Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 16 UF 158/02

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des Amtsgerichts Tauberbischofsheim vom 29. Juli 2002 - 2 F 225/02- aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung dem Amtsgericht -Rechtspfleger- übertragen.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Beschwerdewert wird auf 1.500 Euro festgesetzt.

Gründe

 
I. Der Rechtspfleger hat festgestellt, dass die elterliche Sorge für die Kinder L. Z., geb. 1999, und E. Z., geb. 2001 gemäß § 1674 BGB ruht, da sich die Mutter wegen Verdachts des Totschlags in Untersuchungshaft befinde und sich der Vater seit Februar 2000 in Russland aufhalte. Obwohl die Mutter für den Fall der Bestellung eines Vormundes ihre Schwester vorgeschlagen hatte, wählte das Gericht das Kreisjugendamt des M.-Kreises als Vormund aus, da die Schwester der Kindesmutter dem Jugendamt gegenüber erklärt habe, ihr sei es zuviel, die Vormundschaft zu übernehmen.
Eine persönliche Anhörung der Mutter und ihrer Schwester ist unterblieben.
Gegen diesen Beschluss hat die Mutter form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt und dessen Aufhebung sowie fürsorglich die Bestimmung ihrer Schwester als Vormund beantragt. Die Kinder seien mit ihrem Einverständnis in einer Pflegefamilie untergebracht, so dass eine eilige Entscheidung nicht erforderlich sei. Darüber hinaus habe ihre Schwester sich ausdrücklich zur Übernahme der Vormundschaft bereit erklärt.
Das Jugendamt wurde angehört, der Vater ist unbekannten Aufenthalts.
II. Die gemäß §§ 621 e ZPO, 11 Abs. 1 RPflG statthafte befristete Beschwerde ist begründet.
Der nach § 3 Nr. 2 a RPflG zuständige Rechtspfleger (ein Richtervorbehalt nach § 14 RPflG besteht nicht)  hat es entgegen § 12 FGG unterlassen, ausreichend den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. So wurde weder die Mutter persönlich angehört noch die Geeignetheit des von ihr vorgeschlagenen Vormunds ausreichend überprüft.
Die Anhörungspflichten der §§ 50 a und b FGG gelten auch für das Verfahren auf Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge gemäß § 1674 BGB (vgl. Rahm/Künkel/Schneider, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, Teil III Rn 738). Nach § 50 a Abs. 1 Satz 2 FGG sind die Eltern persönlich anzuhören. Gemäß § 50 a Abs. 3 FGG darf im vorliegenden Fall das Familiengericht nur von der Anhörung aus schwerwiegenden Gründen absehen. Unterbleibt eine Anhörung allein wegen Gefahr in Verzug, so ist sie unverzüglich nachzuholen. Das Familiengericht hätte somit zumindest die Mutter der Kinder anhören müssen. Hinderungsgründe lagen nicht vor.
Darüber hinaus wäre auch eine persönliche Anhörung der als Vormund gemäß § 1776 BGB benannte Tante der Kinder erforderlich gewesen, da nach § 12 FGG das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen hat. Lediglich der Hinweis des Jugendamts (dessen Anhörung im Ermessen des Gerichts lag, nach § 49 a Abs. 2 FGG allerdings nicht vorgeschrieben ist) in seiner Stellungnahme vom 24.07.2002, die Schwester habe sich ablehnend geäußert, stellt insbesondere bereits im Hinblick auf eine eventuelle Übernahmeverpflichtung gemäß § 1785 BGB keine ausreichende Ermittlung dar.
Der Senat erachtet es wegen dieser wesentlichen Verfahrensmängel in entsprechender Anwendung des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für erforderlich, die Sache an das Familiengericht zurück zu verweisen. Es sind nicht nur die Mutter und ihre Schwester anzuhören, sondern auch noch deren Familiensituation zu eruieren. Schließlich erscheint auch eine Ermittlung des Aufenthaltsortes des Vaters nicht von vornherein ausgeschlossen, nachdem zumindest die Anschrift dessen Eltern bekannt ist, bei denen er sich aufgehalten hatte. Auch dieser wäre sodann noch anzuhören. Aufgrund der aufgeführten Mängel ist somit eine aufwändige Beweisaufnahme erforderlich, die auch eine Anhörung gemäß § 50 b FGG des inzwischen bald vierjährigen Sohnes nicht von vornherein ausschließt, so dass selbst die verschärften Voraussetzungen des § 538 ZPO n. F. für eine Zurückverweisung analog vorliegen.
10 
Die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei, da davon ausgegangen werden kann, dass sie im Interesse der Kinder eingelegt worden ist, § 131 Abs. 3 KostO. Im Übrigen folgt die Regelung der Kosten  aus § 13 a FGG.
11 
Der Beschwerdewert wurde abweichend vom Regelwert gemäß § 31 Abs. 1 S. 1,  § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 3 S. 1 und Abs. 2 KostO festgesetzt.
12 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 621 e Abs. 2 ZPO.

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