Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 20 U 62/21
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 28. Mai 2021 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 12 O 359/20 – wird hinsichtlich des Berufungsantrags zu 1) (Auskunftsanspruch) zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger macht weitere Ansprüche im Zusammenhang mit der Ausübung eines Widerspruchsrechts durch Schreiben vom 11. Juli 2019 gegen zwei mit der Beklagten im Jahr 2003 geschlossene kapitalbildende Rentenversicherungen nebst Zusatzversicherungen mit den Versicherungsnummern A und B geltend, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 17. Juli 2019 erklärt hatte, sie erkenne den Widerspruch bezüglich beider Versicherungsverträge dem Grunde nach an, und für diese mit zwei Schreiben vom 7. August 2020 die zurückzuzahlenden Beträge mit 34.241,81 € (für den Vertrag mit der Nummer A) und 79.854,24 € (für den Vertrag mit der Nummer B) berechnete und diese Beträge an den Kläger auszahlte. Wegen sämtlicher Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien und ihre zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
4Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt,
51.
6die Beklagte zu verurteilen, ihm bezüglich der Versicherungsverträge mit den Nummern A und B geordnet Auskunft darüber zu erteilen:
7a) auf welche einzelnen Bestandteile (wie z.B. Verwaltungskosten, Abschlusskosten, Risikokosten, Sparbetrag der für den Kläger angelegt wurde) die von dem Kläger gezahlten Prämien aufgeteilt wurden und wie hoch diese Anteile (absolut oder prozentual) sind;
8b) soweit die Aufteilung auf die einzelnen Bestandteile nicht über den gesamten Prämienzahlungszeitraum gleich blieben, mitzuteilen, für welche Monate oder Beitragszahlungen welche Aufteilung (absolut oder prozentual) stattfand;
9c) wann welche Anteile der gezahlten Prämien (Kosten) abgeflossen – also nicht mehr im Vermögen der Beklagten vorhanden waren – sind und wohin diese abflossen;
10d) wie die nicht oder noch nicht abgeflossenen Anteile der gezahlten Prämien in der gesamten Zeit, in welcher diese Anteile im Vermögen der Beklagten vorhanden waren bzw. sind – nach Zeitraum aufgeschlüsselt – konkret verwendet bzw. eingesetzt wurden, und welche Nutzungen die Beklagte mit den einzelnen Beträgen – nach Zeitraum aufgeschlüsselt – erwirtschaftete;
11e) welche eigenen Gelder aufgrund des Erhaltes der Prämien eingespart wurden in der gesamten Zeit, in welcher die Prämien im Vermögen der Beklagten vorhanden waren bzw. sind – nach Zeitraum aufgeschlüsselt – konkret verwendet bzw. eingesetzt wurden und welche Nutzungen die Beklagte mit den einzelnen Beträgen – nach Zeitraum aufgeschlüsselt – erwirtschaftete;
122.
13die Beklagte zu verurteilen, die Richtigkeit der erteilten Auskünfte an Eides statt zu versichern;
143.
15die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger alle gezahlten Prämien abzüglich bereits ausgezahlter Beträge und abzüglich der tatsächlich angefallenen Risikokosten und zuzüglich tatsächlich gezogener Nutzungen (deren Höhe erst nach erfolgter Auskunft berechnet werden kann) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
164.
17die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 106.843,61 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen und
185.
19die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.348,94 € freizustellen.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Das Landgericht hat die Klage vollumfänglich abgewiesen. Zur Begründung hat es – wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen – im Wesentlichen ausgeführt:
23Zwar treffe die Beklagte nach Treu und Glauben grundsätzlich eine Auskunftsverpflichtung, soweit der Kläger in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seiner Rechte im Ungewissen sei und die Beklagte die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben könne. Die vom Kläger begehrten Auskünfte gingen jedoch weit über die Angaben hinaus, welche der Kläger zu Berechnung und Bezifferung seiner Ansprüche in der dritten Stufe der Stufenklage benötige. Der Rückzahlungsanspruch setze sich zusammen aus einer Auskehrung der gezahlten Prämien abzüglich der Risikokosten und zuzüglich der von der Beklagten genannten gezogenen Nutzungen aus dem Sparanteil. Zu diesen Positionen habe die Beklagte dem Kläger bereits umfangreich Auskunft erteilt, der Kläger habe seinen vermeintlichen Zahlungsanspruch auch bereits beziffert. Weitergehende Auskünfte könne der Kläger nicht beanspruchen. Mit den bereits erteilten Auskünften sei er in der Lage, seinen bereits beziffert gestellten Leistungsantrag zu überprüfen. Dieser Leistungsantrag sei unbegründet, weil die durch Ausübung des Widerspruchsrechts zugunsten den Klägers entstanden Zahlungsansprüche durch die vorgerichtlich erfolgten Zahlungen der Beklagten bereits vollständig erfüllt worden seien, weitergehende Zahlungsansprüche bestünden nicht.
24Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren vollumfänglich weiterverfolgt. Er meint, das Landgericht habe verkannt, dass die Beklagte nicht substantiiert zu den Kostenbestandteilen der Versicherungen vorgetragen und der Kläger deshalb einen Anspruch auf weitergehende Auskunft habe. Die Auskünfte seien nicht abschließend und verifizierbar erteilt worden, weil die Beklagte nicht erläutert habe, wie und anhand welcher konkreten Parameter diese Zahlen zustande gekommen seien. Die Beklagte könne nicht einfach Zahlen in den Raum stellen, ohne diese zu belegen. Auch die von der Beklagten in der Berufungserwiderung erteilten weiteren Auskünfte seien zur Erfüllung seines berechtigten Auskunftsinteresses nicht ausreichend. Der Kläger bestreitet vor diesem Hintergrund weiterhin, dass die von der Beklagten vorgenommenen Berechnungen der sich aufgrund des Widerspruchs ergebenden Ansprüche des Klägers zutreffend gewesen seien.
25Das Landgericht habe die Zahlen der Beklagten nicht als zutreffend bewerten dürfen. Das Urteil sei deshalb auch unrichtig, soweit die Klageabweisung darauf gestützt ist, die Rückabwicklungsansprüche des Klägers seien bereits vollumfänglich erfüllt, deshalb könne der Leistungsantrag keinen Erfolg haben.
26Der Kläger beantragt,
27das am 28. Mai 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Köln zu ändern und zunächst auf erster Stufe hinsichtlich des Antrags zu 1) wie folgt neu zu fassen:
281.
29Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger bezüglich der Versicherungsverträge mit den Nummern A und B geordnet Auskunft darüber zu erteilen:
30a) auf welche einzelnen Bestandteile (wie z.B. Verwaltungskosten, Abschlusskosten, Risikokosten, Sparbetrag der für den Kläger angelegt wurde) die von dem Kläger gezahlten Prämien aufgeteilt wurden und wie hoch diese Anteile (absolut oder prozentual) sind;
31b) soweit die Aufteilung auf die einzelnen Bestandteile nicht über den gesamten Prämienzahlungszeitraum gleich blieben, mitzuteilen, für welche Monate oder Beitragszahlungen welche Aufteilung (absolut oder prozentual) stattfand;
32c) wann welche Anteile der gezahlten Prämien (Kosten) abgeflossen – also nicht mehr im Vermögen der Beklagten vorhanden waren – sind und wohin diese abflossen;
33d) wie die nicht oder noch nicht abgeflossenen Anteile der gezahlten Prämien in der gesamten Zeit, in welcher diese Anteile im Vermögen der Beklagten vorhanden waren bzw. sind – nach Zeitraum aufgeschlüsselt – konkret verwendet bzw. eingesetzt wurden, und welche Nutzungen die Beklagte mit den einzelnen Beträgen – nach Zeitraum aufgeschlüsselt – erwirtschaftete;
34e) welche eigenen Gelder aufgrund des Erhaltes der Prämien eingespart wurden in der gesamten Zeit, in welcher die Prämien im Vermögen der Beklagten vorhanden waren bzw. sind – nach Zeitraum aufgeschlüsselt – konkret verwendet bzw. eingesetzt wurden und welche Nutzungen die Beklagte mit den einzelnen Beträgen – nach Zeitraum aufgeschlüsselt – erwirtschaftete.
352.
36Die Beklagte wird verurteilt, die Richtigkeit der erteilten Auskünfte an Eides statt zu versichern.
373.
38Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger alle gezahlten Prämien abzüglich bereits ausgezahlter Beträge und abzüglich der tatsächlich angefallenen Risikokosten und zuzüglich tatsächlich gezogener Nutzungen (deren Höhe erst nach erfolgter Auskunft berechnet werden kann) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
394.
40Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 106.843,61 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
415.
42Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.348,94 € freizustellen.
43Die Beklagte beantragt,
44die Berufung zurückzuweisen.
45Sie verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
46Auf den Hinweis des Senats vom 11. Oktober 2021 (Bl. 258 f. GA), die Abrechnung der Beklagten zu beiden Verträgen dürfe in drei im Hinweis näher ausgeführten Punkten fehlerhaft sein, trägt die Beklagte in der Berufungserwiderung vom 10. Dezember 2021 (Bl. 269 ff. GA) ergänzend dazu vor, wie sich die Beiträge für die Zusatzversicherungen aufgliedern (Bl. 272 ff.): Sie gibt zum Vertrag mit der Nummer B die reinen Risikokosten der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) mit 3.021,12 € und die Risikokosten der Unfallzusatzversicherung (UZV) mit 2.649,40 € an. Zum Vertrag mit der Nummer A gibt sie die Risikokosten der UZV mit 1.079,00 € an und trägt vor, dieser Vertrag beinhalte keine BUZ. Erläuternd trägt sie vor, dass die Beiträge der UZV ausschließlich Risikobeträge seien. Die gezogenen Nutzungen aus den Sparanteilen der Beiträge auf Basis der Nettoverzinsung berechnen sich nach ihrem Vortrag auf Gesamtbeträge für den Vertrag mit der Nummer B in Höhe von 18.459,80 € und für den Vertrag mit der Nummer A in Höhe von 7.940,65 €, deren Zusammensetzung sie jahresweise tabellarisch auflistet.
47Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien und ihre zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
48In der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2022 hat der Kläger zunächst den Berufungsantrag zu 1) zur Entscheidung gestellt.
49II.
50Im ausgeurteilten Umfang hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg.
511.
52Der Berufungsantrag zu 1) ist nicht begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Auskunftsanspruch mehr zu.
53Dass zugunsten des Klägers aufgrund des von ihm erklärten Widerspruchs gegen die beiden Versicherungsverträge mit den Versicherungsnummern A und B dem Grunde nach jeweils ein Anspruch auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung entstanden ist, steht zwischen den Parteien nicht in Streit.
54Im Ausgangspunkt ist dem Kläger darin beizupflichten, dass die Beklagte ihm grundsätzlich zur Erteilung von Auskünften, die er zur Berechnung und Durchsetzung seiner sich nach Ausübung des Widerspruchsrechts ergebenden Zahlungsansprüche für jede der beiden streitgegenständlichen Versicherungsverträge benötigt, verpflichtet ist. Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) steht dem Versicherungsnehmer gegen den Versicherer ein Auskunftsanspruch zu, wenn und soweit der Versicherungsnehmer in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Versicherer die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2016 – IV ZR 507/15 –, VersR 2016, 1236, juris-Rz. 7; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2015 – IV ZR 28/15 –, VersR 2016, 173, juris-Rz. 15). Ohne Erfolg macht die Berufung indes geltend, die Beklagte habe bislang hinreichende Auskünfte nicht erteilt.
55Umfang und Inhalt der zu erteilenden Auskunft richten sich danach, welche Informationen der Versicherungsnehmer benötigt, um seinen Anspruch geltend machen zu können, soweit dem nicht Zumutbarkeitsgesichtspunkte oder andere Grenzen entgegenstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2016 – IV ZR 507/15 –, VersR 2016, 1236, juris-Rz. 7; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2015 – IV ZR 28/15 –, VersR 2016, 173, juris-Rz. 15). Soweit danach ein Auskunftsanspruch des Klägers ursprünglich bestand, ist er durch Erfüllung erloschen, denn die Beklagte hat die maßgeblichen Informationen erteilt, die der Kläger für die Berechnung der sich zu seinen Gunsten ergebenden Rückabwicklungsansprüche benötigt, die er sich jedoch nicht selbst beschaffen konnte. Eine weitergehende Auskunft oder eine Rechnungslegung sind von der Beklagten nicht geschuldet.
56Im Einzelnen:
57a)
58Der Antrag zu a) ist nicht begründet. Die Beklagte hat mitgeteilt, auf welche einzelnen Bestanteile die vom Kläger gezahlten Prämien aufgeteilt wurden und wie hoch diese Anteile sind. Schon vorgerichtlich hat sie in ihren Schreiben vom 7. August 2020 die Risikokosten mitgeteilt (Anlage C 8, Bl. 171 ff. GA). In ihrer Klageerwiderung hat sie erstinstanzlich die Verwendung der Beiträge tabellarisch und einzeln ausgewiesen für jedes Jahr der Versicherungen dargestellt, dabei die Risikokosten weiter aufgegliedert und die Verwaltungskosten und die Abschlusskosten ausgewiesen. Zudem hat sie den Sparanteil ausgewiesen. In der Berufungserwiderung hat die Beklagte ergänzend mitgeteilt, welche Anteile der auf die Zusatzversicherungen entfallenden Beträge, die bereits in der Klageerwiderung mitgeteilt worden waren, reine Risikokosten sind. Damit ist der mit dem Auskunftsantrag zu a) verfolgte Anspruch erfüllt.
59b)
60Auf die mit dem Auskunftsantrag zu b) begehrte Auskunft, für welche Monate oder Beitragszahlungen welche Aufteilung erfolgt ist, besteht nach der Rechtsprechung des Senats kein Anspruch, weil der Rückabwicklungsanspruch und insbesondere die aus dem Sparanteil gezogenen Nutzungen sich auch dann in ausreichender Weise gemäß § 287 ZPO schätzen lassen, wenn nur der Gesamtbetrag (insbesondere der Sparanteil) ausgewiesen wird (Teilurteil des Senats vom 30. Dezember 2021 – 20 U 101/21 –). Der hierauf gerichtete Klageantrag war damit von Anfang an unbegründet.
61Ungeachtet dessen hat die Beklagte ihre Mitteilung nach Versicherungsjahren übersichtlich aufgegliedert, so dass der vom Kläger mit dem Antrag zu 1b) verfolgte Anspruch, selbst wenn er gegeben gewesen wäre, jedenfalls durch Erfüllung erloschen ist.
62c)
63Hinsichtlich der mit dem Antrag zu c) begehrten Auskunft, welche Prämienbestandteile (Kosten) sich nicht mehr im Vermögen der Beklagten befanden, hat der Kläger kein Auskunftsinteresse schlüssig dargelegt. Insoweit war die Klage von Anfang an unbegründet.
64Dabei ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass bei einem – wie hier – auf Treu und Glauben gestützten Auskunftsbegehren der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen sein muss und sich die für ihn notwendigen Informationen nicht selbst auf zumutbare Weise beschaffen kann. Wofür der Kläger die mit dem Antrag zu c) begehrte Auskunft benötigt, ist nicht ersichtlich. Aus seinen Ausführungen in der Klageschrift ergibt sich, dass er aus dem Prämienanteil, der auf die Verwaltungskosten und die Abschlusskosten entfallen ist, keine Nutzungen geltend machen will (S. 26 der Klageschrift, Bl. 29 GA). Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen benötigt er die gewünschte Auskunft nicht.
65d)
66Soweit der Kläger mit dem Antrag zu d) Auskunft darüber begehrt, wie die (noch) nicht abgeflossen Anteile der gezahlten Prämien im Vermögen der Beklagten vorhanden waren bzw. sind und konkret verwendet bzw. eingesetzt wurden und welche die Nutzungen die Beklagte erwirtschaftete, zielt dies auf eine Auskunft über die Nutzungen ab.
67Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Beklagte grundsätzlich nur verpflichtet, den Sparanteil mitzuteilen; die Nutzungen kann der Versicherungsnehmer dann regelmäßig aus allgemein zugänglichen Quellen (etwa über die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen) selbst errechnen (vgl. Teilurteil des Senats vom 30. Dezember 2021, 20 U 101/21). Die Beklagte hat die Sparanteile bereits in der Klageerwiderung mitgeteilt und damit ihrer Auskunftsverpflichtung Genüge getan. Der insoweit bestehende Auskunftsanspruch ist erfüllt.
68Die Nettoverzinsung hat der Kläger auf Seite 31 der Klageschrift (Bl. 34 GA) selbst aufgelistet, wobei einige der Werte nach seiner Angabe mit dem Durchschnittswert der übrigen Jahre ins Ansatz gebracht wurden, soweit einzelne Werte nicht oder noch nicht verfügbar gewesen seien. Darin kommt zum Ausdruck, dass der Kläger erkennbar selbst in der Lage ist, die Nettoverzinsung in Erfahrung zu bringen. In diesem Fall bestehen aber kein Bedürfnis und damit kein sich aus § 242 BGB ergebender Anspruch des Klägers, diese Auskunft von der Beklagten zu erhalten. Darüber hinaus hat die Beklagte in der Berufungserwiderung die Nettoverzinsung, die sie bei ihrer Berechnung der mitgeteilten Beträge in Ansatz gebracht hat, für jedes Jahr der beiden Versicherungen vorgetragen. Damit ist der Kläger imstande, die Nutzungen zu berechnen.
69e)
70Der Antrag zu e) ist auf Auskunft darüber gerichtet, welche eigenen Gelder aufgrund des Erhalts der Prämien eingespart wurden und welche Nutzungen die Beklagte mit den einzelnen Beträgen erwirtschaftet habe. Diese begehrte Auskunft zielt darauf ab zu erfahren, ob und welche Nutzungen die Beklagte aus dem Verwaltungskostenanteil gezogen hat, für die der Versicherungsnehmer darlegungs- und beweisbelastet ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2015 – IV ZR 513/14 –, VersR 2016, 33, juris-Rz. 46 ff.).
71Da sich dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers jedoch entnehmen lässt, dass er aus dem Prämienanteil, der auf die Verwaltungskosten entfallen ist, keine Nutzungen geltend macht (siehe oben unter c), ist von ihm nicht schlüssig dargelegt, dass er diese Auskunft benötigt, so dass der Antrag zu e) unbegründet ist.
72Zudem hat die Beklagte bereits in der Klageerwiderung mitgeteilt, dass sie tatsächlich keine Nutzungen aus den Verwaltungskosten habe ziehen können, weil ihr Gesamtkostenergebnis in den maßgeblichen Vertragsjahren insgesamt negativ gewesen sei. Damit hat sie Auskunft erteilt, so dass ein Auskunftsanspruch, selbst wenn er entgegen der Auffassung des Senats ursprünglich bestanden hätte, jedenfalls erfüllt worden ist.
73f)
74Eine weitergehende Auskunft oder Rechnungslegung ist von der Beklagten nicht geschuldet.
75Die von der Beklagten erteilten Auskünfte versetzen den Kläger in die Lage, seine Zahlungsansprüche zu berechnen und den bislang unbezifferten Zahlungsantrag auf der dritten Stufe der Stufenklage zu beziffern. Sämtliche hierfür erforderlichen Beträge hat die Beklagte mitgeteilt. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass und welche zusätzlichen konkreten Informationen er für die Berechnung seines Anspruchs benötigen würde.
76Soweit der Kläger sich auf den Standpunkt stellt, ein Versicherer genüge nicht bereits durch die bloße Mitteilung eines Wertes ohne nähere Angaben seiner Auskunftsverpflichtung, und hierfür auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 7. Januar 2014 – IV ZR 216/13 -, juris-Rz. 16, Bezug nimmt, verkürzt er durch die nur ausschnitthafte Bezugnahme die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in dieser Entscheidung, in der es um eine fondsgebundene Rentenversicherung ging, zu stark und löst die Zitatstelle aus ihrem Kontext. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass die Mitteilung eines bloßen (Berechnungsergebnis-)Wertes ohne nähere Angaben nicht genüge. Die Beklagte hat jedoch nicht nur ein Ergebnis mitgeteilt, sondern bereits in den vorgerichtlichen Schreiben den jeweiligen (Gesamt-)Wert des Versicherungsschutzes und die gezogenen Nutzungen aufgeführt und schließlich im vorliegenden Verfahren die näheren Angaben durch Aufschlüsselung der Verwendung der Prämienzahlungen und die Mitteilung der von ihr zugrunde gelegten Verzinsung – jeweils zeitlich übersichtlich aufgelistet – nachgeliefert, aufgrund derer sie zu den in den Abrechnungsschreiben aufgeführten Werten gekommen ist. Der Bundesgerichtshof hat in der vom Kläger zitierten Entscheidung ausdrücklich auch ausgesprochen, dass ein Anspruch auf Rechnungslegung gegenüber dem Versicherer nicht bestehe (BGH, a.a.O., juris-Rz. 18).
77Das vom Kläger in Bezug genommene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2. Dezember 2015 – IV ZR 28/15 – (zitiert nach: juris) veranlasst ebenfalls keine andere Betrachtung. In jener Entscheidung geht es um die Höhe von Schlusszahlungen aus Bewertungsreserven und den Anspruch der Versicherungsnehmer, Auskunft zu erhalten über die mathematische Berechnung des Anteils der zum Zeitpunkt des Ablaufs der Lebensversicherung entfallenden Beteiligung an den Bewertungsreserven, die der Versicherer nach § 153 Abs. 3 Satz 1 VVG jährlich neu zu ermitteln und nach einem verursachungsorientierten Verfahren rechnerisch zuzuordnen hat. Konkret ging es darum, ob der Versicherer mitzuteilen habe, welche der im Rundschreiben der BaFin genannten Berechnungsparameter er angewendet und wie er diese beziffert sowie ob und gegebenenfalls welche Abweichungen er hiervon vorgenommen habe, dies in Verbindung mit dem von der Beklagten erstellten Geschäftsplan. In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass es nicht ausreiche, dass der Versicherer nur den isolierten Betrag der Schlusszahlung aus Bewertungsreserven mitgeteilt habe (BGH, a.a.O., juris-Rz. 18). Die Situation in jenem Fall ist mit der im vorliegenden Fall, in dem einfache Grundrechenoperationen und die mitgeteilten Werte ausreichen, um die Beträge zu berechnen, die sich zu Gunsten des Klägers nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen ergeben, nicht vergleichbar. Entsprechend verfängt auch die Bezugnahme des Klägers auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. Juni 2018 – IV ZR 201/17 – (zitiert nach: juris) nicht, weil auch dieses eine Auskunft über die mathematische Berechnung des Anteils der auf den Versicherungsnehmer entfallenden Beteiligungen an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven einschließlich ihrer Berechnungsgrundlagen betrifft.
78Soweit der Kläger in Abrede stellt, dass die erteilten Auskünfte im Hinblick auf die Risikokosten, Verwaltungs- und Abschlusskosten, Fondsgewinn sowie die Berechnungen richtig seien, steht dies der Annahme der Erfüllung des Auskunftsbegehrens nicht entgegen. Die inhaltliche Richtigkeit ist keine Voraussetzung für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs (vgl. Senatsurteile vom 6. November 2015 – 20 U 134/14 –, juris-Rz. 42 [bestätigt durch BGH, Beschluss vom 1. Juni 2016 – IV ZR 507/15 –, VersR 2016, 1236, juris-Rz. 12] und Teilurteil vom 30. Dezember 2021 – 20 U 101/21 –). Darüber hinaus ist lediglich ergänzend anzumerken, dass es sich vorliegend nicht um fondsgebundene Lebensversicherungen handelt.
79Falls der Kläger geltend machen wollte, die Auskunft sei materiell unvollständig, so würde auch dies keinen Anspruch auf Auskunftsergänzung begründen, sondern allenfalls einen Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskunft (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1980 – IV ZR 120/78 –, juris-Rz. 29).
802.
81Auch wenn der mit der Auskunftsstufe geltend gemachte Auskunftsanspruch bereits in erster Instanz unbegründet gewesen wäre, hätten vom Landgericht nicht zugleich die weiteren Anträge der Stufenklage abgewiesen werden dürfen.
82Eine Stufenklage darf nur dann insgesamt abgewiesen werden, wenn aus Sicht des Erstrichters feststeht, dass neben dem Auskunftsanspruch auch der in der dritten Stufe verfolgte Leistungsantrag nicht begründet ist (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 25. August 1999 – 1 U 1004/98 –, NJW-RR 2000, 229, juris-Rz. 39), insbesondere wenn schon die Prüfung des Auskunftsanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt (BGH, Urteil vom 16. Juni 2010 – VIII ZR 62/09 –, NJW-RR 2011, 189, juris-Rz. 24).
83Gemessen an diesen Grundsätzen konnte vorliegend eine Abweisung der weiteren Anträge der Stufenklage und kann eine Zurückweisung der Berufung insoweit nicht erfolgen.
84a)
85Der Kläger hat bezüglich beider Versicherungsverträge dem Grunde nach einen Anspruch auf Rückabwicklung. Da die Beklage dies nicht in Zweifel zieht, sondern mit Schreiben vom 17. Juli 2019 den Widerspruch bezüglich beider Versicherungsverträge ausdrücklich „dem Grunde nach anerkannt“ hat, bedarf es hierzu keiner näheren Ausführungen.
86b)
87Vorliegend ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Kläger nach Abweisung des Auskunftsanspruchs den Zahlungsantrag beziffern wird. Sein Auskunftsbegehren diente nicht dem Zweck, den Anspruch überhaupt erst zu begründen, sondern der Gewinnung zusätzlicher Anhaltspunkte für seine Bemessung (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 1981 – I ZR 34/79 –, NJW 1982, 235, juris-Rz. 49), um den bislang unbezifferten Leistungsantrag zu beziffern. Bei dieser Sachlage musste und muss dem Kläger vorbehalten bleiben, nach Abweisung der Auskunftsklage seinen Leistungsantrag mit Hilfe der ihm zugänglichen Erkenntnisse zu begründen (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 25. August 1999 – 1 U 1004/98 –, NJW-RR 2000, 229, juris-Rz. 39). Darüber hinaus muss ihm – sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen – auch die Möglichkeit eröffnet sein, die Richtigkeit der Auskunft überprüfen zu lassen, wozu der Antrag zu 2), der auf die Versicherung der Richtigkeit der erteilten Auskünfte an Eides Statt gerichtet ist, dienen kann.
88Selbst wenn im vorliegenden Fall abzusehen wäre, dass auch die weiteren Anträge nach dem bisherigen Sachvortrag des Klägers bei Bezifferung erfolglos bleiben werden, würde dies nicht dazu führen, dass die Stufenklage insgesamt abgewiesen werden könnte. Auch dann muss dem Kläger vorbehalten bleiben, seinen Leistungsantrag zu beziffern und zu begründen (vgl. Teilurteil des Senats vom 30. Dezember 2021 – 20 U 101/21 –).
89Vorliegend ist zudem zu beachten, dass zugunsten des Klägers bezüglich beider Versicherungsverträge ein weiterer Zahlungsanspruch begründet sein dürfte, weil die Beklagte bei ihrer Berechnung der bereicherungsrechtlichen Ansprüche des Klägers unter Zugrundelegung der in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten Auffassung des Senats die Kosten für den Risikoschutz der Hauptversicherung und mehr als die reinen Risikokosten der BUZ nicht anspruchsmindernd hätte berücksichtigen dürfen und die Nutzungen auf der Grundlage der Nettoverzinsung hätte in Ansatz bringen müssen.
903.
91Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst, weil sich aus diesem Urteil für keine der Parteien ein vollstreckbarer Anspruch ergibt.
924.
93Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu; die Zulassung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
945.
95Erst wenn dieses Teilurteil rechtskräftig geworden ist, darf über die nächste Stufe verhandelt und entschieden werden. Hierzu ist ein Antrag erforderlich, den nicht nur der Kläger, sondern auch die Beklagte stellen kann.
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