Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 1 Ws 157/03

Tenor

Der Antrag des Anzeigeerstatters X. vom 26. Mai 2003 auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft vom 15. April 2003 wird als unzulässig verworfen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller ist seit 1999 Eigentümer eines in Y. gelegenen Anwesens, in welchem seit den fünfziger Jahren bis zu ihrem Konkurs im Jahre 1996 eine Zifferblattfabrik ansässig war. Seit 1981 war dem Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt U. - entsprechende Genehmigungen hierfür wurden erteilt - bekannt, dass auf dem Betriebsgelände mit Radium-226-haltiger Leuchtfarbe umgegangen wurde und Zifferblätter für die Uhrenindustrie mit Promethium-147-haltiger Leuchtfarbe bestrichen wurden. Bei einer im Jahre 1997 durchgeführten Messung des Landesamtes für Umweltschutz wurden in Einzelfällen die zulässigen Grenzwerte überschreitende Kontaminationen von Tritium und Promethium festgestellt, weshalb das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt dem eingesetzten Konkursverwalter am 13.08.1997 mitteilte, die betroffenen Räumlichkeiten müssten zum Ausschluss einer Gefährdung von Personen verschlossen gehalten, durch eine Fachfirma dekontaminiert werden, der anfallende radioaktive Müll müsse sichergestellt und an eine Sammelstelle verbracht werden. Entsprechende Aufforderungen ergingen am 30.03.1999 und 17.07.2001 auch an den Antragsteller als neuen Eigentümer des Anwesens. Dieser beauftrage jedoch keine Fachfirma, sondern - ohne das Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt einzuschalten - aus Kostengründen eine angeblich in Spanien ansässige Firma, deren Geschäftsführer den radioaktiven Müll über einen in N. ansässigen Schrotthändler auf einer in Deutschland gelegenen Mülldeponie entsorgen lassen wollte. Im Rahmen der erfolgten polizeilichen Sicherstellung des Materials auf einem Schrottplatz in N. konnten bei Messingringen, Stahlstanzformen und mehreren Maschinen - eine wies mehr als 1000 Bq/qcm auf - erhöhte und teilweise erheblich über dem Grenzwert liegende radioaktive Antragungen festgestellt werden.
Am 02.02.2003 erließ das Amtsgericht V. deshalb gegen den Antragsteller einen Strafbefehl. Der darin enthaltene Vorwurf des unerlaubtem Umgangs mit gefährlichen Abfällen (§ 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB) ist zwischenzeitlich durch - noch nicht rechtskräftiges - Urteil des Amtsgerichts V. vom 21.07.2004 bestätigt worden.
Der Antragsteller hat am 17.09.2001 gegen den zuständigen Sachbearbeiter beim Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt U. - Dr. Z. - u.a. wegen unerlaubtem Umgang mit gefährlichen Abfällen Strafanzeige erstattet und nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft am 07.02.2003 gegen den Widerspruchsbescheid der Generalstaatsanwaltschaft vom 15.04.2003 am 26.05.2003 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Der Antragstellers ist der Auffassung, der Beschuldigte habe sich als zuständiger Sachbearbeiter des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts durch Unterlassen nach § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar gemacht, weil er jahrelang geduldet habe, dass radioaktive Abfälle unsachgemäß in der Zifferblattfabrik abgelagert worden seien.
II.
1. Der fristgemäß erhobene Klagerzwingungsantrag ist nicht zulässig.
Zwar entspricht er entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 172 Abs. 3 StPO), da er den zugrunde liegenden Sachverhalt und die Beweisergebnisse des durchgeführten Ermittlungsverfahrens noch in ausreichender Weise darlegt und sich unter Wiedergabe der entsprechenden Bescheide mit den Gründen auseinandersetzt, welche die Ermittlungsbehörde zur Einstellung des Verfahrens bewogen haben.
Der Antrag ist aber unzulässig, weil dem Antragsteller die Antragsbefugnis fehlt. Einen Antrag auf Klageerzwingung kann nur derjenige stellen, der durch die Straftat, deren Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft er erstrebt, verletzt ist. Verletzter im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO ist aber nur derjenige Antragsteller, der durch die behauptete Tat unmittelbar in einem eigenen durch die in Betracht kommende materielle Strafrechtsnorm geschützten Rechtsgut betroffen wäre (OLG Karlsruhe NStZ 2001, 112 ff.). Dies ist der Antragsteller nicht.
Die Vorschriften des Umweltstrafrechts (§§ 324 ff. StGB) dienen nämlich nicht unmittelbar dem Schutz des Einzelnen, sondern haben die überindividuellen Belange der Allgemeinheit, vor umweltschädlichen Einflüssen geschützt zu werden, im Blickfeld. Es fehlt daher an der Verletzteneigenschaft, weil die Normen nicht rechtliche Positionen des Einzelnen schützen sollen, so dass dieser nur mittelbar als Teil der Allgemeinheit hiervon betroffen ist (OLG Köln NJW 1972 1338 f.; KK-StPO/Schmid, 5. Aufl. 2003, § 172 Rn. 28; Löwe/Rosenberg-Wohlers, StPO, 25. Aufl., § 172 Rn. 28; Hefendehl GA 1999, 584 ff, 595).
Soweit vorliegend individuelle Rechtsgüter des Antragstellers betroffen sein könnten, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. In Betracht kommt allenfalls das Vermögen des Antragstellers, welcher bei einem zeitnahen energischen Einschreiten der Behörden durch Vornahme von Zwangsmaßnahmen möglicherweise ein nicht kontaminiertes Anwesen erworben und Vermögenseinbußen vermieden hätte. Rechtsgut der als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgeformten Bestimmung des § 326 StGB ist aber die menschlichen Gesundheit und die Reinhaltung der ökologischen Umwelt, insbesondere bei § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB der Schutz von Gewässer, Luft und Boden (BGHSt 40, 79 ff.; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Auflage 2004, § 326 Rn. 1), so dass Vermögensinteressen dem Schutzbereich der Norm nicht unterfallen und der Antragsteller sich im Klageerzwingungsverfahren hierauf auch nicht berufen kann (vgl. Hefendehl, a.a.O., S. 590 ff.; Löwe/Rosenberg-Wohlers, a.a.O., Rn. 27).
Ob eine andere Beurteilung der Antragsbefugnis vorzunehmen wäre, wenn der Antragsteller in seiner Gesundheit durch Strahleneinwirkung tatsächlich verletzt (vgl. OLG Köln NJW 1972, 1338, 119) und nicht nur allenfalls abstrakt gefährdet (vgl. OLG Stuttgart NJW 1997, 1320 f.) worden wäre, braucht der Senat nicht zu entscheiden, denn eine solche Beeinträchtigung hat der Antragsteller nicht vorgebracht.
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2. Im Übrigen wäre der Antrag auch unbegründet. Zwar kann grundsätzlich auch ein zuständiger Beamter aufgrund einer Garantenstellung den Tatbestand des § 326 StGB durch Unterlassen verwirklichen, aber - ohne dass die weiteren Voraussetzungen der Norm näher zu prüfen wären - nur dann, wenn er die ihm verwaltungsrechtlich eingeräumten Beurteilungs- und Ermessensspielräume überschreitet (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 103 ff.; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Auflage 2004, Vor § 324 Rn. 13 ff., 18; LK-Steindorf, 11. Aufl. 1997, Vor § 324 Rn 55). Dass das Ermessen des Beschuldigten vorliegend aber auf null reduziert gewesen wäre und er durch Einleitung von Zwangsmaßnahmen die alsbaldige Entsorgung der kontaminierten Räumlichkeiten und Gegenstände hätte veranlassen müssen, ist nicht ersichtlich, zumal er ständig auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes gedrungen hat und - nach vorliegender Aktenlage - von dem kontaminierten Material jedenfalls während der Lagerung in den verschlossenen Räumlichkeiten der Zifferblattfabrik keine akuten Gefahren für die Bevölkerung ausgingen.
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3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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