgrund für das Anliegen des Betroffenen war, dass kein Grund ersichtlich war, warum die Abwicklung des Schriftverkehrs nicht auf herkömmlichen Wege hätte erfolgen können. Nähere Angaben hat der Betroffene hierzu – so der angefochtene Beschluss – nicht gemacht. Dass für die von dem Betroffenen ins Auge gefasste Tätigkeit ein Empfang von Telefaxschreiben unbedingt notwendig ist, ist auch sonst nicht ersichtlich. Soweit der Landesbeauftragte insoweit mutmaßt, dass die Nutzung des Telefaxgerätes dem Betroffenen erlaube, auf eilige Anfragen von Mietern (etwa wegen Reparaturen) zeitnah reagieren zu können, ist dies im Hinblick darauf, dass mit der Rechtsbeschwerde nur noch die Gestattung des Empfangs von Telefaxschreiben verfolgt wird, irrelevant. Auch bezüglich des bloßen Empfangs von Telefaxschreiben ist nicht erkennbar, dass dieser für die vom betroffenen ins Auge gefasste Tätigkeit notwendig ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass dem Betroffenen nicht nur die Möglichkeit des Briefverkehrs nach § 8 MRVG NW offensteht, sondern auch die Möglichkeit von Telefonaten nach § 9 Abs. 4 S. 1 MRVG besteht. Insbesondere ist aber eine Ermessensfehlerhaftigkeit der Ablehnung auch deswegen zu verneinen, weil der Betroffene keine hinreichenden Angaben zum zu erwartenden Umfang der Inanspruchnahme des Stationsgerätes gemacht hat und es so für die Maßregelvollzugseinrichtung nicht überschaubar ist, welche Auswirkungen eine Genehmigung hätte. Vor allem ist für sie nicht überschaubar, ob die Nutzung des Gerätes eventuell einen therapiestörenden Umfang erreicht.
26Ob der Betroffene überhaupt einen Anspruch darauf hat, die beabsichtigten Tätigkeiten aus dem Maßregelvollzug heraus auszuüben, kann dahinstehen. Selbst wenn er diesen hätte und man im Rahmen der Ermessensentscheidung auch die Grundrechte aus Art. 12 GG bzw. Art. 14 GG (Verwaltung des eigenen Vermögens) zu berücksichtigen hätte, würde sich angesichts der obigen Ausführungen, darauf keine Reduktion des eingeräumten Ermessens auf Null ergeben.
272.
28Der Betroffene hat auch keinen Anspruch auf Protokollierung oder Aufzeichnung von Therapiegesprächen.
29Eine entsprechende Anspruchsgrundlage enthält das Gesetz nicht. Wie sich vielmehr aus § 26 Abs. 1 MRVG NW ergibt, sind solche Aufzeichnungen überhaupt nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen zulässig. Selbst wenn die dort genannten Voraussetzungen (hier insbesondere: Einwilligung des Betroffenen) vorlägen, würde dies nicht bedeuten, dass sie auch erfolgen müssen. Damit steht auch insoweit der Maßregelvollzugseinrichtung ein Ermessen zu. Ermessensfehler sind hier ebenfalls nicht erkennbar.
30Anders als der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug meint, ergibt sich ein Anspruch nicht aus Art. 19 Abs. 4 GG. Es ist nicht erkennbar, dass der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nicht auch hinreichend durch die im Maßregelvollzug derzeit vorgesehenen Aufzeichnungen gewahrt wird. Insbesondere ist im vorliegenden Einzelfall auch schon nicht ersichtlich, dass bereits in gerichtlichen Verfahren (etwa nach § 67d Abs. 2 StGB) der Inhalt von mit dem Betroffenen geführten Therapiegesprächen streitig gewesen wäre.
31Soweit der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde vorträgt, dass Aufzeichnungen von Therapiegesprächen zur qualitativen Verbesserung von Gutachten nach § 16 Abs. 3 MRVG NW beitragen und im Rahmen der Verhaltenstherapie förderlich sein könnten, mag dies sein. Ob insoweit im vorliegenden Fall aber Defizite bestehen, die zu einer Ermessensreduktion auf Null führen könnten, ist nicht ersichtlich.
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