Beschluss vom Hanseatisches Oberlandesgericht (2. Strafsenat) - 2 Ws 107/20

Tenor

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer 4, vom 26. Juni 2020 betreffend die Berichtigung des Protokolls der Berufungshauptverhandlung vom 6. Dezember 2019 wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer ist am 2. August 2019 durch das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf wegen versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten verurteilt worden. Seine hiergegen eingelegte Berufung hat das Landgericht Hamburg, Kleine Strafkammer 4, mit Urteil vom 6. Dezember 2019 verworfen. Hiergegen hat der Angeklagte über seinen Verteidiger am 9. Dezember 2019 Revision eingelegt.

2

Nach Fertigstellung des Protokolls der landgerichtlichen Hauptverhandlung am 10. Januar 2020 sind die schriftlichen Urteilsgründe auf Verfügung der Kammervorsitzenden vom selben Tag dem Verteidiger des Angeklagten am 22. Januar 2020 zugestellt worden. Mit seiner am 21. Februar 2020 zur Verfahrensakte gelangten Revisionsbegründung hat dieser über seinen Verteidiger insbesondere gerügt, er sei in der Berufungshauptverhandlung vor Urteilverkündung entgegen § 258 Abs. 2, Halbs. 2, Abs. 3 StPO weder befragt worden, ob er noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe, noch sei ihm das letzte Wort gewährt worden.

3

Die Kammervorsitzende hat daraufhin am 27. Februar 2020 eine dienstliche Erklärung abgegeben, wonach sie zusammengefasst davon ausgehe, dass sie dem Angeklagten das letzte Wort erteilt habe und die entsprechende Protokollierung nur versehentlich unterblieben sei. Aus einer dienstlichen Erklärung der protokollführenden Urkundsbeamtin vom Folgetag geht hervor, dass sie die Verhandlungsweise der Kammervorsitzenden seit Jahren kenne, diese immer das letzte Wort erteile und offensichtlich die Aufnahme entsprechender Protokollinhalte lediglich vergessen worden sei.

4

Mit auf Verfügung vom 28. Februar 2020 ergangenem Schreiben hat die Kammervorsitzende dem Verteidiger des Angeklagten unter Gewährung einer Stellungnahmefrist die dienstlichen Äußerungen vom 27. und 28. Februar 2020 sowie die Absicht mitgeteilt, im Wege der Berichtigung in das Hauptverhandlungsprotokoll aufzunehmen, dass dem Angeklagten das letzte Wort erteilt worden sei. Der Verteidiger hat hierzu am 9. März 2020 kritisch Stellung genommen. Mit Verfügung vom 10. März 2020 hat die Kammervorsitzende zu dem Berichtigungsvorhaben ergänzend den in der Sitzung anwesenden Staatsanwalt um Stellungnahme gebeten, der am 12. März 2020 mitgeteilt hat, zu den betreffenden Abläufen der Hauptverhandlung über keine Erinnerung mehr zu verfügen. Diese Stellungnahme hat das Landgericht dem Verteidiger des Angeklagten zur Kenntnis gebracht.

5

Mit Entscheidung vom 26. Juni 2020 haben die Kammervorsitzende und die protokollführende Urkundsbeamtin beschlossen, das Hauptverhandlungsprotokoll vom 6. Dezember 2020 dahingehend zu berichtigen, dass vor dem die Kammerberatung und Urteilsverkündung betreffenden Teil des Protokollinhalts die Sätze: „Der Angeklagte wurde befragt, ob er selbst noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe. Er erklärte sich.“ und „Der Angeklagte hatte das letzte Wort“ eingefügt werden.

6

Hiergegen hat der Angeklagte über seinen Verteidiger am 22. Juli 2020 ohne nähere Begründungsausführungen Beschwerde eingelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.

II.

7

Die gem. § 304 Abs. 1 StPO statthafte Beschwerde ist unzulässig.

8

1. Gegen eine Berichtigung des Protokolls der Hauptverhandlung oder die Ablehnung eines hierauf gerichteten Antrags ist grundsätzlich die Beschwerde gem. § 304 Abs. 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (KK-StPO/Greger § 271 Rn. 21; HK-Julius/Beckemper § 271 Rn. 13; OLG Brandenburg Beschl. v. 20. August 2018, BeckRS 2018, 31372; OLG Celle NStZ 2011, 237 f.; Meyer-Goßner/Schmitt § 271 Rn. 28; LR-Stuckenberg § 271 Rn. 70).

9

Mit dem Rechtsmittel kann allerdings nicht das Ziel einer inhaltlichen Änderung des Protokolls durch das Beschwerdegericht erreicht werden, da letzteres die beurkundeten Vorgänge in tatsächlicher Hinsicht nicht auf ihre Richtigkeit zu überprüfen vermag. Die Protokollberichtigung oder ihre Ablehnung ist daher allein auf Rechtsfehler zu überprüfen, namentlich dahingehend, ob das Berichtigungsverfahren den dafür geltenden Verfahrensgrundsätzen entspricht und ob der Entscheidung rechtsfehlerhafte Erwägungen zugrunde liegen (Julius/Beckemper aaO.; Greger aaO.; OLG Brandenburg aaO.; Schmitt aaO. Rn. 29 m.w.N.; Stuckenberg aaO. Rn. 72 f.; vgl. auch OLG Celle aaO.).

10

Für eine nach diesen Maßstäben grundsätzlich zulässige Beschwerde mangelt es indes an einem Rechtsschutzbedürfnis des Angeklagten, wenn seine gegen die Berichtigungsentscheidung eingelegte Beschwerde allein dazu dient, einer „Rügeverkümmerung“ im Revisionsverfahren vorzubeugen, mithin zu vermeiden, dass durch die angefochtene Berichtigung einer mit der Revision erhobenen Verfahrensrüge nachträglich die aus § 274 StPO folgende Beweisgrundlage entzogen wird. Denn in diesen Fällen unterliegt die Beachtlichkeit des Berichtigungsbeschlusses nach den dafür in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgestellten Maßstäben umfassender Prüfung durch das Revisionsgericht (grundlegend: BGHSt 51, 298 ff.; Senat, Beschl. v. 21. November 2018, Az.: 2 Rev 18/19; vgl. BGH Beschl. v. 4. Februar 2020, Az.: 3 StR 313/19 (juris); vgl. BGH Beschl. v. 5. Juni 2019, Az.: 4 StR 130/19 (juris)).

11

Da mithin die Überprüfung der Protokollberichtigung, soweit letztere für den Erfolg der Revision beachtlich sein kann, dem Revisionsgericht zugewiesen ist, fehlt es für eine ebenfalls allein revisionsrechtliche Ziele verfolgende Beschwerde an einem Rechtsschutzbedürfnis (BGH Beschl. v. 10. Dezember 2018, Az.: 5 StR 270/18 (juris); Meyer-Goßner/Schmitt § 271 Rn. 26b). Darüber hinaus ist eine Überprüfung der Protokollberichtigung sowohl durch das Beschwerde- als auch durch das damit nicht notwendig identische Revisionsgericht auch aus Gründen der Rechtssicherheit unter dem Blickwinkel der Gefahr divergierender Entscheidungen in den verschiedenen Rechtszügen zu vermeiden (BGH aaO.).

12

2. Eine nach diesen Grundsätzen zur Unzulässigkeit der Beschwerde führende Sach- und Verfahrenslage ist hier gegeben.

13

Der Angeklagte hat mit seiner Revision gegen das Berufungsurteil vom 6. Dezember 2019 unter anderem gerügt, in der landgerichtlichen Hauptverhandlung seien entgegen § 258 Abs. 2 Halbs. 2, Abs. 3 StPO seine Befragung, ob er noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe, sowie die Gewährung des letzten Wortes unterblieben. Gegenstand der mit der Beschwerde angefochtenen Berichtigungsentscheidung ist die Einfügung von Protokollinhalten, aus denen sich die Vornahme dieser Verfahrenshandlungen durch das Berufungsgericht ergibt und die mithin der Verfahrensrüge die Beweisgrundlage entziehen.

14

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Beschwerde allein dazu dient, einer Verkümmerung der genannten Verfahrensrüge im Revisionsverfahren entgegenzuwirken. Andere, nicht auf den Erfolg dieser Rüge im Revisionsverfahren gerichtete Beschwerdeziele ergeben sich nicht aus der Beschwerdeschrift und sind auch sonst nicht ersichtlich. Da nach den vorstehend erörterten Grundsätzen die Protokollberichtigung im Revisionsverfahren umfassend durch das Revisionsgericht zu prüfen sein wird, besteht für das Beschwerdeverfahren kein Rechtsschutzbedürfnis.

III.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

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