Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 6 W 84/16
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 23. Juni 2016 – 31 O 191/16 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragsgegnerin wird es durch
einstweilige Verfügung
bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR – ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen gesetzlichen Vertreter der Antragsgegnerin zu vollziehen ist,
untersagt,
in der Bundesrepublik Deutschland einen elektrischen Rotationsrasierer anzubieten, zu bewerben und zu vertreiben und/oder anbieten, bewerben und vertreiben zu lassen, wenn dieser wie nachstehend gestaltet ist:
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 200.000 EUR festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
31. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Verfügungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 3 b), 8 Abs. 1 und 3 UWG zu.
4a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat, kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (BGH, WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 21 – LIKEaBIKE; WRP 2012, 1379 = GRUR 2012, 1155 Tz. 16 – Sandmalkasten; WRP 2013, 1188 = GRUR 2013, 951 Tz. 14 – Regalsystem; WRP 2013, 1339 = GRUR 2013, 1052 Tz. 15 – Einkaufswagen III; Senat, GRUR-RR 2014, 25, 26 f. – Kinderhochstuhl „Sit up“, jeweils m. w. N.).
5b) Dem Produkt der Antragstellerin kommt wettbewerbliche Eigenart zu. Prägend sind dabei folgende Merkmale: Der Korpus besteht aus dem eigentlichen Griff, der unmittelbar in den etwas abgewinkelten Träger des Scherkopfes übergeht. Die Oberfläche des Korpus besteht aus zwei verschiedenen Materialien und trägt die Bedienelemente auf der dem Nutzer zugewandten Seite. Auf ihm sitzt, über ein schmales Gelenk verbunden, der Scherkopf, der durch den Materialkontrast schwarz/silber geprägt ist.
6Einzelne dieser Merkmale mögen technisch vorteilhaft sein. Aufgrund des von der Antragstellerin vorgetragenen Umfelds ist jedoch glaubhaft gemacht, dass es gleichwertige Produktgestaltungen mit einem abweichenden Gesamteindruck gibt.
7Die Antragstellerin hat ferner unter anderem durch die eidesstattliche Versicherung ASt 7 glaubhaft gemacht, dass dieses Produkt wie auch Vorgängerprodukte mit vergleichbarem Gesamteindruck in hohen Stückzahlen verkauft worden ist und mit hohem Aufwand beworben worden ist. Vor diesem Hintergrund hat die Antragstellerin eine hohe Bekanntheit und damit eine gesteigerte wettbewerbliche Eigenart glaubhaft gemacht.
8c) Bei dem beanstandeten Produkt handelt es sich um eine nachschaffende Übernahme des Produkts der Antragstellerin. Eine solche ist anzunehmen, wenn die Nachahmung wiedererkennbare wesentliche Elemente des Originals aufweist und sich nicht deutlich davon absetzt. Geringfügige Abweichungen vom Original sind unerheblich, solange das Original als Vorbild erkennbar bleibt (BGH, GRUR 1992, 523, 524 – Betonsteinelemente; Senat, GRUR-RR 2014, 117, 119 – Knoppers; GRUR-RR 2014, 494, 497 – Freischwinger-Stuhl; KG, GRUR-RR 2003, 84, 85 – Tatty Teddy; OLG Hamburg, MarkenR 2011, 275, 280 = juris Tz. 55; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl. 2014, § 4 Rn. 3.37).
9Jedenfalls nach Entfernung der Gummimanschette, die das Verbindungsgelenk zwischen Scherkopf und Korpus umgibt, sind bei dem Produkt der Antragsgegnerin sämtliche die wettbewerbliche Eigenart des Produkts der Antragstellerin prägenden Elemente übernommen worden, so dass das Produkt der Antragstellerin als Vorbild erkennbar ist. Geringfügige Abweichungen wie insbesondere die abweichende Ausgestaltung des Griffstücks auf der dem Benutzer abgewandten Seite wirken sich auf den Gesamteindruck nicht aus.
10d) Die Unlauterkeit der Nachahmung wird in dieser Konstellation jedenfalls durch die Ausbeutung des guten Rufs des Produkts der Antragstellerin begründet (§ 4 Nr. 3 b UWG).
11Die Antragstellerin hat nicht nur dargelegt, dass ihr Produkt bei den angesprochenen Verkehrskreisen sehr bekannt ist, sondern durch Auszüge aus Presseveröffentlichungen glaubhaft gemacht, dass es über einen guten Ruf als „Luxus-Rasierer“ im gehobenen Preissegment verfügt. Bezüglich des Produkts der Antragsgegnerin ist glaubhaft gemacht, dass es im unteren Preissegment angesiedelt ist.
12Die Antragstellerin hat ferner glaubhaft gemacht, dass es naheliegend ist, dass Verbraucher, die das Produkt der Antragsgegnerin erworben haben, nach dem Kauf die Manschette, die das Halsgelenk umgibt, entfernen werden. Der Senat konnte sich anhand des zur Akte gereichten Produkts davon überzeugen, dass diese Manschette ohne weiteres entfernt werden kann, und dass sie, wenn sie montiert ist, die Beweglichkeit des Scherkopfes beeinträchtigt. Es liegt daher nahe, sie als eine reine Transportsicherung anzusehen.
13Dann aber besteht die Gefahr, dass Dritte, die das Produkt in diesem gebrauchsfertigen Zustand (ohne Manschette) sehen – etwa bei einem Besuch in der Wohnung des Erwerbers – es für das Luxusprodukt der Antragstellerin halten. Es besteht die Gefahr, dass der durch hohe Marketinginvestitionen erworbene gute Ruf des Produkts der Antragstellerin durch den Vertrieb des weitaus preiswerteren Produkts der Antragsgegnerin verwässert wird (vgl. BGH, WRP 2007, 1076, 1081 – Handtaschen).
14Bei dieser Sachlage steht auch die verhältnismäßig unauffällig angebrachte Bezeichnung „T“ der Annahme einer unlauteren Produktnachahmung nicht entgegen.
15e) Der Senat hat mit Zustimmung der Antragstellerin die in den Antrag eingeblendete Abbildung des beanstandeten Produkts um eine solche des Produkts mit montierter Gummimanschette ergänzt. Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Antragsgegnerin das Produkt nur in dieser Form beworben hat, während die Unlauterkeit aus dem Vertrieb eines Produkts folgt, das ohne Manschette eine nachschaffende Übernahme des Produkts der Antragstellerin darstellt. Es handelt sich dabei nur um eine Klarstellung, nicht eine teilweise Abweisung des Antrags.
162. Der Verfügungsgrund wird vermutet. Die besondere Dringlichkeit, die eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung rechtfertigt, folgt aus dem sonst drohenden fortdauernden Vertrieb der Produkte.
173. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Referenzen
- § 4 Nr. 3 b UWG 1x (nicht zugeordnet)
- 31 O 191/16 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x