Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 11 Wx 137/06

Tenor

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 25. Oktober 2006 - 4 T 266/06 - dahingehend abgeändert, dass die sofortige Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 24. Februar 2006 zurückgewiesen wird und die Staatskasse dem Beteiligten zu 1 seine im landgerichtlichen Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat.

2. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 224,40 EUR festgesetzt.

Gründe

 
l. Mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 07.02.2005 wurde für die Betroffene im Wege der einstweiligen Anordnung eine Betreuung eingerichtet und ihr Ehemann vorläufig bis zum 06.08.2005 zum Betreuer mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitssorge bestellt. Mit Beschluss vom 07.10.2005 bestellte das Vormundschaftsgericht für die Betroffene eine Berufsbetreuerin mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, Vertretung bei der Organisation der häuslichen Versorgung, gegenüber Behörden sowie Sozialversicherungs- und Krankenhausträgern. Dieser Beschluss wurde der Betreuerin am 21.10.2005 bekannt gemacht. Nachdem die Betreuerin erkrankt war, bestellte das Vormundschaftsgericht mit Beschluss vom 10.11.2005 den Beteiligten zu 1 zum Verhinderungsbetreuer, der die Betreuung berufsmäßig führt. Dieser übte sein Amt vom 15.11.2005 bis 17.02.2006 aus.
Der Beteiligte zu 1 hat für die Betreuung der mittellosen Betroffenen, die nicht in einem Heim lebte, die Festsetzung einer Vergütung mit einem Stundenansatz von insgesamt 20,8 Stunden beantragt, wobei er den Beginn der Betreuung auf den 21.10.2005 angesetzt hat. Das Vormundschaftsgericht hat die Vergütung antragsgemäß in Höhe von 915,20 EUR aus der Staatskasse bewilligt. Auf die sofortige Beschwerde der Staatskasse hat das Landgericht die Vergütung des Beteiligten zu 1 auf 690,80 EUR gekürzt. Mit der zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde begehrt der Beteiligte zu 1 die Wiederherstellung der vormundschaftsgerichtlichen Entscheidung.
l.l. Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 ist infolge seiner Zulassung durch das Landgericht statthaft (§§ 69e Abs. 1 Satz 1, 56g Abs. 5 Satz 2 FGG) und auch im Übrigen unbedenklich zulässig. Es hat in der Sache Erfolg und führt zur Wiederherstellung der vormundschaftsgerichtlichen Entscheidung.
1. Nach §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 3 BGB richtet sich die Höhe der Vergütung eines Berufsbetreuers nach dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG). Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 VBVG ist der dem Betreuer zu vergütende Zeitaufwand bei einem mittellosen Betreuten, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Heim hat, in den ersten drei Monaten der Betreuung mit sieben, im vierten bis sechsten Monat mit fünfeinhalb, im siebten bis zwölften Monat mit fünf und danach mit dreieinhalb Stunden im Monat anzusetzen. Gem. § 6 Satz 2 VBVG erhält der nach § 1899 Abs. 4 BGB bestellte Verhinderungsbetreuer, wenn die Verhinderung tatsächlicher Art war, die nach dem pauschalen Stundenansatz bemessene anteilige Betreuervergütung. Der Beteiligte zu 1 ist der Ansicht, die Betreuung habe - was den Stundenansatz des Betreuers gem. § 5 Abs. 1 und 2 VBVG angeht - am 21.10.2005 begonnen, als der Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 07.10.2005 über die endgültige Einrichtung einer Betreuung der Betreuerin bekannt gemacht wurde (§ 69a Abs. 3 Satz 1 FGG). Das Vormundschaftsgericht ist dem gefolgt und hat dem Beteiligten zu 1 für seine Tätigkeit als Verhinderungsbetreuer vom 15.11.2005 bis 17.02.2006 eine Vergütung nach einem Stundenansatz von 20,8 Stunden in Höhe von 915,20 EUR bewilligt, die gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG aus der Staatskasse zu entrichten ist. Demgegenüber vertritt die landgerichtliche Beschwerdeentscheidung in Übereinstimmung mit dem Vertreter der Staatskasse die Auffassung, als Beginn der Betreuung im Sinne von § 5 Abs. 1 und 2 VBVG sei die Einrichtung der vorläufigen Betreuung gem. § 69f FGG zu werten, die mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 07.02.2005 erfolgt ist; der Lauf der Fristen sei in dem Zeitraum, in dem keine Betreuung bestand, lediglich unterbrochen worden. Dem Beteiligten zu 1 seien somit lediglich 15,7 Stunden zu vergüten, was zu einer Vergütung in Höhe von 690,80 EUR führe.
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Für die Vergütung des Beteiligten zu 1 ist als Beginn der Betreuung gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 VBVG der Zeitpunkt anzunehmen, mit dem die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts über die Bestellung eines endgültigen Betreuers dem Betreuer bekannt gemacht und damit gem. § 69a Abs. 3 Satz 1 FGG wirksam wurde.
a) Mit dem durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts eingeführten Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die Ermittlung der Vergütung der Berufsbetreuer zu vereinfachen. Dieses Ziel will der Gesetzgeber durch Einführung von „harten“ Pauschalen erreichen, die von Beginn des Betreuungsverfahrens an feststehen und vom tatsächlichen Aufwand im konkreten Fall unabhängig sind. Deswegen enthält das Gesetz - von wenigen Sonderfällen abgesehen - keine Ausnahmetatbestände, weil solche zu Streitigkeiten über seinen Anwendungsbereich und ggfs. eine analoge Anwendung führen würden. Die Angemessenheit der Vergütung soll sich aus einer Mischkalkulation zwischen aufwändigen und weniger aufwändigen Fällen innerhalb der Fallgruppe ergeben; das Pauschalisierungssystem beruht auf einer vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag gegebenen rechtstatsächlichen Untersuchung (Begründung des Gesetzentwurfes, BT-Drucks. 15/2494, S. 31 ff.).
Der Gesetzeswortlaut stellt bei der Staffelung der Stundenansätze des Betreuers auf die Dauer der Betreuung als solche und nicht auf die Dauer der Tätigkeit des einzelnen Betreuers ab. Um den mit der Pauschalierung verfolgten Zweck der Vereinfachung und Streitvermeidung nicht zu vereiteln, sieht das Gesetz keine Ausnahme für den Fall eines Betreuerwechsels vor. Die obergerichtliche Rechtsprechung - auch des Senats - sieht die erstmalige Begründung des Betreuungsverhältnisses auch dann als maßgebend für die Höhe des Stundenansatzes des Betreuers an, wenn auf einen ehrenamtlichen Betreuer ein Berufsbetreuer folgt (Senatsbeschluss vom 15.11.2006 - 11 Wx 35/06 - OLGR 2007, 169; OLG Schleswig FGPrax 2006, 120; OLG München FamRZ 2006, 647; OLG Hamm FGPrax 2006, 209; OLG Karlsruhe, 19. Zivilsenat, OLGR 2006, 667). Das Pauschalierungssystem ist auch von den Aufgabenkreisen des Betreuers unabhängig. Der mit einer Erweiterung des Aufgabenkreises verbundene Mehraufwand soll nach Ansicht des Gesetzgebers in den Pauschalen enthalten sein, weshalb eine solche Erweiterung nicht zu einem Neubeginn der in § 5 Abs. 1 und 2 VBVG enthaltenen zeitlichen Staffelung führen kann (Entwurfsbegründung, BT-Drucks. 15/2494, S. 34 f). Schließlich ist es unerheblich, ob die erstmalige Bestellung eines Betreuers durch eine einstweilige Anordnung erfolgt oder nicht (OLG Zweibrücken FGPrax 2006, 121, 122; Entwurfsbegründung, BT-Drucks. 15/2494, S. 33).
b) Wie zu verfahren ist, wenn eine Betreuung endet, abläuft oder aufgehoben wird und später erneut ein Betreuer bestellt wird, ist im VBVG nicht ausdrücklich geregelt. Die Begründung des Gesetzentwurfes führt hierzu aus, in Fällen, in denen eine Betreuung aufgehoben und kurze Zeit später erneut ein Betreuer bestellt werde, sei im Einzelfall zu klären, ob es sich jeweils um eine Erstbetreuung mit der Folge der erhöhten Anfangsvergütung handle. Grundsätzlich sei von einer Erstbetreuung auszugehen; Missbräuchen werde das Vormundschaftsgericht begegnen können (BT-Drucks. 15/2494, S. 35).
Das OLG Zweibrücken hat eine erneute Erstbetreuung angenommen, die die Zubilligung der erhöhten Anfangsvergütung rechtfertigt, wenn eine vorläufige angeordnete Betreuung in Folge Zeitablaufs endet und erst neun Monate später erneut eine Betreuung angeordnet wird (FGPrax 2006, 121). Nach Ansicht des OLG München kann der Stundenansatz einer Erstbestellung nicht gewährt werden, wenn nach dem Tod des Betreuers ein neuer Betreuer bestellt wird und die zeitliche Lücke innerhalb der Betreuung drei Monate nicht überschreitet (FamRZ 2006, 647); im Einzelfall soll sogar eine zeitliche Lücke von sechs Monaten zwischen dem Ende einer vorläufigen Betreuung und der endgültigen Betreuerbestellung nicht zur Annahme einer Erstbetreuung führen (FGPrax 2006, 213). Dem gegenüber wird in der Literatur die Ansicht vertreten, es setze generell eine neue Monatsberechnung ein, wenn zwischen der Bestellung als vorläufiger Betreuer und der als Regelbetreuer eine Vakanz entsteht, weil vor dem Ende der einstweiligen Anordnung die Bestellung als Regelbetreuer noch nicht wirksam geworden ist (Staudinger/Bienwald, BGB, Bearbeitung 2006, § 1908i Rdn. 322).
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c) Im vorliegenden Fall endete die vorläufige Betreuung am 06.08.2005, während die Bestellung des Regelbetreuers am 21.10.2005 wirksam wurde. Dieser Zwischenraum von zweieinhalb Monaten ist nach Ansicht des Senats nicht unerheblich und indiziert die Annahme einer Erstbetreuung mit der Folge der erhöhten Anfangsvergütung. Alle weiteren Umstände des konkreten Einzelfalls sprechen nicht gegen, sondern für diese Annahme. Mit der Einrichtung der Regelbetreuung wurde nicht nur der Aufgabenkreis des Betreuers gegenüber der vorläufigen Betreuung erweitert. Auch in der Person des Betreuers trat ein Wechsel ein; der bisher ehrenamtlich tätige vorläufige Betreuer wurde durch einen Berufsbetreuer ersetzt. Dies geschah deshalb, weil der ehrenamtlich tätige vorläufige Betreuer - der Ehemann der Betroffenen - mit der Betreuung überfordert und deshalb im Wesentlichen untätig geblieben war. Der nach der zeitlichen Vakanz eingesetzte Regelbetreuer stand somit vor einer Situation, wie sie typischerweise einer Erstbetreuung entspricht. Durch die erhöhten Stundenansätze im ersten Betreuungsjahr soll pauschaliert der höhere Arbeitsaufwand bei Neubetreuungen abgegolten werden (OLG München FamRZ 2006, 647, 649). Dann können diese vorliegend dem Beteiligten zu 1 nicht versagt bleiben.
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d) Die Entscheidungen des OLG München vom 28.07.2006 (FGPrax 2006, 213) und vom 09.02.2006 (FamRZ 2006, 647) sowie die Beurteilung des vorliegend zu entscheidenden Falles durch den Senat haben nicht zur Folge, dass die Sache gem. § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof vorgelegt werden muss (vgl. BGH NJW 2004, 3339; BGH NJW-RR 1997, 1162). Im Fall der Entscheidung vom 28.07.2006 war die Betreuerin nach dem Ende der vorläufigen Betreuung bis zur Bestellung als Regelbetreuerin weiter für den Betreuten tätig und beantragte für diesen Zeitraum eine Vergütung, die ihr das Vormundschaftsgericht auch bewilligte. Dann musste sie sich nach Ansicht des OLG München hieran auch für den Folgezeitraum festhalten lassen (FGPrax 2006, 213, 215). Im Fall der Entscheidung vom 09.02.2006 war der Betreuer gestorben und nach ca. drei Monaten ein neuer Betreuer bestellt worden. Durch den Tod des Betreuers wird die Betreuung jedoch nicht beendet (vgl. nur Staudinger/Bienwald § 1908b Rdn. 1; Begründung des Entwurfs zum Betreuungsgesetz, BT-Drucks. 11/4528, S. 155). Es ist lediglich ein neuer Betreuer zu bestellen (§ 1908c BGB). Bei der nach der Gesetzessystematik gebotenen formalen Betrachtungsweise kann in einem solchen Fall grundsätzlich nicht von einer Erstbetreuung ausgegangen werden. Diese kann allenfalls ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen angenommen werden.
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3. Die Entscheidung über die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Auslagen folgt aus § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG, diejenige des Verfahrens der weiteren Beschwerde aus § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG (vgl. Keidel/Zimmermann, FGG, 15. Auflage, § 13a Rdn. 41).

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