Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 11 Wx 66/15

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Zurückweisungsbeschluss des Amtsgerichts Mannheim - Grundbuchamt - vom 1. Juni 2015 - MAN 008 GRG 410/2015 - aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, die Anträge vom 27. März 2015 nicht aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Der Beteiligte zu 1, der als befreiter Vorerbe Eigentümer eines Grundstücks ist, wendet sich dagegen, dass sein nach Verkauf gestellter Antrag auf Eintragung eines Eigentümerwechsels und Löschung eines Nacherbenvermerks wegen fehlenden Nachweises der Zustimmung von Nacherben und Ersatznacherben zurückgewiesen worden ist.
Der Beteiligte zu 1 ist - unter Beifügung eines Nacherbenvermerks - seit 1996 als Eigentümer zweier landwirtschaftlich genutzter Flächen in L. mit zusammen 2.500 m2 eingetragen. Dem liegt ein gemeinschaftliches notarielles Testament vom 16. Juli 1992 zugrunde, in dem der Beteiligte zu 1 von seiner Ehefrau als alleiniger befreiter Vorerbe eingesetzt worden war. Als Nacherbe wurde der Beteiligte zu 3, als Ersatznacherben die Schwester des Ehemanns und die Pflegeeltern der Ehefrau eingesetzt.
Mit Notarvertrag vom 22. Januar 2015 veräußerte der Beteiligte zu 1 den Grundbesitz für EUR 8.750 - entsprechend EUR 3,50 pro m2 - an den Beteiligten zu 2. Aufgrund einer ihr im Kaufvertrag erteilten Vollmacht bewilligte die Urkundsnotarin am 27. März 2015 den Eigentumsübergang und beantragte eine entsprechende Eintragung unter gleichzeitiger Löschung der Auflassungsvormerkung und des Nacherbenvermerks.
Das Grundbuchamt machte den Vollzug durch Zwischenverfügung vom 31. März 2015 davon abhängig, dass die Zustimmung der Nacherben und Ersatznacherben nachgewiesen oder zumindest deren Anschrift mitgeteilt werde. Es vertrat die Auffassung, die Anhörung dieser Beteiligten sei geboten, weil das Grundbuchamt zu prüfen habe, ob der Vorerbe nicht im Sinne von § 2113 Absatz 2 BGB unentgeltlich verfüge. Vereinbart sei ein Preis von lediglich EUR 3,50 je Quadratmeter; Landwirtschaftsfläche sei aber „in der Regel mehr Wert“. Die Geschäftsstelle des Gutachterausschusses der Stadt L. hatte dem Beteiligten zu 1 mit Schreiben vom 10. Dezember 2014 mitgeteilt, dass der Bodenrichtwert mit Stand 31.12.2014 EUR 3,50 je Quadratmeter betrage. Das Grundbuchamt hielt mit einer ergänzenden Zwischenverfügung vom 16. April 2015 an seiner bisherigen Auffassung fest. Im weiteren Verfahrensverlauf hat das Grundbuchamt seine Auffassung, dass eine teilweise unentgeltliche Verfügung vorliegen könne, auch darauf gestützt, dass die landwirtschaftlichen Flächen zeitweise mit einer Grundschuld über EUR 35.790,43 belastet gewesen seien.
Das Grundbuchamt hat den Eintragungsantrag mit Beschluss vom 1. Juni 2015 zurückgewiesen, weil die Genehmigung des Nacherben bzw. der Ersatznacherben nicht nachgewiesen sei. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1. Dieser hat zu der Grundschuld ergänzend vorgetragen, dass der ihnen zugrunde liegende Kredit auch anderweitig gesichert gewesen sei.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Es hat ergänzend ausgeführt, dass der Wert der Grundstücke im Jahre 1986 bei einer Schenkung mit DM 18.964 angegeben worden sei. Im Jahre 1987 seien die Grundstücke mit einer Grundschuld über DM 50.000 belastet worden.
Der vom Beschwerdegericht angehörte Nacherbe hat durch an das Beschwerdegericht gerichteten Schriftsatz vom 15. August 2015 mitgeteilt, dass er gegen eine Entscheidung des Gerichts nach Aktenlage keine Einwendungen erhebe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die angefochtene Entscheidung und die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die nach § 71 Absatz 1 GBO zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Grundbuchamt hat den Eintragungsantrag zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen, dass es an der Genehmigung der „Nacherben bzw. der Ersatznacherben“ (bzw. deren Erben) fehle.
A.
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Über die Beschwerde war nach Gewährung rechtlichen Gehörs für den Nacherben, nicht aber für die Ersatznacherben oder - soweit verstorben - deren Erben zu entscheiden.
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1. Der Bundesgerichtshof hat ausgesprochen, dass ein etwaiger Mangel der Verfügungsbefugnis des Vorerben durch die Zustimmung des Nacherben geheilt werde, wobei diejenige des Primärnacherben genüge und die der Ersatznacherben nicht erforderlich sei (BGHZ 40, 115, juris-Rn. 27). Dies zugrunde gelegt kann es der Anhörung der Ersatznacherben auch dann nicht bedürfen, wenn der Vorerbe - wie hier - zur entgeltlichen Verfügung über das Grundstück berechtigt ist und nur die Frage zu klären ist, ob eine solche entgeltliche Verfügung vorliegt.
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2. Das Oberlandesgericht München (ZEV 2015, 347, Tz. 26) hat in Abgrenzung zu dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschieden, dass es der Zustimmung der Ersatznacherben bedürfe, wenn ein eingetragener Nacherbenvermerk gelöscht werden soll oder dessen Eintragung unterbleiben solle. Dem liegt indes zugrunde, dass das Grundstück bei einem bloßen Verzicht auf die Eintragung des Nacherbenvermerks im Nachlassbestand verbleibt und daher auch das Interesse der Nacherben an einer Sicherung des Rechts berührt ist. Eine dem vergleichbare Situation liegt hier aber nicht vor.
B.
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Die Eintragung des Eintragungswechsels kann von einer der Form des § 29 GBO entsprechenden Zustimmung des Nacherben nicht abhängig gemacht werden; der Beteiligte zu 1 hat zulässigerweise entgeltlich verfügt.
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1. Der befreite Vorerbe kann grundsätzlich (§§ 2113 Absatz 1, 2136 BGB) wirksam über Grundstücke verfügen. Da von der Beschränkung des § 2113 Absatz 2 BGB aber eine Befreiung nicht möglich ist, benötigt er für unentgeltliche Verfügungen die Zustimmung der Nacherben. Eine unentgeltliche Verfügung liegt vor, wenn der Vorerbe objektiv ohne gleichwertige Gegenleistung Opfer aus der Erbmasse bringt und der Vorerbe dies entweder positiv weiß oder bei ordnungsgemäßer Verwaltung der Masse hätte wissen müssen (BGH NJW 1984, 366, juris-Rn. 18).
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2. Ein Nachweis der Entgeltlichkeit als Eintragungsvoraussetzung wird regelmäßig nicht in der Form des § 29 Absatz 1 GBO geführt werden können, weshalb auch Freibeweis zugelassen wird. Die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang den allgemeinen Satz aufgestellt, dass eine entgeltliche Verfügung anzunehmen ist, wenn die dafür maßgebenden Beweggründe im Einzelnen angegeben werden, verständlich und der Wirklichkeit gerecht werdend erscheinen und begründete Zweifel an der Pflichtmäßigkeit der Handlung nicht ersichtlich sind (OLG München MDR 2014, 1384, juris-Rn. 9; Demharter, GBO, 29. Auflage, § 53, Rn. 23). Nach diesem rechtlichen Maßstab ist hier von einer entgeltlichen Verfügung auszugehen.
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a) Der Beteiligte zu 1 hat angegeben, dass der Verkauf des Grundstücks an eine ihm nicht persönlich verbundene Person erfolgt sei. Für die Unrichtigkeit dieser Angabe gibt es keine Anhaltspunkte. Insoweit kann die Erfahrungstatsache (OLG München MDR 2014, 1384, juris-Rn. 9) herangezogen werden, wonach ein Kaufvertrag mit einem unbeteiligten Dritten - also einer weder familiär noch persönlich verbundener Person - ein entgeltlicher Vertrag und keine verschleierte Schenkung ist, wenn die Gegenleistung an den Vorerben erbracht wird.
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b) Entscheidend gegen eine teilweise unentgeltliche Verfügung spricht der Umstand, dass die landwirtschaftlichen Grundstücke zu genau dem Preis verkauft worden sind, den der zuständige Gutachterausschuss der Stadt L. genannt hat. Zwar ist die Preisangabe mit dem Stand 31. Dezember 2012 versehen. Da die Auskunft aber erst am 31. Dezember 2014 erteilt worden ist, ist davon auszugehen, dass aktuellere Preise nicht festgestellt worden sind.
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c) Den Grundakten ist zu entnehmen, dass die Grundstücke 7243 und 2291 von 1987 bis 1990 mit einer Grundschuld über DM 50.000 (EUR 25.564,59) zugunsten der L. Bausparkasse belastet waren. Ob diese Grundschuld das einzige Sicherungsmittel für einen Kredit war und vor diesem Hintergrund Rückschlüsse auf den damals von der Bausparkasse angenommenen Verkehrswert der Grundstücke zulässt, ist der Grundakte indes nicht zu entnehmen.
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d) Der Umstand, dass die Grundstücke von 1999 bis 2014 mit einer Grundschuld von DM 70.000 (EUR 35.790,43) belastet waren, spricht unter den gegebenen Umständen nicht entscheidend dafür, dass ein Verkauf jetzt unter Wert erfolgt ist. Legt man die vom Grundbuchamt mitgeteilte Erfahrung zugrunde, dass der Beleihungswert einer Immobilie in den 1990er Jahren im Mittel zwischen 80% und 130% des Verkehrswerts lag, so müsste der Verkehrswert zwischen EUR 11,01 und EUR 17,90 je Quadratmeter gelegen haben, also etwa beim drei- bis fünffachen des vom Gutachterausschuss genannten Werts. Das ist gänzlich unwahrscheinlich. Deutlich näher liegt die vom Verkäufer in der Beschwerdebegründung vom 10. Juni 2015 gegebene Erklärung, dass das Grundstück damals nicht die einzige Sicherheit für den der Grundschuld zugrunde liegenden Kredit war.
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e) Soweit das Grundbuchamt im Nichtabhilfebeschluss auf eine Wertangabe im notariellen Schenkungsvertrag vom 11. Dezember 1986 verweist, ist dies kein entscheidendes Indiz für einen Unterwertverkauf. Zwar ist damals eine etwas kleinere Fläche (2.358 m2 statt wie jetzt 2.500 m2; vgl. zur Änderung die Eintragung infolge Flurbereinigung vom 3. November 1993) aufgelassen worden, wobei umgerechnet ein höherer Preis pro Quadratmeter angegeben wurde (Verkehrswert DM 18.864 geteilt durch 2.358 m2 ergibt DM 8,00 pro Quadratmeter = EUR 4,09). Diese Differenz ist trotz des Zeitablaufs nicht so hoch, dass aus ihr entscheidendes Indiz für einen Verkauf unter dem tatsächlichen Wert gewonnen werden könnte.
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f) Die Veräußerung eines Grundstücks durch den Vorerben ist zudem nur unwirksam, wenn der Verkaufspreis nicht nur objektiv zu niedrig ist, sondern der Vorerbe dies auch weiß oder bei ordnungsgemäßer Verwaltung hätte wissen müssen. Gegen eine solche Kenntnis oder eine fahrlässige Unkenntnis spricht hier schon die Auskunft des Gutachterausschusses. Die seit 1987 eingetragene Grundschuld ist bereits seit 1990 gelöscht und war daher bei Grundbuchberichtigung zugunsten des Beteiligten zu 1 im Jahre 1996 nicht mehr eingetragen; dies spricht für die Richtigkeit seiner Auskunft, dass sie ihm bei der Veräußerung nicht bekannt gewesen sei.
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3. Scheiden damit die Grundstücke durch Verkauf aus dem Nachlass aus, weil der Vorerbe wirksam über sie verfügt hat, ist der Nacherbenvermerk auch ohne Bewilligung des Nacherben zu löschen (OLG München MDR 2014, 1384, juris-Rn. 7).
III.
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1. Gerichtskosten fallen wegen des Erfolgs der Beschwerde nicht an. Da ein Beteiligter in Gegnerstellung nicht vorhanden ist - der Beteiligte zu 3 ist der Eintragung nicht entgegentreten -, kommt auch die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht in Betracht. Vor diesem Hintergrund ist auch eine Geschäftswertfestsetzung nicht veranlasst.
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2. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Absatz 2 Satz 1 GBO) liegen nicht vor. Die Grundsätze, die bei der grundbuchamtlichen Prüfung der Entgeltlichkeit der Verfügung eines Vorerben im Sinne von § 2113 Absatz 2 Satz 1 BGB zu beachten sind, sind in der Rechtsprechung geklärt.

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