Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 11 Wx 71/15

Tenor

Die Zwischenverfügung des Grundbuchamts Heidelberg vom 30. Juni 2015 wird aufgehoben.

Gründe

 
I.
Im Grundbuch von H. Nr. X. betreffend die Gebäude- und Freifläche I. und die Landwirtschaftsfläche I. in H. ist Frau S. als Eigentümerin eingetragen.
Frau S. errichtete am 26. August 2011 eine „Allgemeine und Vorsorgevollmacht sowie Betreuungsverfügung und Patientenverfügung“, in der sie die Beteiligte zu ihrer allgemeinen Bevollmächtigten einsetzte. Zu den Befugnissen der Bevollmächtigen gehören u.a. die Vollmachtgeberin in allen vermögensrechtlichen und nicht vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten, bewegliche und unbewegliche Sachen sowie Rechte zu erwerben und auf jede Art zu veräußern, in eine ärztliche Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff einzuwilligen sowie für die Vollmachtgeberin die Aufenthaltsbestimmung und Unterbringung vorzunehmen. Weiterhin ist in der Vollmacht geregelt, dass diese durch den Tod der Vollmachtgeberin nicht erlöschen soll. In der Schlussbestimmung ist weiterhin angeordnet, dass die Vollmacht und das ihr zu Grunde liegende Auftragsverhältnis auch wirksam bleiben sollen, wenn die Vollmachtgeberin geschäftsunfähig geworden sein sollte oder verstorben ist. Die Betreuungsbehörde der Stadt H. hat die Echtheit der Unterschrift von Frau S. unter der Vollmachtsurkunde beglaubigt.
Frau S. verstarb am 4. Juni 2015. Am 10. Juni 2015 verkaufte die Beteiligte handelnd als Bevollmächtigte für den Nachlass von Frau S. die das Grundbuch von H. Nr. X. betreffenden Grundstücke und bewilligte die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Käufers auf Verschaffung des Eigentums am Grundbesitz (Urkunde des Notars H. Urkundenrolle Nr. X.). Der Urkundsnotar stellte durch Schreiben vom 16. Juni 2015 - beim Grundbuchamt am 22. Juni 2015 eingegangen - gem. § 15 GBO den Antrag auf Eintragung einer Eigentumsvormerkung.
Durch Zwischenverfügung vom 30. Juni 2015 verlangte das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins auf Ableben von Frau S. sowie die Genehmigung aller Erben in der Form des § 29 GBO. Zur Begründung führte es aus, dass die Vollmacht, auf die sich die Beteiligte stütze, nicht formwirksam erteilt sei; die Beglaubigungsbefugnis der Betreuungsbehörde nach § 6 BtBG umfasse nur Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen und damit keine nach dem Tod der Vollmachtgeberin gültigen Vollmachten, da mit dem Tod der Vollmachtgeberin der Zweck einer Vorsorgevollmacht erledigt sei.
Gegen die der Beteiligten am 1. Juli 2015 zugestellte Zwischenverfügung legte diese durch Schreiben des Urkundsnotars vom 8. Juli 2015 - beim Grundbuchamt am 13. Juli 2015 eingegangen - Rechtsmittel ein. Das Grundbuchamt hat der Beschwerde durch Beschluss vom 14. Juli 2015 unter Vertiefung seiner Begründung nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die namens der Beteiligten vom Urkundsnotar gemäß § 15 GBO eingelegte Beschwerde ist nach §§ 71, 73 GBO zulässig. Die Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der angegriffenen Zwischenverfügung des Grundbuchamtes. Das vom Grundbuchamt angenommenen Eintragungshindernis gegen die beantragte Eintragung der Vormerkung besteht nicht.
1. Zutreffend stellt das Grundbuchamt nicht in Zweifel, dass eine von der Betreuungsbehörde nach § 6 BtBG beglaubigte Vorsorgevollmacht den Anforderungen des § 29 GBO genügt (OLG Dresden, Beschluss vom 4. August 2010 - 17 W 0677/10, juris Rn. 4). Durch Art. 11 des Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 6. Juli 2009 (BGBl. I S. 1696 ff.) wurde seitens des Gesetzgebers klargestellt, dass es sich bei § 6 Abs. 2 BtBG um einen Beglaubigungstatbestand handelt, der mit den Rechtswirkungen einer öffentlichen Beglaubigung ausgestattet ist (BT Drs. 16/13027 S. 8).
2. Die Bedenken des Grundbuchamts hinsichtlich des Nachweises der Vollmacht in der Form des § 29 GBO bestehen nicht, da es sich im vorliegenden Fall um eine Vorsorgevollmacht handelt.
a) § 29 GBO bestimmt, dass die Eintragungsunterlagen dem Grundbuchamt in besonderer Form nachzuweisen sind (Demharter, GBO 29. Aufl. § 29 Rn. 1). Eine Eintragung soll demnach nur vorgenommen werden, wenn die Eintragungsbewilligung oder die sonstigen zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen durch öffentliche oder durch öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Für derartige Urkunden ist erforderlich, dass die Behörde oder Urkundsperson zur Ausstellung der Urkunde sachlich zuständig ist, d.h. die Grenzen ihrer Amtsbefugnis nicht überschreitet (Demharter, GBO 29. Aufl. § 29 Rn. 33). Die Zuständigkeit nach § 6 Abs. 2 BtBG bezieht sich nur auf die öffentliche Beglaubigung von Vorsorgevollmachten oder Betreuungsverfügungen. Da somit keine allgemeine Zuständigkeit zur Beglaubigung von Unterschriften besteht, ist zu prüfen, ob die konkret verfahrensgegenständliche Vollmacht die Anforderungen an eine Vorsorgevollmacht erfüllt (Zimmer, Anmerkung zum Beschluss des OLG Naumburg vom 8. November 2013, NotBZ 2014, 237).
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b) Der Gesetzgeber verwendet den Begriff der Vorsorgevollmacht in der Überschrift des § 1901c BGB. In § 1901c Satz 2 BGB sind Vorsorgevollmachten als „Schriftstücke, in denen der Betroffene eine andere Person mit der Wahrnehmung seiner Angelegenheiten bevollmächtigt hat“ beschrieben. Diese weite Formulierung zeigt, dass die Vorsorgevollmacht eine gewöhnliche Vollmacht im Sinne von §§ 164 ff. BGB ist (vgl. Zimmermann, NJW 2014, 1573). Das Charakteristische der Vorsorgevollmacht ist ihr Anlass: Da ein Betreuer nur bestellt werden darf, soweit dies erforderlich ist (§ 1896 Absatz 2 BGB), und dies nicht der Fall ist, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden könnten, dient die Vorsorgevollmacht der Vorsorge für den Fall der Betreuungsbedürftigkeit (Zimmermann, NJW 2014, 1573). Es geht mithin um die Vermeidung einer vom Gericht angeordneten Betreuung (OLG Jena, FamRZ 2014, 1139, 1140; OLG Naumburg, FGPrax 2014, 109, 110). Da es sich nach außen meist um eine Generalvollmacht handelt, liegt die Besonderheit der Vorsorgevollmacht im Motiv ihrer Erteilung (Renner, Rpfleger 2007, 367, 368; vgl. OLG Jena, FamRZ 2014, 1139, 1140). Dennoch lässt sich an Hand charakteristischer Bestimmungen in der Vollmacht in der Regel erkennen, dass es sich um eine Vorsorgevollmacht handelt, wobei wichtige Indizien Regelungen zur Gesundheitsfürsorge und zu freiheitsentziehenden Maßnahmen sind (Spanl, Rpfleger 2007, 372).
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Dagegen begrenzt der Begriff der Vorsorgevollmacht die Vollmacht weder inhaltlich noch zeitlich. Dies belegt bereits das weite Begriffsverständnis des Gesetzgebers in § 1901c BGB. Es liegt in der Hand des Vollmachtgebers, die zeitlichen Grenzen der Bevollmächtigung und damit das Erlöschen der Vollmacht zu regeln. Daher kann eine Vorsorgevollmacht auch eine transmortale Vollmacht sein, die zu Lebzeiten und noch nach dem Tod des Vollmachtgebers gilt (Spalckhaver in Lipp, Handbuch der Vorsorgeverfügungen § 14 Rn. 209; Zimmer, ZEV 2013, 307, 310; Zimmermann, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung 2. Aufl. S. 82; vgl. OLG München, ZEV 2012, 376, 377).
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Legt wie hier der Vollmachtgeber ausdrücklich die Geltung der Vollmacht bis über den Tod hinaus fest, so will er gerade verhindern, dass aus dem Vorsorgecharakter der Vollmacht der Schluss gezogen wird, dass die Vollmacht nur für die Dauer einer Betreuungsbedürftigkeit gelten soll (Spalckhaver in Lipp, Handbuch der Vorsorgeverfügungen § 14 Rn. 211)
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c) Nach diesen Kriterien handelt es sich bei der verfahrensgegenständlichen Vollmacht um eine Vorsorgevollmacht im Sinne des § 6 Abs. 2 BtBG. Der Vorsorgecharakter der Vermeidung einer rechtlichen Betreuung wird durch die umfassenden Regelungen unter Einschluss der Befugnisse der Vollmachtnehmerin, für die Vollmachtgeberin in eine ärztliche Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff einzuwilligen sowie die Aufenthaltsbestimmung und Unterbringung vorzunehmen, dokumentiert. Dies zeigt sich auch darin, dass das zuständige Betreuungsgericht durch Beschluss vom 14. April 2014 unter Hinweis auf diese Vollmacht die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung abgelehnt hat. Liegt somit eine Vorsorgevollmacht vor, ist deren Geltung nicht durch den Tod des Vollmachtgebers zeitlich beschränkt. Die transmortale Ausgestaltung der Vollmacht steht nicht im Widerspruch zum Charakter der vorliegenden Vollmacht als Vorsorgevollmacht. Daher kann entgegen der Ansicht des Grundbuchamts nicht angenommen werden, dass eine Vorsorgevollmacht ihren Vorsorgecharakter dadurch verliert, dass sie postmortal verwendet wird.
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d) Es besteht auch im Übrigen kein Grund, die Befugnis der Betreuungsbehörden zur Unterschriftsbeglaubigung auf denjenigen Teil der Vollmacht zu beschränken, der zwingend erforderlich ist, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden. Da die Betreuungsbehörden eine Vollmacht nicht beurkunden, sondern nur die darunter gesetzte Unterschrift beglaubigen dürfen, sind sie nur zur Prüfung der Identität des Unterzeichnenden verpflichtet, nicht aber zu einer inhaltlichen Überprüfung (Jürgens/Winterstein, Betreuungsrecht 5. Auflage § 6 BtBG, Rn. 11). Eine Begrenzung der Befugnisse lässt sich deshalb nicht daraus herleiten, dass die Betreuungsbehörden zu einer Beratung über den Inhalt von über den Tod hinausgehenden Vollmachten nicht in der Lage wären.
III.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Da die Beschwerde Erfolg hat, werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben (§ 25 Abs. 1 GNotKG).

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