Urteil vom Hanseatisches Oberlandesgericht (1. Strafsenat) - 1 - 20/13 (Rev)

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. Dezember 2012 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht Hamburg hat die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das freisprechende Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 21. Februar 2012 verworfen. Die auf die näher ausgeführte Sachbeschwerde gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.

2

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

Der Beschwerdeführer trug als Zuschauer im Amtsgericht Hamburg-St. Georg am Tattag ein weißes T-Shirt mit roten „Hells-Angels-Aufdrucken“ (UA S. 6). Auf der Rückenseite war dieses bedruckt mit einem roten „Death’s Head …der Seitenansicht eines stilisierten behelmten Totenkopfes mit nach rechts weisendem Engelsflügel“ (UA S. 7). Über dem „Totenkopf“, im oberen Rückenbereich, war in einem „nach unten weisenden Halbkreis“, gehalten in demselben roten Farbton, der Schriftzug „HELLS ANGELS“ in der Schriftart „Hessian Regular“ aufgedruckt (UA S. 7/8). In derselben Größe und Schriftart war unter dem „Totenkopf“ ein „mit den Enden nach oben weisender weiterer Halbkreis“ mit dem Schriftzug „MOTORCYCLECLUB“ aufgedruckt (UA S. 8).

4

Diese Symbole stimmten in der „Schriftart“, in der „Schriftgröße“ und in der „Anordnung“ der „jeweils halbkreisförmigen“ Aufdrucke um den „in der Mitte befindlichen ‚Death’s Head‘“ (UA S. 10) überein mit den „Kennzeichen“ des ‚Hells Angels Motor-Club e.V.‘ aus Hamburg‘, der als „erstes deutsches“ Hells Angels Charter‘ (UA S. 12) gegründet und durch bestandskräftige Verfügung des Bundesministers des Innern vom 21. Oktober 1983 verboten worden war (UA S. 9, 13).Dessen Vereinswappen hatte - entsprechend der Verbotsverfügung - „den stilisierten weißen behelmten Totenkopf mit rechtsseitigen Engelsflügeln auf rotem Grund (§ 3 der Satzung)“ gezeigt und war als „Clubemblem“ (UA S. 10) durch die Vereinsmitglieder ebenso auf ihrer „einheitlichen Kleidung“ anzubringen wie die Schriftzüge „HELLS ANGELS“, „GERMANY“ und „die Buchstaben MC“ (UA S. 10). Auf der „Rückseite der Jeansweste“ war jeweils der „stilisierte behelmte Totenkopf … mit rechtsschwingenden, rot/goldfarben ausgeführten Engelsflügeln“, darüber „halbkreisförmig … der weltweit genormte rote Schriftzug ‚HELLS ANGELS‘… in der Schriftart Hessian Regular, rot auf weißem Grund“ sowie unter dem stilisierten Totenkopf ein in derselben Schriftart und Farbgestaltung gehaltener, „halbkreisförmiger“ und „nach oben geschwungener“ Aufnäher „GERMANY“ angebracht worden (UA S. 10/11).

5

Das Landgericht hat einen strafbewehrten Verstoß gegen das vereinsrechtliche Kennzeichenverbot aus § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG abgelehnt. Diese Annahme hat es zunächst darauf gestützt, dass die „einfarbig rot gehaltenen Aufdrucke“ keine Aufnäher („Patches“) seien, sodass „schon deshalb der Gesamteindruck von den aufgenähten ‚Patches‘ des 1983 verbotenen Hamburger Vereins …erheblich abweicht“ (UA S. 11). Hilfsweise stützt die Strafkammer ihren Freispruch auch darauf, dass der „von seinem Schweigerecht Gebrauch machende Angeklagte“ geglaubt habe, „sich durch das Tragen dieses bedruckten T-Shirts in der Öffentlichkeit nicht strafbar zu machen, weil die Aufdrucke kein verbotenes Kennzeichen darstellten und einem solchen auch nicht zum Verwechseln ähnlich waren“ (UA S. 9).

II.

6

Das Urteil hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

7

Die gegen den Freispruch gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat schon deshalb Erfolg, weil die Annahme der Strafkammer, dass sich die auf dem vom Angeklagten getragenen T-Shirt abgebildeten Symbole und die Kennzeichen des verbotenen ‚Hells Angels Motor-Club e.V.‘ aus Hamburg nicht zum verwechseln ähnlich sind, nicht rechtsfehlerfrei begründet ist.

8

1. Verboten sind nach § 9 Abs. 2 Satz 2 VereinsG Kennzeichen, die den nach § 9 Abs. 2 Satz 1 VereinsG verbotenen Kennzeichen zum Verwechseln ähnlich sehen. Erforderlich ist daher ein Gesamtvergleich des Originalkennzeichens mit dem neu geschaffenen Kennzeichen. Maßgebend hierfür ist, ob das neu geschaffene Kennzeichen aus Sicht eines unbefangenen, nicht besonders sachkundigen und nicht genau prüfenden Betrachters, den Eindruck des verbotenen Kennzeichens und zugleich dessen Symbolgehalt vermittelt (vgl. zu § 86a StGB nur BGH, Beschl. v. 31. Juli 2002 - 3 StR 495/01, BGHSt 47, 354, 357; BGH, Urt. v. 28. Juli 2005 - 3 StR 60/05, NJW 2005, 3223, 3224, mit Anm. Steinmetz NStZ 2006, 337). Objektiv erforderlich ist hierfür eine Übereinstimmung in wesentlichen Vergleichspunkten mit dem verbotenen Originalkennzeichen (vgl. BGH, Urt. v. 13. August 2009 - 3 StR 228/09, BGHSt 54, 61, 63). Auf einen gewissen Bekanntheitsgrad des Originalkennzeichens kommt es dabei nicht an (BGH, Beschl. v. 31. Juli 2002 - 3 StR 495/01, NJW 2002, 2186, 3188; BayObLG, Urt. v. 8. März 2005 - 4 St RR 207/04, BayObLGSt 2004, 180, 181).

9

2. Diesen rechtlichen Maßgaben wird das Landgericht in nicht gerecht.

10

a) Die fehlende Verwechselungsgefahr hat es zunächst darauf gestützt, dass die „einfarbig rot gehaltenen Aufdrucke“ keine Aufnäher seien, sodass „schon deshalb der Gesamteindruck von den aufgenähten ‚Patches‘ des 1983 verbotenen Hamburger Vereins …erheblich abweicht“ (UA S. 11). Ferner fehle es an dem „halbkreisförmigen unteren Schriftzug des Hamburger Vereins, nämlich ‚GERMANY‘, und der unter dem Engelsflügel rechts angebrachten Abkürzung ‚MC‘ für Motorclub“ (UA S. 11/12). Gerade aber der Schriftzug „GERMANY“ stehe „unverwechselbar“ und „prägend“ für „den 1983 verbotenen Verein und gehöre zu dessen Kennzeichen“, weil dieser „Club …der erste ‚Hells Angels-Charter‘ in Deutschland“ gewesen sei (UA S. 12/13). Für die notwendige Verwechslungsgefahr sei es unzureichend, dass „mit dem Top-Rocker ‚HELLS ANGELS‘ und dem stilisierten behelmten Totenkopf mit rechtsseitigem Engelsflügel ein standardisiertes weltweites Kennzeichen der Hells Angels aufgedruckt ist und dass Schriftart und Schriftgröße übereinstimmen“ (UA S. 13). Auch angesichts des auf dem T-Shirt „allgemein gehaltenen Bottom-Rockers… MOTORCYCLECLUB“ sei ein klarstellender Hinweis, etwa auf einen bestimmten nicht verbotenen Ortsverein der Hells-Angels entbehrlich gewesen.

11

b) Damit verfehlt die Strafkammer die vorgenannten rechtlichen Maßgaben. Ausgangspunkt zur Bestimmung der Verwechslungsgeeignetheit hätte der Vergleich des jeweils in Rede stehenden einzelnen Symbols mit dem Originalkennzeichen sein müssen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 7. April 2014 - 1-31/13 Rev).

12

Mit Blick auf die - rechtsfehlerfrei und mit Recht unter Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO - getroffenen Feststellungen hätte daher der auf der „Vereinskluft“ des verbotenen Hamburger Vereins im Bundesgebiet erstmals geführte „stilisierte Totenkopf“ bzw. der Schriftzug „HELLS ANGELS“ - denen die Strafkammer revisionsrechtlich in nicht zu beanstandender Weise die Eigenschaft als verbotene Kennzeichen zugeschrieben hat und die auf Grund der Verbotsverfügung vereinsrechtlich seit 1983 bemakelt sind (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 7. April 2014 - 1-31/13 Rev) - den auf dem T-Shirt des Angeklagten abgebildeten Symbolen gegenübergestellt werden müssen. Anhand dieser Vergleichspaare wären jeweils Merkmalsidentitäten und Unterschiedlichkeiten festzustellen und durch das Landgericht zu bewerten gewesen. Der von der Strafkammer herangezogene Maßstab eines abweichenden „Gesamteindruck[s] der Patches“ greift namentlich mit Blick auf die - durch die Urteilsfeststellungen nachvollziehbar belegten - nicht unerheblichen Übereinstimmungen in Form, Gestaltung und Größe zwischen den Originalkennzeichen des stilisierten Totenkopfes bzw. des Schriftzugs auf der „Vereinskluft“ des verbotenen Vereins einerseits und den Symbolen auf dem T-Shirt des Angeklagten andererseits zu kurz.

13

3. Sofern das Landgericht den Freispruch „hilfsweise“ darauf gestützt hat, dass der „von seinem Schweigerecht Gebrauch machende Angeklagte“ geglaubt habe, „sich durch das Tragen dieses bedruckten T-Shirts in der Öffentlichkeit nicht strafbar zu machen“ (UA S. 9), fehlt es der erkennbaren Annahme eines - rechtlich nicht näher konkretisierten - strafbefreienden Irrtums an jeder tragfähigen Tatsachengrundlage.

14

4. Die Sache bedarf schon aus diesem Grund neuer Verhandlung und Entscheidung. Ein Aufrechterhalten von Feststellungen zum Tatgeschehen kam nicht in Betracht, weil dies den nicht geständigen Angeklagten belasten würde und er keine Möglichkeit hatte, das Urteil insoweit anzugreifen (vgl. BGH, Urt. v. 27. Januar 1998 - 1 StR 727/97, NStZ-RR 1998, 204; anders für den Fall einer den Feststellungen zugrunde liegenden geständigen Einlassung BGH, Urt. v. 20. August 1991 - 1 StR 321/91, NJW 1992, 382, 384).

15

5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:

16

a) Sollte das neue Tatgericht den hier aufgehobenen Urteilsgründen entsprechende Feststellungen treffen können, wird es - jedenfalls betreffend den aufgedruckten Schriftzug „HELLS ANGELS“ - vorrangig das Verwenden eines verbotenen Kennzeichens nach § 9 Abs. 2 Satz 1 VereinsG zu prüfen haben (vgl. Senatsurteil vom 7. April 2014 - 1-31/13 Rev).

17

b) Sofern das neue Tatgericht etwa hinsichtlich des „stilisierten Totenkopfes“ Feststellungen trifft, welche die Annahme einer Verwechslungsgefahr mit dem vom verbotenen ‚Hells Angels Motor-Club e.V.‘ aus Hamburg verwendeten Kennzeichen begründen könnten (§ 9 Abs. 2 Satz 2 VereinsG), wird es die Notwendigkeit eines abgrenzenden Zusatzes, namentlich eines Ortsnamens, und die an einen solchen zu stellenden Anforderungen korrespondierend mit dem Maß an Merkmalsidentitäten zwischen dem verbotenen und dem in Rede stehenden Kennzeichen zu bestimmen haben. Je höher die Merkmalsübereinstimmung - etwa auch mit Rücksicht auf weitere in dessen Nähe angebrachte weitere verbotene Kennzeichen - ausfällt, desto strengere Anforderungen wären an einen der Verwechslungsgefahr begegnenden Zusatz zu stellen.

18

c) Hierbei wird weiter die obergerichtliche Rechtsprechung - ebenso wie die bekannt gewordene, teilweise mehrere Jahrzehnte überdauernde ordnungsbehördliche Praxis - zu berücksichtigen sein, nach der es als zureichend angesehen wird, wenn auf der „Vereinskluft“ eines „Hells Angels“ Ortsvereins neben dem „stilisierten Totenkopf“ oder dem Schriftzug „HELLS ANGELS“ auch der Hinweis auf einen nicht verbotenen Ortsverein wahrnehmbar ist (OLG Celle, Beschl. v. 19. März 2007 - 32 Ss 4/07, NStZ 2008, 159, 161; BayObLG, Urt. v. 8. März 2005 - 4 St RR 207/04, BayObLGSt 2004, 180, 181; hierzu auch M. Mayer, Kriminalistik 2014, 236, 240). Der für die Verwechslungsgefahr maßgebliche objektiv-verständige Empfängerhorizont wurde hierdurch - naheliegend - zumindest dahin korrigiert, dass sich in der auf das Verbot des Bundesministers des Innern aus dem Jahre 1983 folgenden Zeit andere Ortsvereine der „Hells Angels“ gegründet haben, die - verwaltungsbehördlich unbeanstandet - den in der Verbotsverfügung benannten stilisierten Totenkopf tragen und ihre vereinsrechtliche Eigenständigkeit und Unabhängigkeit vom verbotenen Hamburger Verein durch den unmittelbar darunter abgebildeten Namen ihres Ortsvereins auszuweisen suchen.

19

d) Sollte sich der Angeklagte in der neuen Tatsacheninstanz zur Sache einlassen, weist der Senat darauf hin, dass die bloße Berufung eines Angeklagten auf einen Irrtum das Tatgericht nicht dazu nötigt, einen solchen Irrtum als gegeben anzunehmen. Es bedarf vielmehr einer Gesamtwürdigung aller Umstände, die für das Vorstellungsbild des Angeklagten von Bedeutung waren. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Umstände oder Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen - außer der bloßen Behauptung des Angeklagten - keine Anhaltspunkte bestehen (vgl. BGH, Urt. vom 18. August 2009 - 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85; BGH, Urteil vom 8. September 2011 - 1 StR 38/11, NStZ 2012, 160; ferner Senatsurteil v. 7. April 2014 - 1-31/13 Rev).

20

Ob ein Angeklagter den ihm zur Last gelegten Verstoß gegen ein Kennzeichenverbot für möglich gehalten hat, muss vom Tatgericht geklärt werden. Dieses hat naheliegend namentlich in den Blick zu nehmen die Verbindung eines Angeklagten in vereinsrechtliche Strukturen und entsprechende Milieus, etwaig durch ihn bekleidete Ämter auch in einem nicht verbotenen Ortsverein, seine Kenntnisse über ordnungsbehördlichen Umgang mit den in Rede stehenden Kennzeichen sowie von ihm vor der Tat unternommene effektive Bemühungen, sich zuverlässigen Rechtsrat einzuholen. Informiert sich ein in vergleichbare Strukturen eingebundener Angeklagter über bestehende vereinsrechtliche Verbote oder die maßgebliche Rechtslage nicht zuverlässig, kann dies auf seine Gleichgültigkeit diesen Bestimmungen gegenüber hindeuten.

21

e) Das Landgericht wird ferner die im Revisionsverfahren entstandene überlange Verfahrensdauer zu kompensieren haben (vgl. Senatsurteil vom 7. April 2014 - 1-31/13 Rev).

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