Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg (Breisgau) vom 20. Dezember 2005 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde an das Amtsgericht F. zurückverwiesen.
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Das Amtsgericht Freiburg (Breisgau) hat den Betroffenen mit Urteil vom 20.12.2005 wegen fahrlässiger Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage mit einer Geldbuße von 125 Euro belegt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.
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Die zulässig erhobene und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde hat vorläufigen Erfolg.
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Die Amtsrichterin hat das Hauptverhandlungsprotokoll ohne Zuziehung einer Urkundsbeamtin erstellt und dabei ein für den Verlauf der Hauptverhandlung nicht passendes Protokollformular verwendet, nach welchem vorgedruckt nicht ein Urteil, sondern ein Beschluss gemäß § 47 Abs. 2 OWiG am Ende der Verhandlung stand. Die Richterin hat den Beschluss handschriftlich aus dem Protokoll gestrichen und an seiner Stelle vermerkt: „Urteil lt. Anlage“. Auf dem Formular hat die Richterin den Vermerk über die Fertigstellung des Protokolls unterzeichnet.
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Die Anlage zum Protokoll, die die Richterin ebenfalls unterzeichnet hat, lautet:
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„Der Richter verkündet durch Verlesen der Urteilsformel und mündliche Mitteilung der wesentlichen Urteilsgründe im Namen des Volkes folgendes Urteil“. Sodann folgen der Urteilstenor und die Liste der angewandten Strafvorschriften. Danach enthält die Anlage die Vermerke: „Rechtsmittelbelehrung wurde erteilt“ und „Belehrung bezüglich Fahrverbot wurde erteilt.“ Auf der Rückseite der Anlage findet sich die folgende Verfügung: „1.Register 2. Zählkartenabschluss 3. Akte Rv. StA F. gem. § 41 StPO 4. Beleg, WV 1 Woche“. Diese Verfügung wurde auch ausgeführt. Das Anlageblatt trägt den Vermerk der Staatsanwaltschaft F.: „ Vorgelegt an Zustellungs statt am 20.12.2005“. Nachdem der Betroffene am 23.12.2005 Rechtsbeschwerde eingelegt hatte, fertigte die Amtsrichterin ein mit Gründen versehenes Urteil, das am 05.01.2006 bei der Geschäftsstelle einging und sodann dem Verteidiger gegen Empfangsbekenntnis und der Staatsanwaltschaft gemäß § 41 StPO zugestellt wurde.
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Bei dieser Sachlage unterliegt das zunächst der Staatsanwaltschaft zugestellte, keine Gründe enthaltende Urteil der Prüfung durch den Senat. Es ist aufzuheben, weil es unzulässiger Weise keine Gründe enthält, so dass dem Senat eine Überprüfung des Urteils auf materiell-rechtliche Fehler nicht möglich ist.
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Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist die Ergänzung eines Urteils, das aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist, grundsätzlich unzulässig, sofern nicht ein Ausnahmefall im Sinne von § 77 b OWiG gegeben ist. Letzteres ist hier nicht der Fall. Da das Amtsgericht die Akten mit dem das Urteil enthaltenden Protokoll der Staatsanwaltschaft gemäß § 41 StPO, derjenigen Vorschrift, die die förmliche Zustellung gerichtlicher Entscheidungen an die Staatsanwaltschaft regelt, übersandt hat, scheidet auch die Annahme aus, das Amtsgericht habe die Akten der Staatsanwaltschaft lediglich zu Informationszwecken über den Verfahrensausgang zugeleitet, so dass es am Zustellungswillen des Gerichts gefehlt hätte. Einer solchen Auslegung der gerichtlichen Verfügung steht insbesondere auch entgegen, dass das Gericht zugleich den Registeraustrag des Verfahrens und die Erledigung der Zählkarte verfügt hat. Dies belegt eindeutig, dass das Gericht das Urteil in der Form, wie es im Protokoll enthalten ist, als verfahrensabschließend angesehen und gewollt hat.
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Der Senat übersieht nicht, dass die Verfahrensweise des Amtsgerichts, der Staatsanwaltschaft das im Protokoll enthaltene Urteil gemäß § 41 StPO zuzustellen, in Einklang mit Kommentierungen zum OWiG zu stehen scheint. Nach der im Kommentar von Göhler (Göhler, OWiG, 14. Auflage, § 77 b Rdnr. 3) vertretenen Auffassung ist es zweckmäßig, bei Fehlen eines Rechtsmittelverzichts des Betroffenen nicht darauf zu warten, ob er ein Rechtsmittel einlegt, sondern das Urteil nach der Hauptverhandlung der Staatsanwaltschaft durch Übersendung der Akten zuzustellen mit der Anfrage, ob sie auf Rechtsmittel verzichtet, weil dieser Weg schneller und eine spätere Absetzung der Urteilsgründe (bei einer eventuellen Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft nach -Zustellung des Urteils ohne Gründe) erfahrungsgemäß aufwendiger ist. Diese Auffassung wird auch im KK-OWiG (3. Aufl., § 77 b Rdnr.5) vertreten. Allerdings lassen beide Kommentare in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit entgegenstehenden Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte vermissen, die für den Fall einer Zustellung des nicht mit Gründen versehenen Urteils an die Staatsanwaltschaft gemäß § 41 StPO, davon ausgehen, dass das Urteil nicht mehr ergänzt werden kann (OLG Celle, NStR-RR 2000, 180; OLG Brandenburg NStZ-RR 2004, 121; OLG Rostock B. vom 6.10.2004 bei juris).Möglicherweise beruht dies darauf, dass in beiden Kommentaren der Begriff „Zustellung“ nicht im strengen Sinne der förmlichen Zustellung gemäß § 41 StPO, sondern im Sinne einer formlosen Mitteilung verstanden werden soll. Dafür sprechen die Ausführungen bei Göhler aaO Rdnr. 9. Mit Recht weisen auch das OLG Celle und das OLG Rostock darauf hin, dass es zur Herbeiführung einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft über eine Rechtsmittelverzicht ausreicht, die Akten mit dem Hauptverhandlungsprotokoll und einer entsprechenden Anfrage formlos zu übersenden.
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