Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz (3. Senat für Bußgeldsachen) - 3 OWi 6 SsRs 298/19

Tenor

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Bingen am Rhein vom 27. Juni 2019 wird als unbegründet verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten seiner als zurückgenommen geltenden (§ 80 Abs. 4 Satz 3 OWiG) Rechtsbeschwerde zu tragen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Gründe

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Die bei einem Bußgeld von 100 € in Betracht kommenden Zulassungsgründe der Fortbildung des Rechts und der Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 OWiG) liegen nicht vor. Zur Begründung wird auf die dem Verteidiger bekannt gegebene Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 17. September 2019 Bezug genommen, der auch im Hinblick auf die Stellungnahme des Verteidigers vom 1. Oktober 2019 lediglich das Folgende hinzuzufügen ist:

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Der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts ist nicht gegeben.

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1. Zwar erweist sich das Hauptverhandlungsprotokoll des Amtsgerichts als fehlerhaft, da in ihm nicht der Tenor des verkündeten Urteils wiedergegeben, sondern zur Urteilsverkündung lediglich auf Anlage 1 zum Protokoll verwiesen wird, die diesem nachgeheftet ist und den Urteilstenor vollständig enthält. Wäre die Sitzungsniederschrift aufgrund dieses Fehlers noch nicht fertiggestellt gewesen, dann hätte das Urteil noch nicht zugestellt werden dürfen (§ 273 Abs. 4 StPO, 71 OWiG). Die dennoch erfolgte vor Fertigstellung der Sitzungsniederschrift durchgeführte Zustellung wäre unwirksam (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 1976 – 4 StR 614/76 –, BGHSt 27, 80-81). Entgegen der Auffassung des Betroffenen ist obergerichtlich jedoch bereits geklärt, dass in einem Fall wie dem vorliegenden die Verkündung des Urteilstenors zwar nicht ordnungsgemäß beurkundet, das Protokoll jedoch mit seiner Unterzeichnung durch die Urkundspersonen fertiggestellt war.

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An einer Fertigstellung des Protokolls im Sinne des § 273 Abs. 4 StPO fehlt es nicht schon deshalb, weil eine Niederschrift unrichtig oder lückenhaft ist oder sonstige formelle Mängel aufweist. Die Regelung des § 273 Abs. 4 StPO soll lediglich sicherstellen, dass der Revisionsführer mit Beginn der Revisionsbegründungsfrist das seinem Inhalt nach abgeschlossene und von den Urkundspersonen durch ihre Unterschrift genehmigte Protokoll zur fristgerechten Anbringung von Verfahrensrügen heranziehen kann. Diesen Anforderungen genügt auch ein zum Zeitpunkt der Fertigstellung lückenhaftes oder mit sonstigen Mängeln behaftetes Protokoll (GSSt 1/06, juris Rn. 64). Dies gilt, wie das Bayerische Oberlandesgericht bereits in seinem Beschluss vom 28. November 1980 entschieden hat (1 Ob OWi 548/80, juris) auch dann, wenn das Protokoll lediglich auf den in der Anlage befindlichen Urteilstenor verweist. Der Bundesgerichtshof hat sich in seinem Beschluss vom 7. Oktober 1983 (3 StR 358/83, juris) zur Frage der Fertigstellung des Protokolls zwar nicht ausdrücklich mit derselben Fallgestaltung befasst, er hat in seiner Entscheidung jedoch diejenige des Bayerischen Oberlandesgerichts zitiert; in dem Beschluss des Großen Senats für Strafsachen vom 23. April 2007 hat der Bundesgerichtshof daran festgehalten, dass eine wirksame Zustellung einzig voraussetzt, dass die Niederschrift fertiggestellt ist, selbst wenn sie sachlich oder formell fehlerhaft ist oder Lücken aufweist (GSSt a.a.O.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. Februar 2013 – 4 StR 246/12 –, juris). Der hiervon abweichenden Auffassung der OLG Karlsruhe (Beschluss vom 5. Februar 2018 - 2 Rb 9 Ss 18/18 - juris) folgt der Senat nicht (so auch OLG Koblenz, Beschluss vom 6. September 2017 - 2 OWi 4 SsBs 28/17 -; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 24. November 2017 - 1 OWi 2 Ss Bs 87/17 - juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 14. März 2019 - (1) 53 Ss 135/18 - juris; wohl auch Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 4. Juli 2013 - Ss (B) 57/13 - juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 7. April 1995 - 1 Ss 153/95 - juris; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Juni 1991 – 2 Ss OWi 577/91 –, juris).

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