Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 19 W 20/21 (Wx)

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Registergericht - Mannheim vom 14.01.2021 - VR xxx - aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Registergericht - Mannheim zurückverwiesen.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller, ein eingetragener Verein, hat am 30.12.2020 seine Verschmelzung auf einen weiteren Verein (§§ 2 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 4 UmwG) im Vereinsregister angemeldet. Dabei hat er unter anderem das notarielle Protokoll einer als Videokonferenz abgehaltenen Mitgliederversammlung des Antragstellers vom selben Tag vorgelegt, in welchem die Zustimmung zu dem Verschmelzungsvertrag beschlossen wurde. Das Amtsgericht - Registergericht - hat die Anmeldung zurückgewiesen, weil die Mitgliederversammlung virtuell abgehalten wurde. Ein in einer solchen Versammlung gefasster Verschmelzungsbeschluss sei unwirksam. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.
II.
Das Rechtsmittel des Antragstellers ist zulässig. Es hat auch in der Sache Erfolg. Der Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses steht nicht entgegen, dass die Mitgliederversammlung, in der er gefasst wurde, als Videokonferenz abgehalten wurde (ebenso bereits die Senatsbeschlüsse vom 13.12.2021 - 19 W 29/21 und 19 W 30/21).
1. Der Verschmelzungsbeschluss kann nur in einer Mitgliederversammlung gefasst werden (§ 13 Abs. 1 Satz 2 UmwG) und bedarf der notariellen Beurkundung (§ 13 Abs. 3 Satz 1 UmwG). Bereits vor der Covid-19-Pandemie war in Rechtsprechung und Literatur - jedenfalls im Grundsatz - anerkannt, dass die Satzung eines Vereins es ermöglichen kann, Mitgliederversammlungen per Telekommunikation (virtuell) abzuhalten (OLG Hamm NJW 2012, 940; Staudinger/Schwennicke, BGB, Neub. 2019, § 32 Rn. 49, jeweils m.w.N.). Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschaft-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie vom 27.03.2020 (COVMG) kann der Vorstand abweichend von § 32 Abs. 1 S. 1 BGB auch ohne Ermächtigung in der Satzung ermöglichen, Mitgliederrechte im Wege elektronischer Kommunikation auszuüben. Hierdurch soll der Verein in die Lage versetzt werden, auch ohne Ermächtigung in der Satzung „virtuelle“ Mitgliederversammlungen durchzuführen (Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 19/18110, S. 30). Eine virtuelle Versammlung ist somit der Präsenzversammlung gleichgestellt; in ihr können wirksame Beschlüsse gefasst werden (MüKo-Leuschner, BGB, 8. Aufl., § 32 Rn. 22d, § 5 COVMG Rn. 6).
2. Dabei enthält das Gesetz keine Einschränkung bezüglich des Inhalts der in einer solchen Mitgliederversammlung gefassten Beschlüsse. Insbesondere kann aus § 4 des Gesetzes, der abweichend von § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG Erleichterungen für die Bilanz des übertragenden Rechtsträgers vorsieht, nicht geschlossen werden, dass die übrigen Erleichterungen des Gesetzes nicht für Umwandlungsbeschlüsse gelten sollen. Zweck des Gesetzes ist es, Unternehmen und Vereine trotz der pandemiebedingten Beschränkungen der Versammlungsfähigkeit in die Lage zu versetzen, erforderliche Beschlüsse zu fassen und handlungsfähig zu bleiben (Entwurfsbegründung, BT-Drs. 19/18110, S. 5). Durch § 4 sollen die gesetzlichen Erleichterungen für die Durchführung virtueller Versammlungen lediglich ergänzt werden (Entwurfsbegründung, a.a.O., S. 29). Für das Genossenschaftsrecht hat der Gesetzgeber dies nochmals ausdrücklich klargestellt (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 19/30516, S. 72 f.). Somit können auch umwandlungsrechtliche Beschlüsse in einer virtuellen Mitgliederversammlung gefasst werden (vgl. BGH, Beschluss vom 05.10.2021 - II ZB 7/21 - ZIP 2021, 2276, juris Rn. 13, für die Genossenschaft; allgemein Römermann/Grupe, Covid-19-Abmilderungsgesetze, § 4 COVMG Rn. 276).
Dass § 5 des Gesetzes in der Entwurfsbegründung von § 4 - anders als die Erleichterungen der §§ 1 und 3 - nicht ausdrücklich erwähnt wird, ändert daran nichts. Umstrukturierungen von Vereinen haben weniger praktische Relevanz als diejenigen der dort angesprochenen Unternehmensformen. Es besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass bei Vereinen die Fassung von Verschmelzungsbeschlüssen in einer virtuellen Mitgliederversammlung nicht ermöglicht werden soll (vgl. auch Katschinski in: Semler/Stengel/Leonard, UmwG, 5. Aufl. 2021, § 103 Rn. 3c).
3. Schließlich steht auch § 13 Abs. 1 S. 2 UmwG der Fassung eines Verschmelzungsbeschlusses in einer virtuellen Mitgliederversammlung nicht entgegen. Diese Norm, die für alle verschmelzungsfähigen Rechtsträger und damit auch für Vereine gilt, verlangt nicht, dass die Anteilsinhaber den Verschmelzungsbeschluss in einer Versammlung mit physischer Anwesenheit fassen. Die Beschlussfassung ist auch in virtueller Versammlung - etwa im Wege der Videokonferenz - möglich, wenn die konkrete Ausgestaltung der Kommunikation eine vergleichbare Teilnahme der Anteilsinhaber und Durchführung der Versammlung wie bei einer physischen Präsenzveranstaltung ermöglicht (grundlegend BGH, Beschluss vom 05.10.2021 - II ZB 7/21 - ZIP 2021, 2276, juris Rn. 16 ff. m.w.N.).
Auch das Erfordernis der notariellen Beurkundung (§ 13 Abs. 3 S. 1 UmwG) erzwingt eine Beschlussfassung bei physischer Anwesenheit in einer Präsenzversammlung nicht. Ihm wird dadurch entsprochen, dass der Notar am Aufenthaltsort des Versammlungsleiters zugegen ist, sich dort von dem ordnungsgemäßen Ablauf des Beschlussverfahrens überzeugt und anschließend die Feststellung des Beschlussergebnisses durch das zuständige Vereinsorgan beurkundet (BGH a.a.O., juris Rn. 20). Die von dem Antragsteller vorgelegte notarielle Versammlungsniederschrift vom 30.12.2020 wird diesen Anforderungen gerecht.
4. Das Verfahren wird entsprechend § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG an das Amtsgericht -Registergericht - zur abschließenden Prüfung und Entscheidung über die Anmeldung zurückverwiesen.

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